Norm
Arbeitsgerichtsgesetz §25 Abs2Kopf
SZ 43/57
Spruch
Über einen Abänderungsantrag nach § 516 ZPO hat im Fall eines im arbeitsgerichtlichen Berufungsverfahren ergangenen Beschlusses des Vorsitzenden - hier: Ablehnung eines Vertagungsantrages - der arbeitsgerichtliche Berufungssenat (mit Beisitzern) zu entscheiden; ein nur von den drei Berufsrichtern gefaßter Beschluß ist nichtig
OGH 3. März 1970, 4 Ob 11/70 (LG Innsbruck 2 Cg 36/69)
Text
Im vorliegenden Rechtsstreit beschloß das Landesgericht Innsbruck als Berufungsgericht in arbeitsgerichtliche Streitigkeiten in der Berufungsverhandlung vom 20. August 1969 die Einvernahme der Parteien. Die Tagsatzung hiefür wurde am 18. Oktober 1969 für den 4. Dezember 1969, 11 Uhr anberaumt. Am 13. November 1969, beantragte die beklagte Partei, die Tagsatzung nicht am 4. Dezember 1969 abzuhalten, sondern nach Möglichkeit auf den 19. Jänner 1970 zu verlegen: falls dies nicht möglich sei, in der Zeit vom 20. Jänner 1970 bis 23. Jänner 1970 anzuberaumen. Als Begründung wurde angeführt, der für die Parteienvernehmung der beklagten Partei in Frage kommende Adolf B sei Inhaber von zwei Sportgeschäften in G und I. Anfang Dezember sei wegen der großen Weihnachtseinkäufe an Wintersportartikeln im Geschäftszweig des Beklagten Hochsaison. Es sei für ihn daher praktisch unmöglich, am 4. Dezember 1969 zur Verhandlung nach Innsbruck zu reisen. In der Zeit vom 20. bis 23. Jänner 1970 habe er eine Geschäftsreise nach München und Tirol, womit er die Berufungsverhandlung verbinden könne.
Der Vorsitzende des arbeitsgerichtlichen Berufungssenates wies mit Beschluß vom 14. November 1969 den Vertagungsantrag mangels triftigen Gründes ab.
Gegen diese Beschlußfassung richtet sich der rechtzeitige Rekurs (ONr 17) der beklagten Partei, in welchem in erster Linie Abänderung i S einer Stattgebung des Vertagungsantrages durch den Berufungssenat beantragt wurde.
Das "Landesgericht Innsbruck als Berufungsgericht" hat - in der Besetzung von drei Berufsrichtern - mit Beschluß vom 4. Dezember 1969, ONr 19, "dem Rekurse keine Folge gegeben" und den Rekurs mit den Akten dem Obersten Gerichtshof als Rechtsmittelgericht vorgelegt.
Der Oberste Gerichtshof hob aus Anlaß des Rekurses den Beschluß, "des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes" vom 4. Dezember 1969, ONr 19, mit dem über den im Rekurse der beklagten Partei, ONr 17, enthaltenen Abänderungsantrag entschieden wurde, als nichtig auf und trug dem Landesgericht Innsbruck auf, über den von der beklagten Partei im Rekurse ONr 17 gestellten Abänderungsantrag neuerlich, unter Zuziehung der Beisitzer aus dem Kreise der Unternehmer und der Beschäftigten, als Berufungssenat in arbeitsgerichtlichen Streitigkeiten zu entscheiden.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Bei dem vorgelegten Rekurs handelt es sich um ein zulässiges Rechtsmittel. Der Vorsitzende des arbeitsgerichtlichen Berufungssenates ist bei seiner Beschlußfassung vom 14. November 1969 als Träger der Entscheidungsgewalt des Senates tätig geworden. Es handelt sich um einen im Zuge der neuerlichen Verhandlung (§ 25 Abs 1 Z 3 ArbGG) im arbeitsgerichtlichen Berufungsverfahren ergangenen Beschluß, es steht daher jedenfalls § 519 ZPO dem Rechtsmittel nicht entgegen (Arb 7153, 7267, 8028, 8279, 8260, 4 Ob 55/68).
Da der Beschluß vom Vorsitzenden des arbeitsgerichtlichen Berufungssenates nicht etwa in Ausübung einer ihm vom Gesetz für bestimmte Agenden übertragenen selbständigen Entscheidungsgewalt (so etwa §§ 237 Abs 3, 239, 386 Abs 2, 398 Abs 1, 414 Abs 2, 484 Abs 3 Z PO, § 37 Abs 2 GOG) gehandelt hat, ist seine Beschlußfassung, mit der er die Erstreckung der Tagsatzung verweigerte (§§ 140 Abs 2, 141 ZPO), nach den Vorschriften der §§ 514, 516 ZPO mit Rekurs bekämpfbar. § 522 ZPO, auf den der Rekurswerber in seinem Rechtsmittel Bezug genommen hat, greift hier nicht Platz, da diese Bestimmung den devolutiven Charakter des Rekurses insoweit lockert, als er in bestimmten Fällen - dem Richter, dessen Beschluß angefochten wird, selbstgestattet, dem Rekurs stattzugeben, während nach § 516 ZPO im Senatsprozeß zur Überprüfung des angefochtenen Beschlusses eines einzelnen Richters der erkennende Senat gleicher Instanz berufen ist. Eine Entscheidung in diesem Sinne ist offenbar dem Berufungsgericht bei seiner Beschlußfassung vom 4. Dezember 1969 auch vorgeschwebt, mag es sich auch auf § 522 ZPO bezogen haben. Als erkennender Senat bei Entscheidung über den Abänderungsantrag konnte aber nur der arbeitsgerichtliche Berufungssenat in der Besetzung in Frage kommen, die für die Durchführung einer Berufungsverhandlung vor dem Berufungsgericht in arbeitsgerichtlichen Streitigkeiten gesetzlich vorgesehen ist, d h also unter Beiziehung der Laienbeisitzer. Die Beschlußfassung vom 4. Dezember 1969 ist demnach nichtig und es war daher die Vorlage des zulässigen Rechtsmittels zum Anlaß zu nehmen, diese Beschlußfassung zu beheben.
Im konkreten Fall wurde nicht etwa übersehen, den Rekurs zunächst dem Senate vorzulegen, noch wurde etwa vom Rechtsmittelwerber unterlassen, die Abänderung des bekämpften Beschlusses beim Gerichtshof zu beantragen (§ 516 letzter Satz ZPO). Es kann somit auch nicht die nichtige Beschlußfassung des Berufungsgerichtes übergegangen und (SZ 26/243) - als läge keine Entscheidung des Senates vor - über den vorgelegten Rekurs vom Obersten Gerichtshof als Rechtsmittelgericht bereits jetzt entschieden werden.
Anmerkung
Z43057Schlagworte
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ECLI:AT:OGH0002:1970:0040OB00011.7.0303.000Dokumentnummer
JJT_19700303_OGH0002_0040OB00011_7000000_000