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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §66 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Graf und die Hofräte Dr. Blaschek und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Lier, über die Beschwerde des L in W, vertreten durch Dr. Andrea Simma, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Schulerstraße 18, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 15. April 2003, Zl. UVS-07/V/3/735/2003, betreffend Versagung der Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsfrist in einem Verwaltungsstrafverfahren wegen Übertretung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908, -- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Magistrats der Stadt Wien vom 10. Dezember 2002 - mit dem sein Wiedereinsetzungsantrag gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Berufung gegen das Straferkenntnis vom 21. Mai 2002 gemäß § 71 Abs. 2 AVG als verspätet zurückgewiesen worden war - gemäß § 66 Abs. 4 AVG keine Folge gegeben und der Wiedereinsetzungsantrag gemäß § 71 Abs. 1 AVG (in Verbindung mit § 24 VStG) abgewiesen.
Zur Begründung ihrer Entscheidung führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe glaubhaft gemacht, er sei durch einen unvorhergesehenen chirurgischen Eingriff (und einen nachfolgenden Krankenhausaufenthalt) gehindert gewesen, den vereinbarten Besprechungstermin mit seinem ausgewiesenen (rechtsfreundlichen) Vertreter einzuhalten. Dass er durch diese Erkrankung dispositionsunfähig und derart gehindert gewesen sei, notwendige Veranlassungen für die rechtzeitige Einbringung des Rechtsmittels zu setzen, habe der Beschwerdeführer nicht behauptet. Er habe in der öffentlichen mündlichen Verhandlung ausgesagt, dass er, bevor er das Krankenhaus aufgesucht habe, seinen bevollmächtigten Vertreter telefonisch angewiesen habe, die Berufung gegen das Straferkenntnis einzubringen; von der Unterlassung der Rechtsmittelerhebung habe er erst durch die Zustellung einer Mahnung erfahren. Die Untätigkeit des Vertreters bilde deshalb keinen Wiedereinsetzungsgrund, weil der Beschwerdeführer trotz seiner Erkrankung nicht gehindert gewesen sei, seinem Vertreter den Auftrag zur Rechtsmittelerhebung telefonisch zu geben. Dem Antragsvorbringen sei nicht zu entnehmen, dass dieser Vertreter auf Grund der Nichteinhaltung des Besprechungstermines daran gehindert gewesen sei, das Rechtsmittel einzubringen.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
In der Beschwerde wird ua. geltend gemacht, die belangte Behörde hätte den Wiedereinsetzungsantrag nicht abweisen dürfen, sondern sie hätte der Berufung gegen den erstinstanzlichen Zurückweisungsbescheid Folge geben müssen. Über den Wiedereinsetzungsantrag hätte erst danach meritorisch entschieden werden dürfen.
Dieses Vorbringen führt die Beschwerde zum Erfolg.
Nach § 66 Abs. 4 AVG hat die Berufungsbehörde (von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen) immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist dabei berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und dem gemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern. "Sache" im Sinne dieser Gesetzesstelle ist nach ständiger Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches der Unterinstanz gebildet hat (vgl. zB. das hg. Erkenntnis vom 1. Dezember 1992, Zl. 92/11/0202). Nach ständiger hg. Rechtsprechung ist im Fall der Zurückweisung eines Antrages (hier: wegen Verspätung) Sache der Berufungsentscheidung gemäß § 66 Abs. 4 AVG nur die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung. Der Berufungsbehörde ist es verwehrt, erstmals - unter Übergehen einer Instanz - den eigentlichen Verfahrensgegenstand (hier: die Wiedereinsetzung in der vorigen Stand) einer meritorischen Erledigung zuzuführen (vgl. zB. das hg. Erkenntnis vom 28. April 1995, Zl. 94/18/1046). Diese der Berufungsbehörde gesetzte Grenze wurde von der belangten Behörde im Beschwerdefall überschritten; vielmehr hätte sie lediglich über die Rechtzeitigkeit des Wiedereinsetzungsantrages zu entscheiden gehabt.
Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge funktioneller Unzuständigkeit der belangten Behörde gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG aufzuheben (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 2004, Zl. 2003/02/0059).
Die Entscheidung über den verzeichneten Aufwandersatz für Schriftsatz beruht - im Rahmen des gestellten Begehrens - auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003. Das ausdrückliche Begehren für Verhandlungsaufwand ist unberechtigt, da ein solcher Aufwand nicht entstanden ist.
Wien, am 6. April 2005
Schlagworte
Inhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG)European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2003090187.X00Im RIS seit
06.07.2005