TE OGH 1970/3/3 4Ob10/70

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Veröffentlicht am 03.03.1970
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Norm

ZPO §232
ZPO §233
ZPO §235

Kopf

SZ 43/56

Spruch

Unzulässigkeit einer Klagsänderung, wenn hinsichtlich des geänderten Begehrens Streitanhängigkeit vorliegt

OGH 3. März 1970, 4 Ob 10/70 (KG Wels 17 Cg 14/69; ArbG Bad Ischl Cr 65/69)

Text

Die Klägerin überreichte am 31. Dezember 1968 beim Arbeitsgericht Bad Ischl eine Klage auf Feststellung des aufrechten Bestandes des Dienstverhältnisses mit dem Beklagten. Das Erstgericht gab mit Urteil vom 26. Juni 1969 dem Klagebegehren statt. Der Beklagte erhob dagegen Berufung. In der mündlichen Berufungsverhandlung vor dem Kreisgericht Wels als Berufungsgericht in arbeitsrechtlichen Streitigkeiten änderte die Klägerin am 16. Oktober 1969 ihr Begehren auf Feststellung des aufrechten Bestandes des Dienstverhältnisses ab in ein Begehren auf Zahlung eines Betrages von 55.658.70 S s A. Sie berief sich zur Detaillierung des neuen Begehrens auf die Ansätze in der zu Cr 65/69 beim Arbeitsgericht Bad Ischl überreichten Klage. Die Klage Cr 65/69 wurde am 4. August 1969 überreicht; über sie wurde am 2. Oktober 1969 vor dem Arbeitsgericht Bad Ischl verhandelt. Dabei wurde die Unterbrechung des Verfahrens bis zur rechtskräftigen Erledigung des Verfahrens Cr 1/69 des Arbeitsgerichtes Bad Ischl beschlossen.

Der Beklagte sprach sich gegen die Zulassung der Klagsänderung wegen Streitanhängigkeit des neuen Begehrens aus. In der mündlichen Berufungsverhandlung schlüsselte die Klägerin am 18. Dezember 1969 den begehrten Betrag so auf wie in der Klage Cr 65/69 des Arbeitsgerichtes Bad Ischl. Es wurden dieselben Ansprüche geltend gemacht. Sie schränkte ihr Begehren allerdings wegen eines anderweitigen Verdienstes auf 51.787.70 S s A ein. Der Beklagte stellte die Beträge der Höhe nach außer Streit und machte für den Fall der Zulassung der Klagsänderung - Gegenforderungen geltend.

Das Berufungsgericht ließ mit Beschluß die Klagsänderung zu. Es war der Auffassung, daß im arbeitsgerichtlichen Verfahren eine Klagsänderung jedenfalls zulässig sei. Auf die Frage der Streitanhängigkeit sei vorerst nicht Bedacht zu nehmen. Darauf könne erst bei der Entscheidung über das geänderte Begehren Bedacht genommen werden. Die Streitanhängigkeit sei außerdem nicht gegeben, weil die vorliegende Klage als Feststellungsklage schon vor der Klage zu Cr 65/69 des Arbeitsgerichtes Bad Ischl eingebracht und zulässigerweise in ein Leistungsbegehren umgewandelt worden sei. Der Beschluß des KG Wels wird vom Beklagten bekämpft.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs Folge und änderte den angefochtenen Beschluß dahin ab, daß der Antrag der klagenden Partei, Klagsänderung durch Änderung des Feststellungsbegehrens in ein Begehren auf Zahlung von 51.787.70 S s A zuzulassen, zurückgewiesen wunde.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Richtig ist, daß in arbeitsrechtlichen Streitigkeiten das Verfahren vor dem Berufungsgericht nach den Vorschriften über das Verfahren vor dem Prozeßgericht erster Instanz mit den im § 25 ArbGG ausdrücklich angeordneten Abweichungen durchzuführen ist. Es ist daher auch eine Klagsänderung im arbeitsgerichtlichen Berufungsverfahren grundsätzlich möglich. Die Möglichkeit einer Klagsänderung vor dem Berufungsgericht in arbeitsrechtlichen Streitigkeiten ist aber auch nur innerhalb des Rahmens des § 235 ZPO zulässig (Fasching III 110, 124). Die Umwandlung eines Feststellungsbegehrens auf die aus dem zugrundeliegenden Rechtsverhältnis abgeleiteten Leistungen ist eine echte Klagsänderung (Fasching III 106, 111, 115). Da das geänderte Begehren der Klägerin und der Klagsgrund, auf das es gestützt ist - abgesehen von der vorgenommenen Einschränkung -, völlig gleich mit dem Begehren und dem Klagsgrund in dem zwischen denselben Parteien geführten Rechtsstreit Cr 65/69 des Arbeitsgerichtes Bad Ischl ist, stand diesem geänderten Begehren die Streitanhängigkeit entgegen. Die Streitanhängigkeit wird nämlich gemäß § 232 ZPO bereits mit Zustellung der Klage an den Beklagten bewirkt und dauert bis zur rechtskräftigen Erledigung des Rechtsstreites. Sie dauert insbesondere auch bei Unterbrechung des Verfahrens fort (Fasching III 88). Da über die zu Cr 65/69 des Arbeitsgerichtes Bad Ischl überreichte Klage bereits am 2. Oktober 1969 verhandelt worden war, muß die Zustellung der Klage an den Beklagten bereits vorher erfolgt sein (ein Nachweis über die erfolgte Zustellung ist im Akt nicht enthalten). Die Streitanhängigkeit war daher am 16. Oktober 1969, als die Klägerin zum ersten Mal die Änderung des Klagebegehrens im vorliegenden Rechtsstreit vornahm, bereits gegeben. Wegen der bestehenden Streitanhängigkeit fehlte es aber für das geänderte Begehren an einer Prozeßvoraussetzung. Das Fehlen dieser Prozeßvoraussetzung machte die Klagsänderung unzulässig (Fasching III 107). Daß die Klage im vorliegenden Prozeß bereits früher eingebracht wurde als die Klage im Rechtsstreit Cr 65/69 des Arbeitsgerichtes Bad Ischl ist unerheblich, weil die Zulässigkeit der Klagsänderung nach dem Zeitpunkt beurteilt werden muß, zu dem diese Klagsänderung vorgenommen wird. Da sie zu diesem Zeitpunkt unzulässig war, war sie in Stattgebung des Rekurses zurückzuweisen.

Anmerkung

Z43056

Schlagworte

Klagsänderung, Streitanhängigkeit, Prozeßvoraussetzung, Streitanhängigkeit bei Klagsänderung, Streitanhängigkeit, Klagsänderung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1970:0040OB00010.7.0303.000

Dokumentnummer

JJT_19700303_OGH0002_0040OB00010_7000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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