TE OGH 1970/9/22 4Ob594/70

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Veröffentlicht am 22.09.1970
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Norm

ABGB §1090
ZPO §228

Kopf

SZ 43/160

Spruch

Das Begehren des Mieters auf Feststellung, daß durch die in seiner Wohnung hergestellte Ölheizungsanlage keine Gefahr für die Substanz des Hauses bestehe und ein durch den sorglichen Betrieb der Ölfeuerungsanlage übliches und zu tolerierendes Lärmausmaß nicht überschritten werde, ist nicht auf Feststellung einer Tatsache gerichtet, sondern sinngemäß auf Feststellung des Rechtes der Mieter, eine bestehende Ölfeuerungsanlage betreiben zu dürfen

OGH 22. September 1970, 4 Ob 594/70 (LGZ Wien 45 R 348/70; BG Döbling 5 C 842/70).

Text

Die Kläger behaupten, sie seien Hauptmieter einer Wohnung im Hause der Beklagten in Wien 19. Sie hätten eine Ölfeuerungsanlage für diese Wohnung einbauen lassen, die behördlich genehmigt worden sei. Nunmehr habe die Beklagte trotz vorheriger Zustimmung zum Bau dieser Anlage deren Umbau verlangt, weil das jeweilige Anlaufen des Brenners das Haus zu stark erschüttere. Die Beklagte habe den Klägern überdies Ersatzforderungen wegen eines allfälligen Schadens am Hause in Aussicht gestellt. Sie habe sich weiter vorbehalten, das Mietverhältnis zu kundigen, falls die Kläger der Aufforderung der Beklagten nicht entsprechen sollten. In Wahrheit sei die Anlage aber technisch einwandfrei und keine Gefahr für das Haus. Da die Kläger an einer alsbaldigen Klarstellung der Lage interessiert seien, begehrten sie die Feststellung, daß durch die im 1. Stock des Hauses Wien 19 im Auftrag der Kläger hergestellte Ölheizungsanlage keine Gefahr für die Substanz dieses Hauses bestehe und ein durch den sorglichen Betrieb der Ölfeuerungsanlage übliches und zu tolerierendes Lärmausmaß nicht überschritten werde.

Die Beklagten bestritten die Zulässigkeit der begehrten Feststellung, weil damit nur die Feststellung einer Tatsache verlangt werde; sie bestritten auch den Bestand eines Feststellungsinteresses und die Richtigkeit des tatsächlichen Vorbringens.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ohne Beweisaufnahme ab. Es vertrat die Ansicht, daß die begehrte Feststellung unzulässig sei, weil damit die Feststellung von Tatsachen, nicht aber des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtes oder Rechtsverhältnisses begehrt werde.

Über Berufung der Kläger hob das Berufungsgericht das Urteil des Erstgerichtes unter Rechtskraftvorbehalt auf. Es ging davon aus, daß dem Klagebegehren im Zusammenhalt mit dem Klagsvorbringen deutlich zu entnehmen sei, daß die Kläger mit der begehrten Feststellung eine Klärung der Rechtslage, nämlich der Frage, ob der Beklagten wegen des Fortbetriebes der Heizungsanlage ein Recht zur Kündigung des Mietverhältnisses zustehe, anstrebten. Eine solche Feststellung sei aber bei einer entsprechenden - und auch zulässigen - Modifizierung des Wortlautes nach dem Sinn des Begehrens zulässig. Da ein Dauerschuldverhältnis zwischen den Streitteilen bestehe, sei auch das Feststellungsinteresse zu bejahen. Das Erstgericht müsse daher auf eine richtige Formulierung des Begehrens durch die Kläger dringen oder diese Formulierung selbst vornehmen und die strittigen Behauptungen im erforderlichen Umfang prüfen. Das Begehren nach Feststellung des Nichtbestehens eines Schadenersatzanspruches der Beklagten sei aber unzulässig, weil ein Schaden am Haus nach der Darstellung der Kläger selbst bisher nicht entstanden sei.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurse der Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Richtig ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß für die Beurteilung der Frage, ob die Feststellung eines Rechtes oder eines Rechtsverhältnisses gemäß § 228 ZPO begehrt oder unzulässigerweise bloß die Feststellung einer Tatsache (außer der Echtheit oder Unechtheit einer Urkunde) angestrebt wird, nicht der Wortlaut, sondern der Sinn des gestellten Begehrens maßgebend ist (Fasching III, 61, ArbSlg 8647, 6 Ob 120/70 u a). Die Kläger haben vorgebracht, daß die Ölfeuerungsanlage, die sie für ihre Wohnung bauen ließen, technisch einwandfrei sei und der Betrieb dieser Anlage entgegen der Meinung der Beklagten keinen Anlaß zu einer Kündigung des Mietverhältnisses biete, sondern von der Beklagten die mit diesem Betrieb verbundene Lärmentwicklung als üblich zu tolerieren sei. Die Kläger behaupten also mit anderen Worten, daß sie auf Grund der bestehenden vertraglichen Bindungen zwischen den Streitteilen das Recht zum Bau und zum Betrieb der Anlage in der bestehenden Art hätten, die Beklagte aber ihnen dieses Recht streitig mache, weil sie den Betrieb der Anlage als Grund für eine Kündigung des Mietvertrages ansehe. Strittig ist daher der Bestand oder Nichtbestand eines besonderen Rechtes innerhalb der auf Grund des Mietverhältnisses zwischen den Streitteilen bestehenden rechtlichen Beziehungen. Die Feststellung bloß eines Teiles eines Rechtsverhältnisses ist aber im Sinn des § 228 ZPO zulässig (Fasching III, 58, 60, EvBl 1962/398). Es handelt sich bei der begehrten Feststellung ihrem Sinn nach entgegen der Meinung des Rekurses nicht um die Feststellung einer Tatsache oder deren rechtliche Qualifikation, sondern um die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines strittig gewordenen Teiles der den Klägern zustehenden Rechte. Da es sich bei den Rechtsbeziehungen zwischen den Streitteilen um ein Dauerschuldverhältnis handelt, ist auch das rechtliche Interesse an der alsbaldigen Klarstellung der strittigen Frage zu bejahen. Es kann den Klägern nicht verwehrt werden, eine Gewißheit darüber anzustreben, ob sie durch den weiteren Betrieb der Ölfeuerungsanlage ihre Verpflichtungen als Mieter verletzen oder ob sie zu diesem Betrieb als Mieter der Wohnung im Hause der Beklagten berechtigt sind. Da sich das Klagebegehren nicht auf den Betrieb einer Ölfeuerungsanlage schlechthin, sondern auf den Betrieb der "hergestellten" Ölfeuerungsanlage bezieht, also das Recht strittig ist, ob die bestehende Anlage in der bisherigen Weise betrieben werden darf, sind alle Ausführungen des Rekurses darüber, ob die behördliche Genehmigung für das Recht des Weiterbetriebes ausreichend ist, nicht stichhältig. Bei der Fassung des Begehrens und des Urteilsspruches wird aber auf den wirklichen Sinn des Begehrens Bedacht zu nehmen sein, wonach das Recht der Kläger, die bereits errichtete konkrete Ölfeuerungsanlage betreiben zu dürfen, festgestellt werden soll. Da diese Feststellung Inhalt eines Begehrens im Sinn des § 228 ZPO sein kann, wurde dem Erstgericht mit Recht aufgetragen, die für die Entscheidung wesentlichen Tatsachen zu prüfen und festzustellen.

Anmerkung

Z43160

Schlagworte

Bestandvertrag, Feststellungsklage des Mieters, Betrieb einer, Ölheizungsanlage, Feststellungsklage des Mieters, Betrieb einer Ölheizungsanlage, Ölheizungsanlage, Feststellungsklage der Mieter wegen Betrieb einer

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1970:0040OB00594.7.0922.000

Dokumentnummer

JJT_19700922_OGH0002_0040OB00594_7000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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