TE OGH 1970/3/17 8Ob60/70

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Veröffentlicht am 17.03.1970
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Norm

ABGB §901

Kopf

SZ 43/63

Spruch

Zur Anfechtung von Verträgen wegen Wegfalles der Geschäftsgrundlage infolge Gesetzesänderung

OGH 17. März 1970, 8 Ob 60/70 (OLG Graz 4 a R 127/69; LG Klagenfurt 24 Cg 18/69)

Text

Mit Schreiben vom 19. November 1962 machte der Kläger der beklagten Partei das von dieser angenommene rechtsverbindliche Angebot, derzeit mit 11.520/1.188.909 angenommene Miteigentumsanteile an der Liegenschaft EZ 810 KG St M, mit denen gleichzeitig das Wohnungseigentum im Block b, Wohnungs-Nr 27, des laut eingesehenen Bauplanes zu errichtenden Wohnhauses mit einer Fläche von 115.20 m2 verbunden sei, zu kaufen und zu übernehmen. Er nahm zur Kenntnis, daß die Errichtung der Wohnhausanlage aus Mitteln des Wohnhauswiederaufbaufonds erfolgen sollte, wobei ihm die gesetzlichen Bestimmungen des Wohnhauswiederaufbaugesetzes, BGBl 1948/130, in der derzeit geltenden Fassung samt den dazugehörigen Durchführungsgesetzen, insbesondere auch die Bestimmungen des Durchführungserlasses 1960 sowie die sonstigen einschlägigen Bestimmungen bekannt seien, daß die beklagte Partei keine Haftung für eine allfällige Gesetzesänderung, bzw Änderung der Durchführungsbestimmungen übernehme und daß die monatlichen Rückzahlungsquoten an den Wohnhauswiederaufbaufonds bei gleichbleibenden Gesetzeslage zirka 3 bis 4 S pro Quadratmeter Wohnraum betragen würden.

Mit Kaufverträgen vom 28. April bzw 28. September 1964 erwarb der Kläger jeweils 644/74.630 Anteile an den Liegenschaften EZ 810 und 829 KG St M von der beklagten Partei und 644/74.630 Anteile der Liegenschaft. EZ 823 KG St M, die sodann der Liegenschaft EZ 810 KG St M zugeschieben wurde, von Alfred S, wofür er an die beklagte Partei insgesamt 42.168 S bezahlte. Der Kaufvertrag über die Liegenschaft EZ 823 KG St M wurde zwar formell mit Alfred S abgeschlossen, der Kaufpreis an diesen aber von der beklagten Partei berichtigt, die wiederum den Kaufpreis vom Kläger erhielt, was dem Parteiwillen auf Vertragsabschluß zwischen den Streitteilen entsprach.

In den Kaufverträgen wurde festgehalten, daß der Kläger die Liegenschaftsanteile zu dem Zwecke erwirbt, mit allen übrigen Miteigentümern dieser Liegenschaften den Wiederaufbau im Sinne des Wohnhauswiederaufbaugesetzes, BGBl 1948/130 durchzuführen und Wohnungseigentum im Sinne des Wohnungseigentumsgesetzes, BGBl 1948/149 beide Gesetze in der derzeitigen Fassung zu begrunden. Der Kläger verpflichtete sich, eine auf die beklagte Partei lautenden Spezialvollmacht zur Beschaffung eines Wohnhauswiederaufbaudarlehens zu erteilen, und nahm zur Kenntnis, daß die beklagte Partei bereits einen Antrag auf Genehmigung eines Fondsdarlehens gestellt hatte. Er nahm weiter zur Kenntnis, daß mit den kaufgegenständlichen Miteigentumsanteilen das Wohnungseigentum am Hochhaus Wohnung Nr 27 im Ausmaß von 119.27 m2 laut dem eingesehenen Bauplan verbunden sein werde; die Errichtung des Übereinkommens über das Wohnungseigentum blieb einem späteren Zeitpunkt nach Gewährung des Fondsdarlehens vorbehalten. Mit dem Abschluß des Kaufvertrages wurden sämtliche zwischen den Vertragsparteien bisher getroffenen Vereinbarungen gegenstandslos. Die Kaufverträge über die EZ 810 und 823 KG St M wurden bereits grundbücherlich durchgeführt, der Kaufvertrag über die EZ 829 KG St M noch nicht.

Der Kläger, der für seine Ehefrau und ein Kind zu sorgen hat, verdient monatlich, einschließlich Zulagen und Beihilfen, 6313 S. Die Gesamtbaukosten der vom Kläger gekauften Wohnung würden etwa 480.000 S betragen. Nach dem nunmehr geltenden Wohnbauförderungsgesetz 1968, BGBl 1967/280, könnte der Kläger damit rechnen, für 75% dieser Summe ein Wohnbauförderungsdarlehen zu erlangen, das in monatlichen Raten von 600 S zurückgezahlt werden müßte. Für 72.000 S müßte er einen mit 6.5% jährlich zu verzinsenden Kredit mit einer Laufzeit von 17 Jahren aufnehmen und daher während dieser Zeit noch weitere 576 S monatlich, insgesamt also 1176 S monatlich, bezahlen. Er müßte darüber hinaus weitere 48.000 S an Eigenmitteln aufbringen.

Der Kläger begehrte das Urteil, daß die mit der beklagten Partei abgeschlossenen und teilweise verbücherten Verträge unwirksam seien und die beklagte Partei schuldig sei, ihm den Betrag von 42.168S samt 4% Zinsen ab dem Klagszustellungstage zu bezahlen. Da im Hinblick auf die Änderung der Gesetzeslage durch das Wohnbauförderungsgesetz 1968 der geplante Wiederaufbau nicht mehr zu den vertraglich vereinbarten Bedingungen möglich sei, sei das gesamte Rechtsgeschäft unwirksam. Der Kläger sei ohne Gefährdung seiner wirtschaftlichen Existenz nicht in der Lage, die höheren Leistungen nach dem Wohnbauförderungsgesetz zu erbringen, da er in Unkenntnis der eintretenden Veränderungen auch andere finanzielle Verpflichtungen eingegangen sei.

Die beklagte Partei wendete dagegen ein, daß ihr die eingetretene Gesetzesänderung nicht angelastet werden dürfe, zumal der Kläger bereits die Anteile grundbücherlich erworben habe. Eine Gesetzesänderung sei in den bürgerlichen Rechtsvorschriften nicht als Grund für eine Aufhebung oder Unwirksamerklärung von Verträgen vorgesehen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Auf die Vereinbarung, womit die Einräumung von Wohnungseigentum an physischen Teilen einer Liegenschaft versprochen wird, seien die Grundsätze des § 936 ABGB und die clausula rebus sic stantibus anzuwenden. Die Streitteile seien beim Abschluß der zum Zwecke der Errichtung von Wohnungseigentum getroffenen Vereinbarung von unrichtigen Voraussetzungen über die Finanzierungsmöglichkeiten ausgegangen. Die einen einheitlichen Vertrag darstellenden Vereinbarungen hätten daher als aufgelöst zu gelten.

Das Berufungsgericht bestätigte die erstgerichtliche Entscheidung und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden hat, 15.000 S übersteigt. Die Parteien seien bei Abschluß der Verträge ausdrücklich von der zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses geltenden Fassung des Wohnhauswiederaufbaugesetzes ausgegangen. Sie hätten bei dem Vertragsabschluß die Anwendung des Wohnhauswiederaufbaugesetzes als Geschäftsvoraussetzung ausdrücklich unterstellt und zur Bedingung gemacht. Der Wegfall der Möglichkeit des Wiederaufbaues zu den Bedingungen des Wohnhauswiederaufbaugesetzes infolge der für den Kläger ungünstigen Änderung der Rechtslage durch das Wohnbauförderungsgesetz 1968 führe zur Hinfälligkeit der bereits geschlossenen Verträge, einschließlich des noch zu schließenden Wohnungseigentumsvertrages. Zu keinem anderen Ergebnis komme man bei Anwendung der Umstandsklausel, da eine wesentliche Änderung der als dauernd vorausgesetzten Sachlage eingetreten sei. Ob die Leistung, die der Kläger nunmehr erbringen müßte, unerschwinglich sei, sei gleichgültig.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Der Oberste Gerichtshof hat bereits mehrfach ausgesprochen, daß Verträge über den Erwerb eines dem § 2 WEG entsprechenden Miteigentumsanteils an einer Liegenschaft und über die gleichzeitige Einräumung des Wohnungseigentums eine Einheit bilden (EvBl 1968/400, MietSlg 19479, 17708 u a). Die Untergerichte haben richtig erkannt, daß diese Einheit auch dann gegeben ist, wenn, wie im vorliegenden Falle, zunächst nur ein Kaufvertrag über den Miteigentumsanteil abgeschlossen und die Begründung des Wohnungseigentums schriftlich erst einem späteren Vertrag vorbehalten wurde, aber gleichzeitig aus dem abgeschlossenen Vertrag hervorgeht, daß sein Zweck nur die Begründung von Wohnungseigentum an einem erst herzustellenden Eigentumswohnung ist. In einem solchen Falle ist der Erwerb des Miteigentums zwar Voraussetzung (§ 2 WEG), aber nicht Hauptsache des Vertrags. Die Revision hat gegen diese Auffassung auch nichts mehr vorzubringen.

Grundsätzlich erfordert es die Vertragstreue, daß jeder Vertragsteil die von ihm übernommenen Verpflichtungen erfüllt und das Risiko eines Fehlschlagens seiner Erwartungen tragen muß (Larenz in NJW 1952, 361 bei Anm 2, Steinwenter in JBl 1950, 199). Die Auslegung eines Vertrages nach den für jeden Vertragsteil geltenden Grundsätzen von Treu und Glauben (das ist nach der Übung des redlichen Verkehrs im Sinne des § 914 ABGB: Gschnitzer in Klangs Komm[2] zu § 914 ABGB nach Anm 92 IV/1, 407) führt aber auch dazu, daß der Vertrag gelöst werden darf, wenn im Festhalten am Vertrag, im Beharren auf Verpflichtungen, deren Erfüllung dem Schuldner nicht mehr zumutbar ist, geradezu ein Verstoß gegen diese Grundsätze erblickt werden muß (Steinwenter, JBl 1950, 252). Dieses Recht muß einem Vertragspartner insbesondere dann eingeräumt werden, wenn die objektive Geschäftsgrundlage fortgefallen ist, also der im Vertragsinhalt zum Ausdruck gelangte, von beiden Teilen anerkannte wesentliche Vertragszweck (Endzweck im Sinne des § 901 ABGB) - auch ohne daß die Leistung als solche unmöglich geworden wäre - nicht nur zeitweilig unerreichbar geworden ist (Larenz Geschäftsgrundlage und Vertragserfüllung 91, 96, 104, 185); wesentlicher Vertragszweck kann hiebei auch die Höhe der zu erbringenden Gegenleistung sein (Larenz Geschäftsgrundlage und Vertragserfüllung, 107; Siebert - Knopp in Soergel - Siebert[10] zu § 242 BGB Anm 395 Schuldrecht I 111). Grundsätzlich kann sich allerdings niemand darauf berufen, daß durch eine Änderung der Gesetzgebung die ursprüngliche Geschäftsgrundlage weggefallen sei oder sich verschoben habe, da die Änderung der Gesetzgebung denjenigen zu treffen hat, in dessen Rechte sie eingreift. Das gilt aber nicht, wenn der Bestand eines Gesetzes oder eine Rechtslage offensichtlich zur Geschäftsgrundlage gemacht wurde (Weber in Staudingers Komm[11] zu § 242 BGB Anm C 274 II 1 b 736) oder gar ein Rechtsverhältnis auf einem bestimmten Gesetz aufbaute (Weber zu § 242 BGB Anm E 607, 1205 f; vergl hiezu auch RZ 1968, 94 und Gschnitzer in Klang[2] zu § 901 ABGB IV/1 339 bei Anm 107).

Im vorliegenden Falle hatten die Parteien ausdrücklich als Vertragszweck angegeben, daß der Kläger mit allen übrigen Miteigentümern der gekauften Liegenschaften den Wiederaufbau im Sinne des Wohnhauswiederaufbaugesetzes durchführen und Wohnungseigentum im Sinne des Wohnungseigentumsgesetzes begrunden wolle. Die Verträge bauten also auf Geltung der beiden Gesetze in der im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses geltenden Fassung auf. Hiebei war insbesondere die Weitergeltung des Wohnhauswiederaufbaugesetzes wesentlich, weil sich der Kläger nur verpflichtete, der beklagten Partei Vollmacht zur Beschaffung eines Wohnhauswiederaufbaudarlehens zu erteilen. Gemäß § 36 Abs. 1 Wohnbauförderungsgesetz 1968, BGBl 1967/280, ist nun das Wohnhauswiederaufbaugesetz in seinem die Gewährung von Wohnhauswiederaufbaudarlehen ermöglichenden Bestimmungen mit 1. Jänner 1968 außer Kraft getreten. Die beklagte Partei hat es unbestritten gelassen, daß die Gewährung eines Darlehens nach dem Wohnhauswiederaufbaugesetz bis 1. Jänner 1968 nicht erfolgt ist, so daß der Bau des Hauses, in dem der Kläger eine Eigentumswohnung erhalten sollte, nicht mehr durch ein Darlehen des Wohnhauswiederaufbaufonds, sondern allenfalls nur durch ein solches nach dem Wohnbauförderungsgesetz 1968 finanziert werden kann. Die Bedingungen, unter denen der Bau nach dem Wohnbauförderungsgesetz 1968 finanziert werden kann, sind, wie sich bereits aus dem Vergleich der beiden Gesetze ergibt, wie aber auch von der beklagten Partei zugegeben wird, wesentlich ungünstiger als die bei Gewährung eines Darlehens durch den Wohnhauswiederaufbaufonds nach der Gesetzeslage des Jahres 1964 gewesen wären. Der Endzweck des Vertrages, den Bau unter den besonders günstigen Bedingungen des Wohnhauswiederaufbaugesetzes durchzuführen, ist damit unerreichbar geworden.

Die Revision weist allerdings richtig darauf hin, daß sich eine Partei auf eine Änderung der Sachlage, deren Fortdauer eine typische Voraussetzung des Geschäftes bildet, nicht berufen kann, wenn die Änderung keine unvorhersehbare ist, wenn also mit der Möglichkeit einer Änderung gerechnet werden mußte; wer angesichts einer solchen Möglichkeit vorbehaltlos ein Geschäft schließt, trägt das Risiko des Wegfalls der Geschäftsgrundlage (Gschnitzer in Klang[2] IV/1, 339 bei Anm 115). Im vorliegenden Falle wurde das Geschäft aber nicht vorbehaltlos geschlossen, sondern als Zweck des Vertrages angegeben, den Wiederaufbau im Sinne des Wohnhauswiederaufbaugesetzes in der damals geltenden ("derzeitigen") Fassung durchzuführen; auch wurde die beklagte Partei nur bevollmächtigt, ein Wohnhauswiederaufbaudarlehen zu beschaffen. Der im Vertrag vorgesehene Wiederaufbau sollte also nur mit Mitteln des Wohnhauswiederaufbaufonds, wie sie nach der damaligen Gesetzeslage bereitgestellt werden konnten, durchgeführt werden. Der Kläger mußte nach dem Vertragstext aber keineswegs bereit sein, das Risiko einer Kostenverteuerung infolge Gesetzesänderung auf sich zu nehmen. Es kann ihm und auch der beklagten Partei nicht unterstellt werden, daß sie eine wesentliche Änderung oder gar Aufhebung des Wohnhauswiederaufbaugesetzes in seinen eine Darlehensgewährung ermöglichenden Teilen voraussahen. Damit mußte der Vertrag aber nur so lange aufrecht bleiben, als keine solche Gesetzesänderung eintrat. Die Revision kann sich zum Beweis des Gegenteils nicht auf das Anbot vom 19. November 1962 berufen; dieses wurde nämlich mit dem Abschluß der Kaufverträge, wie dies in ihnen ausdrücklich festgehalten wurde, gegenstandslos. Aber selbst aus dem Inhalt des Anbots vom 19. November 1962, in dem nur eine Haftung der beklagten Partei für Gesetzesänderungen ausgeschlossen wurde, könnte die beklagte Partei nicht wesentliches für ihren Rechtsstandpunkt ableiten.

Richtig zitiert die Revision Gschnitzer in Klang[2] zu § 901 ABGB IV/1, 341 lit c, wo er lehrt, daß der Schuldner von der Verbindlichkeit zur Bewirkung der versprochenen Leistung durch eine unerwartete Steigerung der Anschaffungs- und Herstellungspreise nur dann befreit wird, wenn diese Steigerung ein bestimmtes Ausmaß überschreitet. Der Autor hat hiebei aber nur eine Steigerung der Preise ohne Änderung der Geschäftsgrundlage im Auge; diese Steigerung muß der Schuldner hinnehmen, wenn die Vertragserfüllung unter diesen Umständen keine erhebliche Verschlechterung seiner wirtschaftlichen Existenz zur Folge hätte (Pisko - Gschnitzer in Klangs Komm[2] zu § 1447 ABGB bei Anm 36 VI 544). Darum geht es im vorliegenden Falle aber nicht. In diesem war nämlich, wie bereits mehrfach erwähnt, die Möglichkeit der Beschaffung eines Darlehens des Wohnhauswiederaufbaufonds nach der damaligen Gesetzeslage Geschäftsgrundlage. Es muß nicht erörtert werden, ob der Kläger bei dieser für ihn sehr günstigen noch dazu von der beklagten Partei vorgenommenen (§ 915 ABGB) Formulierung des Vertragszweckes überhaupt eine Erhöhung des Darlehens und damit der Rückzahlungsraten wegen Steigerung der Baukosten und die Änderung des Wohnhauswiederaufbaugesetzes durch die Novelle vom 25. Jänner 1967, BGBl 1967/54, die eine Leistung von Eigenmitteln von mindestens 10% und eine Kürzung der Darlehensrückzahlungsdauer auf 50 Jahre vorsah, hinnehmen hätte müssen. Der Kläger ist jedenfalls nicht mehr verpflichtet, die Verträge noch aufrecht zu erhalten, obwohl das Gesetz, auf dem sie aufbauten, in den für die Darlehensgewährung maßgeblichen Teilen außer Kraft getreten ist. In einem solchen Falle kommt es nicht mehr darauf an, ob für den Kläger die nach der neuen Gesetzeslage zu erbringenden Mehrleistungen erschwinglich sind, sondern nur darauf, ob sie nur unerheblich und ihm daher zumutbar sind (Steinwenter JBl 1950, 252, Weber zu § 242 BGB Anm E 377, 1123, Siebert - Knopp zu § 242 BGB Anm 259, 75, Nastelski, BGB - RGRK[11] Anm 70 zu § 242 BGB I/2, 786). Es ist dem Kläger aber nicht zumutbar, nunmehr auch dem Bau zuzustimmen, obwohl die Barleistungen mehr als zu verdoppeln und die Rückzahlungsverpflichtungen durch 17 Jahre fast zu verdreifachen wären. Er konnte und durfte sich vielmehr, als er sich entschloß, den Vertrag mit der beklagten Partei abzuschließen, nach dem ausdrücklich festgehaltenen Vertragszweck darauf verlassen, daß ihn die Wohnung nicht wesentlich mehr kosten würde, als er es sich nach den damals geltenden Bestimmungen des Wohnhauswiederaufbaugesetzes errechnen konnte. Es ist nicht einzusehen, warum, wie die Revision meint, die Frage, ob der Kläger zurücktreten kann, strenger beurteilt werden soll, weil mit den übrigen Miteigentümern Wohnungseigentum begrundet werden sollte. Die von der Revision erwogene Aufhebung der Miteigentumsgemeinschaft käme nur in Betracht, wenn der Vertrag nicht durch Rücktritt aufgelöst werden könnte.

Die Revision hält das Feststellungsbegehren für unberechtigt, weil der Kläger kein rechtliches Interesse daran behauptet habe. Nach ständiger Rechtsprechung muß aber ein rechtliches Interesse nicht nachgewiesen werden, wenn die Aufhebung eines Vertrages wegen Fortfalls der Geschäftsgrundlage verlangt wird, weil es sich hiebei nicht um ein nach § 228 ZPO zu beurteilendes Feststellungsbegehren handelt. Ein solches Begehren gilt vielmehr als Rechtsgestaltungsklage (SZ 27/158) oder als sogenannte materiellrechtliche Feststellungsklage (SZ 38/57; Fasching Komm zu den ZP-Gesetzen Anm 12 zu § 228 ZPO III 54). Das rechtliche Interesse des Klägers ergäbe sich im übrigen schon daraus, daß sich die beklagte Partei keineswegs nur weigert, die vom Kläger bezahlten Beträge herauszugeben, sondern auch die weitere Wirksamkeit der mit dem Kläger geschlossenen Verträge behauptet und daraus Ansprüche gegen den Kläger, wie die auf Abgabe der für eine Finanzierung des Baues nach dem Wohnbauförderungsgesetz 1968 erforderlichen Erklärungen und auf zusätzliche Leistungen, abzuleiten gewillt ist. Gegen den Wortlaut des Klagebegehrens bestehen keine Bedenken.

Gegen das Leistungsbegehren wendet die Revision noch ein, daß die beklagte Partei nur Zug um Zug gegen Rückgabe der dem Kläger übertragenen Miteigentumsanteile verurteilt werden dürfe. Eine solche Einrede wurde von der beklagten Partei vor dem Erstgericht nicht erhoben. Auf eine Verpflichtung zur Zug-um-Zug-Leistung ist aber von Arats wegen nicht Bedacht zu nehmen (vgl SZ 39/209, JBl 1966, 35 u a; Fasching zu § 226 ZPO, III, Anm 3 und 5, S 28 und 35 unten). Die Erhebung der Einrede im Rechtsmittelverfahren verstößt daher gegen das Neuerungsverbot. Der Kläger hat sich darüber hinaus ohnehin ausdrücklich bereit erklärt, der beklagten Partei die Miteigentumsanteile rückzuübertragen (S 7).

Letztlich versucht die Revision noch darzulegen, daß der Kläger nicht berechtigt sei, von der beklagten Partei auch die 3000 S zurückzuverlangen, die nach dem Kaufvertrag über die EZ 823 KG St M an Alfred S zu bezahlen waren; sie übersieht hiebei aber, daß im Verfahren erster Instanz unbestritten war, daß der Kaufvertrag mit Alfred S nur "zur Erleichterung der grundbücherlichen Durchführung" abgeschlossen worden war, der wirkliche Verkäufer aber die beklagte Partei war, der der Kaufpreis auch vom Kläger ausbezahlt wurde. Er kann ihn daher auch von der beklagten Partei zurückverlagen.

Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.

Anmerkung

Z43063

Schlagworte

Geschäftsgrundlage, Wegfall der -, Gesetzesänderung, Gesetzesänderung, Wegfall der Geschäftsgrundlage, Wegfall der Geschäftsgrundlage, Gesetzesänderung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1970:0080OB00060.7.0317.000

Dokumentnummer

JJT_19700317_OGH0002_0080OB00060_7000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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