TE OGH 1970/11/12 1Ob216/70

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Veröffentlicht am 12.11.1970
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Norm

ABGB §26
ZPO §1

Kopf

SZ 43/202

Spruch

Ob der in einem Stift inkorporierten Pfarrpfrunde Parteifähigkeit zukommt, läßt sich nicht allgemein beantworten; diese Frage ist in jedem Einzelfall zu prüfen

OGH 12. November 1970, 1 Ob 216/70 (OLG Linz 4 R 55/70; KG Steyr 1 Cg 621/69)

Text

Die Klägerin (Pauline H) hat mit Kaufvertrag vom 9. November 1962 die Grundstücke 244 und 245, Wiese, der KG K von der Beklagten ("Die dem Benediktinerstift K incorporierte rk Pfarrpfrunde K") um 30.000 S käuflich erworben. Im Punkt "Drittens" des Kaufvertrages heißt es:

"Falls Frau Pauline H die Kaufobjekte wieder verkaufen sollte, so hat sie die Hälfte des allfälligen Mehrerlöses zwischen dem heutigen Kaufpreis samt allen Kosten und dem erzielten Verkaufserlös innerhalb von 14 Tagen nach Unterfertigung des bezüglichen Kaufvertrages an die Verkäuferin zu bezahlen. Bei der Berechnung dieses Mehrerlöses ist jedoch eine allfällige Wertminderung der Kaufkraft der österreichischen Währung zu berücksichtigen. Es wird daher der obige Kaufpreis wertgesichert nach dem Verbraucherpreisindex I des Österreichischen Statistischen Zentralamtes. Dieser Index betrug im Monat September dieses Jahres

111.4.

Zur Sicherung dieser Verpflichtung räumt Frau Pauline H der Verkäuferin rücksichtlich der Kaufobjekte ein Vorkaufsrecht nach Maßgabe der Bestimmungen des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches ein.

Frau Pauline H bewilligt in ihrer Liegenschaft EZ 32 KG K die Einverleibung des Vorkaufsrechtes gemäß diesem Vertragspunkte zu Gunsten der "dem Benediktinerstift K incorporierten rk Pfarrpfrunde

K."

Auf Grund des Beschlusses des BG Neuhofen/Krems vom 30. Juli 1969, TZ .../69, wurden die beiden oben genannten Grundstücke unter Mitübertragung des Eigentumsrechtes der Klägerin und des erwähnten Vorkaufsrechtes in die neueröffnete EZ 223 KG K übertragen, deren Gutsbestand somit nur aus den Kaufgrundstücken besteht. Mit Kaufvertrag vom 2. Dezember 1968 hat die Klägerin die genannten Grundstücke der Gemeinde K um 75.000 S verkauft. Auf Grund einer hier nicht interessierenden Berechnung gelangte die Klägerin zu der Annahme, daß der Beklagten auf Grund des Punktes "Drittens" des Vertrages vom 9. November 1962 ein Betrag von höchstens 45.000 S zustunde, der - da die Beklagte die Annahme und die Löschung des Vorkaufsrechtes verweigerte - von der Klägerin bei Gericht hinterlegt und angenommen wurde.

Die Klägerin begehrte die Beklagte schuldig zu erkennen, in die Löschung des eingetragenen Vorkaufsrechtes einzuwilligen, da sie den Vertrag durch Hinterlegung der Hälfte des Mehrerlöses erfüllt habe.

Das Erstgericht wies die Klage ab.

Das Berufungsgericht hob das Ersturteil unter Rechtskraftvorbehalt auf.

Der Oberste Gerichtshof gab den Rekursen der Streitteile nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Bevor in die Sache selbst eingegangen werden kann, ist zunächst die Frage der Parteifähigkeit der Beklagten: "Die dem Benediktinerstift K incorporierte rk Pfarrpfrunde K" zu prüfen. Fasching vertritt in seinem Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen in Band II 120 unter Anm 26, in den Vorbem zu § 1 ZPO die Auffassung, daß Pfarrpfrunden an und für sich parteifähig sind und durch den Inhaber, den Pfarrer, vertreten werden. Er beruft sich hiebei auf die SZ 26/17 und führt dann - jedoch ohne Begründung - weiter aus, nur dort wo die Pfrunden nicht selbständig, also einem Stifte inkorporiert worden seien, komme ihnen Parteifähigkeit nicht zu. Möglicherweise stützt er sich hiebei auf die des RG vom 20. 1. 1943 DREvBl 1944/281 in der davon ausgegangen wurde, es sei unter den Kirchenrechtslehrern die Ansicht herrschend, daß schon bei der unvollständigen, umso mehr also bei der vollständigen Inkorporation die Pfarre (Kirchen- und Pfrundenstiftung) als Rechtspersönlichkeit erlösche und ihr Vermögen im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf das Kloster bzw auf die juristische Person übergehe.

Dieser Standpunkt kann in so allgemeiner Form und insbesondere im gegenständlichen Fall nicht aufrecht erhalten werden. Die vom Reichsgericht als herrschend angesehene Lehre stieß schon seinerzeit auf gewichtigen Widerspruch und wurde auch seither kritisiert (vgl hiezu Lindner "Zur Inkorporationsfrage" in Arch/Kirche 1952, 22 ff und die dort zitierte Literatur). Die neuere Lehre (vgl dazu Eichmann - Mörsdorf, Lehrbuch des Kirchenrechtes auf Grund des Codex Juris Canonici,[8] II 424 f) verficht zumindest zum Teil die Ansicht, daß die "halbe" Einverleibung (Inkorporation) die Übertragung der Pfarrpfrunde lediglich zur Nutzung (also nicht ins Eigentum) bedeutet, daß aber auch bei der "vollen"- Inkorporation das Pfarrpfrundengut nicht in das Eigentum, sondern als gesondert zu haltendes Vermögen nur in die Verwaltung des Klosters übergehe, wobei freilich der Apostolische Stuhl im Einzelfall die gegenteilige Verfügung treffen könne. Der Oberste Gerichtshof kommt deshalb zum Ergebnis, daß sich eine allgemein gültige Antwort auf die strittige Frage nicht geben läßt, es muß vielmehr jeder Einzelfall untersucht werden (siehe hiezu auch J. Trummer "Das Aufsichtsrecht des Ortsordinarius über das Vermögen vollinkorporierter Stiftspfarren" in Arch/Kirche R 1952, 97 ff), wobei es jedenfalls von Bedeutung ist, ob die Inkorporation vor oder nach dem Inkrafttreten des Codex Juris Canonici (1918) erfolgte, allenfalls auch - wenn sie nachher erfolgte - ob dies vor oder nach dem Konkordat (BGBl 1934 II/2) geschehen ist. Nötigenfalls müßte auf den Wortlaut der Inkorporationsurkunde zurückgegangen werden, einen wichtigen Fingerzeig über die Eigentumsverhältnisse können aber auch - und zwar bei Inkorporierungen vor Inkrafttreten des C J C - grundbücherliche Eintragungen liefern (vgl Trummer, Arch/Kirche 1952, 101). Der Oberste Gerichtshof hat deshalb einen Grundbuchsauszug der Grundbuchseinlage 223 KG K und eine Grundbuchsabschrift der Grundbuchseinlage 77 der KG K von Amts wegen eingeholt und den Akt angeschlossen. Aus letzterer läßt sich entnehmen, daß das Eigentum an der genannten Liegenschaft für das "Stift K nomine Pfarrhof K" auf Grund eines schon im Jahre 1710 abgeschlossenen Kaufvertrages intabuliert wurde. Hieraus folgt einerseits, daß die Inkorporation schon lange vor dem Entstehen des C J C erfolgt ist und andererseits, daß das Stift Kremsmünster schon seinerzeit nur in Vertretung des Pfarrhofes K aufgetreten ist, woraus wieder geschlossen werden kann, daß der "Pfarrhof" zumindest eine Sondermasse, vertreten durch das Stift, geblieben ist. Dies deckt sich auch mit dem Vermerk vom 11. 1. 1963 auf dem Kaufvertrag Beil B, wonach das bischöfliche Ordinariat Linz (also der Ortsordinarius) den Kaufvertrag und damit auch das von der Beklagten (schon unter der jetzigen Parteibezeichnung) erworbene Vorkaufsrecht kirchenaufsichtsbehördlich genehmigt hat. Es kann nun dahingestellt bleiben, ob die - allenfalls voll - incorporierte Pfarrpfrunde K geradezu eine selbständige Rechtspersönlichkeit darstellt, zumindest handelt es sich um eine selbständig gebliebene "Sondermasse". Eine Sondermasse kann aber Träger von Rechten und Pflichten sein und damit auch im Prozeß selbständig handelnd auftreten, so daß im gegenständlichen Fall ohne weitere Erhebungen der dem Benediktinerstift K inkorporierten rk Pfarrpfrunde K Parteifähigkeit zuzubilligen ist (SZ 21/150 und Fasching II 124, Anm 32 vor § 1 ZPO).

Anmerkung

Z43202

Schlagworte

Inkorporierte Pfarrpfrunde, Parteifähigkeit, Inkorporierte Pfarrpfrunde Rechtspersönlichkeit, Parteifähigkeit inkorporierte Pfarrpfrunde, Pfarrpfrunde, Parteifähigkeit nach Inkorporation, Pfarrpfrunde, Rechtspersönlichkeit nach Inkorporation, Rechtspersönlichkeit, inkorporierte Pfarrpfrunde, Stift, Parteifähigkeit inkorporierter Pfarrpfrunden, Stift, Rechtspersönlichkeit inkorporierter Pfarrpfrunden

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1970:0010OB00216.7.1112.000

Dokumentnummer

JJT_19701112_OGH0002_0010OB00216_7000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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