TE OGH 1970/6/4 1Ob112/70

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Veröffentlicht am 04.06.1970
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Lassmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Greissinger, Dr. Schneider, Dr. Petretto und Dr. Schragel als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Karl H*****, vertreten durch Dr. Hermann Tschiderer, Rechtsanwalt in Reutte, wider die beklagte Partei R*****-Ges.m.b.H., ***** , vertreten durch Dr. Gunther Nagele, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 131.547 S samt Anhang infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 2. März 1970, GZ 2 R 24/70-9, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 2. Dezember 1969, GZ 5 Cg 574/69-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 3.333,75 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger hat bei der Rechtsvorgängerin der beklagten Partei, der früheren B*****, einen Bausparvertrag übernommen und dem seinerzeitigen Leiter ihrer Zweigniederlassung in Innsbruck, Emil W***** trotz Fehlens einer Inkassovollmacht, einen Betrag von 155.015 S bezahlt, von dem dieser einen erheblichen Teil nicht an die B***** weiterleitete, sondern unterschlug. Emil W*****, der schon zuvor wegen Verbrechen des Betruges dreimal vorbestraft gewesen war, wurde mit Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 3. 7. 1962, 14 Vr 1543/61-49, rechtskräftig wegen Verbrechens des Betruges nach den §§ 197, 200, 201 lit d, 203 StG verurteilt, weil er ua im Frühjahr 1961 in Innsbruck als Gebietsvertreter für Tirol der B***** dem Kläger das Bestehen einer Inkassovollmacht vorgetäuscht hatte und ihn hiedurch um 142.385,76 S schädigte. Im Verfahren 1 Cg 100/61 des Landesgerichtes Innsbruck, das zu 1 Ob 192/65 auch beim Obersten Gerichtshof anhängig war, wurde (neben Emil W*****) auch die beklagte Partei unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens des Klägers von einem Drittel verurteilt, dem Kläger einen Betrag von 95.033,84 S samt Anhang zu bezahlen, da sie sich wissentlich einer gefährlichen Person zur Besorgung ihrer Angelegenheiten bedient hatte und demnach für den daraus entstandenen Schaden haftete.

Im gegenständlichen Verfahren begehrt der Kläger von der beklagten Partei ebenfalls aus dem Titel des Schadenersatzes (§ 1315 ABGB) die Bezahlung weiterer 131.547 S samt Anhang, gegen welchen Anspruch die beklagte Partei vor allem die Verjährungseinrede erhob. Der Kläger bestritt nicht, dass die dreijährige Verjährungsfrist des § 1489 Satz 1 ABGB zum Zeitpunkt der Klageerhebung (6. 10. 1969) bereits abgelaufen war, vertrat jedoch den Rechtsstandpunkt, dass Emil W***** dem Kläger gemäß §§ 1331, 1489 Satz 2 ABGB auf Grund seiner verbrecherischen Handlungsweise durch eine dreißigjährige Verjährungsfrist hafte; dies gelte auch für die beklagte Partei als Solidarschuldnerin.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ohne Aufnahme von Beweisen aus rechtlichen Gründen ab und vertrat den Standpunkt, dass der Schadenersatzanspruch aus einem Verbrechen nur dann der dreißigjährigen Verjährungsfrist unterliege, wenn sich der Anspruch gegen den Verbrecher selbst richte; die beklagte Partei hafte gemäß § 1315 ABGB aber nur für fremdes Verschulden, so dass der Schadenersatzanspruch gegen sie verjährt sei. Das Berufungsgericht trat dieser Rechtsauffassung bei und bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision des Klägers, die den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrage geltend macht, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Innsbruck zurückzuverweisen.

Die beklagte Partei beantragte, die Revision im Hinblick auf den gestellten Revisionsantrag als unschlüssig zu verwerfen oder der Revision keine Folge zu geben.

Der Antrag mit Verwerfung der Revision begründet die beklagte Partei damit, dass der Kläger nur die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung beantragte, bei Geltendmachung unrichtiger rechtlicher Beurteilung die Aufhebung jedoch ausgeschlossen sei und daher die Abänderung des angefochtenen Urteils beantragt hätte werden müssen. Die beklagte Partei übersieht dabei, dass die Untergerichte das Klagebegehren, ohne zu prüfen, ob dem Kläger der behauptete Schaden entstanden ist, allein aus rechtlichen Gründen abwiesen, weil sie den Anspruch des Klägers als verjährt ansahen. Die Revision behauptet nun, dass diese Rechtsauffassung irrig sei. Wäre dies richtig, müssten die Untergerichte erst prüfen, ob dem Kläger der von ihm behauptete Schaden tatsächlich entstanden und die beklagte Partei verpflichtet ist, diesen Schaden dem Kläger zu ersetzen. Für den Obersten Gerichtshof wäre bei dieser Sachlage eine Abänderung des angefochtenen Urteils und eine sofortige Verurteilung der beklagten Partei zu den beanspruchten Leistungen nicht möglich; es käme vielmehr nur die Aufhebung der Urteile der Untergerichte in Betracht, weil das vor ihnen abgeführte Verfahren wegen einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung mangelhaft geblieben sei, also Feststellungsmängel vorliegen. Im vorliegenden Fall stellte die Revision somit richtig nur einen Aufhebungsantrag (EvBl 1957 Nr 340 S 522, AnwZ 1927 S 37 ua). Ein Grund, die Revision zu verwerfen (JBl 1967 S 36; Fasching, Komm z d ZPGes, Anm 9 zu § 467 ZPO IV S 65) besteht nicht.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist allerdings nicht berechtigt.

Der Kläger bezweifelt es nicht, dass im Zeitpunkt der Erhebung der Klage für den von ihm geltend gemachten Anspruch die dreijährige Verjährungsfrist des § 1489 Satz 1 ABGB bereits verstrichen war; dies entspricht auch der Rechtslage, da dem Kläger der geltend gemachte Schaden zumindest dem Grunde nach und auch die Person des Schädigers und die mithaftende beklagte Partei spätestens im Jahre 1963 bekannt waren, die Klage jedoch erst am 6. Oktober 1969 überreicht wurde. Der Kläger begründet seine Auffassung, dass ein Anspruch dennoch nicht verjährt sei, mit dem Hinweis auf die Bestimmung des § 1489 Satz 2 ABGB, wonach bei einem aus einem Verbrechen entstandenen Schaden das Klagerecht erst nach 30 Jahren erlischt. Tatsächlich vertritt, wie die Untergerichte bereits ausführten, Klang in seinem Kommentar zu § 1489 ABGB VI S 637 unter Berufung auf die im Anm 57 genannten älteren Rechtslehrer, von denen Mayr, Lehrbuch des bürgerlichen Rechtes II S 17, seine Auffassung allerdings nicht näher begründet, den Standpunkt, dass auch für Personen, die ohne eigenes Verschulden etwa gemäß § 1315 ABGB für den aus einem Verbrechen entstandenen Schaden mithaften, die dreißigjährige Verjährungsfrist gelte, weil mit Rücksicht auf den rechtspolitischen Zweck der längeren Verjährungsfrist die Mithaftung nur dann ihren vollen Wert (so Randa, Die Schadenersatzpflicht3, S 260) habe. Hingegen verficht Ehrenzweig Recht der Schuldverhältnisse2 § 303 IV S 76 bei Anm 78a und 79, die Rechtsmeinung, die dreißigjährige Verjährungsfrist gelte nur, wenn sich der Anspruch gegen den Verbrecher selbst richte; wer ohne eigenes Verschulden mithafte, könne sich hingegen auf die dreijährige Verjährung berufen. Gschnitzer Lehrbuch, Allgemeiner Teil S 249 lässt die Frage offen.

Die Rechtsprechung hat, wie auch die Revision zitiert, bereits wiederholt den Standpunkt Ehrenzweigs geteilt und insbesondere ausgesprochen, dass das eigene Verschulden des Beklagten den Tatbestand eines Verbrechens im Sinne des Strafgesetzes darstellen muss, wenn die dreißigjährige Verjährungsfrist zur Anwendung kommen soll (SZ XL 40); die im zweiten Satz des § 1489 ABGB vorgesehene längere Verjährungsfrist kommt damit nicht auch dem Dritten gegenüber zugute, der an dem Verbrechen nicht teilgenommen hat (GlU 4345 1 Ob 238/54). Die Ausdehnung der Verjährung von drei auf dreißig Jahre ist nämlich nur eine Strafe für jenen Schädiger, der ein Verbrechen begangen hat (JBl 1933 S 168)

Die Revisionsausführungen geben keinen Anlass, von dieser bisherigen Rechtsprechung abzugehen, zumal die Meinung Klangs und Randas, dass die Haftung nur dann "vollwertig" sei, wenn auch die Haftung Dritter nicht vor der des Verbrechers erlösche, nicht überzeugend ist. Es spricht vielmehr kein rechtspolitischer Grund dafür, den Dritten, der sich keines Verbrechens schuldig gemacht hat, schlechter zu stellen als jeden anderen nicht aus einem Verbrechen schuldhaft Handelnden; von demjenigen, der die Haftung des nicht oder minder schuldigen Dritten in Anspruch nehmen will, muss daher verlangt werden, dass er sich an die allgemeinen für Schadenersatzansprüche geltenden Verjährungsregeln, die den Schadenersatzanspruch keineswegs ihres vollen Wertes berauben, hält.

Die Revision beruft sich vor allem auf den Gesetzeswortlaut, wonach es einzige Voraussetzung für die Geltung der dreißigjährigen Verjährungsfrist sei, dass der Schaden aus einem Verbrechen entstanden ist. Diese Bestimmung kann sinnvoll aber nur so verstanden werden, dass die Schadenersatzpflicht unmittelbar aus einem Verbrechen entstanden sein muss. Die beklagte Partei haftet aber keineswegs allein deswegen für den durch Emil W***** herbeigeführten Schaden, weil er ein Verbrechen begangen hat, sondern weil sie sich bereits zuvor wissentlich einer gefährlichen Person zur Besorgung ihrer Angelegenheiten bedient hatte; ihre Haftung wird also vor allem damit begründet, dass sie Emil W***** einen Vertrauensposten übertragen hatte, obwohl er bereits dreimal wegen Verbrechens des Betruges vorbestraft gewesen war. Diese Haftung wäre auch dann eingetreten, wenn Emil W***** Verhalten dem Kläger gegenüber nicht als Verbrechen qualifiziert worden wäre.

Liegt der Rechtsgrund der Haftung aber nur in dem eben dargelegten schuldhaften Verhalten der Beklagten selbst, kann ihr gegenüber nur die besondere Verjährungszeit für Schadenersatzansprüche nach § 1489 Satz 1 ABGB gelten. Der Hinweis der Revision auf die "normale" ("allgemeine" laut Überschrift des § 1478 ABGB) Verjährungsfrist von 30 Jahren muss bei Schadenersatzansprüchen hingegen versagen, da für diese die Regel der dreijährigen Verjährung gilt und die dreißigjährige Frist des § 1489 Satz 2 ABGB eine Ausnahme darstellt, deren Geltungsbereich eher einschränkend auszulegen ist. Die Ausführungen der Revision zu § 1313a ABGB, wonach bei Vorliegen einer Leistungspflicht für das Verschulden des Erfüllungsgehilfen "wie für eigenes" gehaftet wird, müssen im vorliegenden Fall aber schon versagen, weil sich der Kläger auf diese Gesetzesbestimmung (mit Recht) nicht berufen hat; ob allenfalls bei Bezugnahme auf § 1313a ABGB eine andere Auffassung vertreten werden müsste, ist in diesem Rechtsstreit nicht zu beurteilen. Der unbegründeten Revision ist somit ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41, 50 ZPO

Anmerkung

E75208 1Ob112.70

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1970:0010OB00112.7.0604.000

Dokumentnummer

JJT_19700604_OGH0002_0010OB00112_7000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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