Norm
ABGB §1393Kopf
SZ 43/73
Spruch
Der Zessus kann vom Zessionar wegen Nichtzurechtbestehens der zedierten Forderung die geleistete Zahlung zurückfordern und der Zessionar kann dann gegen den Zedenten bei Zession zahlungshalber auf seine ursprüngliche Forderung zurückgreifen
OGH 14. April 1970, 8 Ob 78/70 (OLG Innsbruck 1 R 154/69; LG Innsbruck 9 Cg 121/69)
Text
Die Klägerin hat dem Erstbeklagten im Dezember 1967 ein Darlehen von 355.000 S zum Ankauf eines Lastkraftwagens gewährt. Der Zweitbeklagte und die Drittbeklagte haben für die Verpflichtung des Erstbeklagten aus dem Darlehensvertrag die Mithaftung als Solidarschuldner übernommen und sich verpflichtet, zusammen mit dem Erstbeklagten die sich aus dem Darlehensbetrag und den Kreditgebühren ergebende Schuld von 440.460 S ab 15. Jänner 1968 in 36 Monatsraten zu tilgen. Zur Sicherung dieser Forderung hat der Zweitbeklagte der Klägerin auf ihm gehörigen Grundstücken eine Kredithypothek bis zum Höchstbetrag von 400.000 S einverleibt. Auf Grund der einen Bestandteil des Vertrages bildenden allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin hat der Erstbeklagte für das Kraftfahrzeug bei der A-Versicherungsaktiengesellschaft, eine Kaskoversicherung abgeschlossen und die ihm aus dem Versicherungsvertrag entstehenden Rechte der Klägerin abgetreten. Er hat sich weiter verpflichtet, die Vinkulierung des Vertrages beim Versicherer zugunsten der Klägerin zu erwirken. Schließlich hat er der Klägerin das Recht eingeräumt, im Schadensfall ausschließlich über die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag zu verfügen. Der Versicherer erklärte nach Annahme des Versicherungsantrages des Erstbeklagten der Klägerin gegenüber, daß er im Versicherungsfalle den Entschädigungsbetrag nur mit Zustimmung der Klägerin auszahlen und vom Versicherungsnehmer ohne Einwilligung der Klägerin keine Kündigung und keinen Antrag auf Verminderung der Versicherungssumme oder des Haftungsumfanges annehmen und der Klägerin jede Unterbrechung der Versicherung und jeden Verzug in der Prämienzahlung zur Kenntnis bringen werde. Am 10. Juli 1968 erlitt der vom Erstbeklagten gelenkte Lastkraftwagen einen Totalschaden. Der Versicherer überwies am 3. September 1969 auf Grund einer Zahlungsanweisung des Erstbeklagten den Betrag von 320.000 S als Teilentschädigung an die Klägerin. Weil dem Versicherer nach Auszahlung dieses Betrages Widersprüche und Ungereimtheiten in der vom Erstbeklagten gegebenen Unfallsschilderung auffielen, erstattete der Versicherer gegen den Erstbeklagten Strafanzeige. Der Erstbeklagte gab bei seiner Vernehmung durch die Gendarmerie am 16. Dezember 1968 zu, den Lastkraftwagen absichtlich in die Schlucht gelenkt zu haben, um sich dadurch seiner finanziellen Sorgen zu entledigen. Der Versicherer verlangte nunmehr mit der Begründung, daß ein Versicherungsbetrug vorliege, von der Klägerin die Rückzahlung des Betrages von 320.000 S. Die Klägerin entsprach diesem
Verlangen des Versicherers, ohne vorher die Zustimmung des Erstbeklagten einzuholen. Sie verlangt von den Beklagten die Bezahlung des Betrages von 320.000 S s A. Sie steht auf dem Standpunkt, ihr stehe auf Grund der Kreditgewährung eine Forderung in dieser Höhe gegen die Beklagten zu. Die Beklagten bestritten den behaupteten Versicherungsbetrug. Darüberhinaus machten sie geltend, die Klägerin, die die Zahlung des Versicherers als Erfüllung angenommen habe, könne keinesfalls mehr Forderungen aus dem ursprünglichen Kreditverhältnis erheben.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es hielt nähere Erörterungen und Feststellungen hinsichtlich der Frage, ob dem Erstbeklagten Versicherungsbetrug zur Last falle, aus rechtlichen Gründen nicht für erforderlich. Es war der Ansicht, die Klägerin hätte auch im Falle der Leistungsfreiheit des Versicherers den Betrag von 320.000 S nicht an den Versicherer zurückzuzahlen brauchen. Denn der Versicherer hätte in diesem Falle lediglich Ansprüche gegen den Erstbeklagten erheben können. Der Klägerin sei daher ein Zurückgreifen auf das Kreditgeschäft verwehrt.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge.
Das Berufungsgericht teilte zwar nicht die Ansicht des Erstgerichts, auch im Falle des Vorliegens eines Versicherungsbetruges hätte sich der Versicherer nur an den Erstbeklagten halten können. Hätte der Versicherer nur infolge der irrtümlichen Annahme, daß alle für seine Leistungspflicht erforderlichen Voraussetzungen gegeben seien, die Versicherungssumme an die Klägerin als Zessionarin des Versicherungsnehmers (Erstbeklagten) ausbezahlt, dann wäre dem Versicherer gemäß § 1431 ABGB der Anspruch auf Rückforderung einer solchen irrtümlichen Zahlung gegen die Klägerin, in deren Vermögen die Forderung des Erstbeklagten aus dem Versicherungsvertrag auf Grund der Zession übergegangen sei, zugestanden. Dessenungeachtet habe das Erstgericht, ohne auf das Vorliegen des behaupteten Versicherungsbetruges einzugehen, das ausdrücklich nur auf den Rechtsgrund der Darlehensgewährung gestützte Klagebegehren mit Recht abgewiesen. Denn die Darlehensforderung sei durch die von der Klägerin als Erfüllung angenommene Zahlung des Versicherers bereits getilgt. Das Schuldverhältnis aus dem Darlehensvertrag sei damit erloschen. Der Zweitbeklagte und die Drittbeklagte seien dadurch endgültig von jeder Verbindlichkeit der Klägerin gegenüber frei geworden. Hinsichtlich des Erstbeklagten käme nur ein Gewährleistungsanspruch nach § 1397 ABGB oder allenfalls ein Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen i S der §§ 1422, 1042 ABGB in Betracht. Auf eine Prüfung der Frage, ob hinsichtlich des Erstbeklagten ein solcher Ersatzanspruch begrundet sei, könne in diesem Verfahren nicht eingegangen werden, weil das Gericht an die vom Kläger vorgenommene rechtliche Qualifikation der Tatsachen, aus denen das Begehren abgeleitet werde, gebunden und nicht berechtigt sei, der Klage aus einem anderen Rechtsgrund stattzugeben.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin Folge, hob die Urteile der Unterinstanzen auf und verwies die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Der Ansicht des Erstgerichtes, der Klagsanspruch sei schon deshalb nicht begrundet, weil die Klägerin selbst im Falle des Vorliegens eines vom Erstbeklagten begangenen Versicherungsbetruges nicht zur Rückzahlung des Klagsbetrages an den Versicherer verpflichtet gewesen wäre, ist das Berufungsgericht mit Recht nicht beigetreten. Auf Grund der zwischen der Klägerin und dem Erstbeklagten vereinbarten Abtretung der dem Erstbeklagten im Schadensfall gegen den Versicherer zustehenden Ansprüche an die Klägerin wurde die Klägerin gemäß § 1392 ABGB zum neuen Gläubiger hinsichtlich einer solchen Forderung des Erstbeklagten aus dem Versicherungsvertrag. Die Wirksamkeit der Zession war von einer Verständigung des Versicherers nicht abhängig. Der Versicherer konnte daher seinen auf § 1431 ABGB gestützten Rückforderungsanspruch gegen die Klägerin als neue Gläubigerin, an die er Zahlung geleistet hatte, richten. Zahlung stellt wohl im Zweifel eine Anerkennung gemäß § 1396 ABGB dar. Ein solches Anerkenntnis kann aber entgegen der im Klang Komm[2] zu § 1396, VI 319 vertretenen Ansicht nicht anders behandelt werden als sonst ein unechtes (deklaratives) Anerkenntnis, das die Anfechtung der Schuld wegen Mangels der causa nicht ausschließt (vgl die in der von Kapfer besorgten Manzschen Ausgabe des ABGB zu § 1396 unter Nr 23 angeführten Entscheidungen sowie SZ 20/125). Daraus folgt, daß auch die Tatsache der Zahlung die Geltendmachung des auf § 1431 ABGB gestützten Rückforderungsanspruches durch den Versicherer gegen die Klägerin nicht ausschloß.
Zutreffend ist auch die Ansicht des Berufungsgerichtes, daß es sich nicht um eine Zession an Zahlungs Statt, sondern um eine solche zahlungshalber handelt. Anhaltspunkte für die Annahme, daß etwa zwischen Zessionar und Zedenten Einverständnis darüber geherrscht hätte, daß die Abtretung statt der Leistung des Geschuldeten geschehe, liegen umso weniger vor, als es sich um eine durch den Eintritt des Versicherungsfalles bedingte Forderung handelte und daher im Zeitpunkt der Abtretung noch gar nicht vorhergesehen werden konnte, ob die abgetretene Forderung überhaupt existent werden wird. Ohne ein solches Einverständnis ist aber die Abtretung zahlungshalber zu verstehen (Klang Komm[2] zu § 1392, VI, 291; Ehrenzweig, Recht der Schuldverhältnisse[2] II/1, 326 Anm 13). Für den Fall, daß die abgetretene Forderung nicht hereingebracht werden kann, ist daher i S ständiger Rechtsprechung der Rückgriff auf das ursprüngliche Schuldverhältnis zulässig (SZ 26/142 u a) und tritt nicht bloß die Haftung gem § 1397 ABGB ein.
Nicht beigepflichtet kann aber der Ansicht des Berufungsgerichts werden, das ursprüngliche, auf der Kreditgewährung beruhende Schuldverhältnis sei dadurch, daß die Klägerin die, wenn auch möglicherweise aus einem Irrtum erbrachte Leistung des Versicherers als Erfüllung angenommen habe, ohne jede Einschränkung untergegangen. Auf die in Lehre und Rechtsprechung vertretene Ansicht, die Annahme einer Zahlung als Erfüllung bewirke das Erlöschen der Verbindlichkeit auch dann, wenn die Erfüllung Anlaß zu einer Gewährleistung bzw zu einer Haftung des Zedenten i S des § 1397 ABGB gebe, kann entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes das Erlöschen des ursprünglichen Schuldverhältnisses im vorliegenden Fall nicht gestützt werden. Hier geht es weder darum, daß der Gläubiger Grund zu haben glaubte, das, was er ursprünglich als Erfüllung angenommen hat, später bemängeln zu müssen, noch darum, daß ein Gegenstand, den der Gläubiger an Zahlungs Statt angenommen hat, später vom Eigentümer des Gegenstandes in Anspruch genommen wurde. Hier geht es vielmehr darum, daß der Versicherer als debitor cessus das, was er zunächst als vermeintliche Schuld leistete, dann aus dem Rechtsgrund des § 1431 ABGB als angeblich irrtümlich erbrachte Leistung wieder zurückverlangte. War dieses Verlangen des Versicherers berechtigt, dann kann überhaupt nicht von der Zession einer bestehenden Forderung und von deren Erfüllung gesprochen werden. Die Klägerin hat in diesem Falle nicht, wie das Berufungsgericht meint, die ihr abgetretene Forderung hereingebracht. Wenn der Versicherer die als vermeintliche Schuldigkeit erbrachte Leistung tatsächlich mit Recht wegen Vorliegens eines Versicherungsbetruges wieder zurückverlangen konnte, dann wäre die Sachlage nicht anders, als sie gewesen wäre, wenn der Versicherer die Leistung von vornherein wegen Nichtbestehens der Forderung überhaupt nicht erbracht hätte. Unter der Voraussetzung, daß der Versicherer mit Recht Leistungsfreiheit wegen eines vom Erstbeklagten begangenen Versicherungsbetruges geltend machte, stunde der Klägerin der Rückgriff auf das ursprüngliche Schuldverhältnis, nach welchem die drei Beklagten Solidarschuldner hinsichtlich der der Klägerin aus der Kreditgewährung zustehenden Ansprüche sind, offen.
Die Frage, ob sich der Versicherer mit Recht auf Leistungsfreiheit wegen Vorliegens eines Versicherungsbetruges berufen konnte und ob die Klägerin daher verpflichtet war, das bereits Erhaltene wieder herauszugeben, kann im vorliegenden Prozeß als Vorfrage geklärt werden. Da beide Vorinstanzen infolge ihrer vom Obersten Gerichtshof nicht gebilligten Rechtsansicht ein Eingehen auf diese Frage für entbehrlich hielten, ist das Verfahren mangelhaft geblieben. Die Urteile der Vorinstanzen mußten daher aufgehoben und die Sache an das Erstgericht zur Ergänzung des Verfahrens im vorangeführten Sinn zurückverwiesen werden.
Anmerkung
Z43073Schlagworte
Anerkenntnis, deklaratives, gemäß § 1396 ABGB, Zahlung im Zweifel -, Zahlung im Zweifel deklaratives Anerkenntnis im Sinn der § 1396 ABGB, Zession, Rückforderung der geleisteten Zahlung vom Zessionar durch den, Zessus wegen Nichtzurechtbestehens der zedierten Forderung, Rückgreifen, des Zessionars auf seine ursprüngliche ForderungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1970:0080OB00078.7.0414.000Dokumentnummer
JJT_19700414_OGH0002_0080OB00078_7000000_000