Norm
Allgemeines Sozialversicherungsgesetz §35Kopf
SZ 43/71
Spruch
Durch die Tätigkeit einer Haushaltshelferin des Landes wird ein sogenanntes Arbeitsleihverhältnis begrundet
OGH 9. April 1970, 2 Ob 34/70 (OLG Graz 4 b R 95/69; LG Klagenfurt 20 Cg 54/69)
Text
Die Haushaltshelferin Josefa P wurde am 11. September 1967 als Mitfahrerin auf dem Motorrad des Beklagten verletzt, als dieses infolge Reißens des Handbremsseiles umstürzte.
Die Klägerin, bei der Josefa P sozialversichert war, begehrte als Legalzessionarin vom Beklagten unter Hinweis auf dessen Halterhaftung den Ersatz ihrer an die Verletzte erbrachten Leistungen im Rahmen des Deckungsfonds.
Der Beklagte wendete Haftungsausschuß nach § 3 EKHG und § 333 ASVG ein.
Das Erstgericht erkannte gemäß dem Klagebegehren.
Das Berufungsgericht wies dieses in Abänderung des Ersturteils ab.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Dem angefochtenen Urteil liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Josefa P war zur Unfallszeit Dienstnehmerin des Landes Kärnten und vom Bezirksjugendamt S beim Beklagten als Haushaltshelferin eingesetzt. An Weisungen des Beklagten und seiner Gattin war sie nicht gebunden, wenngleich sie sich dem Hausbrauch anpaßte. Sie wurde durch ihre Dienstbehörde entlohnt, der Beklagte hatte einen Beitrag von 20 S täglich an die Bezirkshauptmannschaft S zu leisten und außerdem Kost und Unterkunft beizustellen. Die Landwirtschaft des Beklagten ist zwei Gehstunden von der nächsten Autobushaltestelle entfernt. Weil Josefa P zu Beginn der ersten Arbeitswoche bereits ermüdet von dieser Haltestelle ankam, vereinbarte sie mit dem Beklagten, daß er sie am folgenden Montag dort abholen werde. Der Unfall ereignete sich während der Fahrt zur Landwirtschaft des Beklagten.
Die Haushaltshilfe in Kärnten ist eine Einrichtung des Landes mit der Aufgabe, Notstände in Familien überbrücken zu helfen, beispielsweise Erkrankungen, Wochenbett der Mutter u ä. Der Einsatz der Haushaltshelferin erfolgt durch die Bezirkshauptmannschaften. Die Dienstzeit beträgt 57 Wochenstunden, davon je 101/2 an den ersten fünf Wochentagen und 41/2 am Samstag. Diese Dienstzeit ist für die Haushaltshelferin verpflichtend und darf nur aus zwingenden Gründen nach vorheriger Rücksprache mit der Bezirkshauptmannschaft, Jugendamt, überschritten werden. Die Haushaltshelferin soll arbeitsmäßig die erkrankte Hausfrau ersetzen, sie hat daher den Haushalt ordnungsgemäß zu führen, Kinder und Erwachsene zu versorgen, ist jedoch nur für die laufenden Arbeiten zuständig. Der Helferin steht es nicht zu, mit der Familie, bei der sie arbeitet, über Arbeitsdauer und Entgelt für den Helferinnendienst zu verhandeln. Dies ist ausschließlich Sache der Bezirkshauptmannschaft, Jugendamt.
Rechtlich billigte das Berufungsgericht die Ansicht der ersten Instanz, daß das Interesse des Beklagten an der Beförderung der Josefa P überwiegend, zumindest aber gleichteilig gewesen und daher ein Haftungsausschluß nach § 3 EKHG nicht gegeben sei. Ein solcher bestehe auch nach § 9 EKHG nicht, weil der Unfall auf das Versagen der Verrichtungen des Fahrzeuges zurückgehe.
Der Unfall sei jedoch - nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin - als Arbeits(Weg)unfall im Sinn des § 175 ASVG anzusehen. Es liege ein sogenanntes Arbeitsleihverhältnis vor, bei dem die "entliehene" Dienstnehmerin Josefa P im Unternehmen des Beklagten Dienste nach Art eines Arbeitsverhältnisses geleistet habe. Mangels vorsätzlicher Schädigung sei der Beklagte als Repräsentant des "Stammunternehmers" gemäß § 333 ASVG haftungsfrei. Die Rückausnahmebestimmung des § 333 Abs 3 ASVG komme mangels Teilnahme der Versicherten am allgemeinen Verkehr nicht zur Anwendung, weil Josefa P mit dem Motorrad des Beklagten befördert worden sei, um den Arbeitsplatz leichter und rascher zu erreichen. Ein Rechtsübergang nach § 332 ASVG habe bei diesen Umständen nicht stattfinden können.
Die Revision macht geltend, daß das Berufungsgericht zur Begründung seiner Rechtsansicht zu Unrecht auf die Entscheidungen EvBl 1957/363 und SZ 26/126 verwiesen habe. Anders als in dem hier zu entscheidenden Fall habe es sich dort darum gehandelt, daß ein Unternehmer zur Durchführung eines bestimmten Auftrages die Hilfe eines anderen Unternehmers benötigte, die in der Beistellung von Arbeitskräften zum Ausdruck kam. In beiden angeführten Fällen sei der angestrebte gemeinsame Zweck und das Weisungsrecht des "entlehnenden" Unternehmers gegenüber dem "entliehenen" Dienstnehmer maßgeblich gewesen. All das fehle hier. Der Beklagte betreibe überhaupt kein Unternehmen. Josefa P sei überdies nicht in der Landwirtschaft, sondern im Haushalt tätig gewesen, der kein Unternehmen darstelle. Wer eine erkrankte Hausfrau ersetzen solle, sei nicht auf dem Weg eines Arbeitsverhältnisses in das Unternehmen des Haushaltungsvorstandes eingegliedert. Gegen die Annahme eines Arbeitsleihverhältnisses spreche auch die Unangemessenheit des vom Beklagten an das Land Kärnten geleisteten Entgelts. Die soziale Einrichtung der Haushaltshelferinnen unterliege nicht arbeitsrechtlichen Richtlinien.
Dieses Vorbringen ist nicht stichhältig. Die von Amts wegen zu prüfende Frage der Zuständigkeit des Arbeitsgerichtes ist zu verneinen, weil Josefa P nicht Dienstnehmerin des Beklagten, sondern des Landes Kärnten war.
Nach der Natur des einer Haushaltshelferin zukommenden Aufgabenkreises kommt die Ausübung des Dienstes im Betrieb des Dienstgebers überhaupt nicht in Betracht. Vielmehr ist es für diese Dienstleistungen geradezu essentiell, daß sich die Tätigkeit in einem anderen Betrieb (Unternehmen) abspielt. Dies ist jedoch kein Grund, die Annahme eines Arbeiterleihverhältnisses, dessen Wesen darin besteht, daß eine organisatorische und betriebliche Unterstellung und Eingliederung eines Dienstnehmers in den Betrieb eines fremden Dienstgebers stattfindet (vgl Schwind in der Besprechung der Entscheidung 4 Ob 19/66 in ZAS 1967, 16) im vorliegenden Fall abzulehnen, sofern die übrigen von der Rechtsprechung für ein solches geforderten Voraussetzungen gegeben sind. Zu diesen gehört es jedenfalls nicht, daß "Stammdienstgeber" und "Entleiher" einen gemeinsamen Zweck in dem von der Revision vermeinten Sinn anstreben. Andernfalls wäre es nicht möglich, ein Arbeiterleihverhältnis in den Fällen der sogenannten Nachbarschaftshilfe - häufigster Fall: der Dienstnehmer eines Landwirtes beteiligt sich als Hilfskraft an Arbeiten bei einem anderen Landwirt (vgl z B Arb 6050) - anzunehmen. Aber auch einem Weisungsrecht des "Entleihers" kann hier keine entscheidende Bedeutung zukommen. Der Aufgabenbereich einer Haushaltshelferin steht schon von vornherein nach Art und Umfang im wesentlichen fest. Daß dabei das Einvernehmen mit dem Haushaltungsvorstand gepflogen und etwa die Reihenfolge der Arbeiten mit der Hausfrau besprochen wird, versteht sich von selbst. Die Ansicht, ein landwirtschaftlicher Betrieb sei kein Unternehmen, steht mit dem Gesetz (vgl § 35 ASVG) und der Rechtsprechung nicht im Einklang. Nach dieser ist ein Bauerngut unabhängig von seiner Größe eine der Erzeugung landwirtschaftlicher Produkte und deren Verwertung dienende Einrichtung und das Bauernhaus wesentliche Betriebsgrundlage (SZ 32/146). Die bäuerliche Landwirtschaft und die dazugehörige Hauswirtschaft stellen eine natürliche Einheit dar. Eine getrennte Betrachtung und Beurteilung im Sinn der Ansicht der Revision muß abgelehnt werden. Daß die Haushaltshelferin die Hausfrau und daher keinen Dienstnehmer ersetzen soll, ist ohne Belang. Wesentlich ist, daß sie bei ihrer Tätigkeit in den Betrieb des "Entleihers" in der Art eines eigenen Dienstnehmers eingegliedert ist. Daran kann nach den vorliegenden Feststellungen kein Zweifel bestehen.
Die Revisionsausführungen sind somit nicht geeignet, die zutreffende rechtliche Beurteilung der zweiten Instanz zu widerlegen.
Anmerkung
Z43071Schlagworte
Arbeiterleihverhältnis, Haushaltshelferin, Arbeiterleihverhältnis, landwirtschaftlicher Betrieb, Haushaltshelferin, Arbeitsleihverhältnis, Haushaltshelferin, landwirtschaftlicher Betrieb, Landwirtschaftlicher Betrieb, Arbeiterleihverhältnis, Landwirtschaftlicher Betrieb Unternehmen, Unternehmen, Arbeiterleihverhältnis, Unternehmen, landwirtschaftlicher BetriebEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1970:0020OB00034.7.0409.000Dokumentnummer
JJT_19700409_OGH0002_0020OB00034_7000000_000