Norm
ABGB §156Kopf
SZ 43/105
Spruch
Wenn eine frühere, nach ausländischem Recht zu beurteilende Ehelichkeitsbestreitungsklage von einem österreichischen Gericht rechtskräftig abgewiesen wurde, dann steht der neuerlichen, nach einem Staatsbürgerschaftswechsel der Beteiligten eingebrachten Bestreitungsklage die Rechtskraft des Urteils im Vorprozeß entgegen
OGH 18. Juni 1970, 1 Ob 122/70 (OLG Wien 5 R 30/70; LGZ Wien 23 Cg 196/69)
Text
Der Kläger hat als italienischer Staatsbürger am 18. August 1949 in Österreich die damals österreichische Staatsbürgerin Ottilie K geheiratet, die durch die Verehelichung ebenfalls die italienische Staatsbürgerschaft erworben hatte. Am 3. April 1969 wurde dem Kläger und damit auch seiner Frau die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen. Mit rechtskräftigem Urteil des LGZ Wien vom 8. Juli 1969, 15 Cg 161/69-4, wurde die Ehe nach § 55 EheG geschieden. Am 23. September 1957 sohin während des aufrechten Bestehens der Ehe, wurde von der damaligen Gattin des Klägers der Beklagte geboren.
Mit der vorliegenden, seit 8. August 1969 anhängigen Klage bestreitet der Kläger die eheliche Geburt dieses Kindes. Er führte hiezu aus, daß die eheliche Gemeinschaft bereits im Jahre 1951 aufgehoben worden sei, die Ehegatten seither getrennt gelebt und auch keine ehelichen Beziehungen mehr bestanden hätten. Hingegen habe die Mutter des Beklagten schon im Jahre 1951 Beziehungen zu amerikanischen Besatzungsangehörigen aufgenommen. Am 7. Oktober 1957 sei der Kläger durch ein Schreiben des BJA für den 13. und 14. Wiener Gemeindebezirk davon in Kenntnis gesetzt worden, daß seine Gattin den Beklagten geboren habe. Er habe wohl von einer Schwangerschaft seiner Frau Kenntnis gehabt, habe jedoch erst nach dieser Verständigung feststellen können, daß es sich bei dem Kind um einen Negermischling handelt. Natürlicher Vater des Kindes sei ein farbiger US-Soldat. Der Kläger habe am 30. September 1958 zu 26 Cg 319/58 des LGZ Wien eine Bestreitungsklage gegen den Beklagten eingebracht. Da jedoch italienisches Recht anzuwenden gewesen sei und nach diesem Recht die Bestreitungsfrist nur drei Monate betrage, habe die Klage abgewiesen werden müssen. Um die Feststellung der materiellen Wahrheit bezüglich der familienrechtlichen Beziehungen zwischen dem Beklagten und dem Kläger zu erreichen, bleibe ihm nichts anderes übrig, als eine neue Bestreitungsklage einzubringen, zumal es die Staatsanwaltschaft abgelehnt habe, gem § 158 ABGB eine solche Klage anhängig zu machen. Der Kläger begrundete seinen Standpunkt damit, daß er, solange er die italienische Staatsbürgerschaft besessen hatte, daran gehindert gewesen sei die Rechtsvorschriften des österreichischen Staates für sich in Anspruch zu nehmen. Erst durch die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft sei dieses Hindernis weggefallen; nach österreichischem Recht habe die Frist für die Einbringung der Bestreitungsklage erst ab dem Datum der Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft, sohin am 3. April 1969, zu laufen begonnen.
Das Erstgericht hat das Klagebegehren abgewiesen. Die Begründung seiner Entscheidung läßt sich wie folgt zusammenfassen: Im Hinblick auf die italienische Staatsbürgerschaft sowohl des Klägers als auch der Kindesmutter habe auf die am 30. September 1958 eingebrachte Bestreitungsklage italienisches Recht Anwendung zu finden gehabt (§ 9 der 4. DVEheG). Auch dieses Recht sehe die Möglichkeit der Bestreitung der ehelichen Geburt eines Kindes durch den Ehemann vor. In diesem Verfahren sei das Gericht jedoch zu dem Ergebnis gekommen, daß nicht nur die nach italienischem Recht geforderten materiellrechtlichen Voraussetzungen für die Bestreitung der Ehelichkeit nicht vorlägen, sondern daß der Kläger insb auch wie nach italienischem Recht normierte Fallfrist von drei Monaten zur Einbringung der Bestreitungsklage nicht eingehalten habe. Der Kläger habe also im Rahmen seines damaligen Rechtsbereichs die rechtliche Möglichkeit gehabt, seine Vaterschaft zu bestreiten. Vom Wegfall eines Hindernisses - offenbar werde in der Klage auf ein "unabwendbares Ereignis" i S des § 156 Abs 3 ABGB Bezug genommen - könne daher keine Rede sein. Es sei auch die Erwägung nicht stichhältig, daß durch die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft ein Hindernis i S der zitierten Gesetzesstelle weggefallen sei und die Jahresfrist des § 156 Abs 1 ABGB zu laufen begonnen habe.
Der Umstand, daß der Kläger nicht die österreichische Staatsbürgerschaft besessen habe, habe weder die Frist des § 156 Abs 1 ABGB gehemmt, noch habe die Erlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft eine neue Frist in Lauf gesetzt.
Das Berufungsgericht trat der Rechtsmeinung des Erstrichters bei. Wenn der Kläger die Bestreitungsklage zu 26 Cg 319/58 des LGZ Wien nach italienischem Recht, das damals anzuwenden gewesen sei, verspätet eingebracht habe und diese Klage daher habe abgewiesen werden müssen, habe der Kläger dieses Versäumnis selbst zu vertreten. Es treffe daher nicht zu, daß der Kläger, solange er italienischer Staatsbürger war, die Ehelichkeit des Beklagten nicht mit Aussicht auf Erfolg habe bestreiten können. Der Umstand, daß der Kläger, als ihm die Unmöglichkeit der Zeugung des Beklagten durch ihn bekannt geworden sei, nicht die österreichische Staatsbürgerschaft besessen habe, habe weder die Frist des § 156 ABGB zu hemmen vermocht, noch habe die Erlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft im Jahre 1969 die Frist dieser Gesetzesbestimmung neu in Lauf setzen können.
Der Oberste Gerichtshof hob aus Anlaß der Revision des Klägers die Urteile der Untergerichte sowie das ihnen vorangegangene Verfahren als nichtig auf und wies die Klage zurück.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Im Vordergrund steht die von Amts wegen und in jedem Stadium des Verfahrens zu prüfende Frage, ob durch die zu 26 Cg 319/58 des LGZ Wien ergangene rechtskräftige Entscheidung "res judicata" vorliegt, eine Frage, zu der die Untergerichte in keiner Weise Stellung genommen haben, so daß auch nicht gesagt werden kann, es läge bereits eine den OGH in dieser Richtung bindende Entscheidung der Vorinstanzen vor. Die Frage ist zu bejahen. Im allgemeinen wird für den Eintritt der Rechtskraftwirkung die Identität des Anspruches, die Identität der Parteien und auch die Identität des rechtserzeugenden Sachverhalts gefordert (s hiezu Fasching, Komm z d ZPG III 700). Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß der Kläger den gleichen Anspruch geltend macht wie im Vorprozeß; es liegt auch die Identität der Parteien vor. Schließlich besteht Identität des rechtserzeugenden Sachverhalts, dem in beiden Verfahren stützt der Kläger sein Begehren darauf, daß er nicht der natürliche Vater des Beklagten sein könne, weil er der Kindesmutter in der kritischen Zeit nicht beigewohnt habe. Daß § 156 ABGB und Art 244 itCC hiefür verschiedene Fristen vorsehen, vermag daran nichts zu ändern. Er meint aber, zu einer neuen Klage berechtigt zu sein, weil er, solange er die italienische Staatsbürgerschaft besessen hatte, daran gehindert gewesen sei, die österreichischen Rechtsvorschriften in Anspruch zu nehmen. Er leitet daraus ab, daß die einjährige Frist des § 156 ABGB erst mit der Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft an ihn zu laufen begonnen habe, bzw der Lauf dieser Frist bis zu diesem Zeitpunkt gehemmt gewesen sei.
Dieses Vorbringen ist nicht stichhältig. Der Kläger übersieht nämlich, daß er schon im Verfahren zu 26 Cg 319/58 des LGZ Wien die österreichische Rechtsordnung in Anspruch genommen hat. Wenn sein damaliges Klagebegehren nach den italienischen Gesetzen beurteilt wurde, dann beruhte dies nicht etwa darauf, daß sie in Österreich unmittelbar gegolten hätten, sondern auf einer österreichischen Rechtsanwendungsnorm, nämlich der als zweiseitige Rechtsanwendungsnorm zu verstehenden, also im Wege der Analogie zu erweiternden Bestimmungen des § 9 Abs 1 der 4. DVEheG (vgl Köhler, IPR[3], 15 f, 90). Was der Kläger nun für sich ins Treffen führen will, ist eine seit der Rechtskraft des damals ergangenen Urteils eingetretene Änderung der Rechtslage. Sie allein vermag aber, wenn kein Rückwirkungsbefehl des Gesetzes vorliegt, die Rechtskraft des seinerzeit ergangenen Urteils nicht zu beseitigen (vgl dazu Fasching, Komm III 726). Es soll nicht übersehen werden, daß diesmal nicht der Normalfall einer Änderung der Rechtslage vorliegt, die gewöhnlich durch Erlassung eines neuen Gesetzes bewirkt wird. Daß diesmal durch einen Verwaltungsbescheid die Voraussetzungen für die Anwendung anderer österreichischer Normen, die auch schon vorher bestanden hatten, geschaffen wurden, wirkt sich aber nicht wesentlich anders aus als sonst eine Änderung der Rechtslage kraft Gesetzesnovellierung. Damit stimmt auch überein, daß der OGH in seiner (auch von den Unterinstanzen zitierten) Entscheidung 5 Cb 58/58 den Standpunkt eingenommen hat, der Ehemann der Mutter des Kindes könne bei einem Staatsbürgerschaftswechsel keine neue Bestreitungsklage einbringen. Daß er dies nicht kann, ist eine Auswirkung der Rechtskraft des Urteils in einem Vorprozeß, da eine Bestimmung bezüglich einer Beseitigung der Rechtskraftwirkung fehlt. In diesem Zusammenhang ist auch noch ergänzend auf die Ausführungen Rosenbergs (ZPO[9], 754) zu verweisen, nach denen eine Änderung der Rechtsanschauungen, der Gesetzesauslegung oder eine Gesetzesänderung bei gleichbleibendem Sachverhalt das Abweichen von der rechtskräftigen Entscheidung nicht rechtfertigt.
Da sohin dem geltend gemachten Anspruch die Rechtskraft der Entscheidung im Verfahren 26 Cg 319/58 des LGZ Wien entgegensteht, waren aus Anlaß der Revision des Klägers die Urteile der Unterinstanzen und das ihnen vorangegangene Verfahren als nichtig aufzuheben und die Klage zurückzuweisen.
Anmerkung
Z43105Schlagworte
Ehelichkeitsbestreitungsklage, res indicata, Staatsbürgerschaftswechsel, des Klägers, Entschiedene Rechtssache, Ehelichkeitsbestreitungsklage„ Staatsbürgerschaftswechsel des Klägers, res indicata, Ehelichkeitsbestreitungsklage, Staatsbürgerschaftswechsel, des KlägersEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1970:0010OB00122.7.0618.000Dokumentnummer
JJT_19700618_OGH0002_0010OB00122_7000000_000