TE OGH 1970/5/6 6Ob79/70

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Veröffentlicht am 06.05.1970
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Norm

ABGB §367
EO §146
EO §156
EO §170 Z5

Kopf

SZ 43/88

Spruch

Der Bieter im Zwangsversteigerungsverfahren ist in der Regel nicht verpflichtet, in den Gerichtsakt Einsicht zu nehmen OGH 6. Mai 1970, 6 Ob 79/70 (OLG Innsbruck 1 R 137/69; LG Innsbruck 5 Cg 103/69)

Text

In dem gegen die Verpflichteten Florian und Berta G geführten Zwangsversteigerungsverfahren E 51/68 des Bezirksgerichtes S wurde dem Kläger beim Versteigerungstermin am 11. Februar 1969 die Liegenschaft EZ 853 II KG M, Haus O Nr 201, Waldcafe, zugeschlagen. Einige Tage vor dieser Versteigerung montierte die Beklagte den von ihr in diesem Haus installierten Heizkessel samt Hydrothermometer, Kombinationsregler, Ölbrenner mit Spaltfilter samt Schaltanlage und Umwälzpumpe ab und nahm diese Gegenstände an sich.

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Herausgabe dieser Teile der Zentralheizungsanlage und deren Wiedermontage. Er beruft sich darauf, daß die genannten Gegenstände, die mitgeschätzt worden und die zur Zeit der exekutiven Schätzung mit dem Haus fest verbunden gewesen seien, mit der Erteilung des Zuschlages sein Eigentum geworden seien. Daß die Verpflichtete Berta G der Beklagten die Wegnahme gestattet habe, sei unerheblich, denn sie sei nicht verfügungsberechtigt gewesen. Ein Eigentumsvorbehalt an den in Rede stehenden Gegenständen hätte seitens der Beklagten nicht wirksam begrundet werden können, weil die Gegenstände mit dem Haus fest verbunden gewesen seien. Überdies wäre ein vorbehaltenes Eigentum durch den Beitritt der Beklagten zu der genannten Zwangsversteigerung und infolge der Unterlassung der Anmeldung des Eigentumes bis zur Versteigerung erloschen.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Sie stützt sich auf das ihr vorbehaltene Eigentum an den klagsgegenständlichen Teilen der Zentralheizungsanlage, das sogar im Schätzungsprotokoll angeführt sei. Der Kläger sei somit nicht gutgläubig gewesen. Er habe daher an den strittigen Gegenständen, die selbständige Bestandteile seien, durch den Zuschlag Eigentum nicht erworben.

Das Erstgericht erkannte im Sinne des Klagebegehrens. Es ging von folgenden Feststellungen aus:

Florian und Berta G waren je zur Hälfte Miteigentümer der Liegenschaft EZ 853 II KG M, Haus O Nr 201, Waldcafe. Das im Jahre 1964 errichtete Haus wurde zu einer Jausenstation ausgebaut. Im Herbst 1966 ließ Florian G durch die Beklagte die Zentralheizungsanlage vervollständigen. Das Röhrensystem und der Großteil der Heizkörper waren schon eingebaut. Die Beklagte hatte vor allem Brenner, Kessel, Pumpe, Schaltanlage und alle sonst noch zur Inbetriebnahme der Heizung notwendigen Teile zu liefern. Es wurde dabei ausdrücklich vereinbart, daß diese Gegenstände bis zur vollständigen Zahlung des Preises Eigentum der Beklagten bleiben. Florian G anerkannte diesen Eigentumsvorbehalt ausdrücklich, u zw zuletzt durch seine diesbezügliche, im Schätzungsprotokoll vom 25. September 1968 festgehaltene Erklärung.

Die Vervollständigung der Heizanlage sowie die Lieferung der angeführten Bestandteile stellte die Beklagte mit 45.504.30 S in Rechnung. Da Florian G nicht zahlte, erwirkte die Beklagte gegen ihn ein Versäumungsurteil. Zur Hereinbringung ihrer Forderung von restlichen 37.075.28 S s A wurde ihr die Exekution durch Zwangsversteigerung der Hälfte des Florian G an der Liegenschaft EZ 853 II KG M unter Beitritt zu dem bereits anhängigen Versteigerungsverfahren E 51/68 des Bezirksgerichtes S bewilligt.

Der Schätzung wurde das Haus einschließlich der vollständigen Zentralheizungsanlage zugrunde gelegt und demnach die Liegenschaft mit 710.000 S geschätzt. Bei dieser Schätzung machte Florian G auf den am Heizkessel und am Ölbrenner bestehenden Eigentumsvorbehalt aufmerksam. Den Vorbehaltseigentümer nannte er nicht. Den Versteigerungsbedingungen und dem Versteigerungsedikt wurde der so ermittelte Schätzwert samt Zubehör mit insgesamt 925.400 S zugrunde gelegt. Das Zubehör bestand aus einer Gasthauseinrichtung und der Einrichtung von Fremdenzimmern.

Der Kläger, der selbst mit einer Forderung von nahezu 400.000 S als betreibender Gläubiger dem Zwangsversteigerungsverfahren beigetreten war, wollte auch als Bieter auftreten. Er nahm daher in den Versteigerungsakt und in das Schätzungsprotokoll Einsicht. Der Vermerk über den Eigentumsvorbehalt fiel ihm nicht auf. Bei seiner letzten Besichtigung des ihm schon von früher her bekannten Hauses am 1. Februar 1969 (10 Tage vor dem Versteigerungstermin) war die Heizungsanlage komplett und betriebsfähig vorhanden. Bei dieser Besichtigung war Berta G dabei.

Ende Jänner 1969 hatte Berta G - nachdem sie im April 1968 von Florian G geschieden worden und nachdem dieser im Dezember 1968 verstorben war - mit der Beklagten vereinbart, daß diese die genannten Teile der Heizanlage gegen Erteilung einer Gutschrift von 22.463 S zurücknehmen könne. Die Demontage dieser Teile erfolgte zwischen dem 1. und dem 3. Februar 1969.

Der Kläger war zur Zeit der Versteigerung der Liegenschaft der Meinung, die Zentralheizungsanlage sei vollständig vorhanden und betriebsbereit. Am Tag nach der Versteigerung mußte er aber feststellen, daß die angeführten Teile fehlten.

Die Erteilung des Zuschlages an den Kläger wurde rechtskräftig.

Das Haus O Nr 201, Waldcafe, hat nur einen einzigen Kamin für die Zentralheizung.

In rechtlicher Hinsicht ging das Erstgericht davon aus, daß der Eigentumsvorbehalt der Beklagten erloschen sei. Bei einem Haus, in dem nur ein einziger Kamin für die Zentralheizung vorhanden sei, sei die ganze Zentralheizungsanlage unselbständiger Liegenschaftsbestandteil, an dem Sonderrechte nicht bestehen können. Überdies habe der Kläger durch den Zuschlag Eigentum erworben, weil er gutgläubig gewesen sei, und zwar an allen Gegenständen, die in den Versteigerungsbedingungen, im Schätzungsprotokoll und im Verteigerungsedikt als Zubehör angeführt seien. Außerdem habe die Beklagte weder gegen die Schätzung noch gegen die pfandweise Beschreibung der Heizanlage Widerspruch erhoben und deren Ausscheidung begehrt, noch habe sie ihr Eigentumsrecht vor Beginn der Versteigerung geltend gemacht. Berta G sei nicht befugt gewesen, über den Anteil ihres verstorbenen, geschiedenen Mannes zu verfügen. Durch die Entfernung der Teile der Heizanlage habe sich an den Eigentumsverhältnissen nichts geändert.

Die Berufung der Beklagten blieb erfolglos. Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes zur Gänze als unbedenklich. Es hielt sie auch als ausreichend. Rechtlich ging es zwar davon aus, daß es sich bei den strittigen Gegenständen um selbständige Bestandteile handle, weil sie nur mit Schrauben mit dem Haus verbunden gewesen seien und ohne Wertverlust abgetrennt werden konnten, ohne dabei das Wesen der Hauptsache zu verändern. Der Eigentumsvorbehalt der Beklagten sei daher wirksam begrundet worden. Wegen der Eigentümerverschiedenheit seien diese Bestandteile auch nicht Zubehör der Liegenschaft geworden. Für die rechtliche Beurteilung der Zubehörfrage seien jedoch, weil es sich um einen Eigentumserwerb des Erstehers in einem Zwangsversteigerungsverfahren handle, die Bestimmungen der Exekutionsordnung maßgebend. Ob eine Sache Zubehör einer Liegenschaft sei, ob sie mitzuversteigern sei oder nicht, müsse im Zwangsversteigerungsverfahren selbst entschieden werden. Diese Entscheidung sei durch die von der Beklagten unwidersprochen hingenommene Einbeziehung der Zentralheizungsanlage in die Beschreibung und Schätzung getroffen worden. Schlechtgläubigkeit des Klägers sei nicht erwiesen. Der Kläger habe somit an den strittigen Bestandteilen der Zentralheizungsanlage durch den Zuschlag ebenfalls Eigentum erworben. Auf die weiteren Fragen, ob der Eigentumsvorbehalt der Beklagten durch Klageführung und Beitritt zur Zwangsversteigerung erloschen ist, brauche daher nicht mehr eingegangen werden.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Revisionswerberin bekämpft nicht mehr die übrigens zutreffenden und mit Lehre und Rechtsprechung im Einklang stehenden Ausführungen des Berufungsgerichtes, daß die streitgegenständlichen Teile der Zentralheizungsanlage selbständige Bestandteile sind, an denen Sonderrechte bestehen können, sodaß der daran bestandene Eigentumsvorbehalt der Beklagten wirksam vereinbart werden konnte und durch den rein mechanischen Anschluß an die im Haus eingebaute Zentralheizungsanlage nicht erloschen ist. Sie wendet sich zunächst gegen die Meinung des Berufungsgerichtes, daß für die Beurteilung der Frage, ob die streitgegenständlichen Teile der Zentralheizungsanlage mitversteigertes Liegenschaftszubehör sind, nicht sachen-, sondern exekutionsrechtliche Grundsätze anzuwenden sind. Der Beklagten ist zuzugeben, daß es keinen exekutionsrechtlichen, vom sachenrechtlichen abweichenden Begriff des Zubehörs gibt, sodaß die Frage, was Zubehör ist, im Exekutionsverfahren ebenfalls nur nach sachenrechtlichen Grundsätzen zu lösen ist. Darauf kommt es aber hier gar nicht an, weil nicht die Zubehöreigenschaft der strittigen Teile der Zentralheizungsanlage, sondern die Frage entscheidend ist, ob sie mitversteigert wurden. Auszugehen ist davon, daß diese Teile zur Zeit der Beschreibung und Schätzung der zu versteigernden Liegenschaft mit dieser in fester - wenn auch nur rein mechanischer und ohne weiters lösbarer - Verbindung standen und demzufolge als Bestandteile der Liegenschaft beschrieben und geschätzt wurden, wenngleich sie nicht im Eigentum der verpflichteten Parteien standen. Die Beschreibung der zu versteigernden Liegenschaft soll vor allem ein genaues Bild der Liegenschaft mit allen ihren Bestandteilen, Zubehör und der maßgebenden Erscheinungsform geben, sodaß sich das Gericht und vor allem die Bieter auch ohne Lokalaugenschein vorstellen können, wie sie aussieht. Weiters dient die Beschreibung aber auch dem Zweck festzustellen, was alles zur Liegenschaft gehört, sodaß für den Ersteher zu sehen ist, was er erwirbt (Neumann - Lichtblau[4] 1128). Das Befriedigungsrecht des betreibenden Gläubigers wird schon durch die Anmerkung der Einleitung des Zwangsversteigerungsverfahrens begrundet. Damit wird die Liegenschaft zwar nicht etwa einer Beschlagnahme unterzogen, sondern es kann der Eigentümer auch noch nach diesem Zeitpunkt Zubehörstücke veräußern oder die Zubehöreigenschaft von Gegenständen aufheben. Es wird ihm auch nicht verwehrt sein, selbständige Bestandteile zu entfernen oder auszuwechseln. Nach herrschender Lehre und Rechtsprechung (Neumann - Lichtblau[4] 1094, EvBl 1961/61, EvBl 1967/34) verliert er diese Befugnis mit der Beschreibung und Schätzung der Liegenschaft. Es ist nicht einzusehen, warum hier zwischen selbständigen Bestandteilen und Liegenschaftszubehör ein genereller Unterschied gemacht werden sollte. Mit dem Zeitpunkt der Beschreibung und Schätzung der Liegenschaft samt Zubehör und Bestandteilen wird der Gegenstand der Versteigerung bestimmt, soweit nicht dritte Personen auf dem hiezu vorgesehenen Weg mit Erfolg Eigentumsansprüche an der Liegenschaft, Zubehör oder selbständigen Bestandteilen geltend machen. Deshalb erwirbt der Ersteher nebst der Liegenschaft alles, was am Zubehör im Schätzungsprotokoll, in den Versteigerungsbedingungen und im Versteigerungsedikt angeführt ist (OGH SZ 24/123, SZ 28/249, JBl 1965, 36 u a m). Ist er hiebei gutgläubig, dann tritt der Eigentumserwerb ohne Rücksicht auf das Eigentumsrecht des Verpflichteten ein. Zu der rechtlichen Folgerung, daß das Vorbehaltseigentum im Zwangsversteigerungsverfahren nur dann untergeht, wenn der Ersteher gutgläubig erwirbt, kommt übrigens die Revisionswerberin selbst, der auch zugegeben werden kann, daß die Unterlassung einer Anmeldung eines die Versteigerung unzulässig machenden Rechtes im Sinne des § 170 Z 5 EO noch nicht den Verlust dieses Rechtes bedeutet, sondern nur die Möglichkeit gutgläubigen Erwerbes durch den Ersteher eröffnet.

Es kommt also nur mehr darauf an, ob der Kläger im Zeitpunkt der Erteilung des Zuschlages im Hinblick auf das Eigentumsrecht der Verpflichteten an der gesamten Liegenschaft, wie sie im Zwangsversteigerungsverfahren beschrieben worden war, gutgläubig war. Hier ist von der Feststellung des Erstgerichts auszugehen, daß dem Kläger der im Schätzungsprotokoll enthaltene Satz "Nach Angabe des Verpflichteten soll am Heizkessel und Ölbrenner Eigentumsvorbehalt bestehen" nicht aufgefallen ist, sodaß es an einem positiven Nachweis der Kenntnis des Klägers von einem angeblichen Eigentumsvorbehalt fehlt. Dem Kläger mußten also keineswegs Zweifel daran kommen, daß die Verpflichteten auch tatsächlich Eigentümer der versteigerten Liegenschaft samt Bestandteilen waren. Da eine Anmeldung im Sinne des § 170 Z 5 EO nicht erfolgt war, bestand für ihn auch kein Anlaß zu selbständigen Nachforschungen. Von einem fahrlässigen Nichtwissen von Umständen, die den guten Glauben hätten ausschließen können, kann daher nicht die Rede sein. Eine Pflicht zu Nachforschungen, wie sie bei Kaufleuten angenommen wurde, die Waren unter objektiv verdächtigen Umständen an sich bringen, ist dem Bieter in einem Zwangsversteigerungsverfahren nicht anzulasten (vgl dazu HS 5281 bis 5285). § 176 Abs. 2 EO gibt jedem Kauflustigen das Recht, in die Versteigerungsbedingungen und sonstigen Urkunden, zu denen auch das Schätzungsprotokoll gehört, Einsicht zu nehmen. Daß er hiezu verpflichtet sei, läßt sich dem Gesetz nicht entnehmen. Es ist dies nur der Fall, wenn besondere Umstände den Verdacht rechtfertigen, daß der Verpflichtete nicht Eigentümer sei. Mit Rücksicht darauf, daß das Gericht den Umfang der zu versteigenden Liegenschaft mit ihren Bestandteilen von Amts wegen festzustellen hat, kann jedermann darauf vertrauen, daß keine fremden Sachen ausgeboten werden. Es kann also darin, daß der Kläger das Protokoll nicht so genau durchgelesen hat, daß ihm die Angabe des Florian G über den Eigentumsvorbehalt auffiel, keine Fahrlässigkeit erblickt werden. Im allgemeinen kann jedermann davon ausgehen, daß die mit einer Liegenschaft fest verbundenen Einrichtungen, die, wenn sie auch selbständige Bestandteile bilden, mitgeschätzt und versteigert werden, dem Eigentümer gehören. Eine Nachforschungspflicht besteht also für den Bieter nicht. Vielmehr ist es Sache des berechtigten Dritten rechtzeitig die erforderlichen Schritte zu ergreifen. Die Beklagte hätte dies umso leichter tun können, als sie von der Versteigerung wußte, da sie dem Verfahren selbst als betreibende Gläubigerin beigetreten ist.

Zur Erwiderung auf den Einwand, durch Zuschlag könnten nur jene Gegenstände erworben werden, die sich im Zeitpunkt der Zuschlagserteilung auf der Liegenschaft befanden, sei nur auf die oben stehenden Ausführungen zur Frage, was Gegenstand der Versteigerung und des Erwerbes des Erstehers ist, verwiesen.

Anmerkung

Z43088

Schlagworte

Bieter im Zwangsversteigerungsverfahren, guter Glauben, keine Pflicht, zur Einsichtnahme in den Gerichtsakt, Einsichtnahme in den Gerichtsakt, keine Pflicht des Bieters im, Zwangsversteigerungsverfahrens zur, Guter Glauben, Bieter im Zwangsversteigerungsverfahren, keine Pflicht, zur Einsichtnahme in den Gerichtsakt, Zwangsversteigerung, Gutgläubigkeit des Bieters, keine Pflicht zur, Einsichtnahme in den Gerichtsakt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1970:0060OB00079.7.0506.000

Dokumentnummer

JJT_19700506_OGH0002_0060OB00079_7000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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