Kopf
SZ 43/180
Spruch
Die in Art 40 Abs 3 WG normierte Erleichterung der Prüfungspflicht gilt auch bei einer Zahlung nach Verfall aber vor Protest
Die Einrede, der Schuldner habe bei der Zahlung an den Nichtberechtigten arglistig oder grob fahrlässig gehandelt, kann nur vom sachlich Berechtigten erhoben werden
OGH 15. Oktober 1970, 1 Ob 227/70 (OLG Wien 2 R 4/70; HG Wien 27 Cg 1086/69)
Text
Das Erstgericht hielt den von ihm erlassenen Wechselzahlungsauftrag vom 11. August 1969, AZ 27 Cg 1086/69, aufrecht und verurteilte den Beklagten zur Zahlung der eingeklagten Wechselsumme von 25.400 S s A, wobei es von folgenden Feststellungen ausging: Die Parteien seien vor einigen Jahren in der Schweiz beruflich tätig gewesen. Der Kläger habe dort durch Vermittlung des Beklagten von Ing Elie T ein Darlehen von 15.000 sfr aufgenommen, hievon dem Beklagten 5000 sfr gegeben und hiefür den klagsgegenständlichen, vom Kläger am 15. Jänner 1969 in Wien an eigene Order ausgestellten, auf 35.400 S lautenden, am 15. April 1969 fälligen, in Wien zahlbaren und vom Beklagten akzeptierten Wechsel erhalten. Der Kläger habe diesen Wechsel im Jahr 1969 dem Gebäudeverwalter I, der ihm einen Kredit von 150.000 S verschafft habe, übergeben. Mit dem Schreiben vom 6. Februar 1969 habe der Kläger den Beklagten von dieser Weitergabe des Wechsels verständigt und ihn zugleich wissen lassen, daß Zahlungen an den nunmehrigen Klagevertreter zu leisten seien. In der Folge seien die Parteien dieses Rechtsstreites übereingekommen, daß der Beklagte auf den gegenständlichen Wechsel am 16. Mai 1969 10.000 S und den Rest der Wechselforderung per 25.400 S (35.400 S minus 10.000 S) am 30. Juni 1969 zahlen werde. Der Teilbetrag von 1.000 S sei auch berichtigt, der Restbetrag bei Fälligkeit hingegen nicht beglichen worden. Mit dem Mahnschreiben vom 4. Juli 1969 habe der Klagevertreter den Beklagten zur Zahlung aufgefordert. Am 9. August 1969, also einen Tag nach der am 8. August 1969 erfolgten Einbringung, aber noch vor Zustellung der gegenständlichen Wechselklage, sei es zwischen den Parteien zu einer neuen Vereinbarung gekommen, derzufolge der Beklagte dem Kläger einen Kundenwechsel über 20.000 S an Zahlungs Statt "für Auswechslung" des gegenständlichen Wechsels zu übergeben hatte.
In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht die Auffassung, daß dem Kläger die aktive Klagslegitimation fehle, weil er den Wechsel begeben habe und aus diesem entweder der Kreditvermittler I oder die unbekannte Darlehensgeberin berechtigt sei, doch müsse dies im Hinblick auf die im Wechselprozeß herrschende Eventualmaxime unbeachtet bleiben, weil es an einer entsprechenden, rechtzeitig erhobenen Einwendung des Beklagten fehle. Der Kläger habe mangels eines ihm zustehenden Verfügungsrechtes hinsichtlich der gegenständlichen Wechselforderung keine wirksamen Vereinbarungen treffen können. Durch die Übergabe des Kundenwechsels von 20.000 S an Zahlungsstatt sei demzufolge der Beklagte von seiner ursprünglichen, den Gegenstand dieses Verfahrens bildenden Wechselschuld nicht befreit worden. Der Beklagte habe aus dem Schreiben vom 6. Februar 1969 ersehen müssen, daß der Kläger über die nunmehr eingeklagte Forderung nicht (mehr) verfügungsberechtigt sei und habe den Kundenwechsel über 20.000 S faktisch verschenkt. Eine Rückzession des klagsgegenständlichen Wechsels an den Kläger sei nicht behauptet worden.
Das Berufungsgericht hat die vom Beklagten wegen Nichtigkeit erhobene Berufung verworfen, im übrigen der Berufung des Beklagten jedoch Folge gegeben und in Abänderung des Ersturteiles den Wechselzahlungsauftrag aufgehoben. Es übernahm die Beweiswürdigung und die darauf gegrundeten Feststellungen des Erstgerichtes als unbedenklich. In rechtlicher Beziehung vertrat es - abweichend vom Erstgericht - den Standpunkt, daß die aktive Klagslegitimation des Klägers gegeben sei. Im übrigen sei die nach der Erhebung der Wechselklage zwischen den Parteien getroffene und vom Beklagten erfüllte Vereinbarung betreffend die Hingabe eines Kundenwechsels über 20.000 S an Zahlungs Statt rechtswirksam. Diese wirke wie eine Zahlung der klagsgegenständlichen Wechselsumme (§§ 1412 ff ABGB). Damit sei die Schuld des Beklagten, soweit diese auf dem eingeklagten Wechsel beruht habe, erloschen.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Nach Art 16 Abs 1 WG gilt derjenige, der den Wechsel auf Grund eines auf ihn lautenden Indossamentes in Händen hat, auch ohne Beweis seines Eigentums als rechtmäßiger Inhaber, sofern er sein Recht durch eine ununterbrochene Reihe von Indossamenten nachweist, und zwar auch dann, wenn das letzte ein Blankoindossament ist. Zur Herstellung dieses sogenannten Legitimationseffektes ist sohin - neben der Innehabung des Wechsels - eine geschlossene Indossamentenkette erforderlich. Die Reihe muß beim Wechsel an eigene Order mit einem Indossament des Ausstellers beginnen. Zu unterscheiden ist allerdings zwischen der förmlichen und der sachlichen Berechtigung des Wechselinhabers. Sachlich berechtigt ist der "rechtmäßige Inhaber", also grundsätzlich der Eigentümer des Wechsels. Diesem stehen die Rechte aus dem Wechsel zu, er ist der Wechselgläubiger. Förmlich berechtigt (legitimiert) hingegen ist der Inhaber des Wechsels, der entweder im Wechsel als erster Nehmer benannt ist oder auf den eine ununterbrochene Reihe von Indossamenten hinführt. Ein Blankoindossament weist jeden aus, der den Wechsel in Händen hat, auch den Blankoindossanten selbst, der sohin nicht nachzuweisen hat, daß er den Wechsel nicht weitergegeben oder ihn rückgelöst hat. Dies gilt auch dann, wenn der Aussteller eines Wechsels an eigene Order ein Blankoindossament auf den Wechsel gesetzt und den nur dieses eine Indossament aufweisenden Wechsel noch - oder wie diesfalls - wieder in Händen hat. Die Rechtslage entspricht dann jener, wie sie sich nach einem Rückindossament eines weiteren Wechselinhabers auf den Wechselaussteller (Art 11 Abs 3 WG) darstellt. Im übrigen ergibt sich aus der Bestimmung des Art 28 Abs 2 WG, daß der Inhaber, auch wenn er der Aussteller ist, mangels Zahlung einen unmittelbaren Anspruch aus dem Wechsel auf alles hat, was auf Grund der Art 48 und 49 WG gefordert werden kann. Der nur förmlich Berechtigte ist nicht Wechselgläubiger, die Tatsache der Innehabung der Urkunde und die geschlossene Reihe der Indossamente begrundet aber den Rechtsschein sachlicher Berechtigung. Die Wechselinnehabung begründet für den so Legitimierten eine - allerdings widerlegbare - Vermutung der Wechselberechtigung (Geltungseffekt, Rechtsscheinwirkung). Dem Wechselschuldner kommt nun diese Legitimationswirkung insofern zustatten, als er durch Zahlung an den formell legitimierten Wechselinhaber auch dann von seiner Wechselschuld befreit wird, wenn es diesem an der materiellen (sachlichen) Berechtigung gefehlt haben sollte (vgl Kapfer, Handkommentar zum WG, 87 ff insb Anm 4 zu Art 16 WG; Baumbach-Hefermehl[10], Art 16 WG Anm 1 bis 3).
Nach dem erhobenen Sachverhaltsbild war der Kläger am 9. August 1969 effektiv förmlich legitimierter Wechselinhaber i S des Art 16 Abs 1 WG, hat er doch schon am Tag vorher die Klage unter Vorlage des Wechsels überreicht. Es steht weiter fest, daß er an dem genannten Tag, also nach Verfall, an dem die bloße Stundung nichts änderte (vgl Kapfer, WG, 151 und 153), Zahlung durch Empfangnahme eines (lt Vereinbarung auf 20.000 S lautenden) Kundenwechsels an Zahlungsstatt erlangt hat. Obgleich Art 40 Abs 3 WG nur von Zahlungen bei Verfall spricht, greift die dort zugunsten des Schuldners normierte Erleichterung der Prüfungspflicht auch für eine Zahlung nach Verfall, aber vor Protest ein (vgl Baumbach-Hefermehl[10], Art 40 WG Anm 3).
Mit dem in der Rechtsrüge erhobenen Vorwurf, daß der Beklagte die mangelnde Verfügungsgewalt des Klägers kennen mußte und ihm daher Arglist oder zumindest grobe Fahrlässigkeit zur Last falle (Art 40 Abs 3 WG), ist für den Revisionswerber nichts zu gewinnen. Die Einrede, der Schuldner habe bei der Zahlung an den Nichtberechtigten arglistig oder grob fahrlässig gehandelt, dient dem Schutz des sachlich Berechtigten, kann also nur von diesem, nicht aber von einem förmlich Berechtigten erhoben werden, der die Zahlung erhalten hat. Sollte der Kläger im Zeitpunkt der erhaltenen Zahlung (9. August 1969) nicht nur förmlich, sondern auch sachlich berechtigt gewesen sein, dann wäre angesichts der festgestellten Zahlung (Leistung an Zahlungsstatt) die Wechselschuld des Beklagten erloschen. Wird hingegen im Sinne der Revisionsausführungen unterstellt, daß der Kläger im Zeitpunkt der erlangten Zahlung nur als förmlich Berechtigter, nicht aber als Wechselgläubiger auftreten durfte, dann verbietet ihm schon der Grundsatz von Treu und Glauben, geltend zu machen, daß der die Zahlung erbringende Schuldner arglistig oder grob fahrlässig gehandelt habe. Diese Einrede kann, wie bereits dargelegt, keinesfalls von demjenigen Wechselinhaber erhoben werden, der nach seiner eigenen Behauptung zu Unrecht Zahlung erlangt hat und dessen Einrede auf den Versuch hinausläuft, vom Schuldner noch einmal Zahlung zu erhalten.
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Z43180European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1970:0010OB00227.700.1015.000Im RIS seit
10.01.1995Zuletzt aktualisiert am
12.02.2019