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L72007 Beschaffung Vergabe Tirol;Norm
BVergG 2002 §163;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Rigler, Dr. Bayjones und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerde der Ö AG in W, vertreten durch Dr. Rainer Roniger und DDr. Christian F. Schneider, Rechtsanwälte in 1220 Wien, Donau-City-Straße 11, gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 8. März 2004, Zl. uvs-2004/K11/001-8, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Nachprüfung eines Vergabeverfahrens (mitbeteiligte Partei: Stadt Innsbruck, vertreten durch Dr. Michael Sallinger, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Sillgasse 21/III), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird im Umfang seines Spruchpunktes 1 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Tirol hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol (UVS) vom 8. März 2004 wurde der Antrag der beschwerdeführenden Partei, die Zuschlagsentscheidung der mitbeteiligten Partei im Vergabeverfahren betreffend die Ausschreibung von Pensionskassenleistungen für nichtig zu erklären, wegen Unzuständigkeit des UVS zurückgewiesen (Spruchpunkt 1.); die einstweilige Verfügung, mit der der mitbeteiligten Partei die Erteilung des Zuschlages untersagt worden war, wurde aufgehoben (Spruchpunkt 2.). Begründend wurde nach Darstellung des Verfahrensganges im Wesentlichen ausgeführt, der von der mitbeteiligten Partei vorgenommenen Ausschreibung von Pensionskassenleistungen sei eine Vereinbarung gemäß § 3 Betriebspensionsgesetz vorangegangen, die zwischen der mitbeteiligten Partei und ihrer Personalvertretung abgeschlossen worden sei. Dabei sei vereinbart worden, unter welchen Bedingungen die mitbeteiligte Partei ein Pensionskassenmodell einrichten bzw. was Inhalt eines mit einer Pensionskasse zu schließenden Vertrages sein dürfe. Die Teilnahme an der Pensionskasse erfolge demnach seitens der Dienstnehmer auf freiwilliger Basis. Teilnehmende Dienstnehmer müssten eine Beitrittserklärung abgeben; die Einbeziehung in das Pensionskassensystem erfolge dann, sofern die Voraussetzungen vorliegen, mit dem folgenden Beitragsmonat. Einem Dienstnehmer, der der Pensionskasse beitrete, gebühre ein bisher gewährter Rentenzuschuss durch die mitbeteiligte Partei entsprechend dem Beschluss des Gemeinderates vom 6. Dezember 1960 nicht mehr. Für den Fall, dass ein Dienstnehmer an der Pensionskasse teilnehme, verpflichte sich die mitbeteiligte Partei, monatlich einen Beitrag in näher festgelegter Höhe an die Pensionskasse abzuführen. Der Dienstnehmer könne freiwillige einen Eigenbeitrag in der Höhe von entweder 50 % oder 100 % des Dienstgeberbeitrages monatlich leisten. Sämtliche Kosten der Pensionskasse (allgemeine Verwaltungskosten, Auszahlungskostenreserve, Vermögensverwaltungskosten usw.) sowie sämtliche anfallenden Abgaben und Gebühren, mit Ausnahme der Versicherungssteuer seien im Dienstgeberbeitrag inkludiert; der auf dem Dienstnehmerbeitrag entfallende Verwaltungskostenanteil werde vom Dienstgeberbeitrag in Abzug gebracht. Die Pensionskasse veranlage die Pensionskassenbeiträge. Die Dienstnehmer wirkten an der Verwaltung der Pensionskasse in der Hauptversammlung und im Aufsichtsrat mit. Als Leistungen der Pensionskasse würden Pensionszahlungen an die beitretenden Dienstnehmer vereinbart.
Die beschwerdeführende Partei habe sich an der zu Grunde liegenden Ausschreibung in Form der Abgabe eines Angebotes beteiligt; die Zuschlagsentscheidung sei von der mitbeteiligten Partei jedoch zu Gunsten der APK-Pensionskasse AG getroffen und schriftlich bekannt gegeben worden. Zur Frage, ob die Ausschreibung der Leistungen einer Pensionskasse im Rahmen eines Vergabeverfahrens zu erfolgen habe, sei festzuhalten, dass das Vergaberecht prinzipiell nur Dienstleistungen gegenüber einem Auftraggeber erfasse, der diese auch vergüte.
Dienstleistungsverträge seien gemäß Art. 1 lit. a RL 92/50 (Dienstleistungsrichtlinie) die zwischen einem Dienstleistungserbringer und einem öffentlichen Auftraggeber geschlossenen schriftlichen entgeltlichen Verträge. § 4 Abs. 1 BVergG 2002 regle, dass Dienstleistungsverträge entgeltliche Verträge seien, deren Vertragsgegenstand Dienstleistungen im Sinne der Anhänge III und IV seien. Unter den Begriff des Auftragnehmers falle nach dem BVergG 2002 jeder Unternehmer, mit dem vertraglich vereinbart werde, dem Auftraggeber eine Leistung gegen Entgelt zu erbringen. Demnach seien vom Vergaberecht Leistungsaustausche zwischen einem öffentlichen Auftraggeber und einem Dienstleistungserbringer erfasst; dem Auftraggeber werde eine Leistung gegen Entgelt erbracht. Demgegenüber erfolge bei dem der Ausschreibung zu Grunde liegenden Pensionskassenvertrag der Leistungsaustausch nicht zwischen einem öffentlichen Auftraggeber und der Pensionskasse, sondern zwischen den anwartschaftsberechtigten Arbeitnehmern der mitbeteiligten Partei und der Pensionskasse. Die Leistung der Pensionskasse bestehe darin, die Beiträge für die anwartschaftsberechtigten Arbeitnehmer zu halten und zu verwalten. Die anwartschaftsberechtigten Arbeitnehmer hätten bei Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses einen Anspruch gegen die Pensionskasse auf Pensionsleistung sowie unterschiedliche Verfügungsmöglichkeiten für den Fall des Ausscheidens aus dem Dienstverhältnis zur mitbeteiligten Partei vor Antritt eines Leistungsfalles. Als Gegenleistung und Entgelt für die Leistungen der Pensionskasse sei diese berechtigt, von den hereingenommenen Dienstgeberbeiträgen Verwaltungskosten abzuziehen. Die Dienstgeberbeiträge stellten allerdings ein dem Dienstnehmer zustehendes Entgelt dar. Die Pensionskasse ziehe also von Entgeltbestandteilen der Arbeitnehmer der mitbeteiligten Partei Verwaltungskosten ab. Es seien daher die Dienstleistungsbezieher, die Arbeitnehmer der mitbeteiligten Partei, die das Entgelt für die Leistungen der Pensionskasse bezahlten. Das Dienstleistungsverhältnis bestehe somit zwischen der Pensionskasse und den anwartschaftsberechtigten Arbeitnehmern. Die Auswahl der Pensionskasse sei folglich nicht im Rahmen eines Vergabeverfahrens zu treffen. Daran ändere der Umstand, dass die mitbeteiligte Partei auf Grund des von ihr abgeschlossenen Pensionskassenvertrages zur Beitragsleistung verpflichtet sei, nichts; seien es doch Gelder der Arbeitnehmer, mit denen die Pensionskasse eine Dienstleistung für die Arbeitnehmer erbringe. Auch sei, wenn man die in der Ausschreibung angegebenen Auswahlkriterien betrachte (Abdeckung des Modells 15 %, Entgelt 35 %, Veranlagungs- und Risikogemeinschaft 35 %, Serviceleistungen 15 %), die entscheidende Intention des Vergaberechts, die wirtschaftlich günstigste Leistung für einen öffentlichen Auftraggeber in Auftrag zu geben, im vorliegenden Fall gerade nicht verfolgt worden. Vielmehr sollte ein optimales Preis-Leistungsverhältnis für die Arbeitnehmergemeinschaft erreicht werden, die dementsprechend entscheidende Mitbestimmungsrechte habe und die Leistungen der Pensionskasse letztlich auch bezahle. Die mitbeteiligte Partei könne als Arbeitgeber keinesfalls ohne Einvernehmen mit den Arbeitnehmern bzw. ihrer Vertretung eine Pensionskasse auswählen. Hielte man ein Vergabeverfahren für notwendig, wäre dieses mit der Arbeitnehmermitbestimmung "kaum vereinbar". Das Besondere am vorliegenden Pensionskassensystem liege darin, dass es dem einzelnen Arbeitnehmer frei stehe, im eigenen Namen Einzelverträge (Beitrittserklärungen zum Pensionskassensystem) mit der Pensionskasse zu schließen. Erst durch diese Beitrittserklärungen der Arbeitnehmer und nicht durch den Abschluss des Pensionskassenvertrages zwischen Arbeitgeber und Pensionskasse komme es zu einem "echten Austauschverhältnis" im Sinne des Vergabegesetzes. Aus dem Gesagten folge, dass das Tiroler Vergabenachprüfungsgesetz 2002 auf den diesem Verfahren zu Grunde liegenden Abschluss eines Pensionskassenvertrages nicht anzuwenden sei. Eine Zuständigkeit des UVS sei daher im Gegenstande nicht gegeben.
Gegen diesen Bescheid - und zwar erkennbar nur gegen dessen Spruchpunkt 1. - richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte. Auch die mitbeteiligte Partei erstattete eine Gegenschrift, in der sie beantragte, die Beschwerde kostenpflichtig zurück-, in eventu aber abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die beschwerdeführende Partei erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid im "Recht auf Nachprüfung von Aufträgen im Sinne der vergaberechtlichen Vorschriften des Bundes (§ 2 Abs. 1 Tiroler Vergabenachprüfungsgesetz 2002) verletzt".
Die mitbeteiligte Partei wendet ein, die beschwerdeführende Partei könne durch den angefochtenen Bescheid nicht im geltend gemachten Beschwerdepunkt, sondern allenfalls in einem Recht auf "Sachentscheidung" verletzt sein; die Beschwerde wäre daher zurückzuweisen. Sie übersieht dabei, dass mit dem dargestellten Beschwerdepunkt das Recht auf eine inhaltlich bestimmte Entscheidung der Nachprüfungsbehörde geltend gemacht wird, wobei dieses Recht den Anspruch auf Sachentscheidung durch die Behörde notwendiger Weise in sich schließt. Die Auffassung, die beschwerdeführende Partei könne in dem von ihr geltend gemachten Beschwerdepunkt durch den ihren Nachprüfungsantrag zurückweisenden, angefochtenen Bescheid nicht verletzt werden, ist demnach unzutreffend.
Die mitbeteiligte Partei meint weiters, die beschwerdeführende Partei sei durch die Zurückweisung ihres Nachprüfungsantrages nicht beschwert, weil sie in diesem Antrag einen drohenden oder bereits eingetretenen Schaden nicht ausreichend dargetan habe; die schriftliche Erklärung des Geschäftsführers der beschwerdeführenden Partei genüge nicht. Die beschwerdeführende Partei habe daher keinen tauglichen Nachprüfungsantrag eingebracht.
Die beschwerdeführende Partei hat sich an der verfahrensgegenständlichen Ausschreibung unbestrittenermaßen durch Abgabe eines Angebotes beteiligt. Weiters ist das Vorliegen eines Ausscheidungsgrundes weder aus den vorgelegten Verwaltungsakten ersichtlich, noch wird dies von der mitbeteiligten Partei behauptet. Wenn die beschwerdeführende Partei daher in ihrem Nachprüfungsantrag behauptete, es drohe ihr aus der - ihrer Auffassung nach - rechtswidrigen Zuschlagsentscheidung der mitbeteiligten Partei ein Schaden, so ist das in der unbestrittenermaßen vorliegenden Fallkonstellation keineswegs ausgeschlossen. Das Tatbestandsmerkmal des drohenden oder bereits entstandenen Schadens im Sinn des § 163 Abs. 1 BVergG 2002 ist daher - im Gegensatz zur Auffassung der mitbeteiligten Partei, die es freilich unterlässt, konkret vorzubringen, welches Mindestmaß an Schadensdarlegung ihr vor Augen steht - erfüllt; der behauptete Zurückweisungsgrund liegt nicht vor.
In der Sache gleicht der vorliegende Beschwerdefall in allen für die Entscheidung wesentlichen Umständen jenem, der bereits mit hg. Erkenntnis vom 1. März 2005, Zl. 2003/04/0008, entschieden wurde. Aus den dort genannten Gründen, auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, erweist sich (auch) der (hier) angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig.
Dem von der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift erstatteten Vorbringen, es handle sich im Gegenstande selbst bei Annahme der Entgeltlichkeit des Pensionskassenvertrages um die Vergabe einer so genannten "Dienstleistungskonzession", auf die mangels Anwendbarkeit der Regelungen des 5. Teiles des BVergG 2002 über den Rechtsschutz ein Nachprüfungsantrag unzulässig sei, ist zunächst zu erwidern, dass diese Auffassung offenbar ebenfalls auf dem Missverständnis beruht, das Entgelt für die von der Pensionskasse zu erbringende Dienstleistung sei keine vom Auftraggeber (der mitbeteiligten Partei) in Erfüllung des Pensionskassenvertrages zu erbringende Leistung, sondern eine Leistung der Dienstnehmer der mitbeteiligten Partei. Im Übrigen fehlt es im angefochtenen Bescheid aber an Feststellungen, die insbesondere eine Beurteilung der (für die Annahme einer Dienstleistungskonzession entscheidenden) Frage zuließen, ob und inwiefern der Auftragnehmer die ausgeschriebene Dienstleistung im Sinne des § 4 Abs. 2 BVergG 2002 nützen könne. Da in der Bescheidbegründung fehlende Darlegungen in der Gegenschrift nicht nachgeholt werden können, ist das von der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift diesbezüglich erstattete Vorbringen auch aus diesem Grunde nicht zielführend.
Der angefochtene Bescheid war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Wien, am 6. April 2005
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2004040071.X00Im RIS seit
06.05.2005