TE OGH 1971/1/27 6Ob278/70

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.01.1971
beobachten
merken

Norm

Mietengesetz §19 Abs2 Z13
Mietengesetz §22 Abs2

Kopf

SZ 44/9

Spruch

Auch seit Inkrafttreten des Mietrechtsänderungsgesetzes ist eine Teilkündigung nach § 10 Abs 2 Z 13 MG nur möglich, wenn die Voraussetzungen für die Kündigung des ganzen Mietgegenstandes gegeben sind

OGH 27. 1. 1971, 6 Ob 278/70 (LGZ Graz 5 R 193/70; BGZ Graz 5 C 261/69)

Text

Die Klägerin kundigte der Beklagten ein einzelnes, abgesondert gelegenes und mit einem besonderen Eingang vom Stiegenhaus versehenes Zimmer der im ersten Stock des Hauses Graz, A-straße 29 rechts gelegenen Wohnung aus dem Gründe des § 19 Abs 2 Z 13 MG zum 31. 10. 1969 auf. Insgesamt besteht die von der Beklagten gemietete Wohnung aus drei Zimmern, Küche und Nebenräumen.

Das Erstgericht erklärte die Aufkündigung für rechtswirksam und verpflichtet die Beklagte, das aufgekundigte Zimmer der Klägerin geräumt zu übergeben. Es stellte fest, daß das Zimmer von der Beklagten seit Oktober 1968 nicht mehr untervermietet wurde und daß es von ihr für den eigenen Bedarf weder früher benötigt wurde noch jetzt benötigt wird.

Mit dem angefochtenen Urteil änderte das Berufungsgericht die Entscheidung erster Instanz dahin ab, daß es die Aufkündigung aufhob und das Räumungsbegehren abwies. Unter ausdrücklicher Ablehnung der Entscheidung MietSlg 20.530 = EvBl 1969/59 vertrat das Berufungsgericht die Ansicht, der Gesetzesbefehl des § 22 Abs 2 MG habe nach seinem Wortlaut keineswegs vom Vermieter eingebrachte, auf andere Kündigungsgrunde als jene des Eigenbedarfes gestützte Teilkündigungen im Auge. Der hier allein in den Betrachtungskreis einzubeziehende erste Fall des § 22 Abs 2 MG sei vielmehr nur auf die durch einen - nach der Erhebung von Einwendungen gegen die Aufkündigung gestellten - Parteiantrag ausgelöste Teilwirksamerklärung einer auf welchen Kündigungsgrund immer gestützten Vollkündigung abgestellt. Deshalb könne der Kündigungsgrund des § 19 Abs 2 Z 13 MG nicht zur Grundlage einer Teilkündigung gemacht werden.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Nach der Rechtsprechung zu § 22 MG vor dem Inkrafttreten des Mietrechtsänderungsgesetzes war eine Teilkündigung nur dann zulässig, wenn die Voraussetzungen für die Kündigung hinsichtlich des gesamten Mietobjektes gegeben waren. Durch das Mietrechtsänderungsgesetz ist insofern eine Änderung eingetreten, als nunmehr gemäß § 22 Abs 1 MG eine Teilkündigung auch möglich ist, wenn der Vermieter oder ein Miteigentümer des Hauses, der wenigstens Eigentümer zur Hälfte ist, nur einzelne Teile eines Mietgegenstandes dringend benötigt. Gemäß § 22 Abs 2 MG kann darüber hinaus eine den gesamten Mietgegenstand betreffende Kündigung auch nur teilweise als wirksam erkannt werden, wenn der Kündigungsgrund nicht hinsichtlich des ganzen Mietgegenstandes gegeben und der gekundigte Teil abgesondert benützbar zu machen ist. Nach den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage zum Mietrechtsänderungsgesetz sollte der § 22 Abs 2 MG nur der von der Judikatur und Lehre entwickelten Ansicht Rechnung tragen, daß der Anwendung der Teilkündigung auch auf andere Kündigungstatbestände als Eigenbedarf nichts im Wege stehe. Eine Weiterung der schon bis dahin als gegeben erachteten Möglichkeiten wurde durch die Gesetzesänderung also nicht beabsichtigt. Die Bestimmung des § 22 Abs 2 MG kann daher nach wie vor auf den Kündigungsgrund des § 19 Abs 2 Z 13 MG nur zutreffen, wenn und insoweit schon nach der bisherigen Rechtsprechung eine Teilkündigung zulässig war. Zu § 19 Abs 2 Z 13 MG war es jedoch für die Zeit bis zum Inkrafttreten des Mietrechtsänderungsgesetzes ständige Rechtsprechung (MietSlg 16.456, 15.427, 8249 uva), daß eine Teilkündigung nach dieser Gesetzesstelle nur dann möglich sei, wenn die Voraussetzungen für die Kündigung des ganzen Mietgegenstandes gegeben waren. Dies wollte der Gesetzgeber auch nach den Erläuternden Bemerkungen nicht ändern. Darnach sollte nur dem Mißbrauch des Hortens mehrerer Wohnungen begegnet werden. Wörtlich heißt es: "Hinsichtlich der Wohnung, die zur Befriedigung dieses Wohnbedürfnisses regelmäßig verwendet wird (das ist in der Regel die Wohnung, in der der Schwerpunkt des Familienlebens liegt) wird jedoch der Kündigungstatbestand zu verneinen sein." In diesem Sinne führt Zingher Anmerkung 3 lit c zu § 19 Abs 2 Z 13 MG aus, daß dann, wenn der Mieter innerhalb des Ortes nur eine, nämlich die aufgekundigte Wohnung regelmäßig verwendet, die Frage des dringenden Bedürfnisses nicht zu prüfen sei. Nicht anders zu verstehen sind auch die Ausführungen bei Limbek - Ruttar "Das Mietengesetz" und Czech, "Das Neue Wohnungsrecht" zu § 19 Abs 2 Z 13 MG, wenn auch alle Autoren zu dem sich aus der weiten Fassung des § 22 Abs 2 MG ergebenden Problem nicht ausdrücklich Stellung nehmen.

Die gegenteilige Auffassung würde zu nicht tragbaren Folgerungen führen. Es wäre dann zu überprüfen, ob der Mieter nicht nur die Wohnung an sich, sondern auch den aufgekundigten Raum, selbst wenn er ihn regelmäßig verwendet, auch zur Befriedigung seines dringenden Wohnbedürfnisses benötigt. Was "dringend" ist, definiert die Rechtsprechung zum Eigenbedarf in ausreichender Weise, das heißt, die Dringlichkeit des Bedarfs ist streng auszulegen. Der Mieter müßte dann bei jeder Teilkündigung nachweisen, daß er auch den aufgekundigten Raum dringend benötigt, er könnte also ohne weiteres auf den dringenden Wohnbedarf, also auf seinen Mindestbedarf beschränkt werden. Auf diese Weise könnte ein Hauseigentümer den Bedarf seiner Mieter in seinem Haus prüfen und der Reihe nach je nach der Zahl der die Wohnungen benützenden Personen abgesondert benützbar zu machende Räume aufkundigen. Das war sicher nicht der Wille des Gesetzgebers.

Die Gedankengänge der Entscheidung MietSlg 21.643 stehen dieser Rechtsauffassung nicht im Wege. Der damalige Anlaßfall war insofern in tatsächlicher Hinsicht anders gelagert als der gegenwärtig zu entscheidende Fall, als es sich damals um ein gemischtes Objekt handelte, das teilweise als Wohnung und teilweise als Geschäftsräumlichkeit benützt wurde und hinsichtlich der letzteren Benützung nicht mehr benötigt wurde. Hier aber handelt es sich um eine einzige vom Anfang an und auch gegenwärtig für Wohnzwecke benützte Einheit, aus welcher die Klägerin einen Einzelraum aus dem Gründe des § 19 Abs 2 Z 13 MG durch Teilkündigung herauszulösen versucht. Auf die Bedarfslage kommt es aus den bereits dargelegten Gründen nicht an.

Mit Recht hat deshalb das Berufungsgericht mit dem angefochtenen Urteil die Teilkündigung aufgehoben und das Räumungsbegehren abgewiesen.

Anmerkung

Z44009

Schlagworte

Aufkündigung, Teilkündigung nach § 19 Abs 2 Z 13 HG nach Inkrafttreten, des MRÄG, Mietrechtsänderungsgesetz, Teilkündigung nach § 19 Abs 26 Z 13 nach, Inkrafttreten des MRÄG, Teilkündigung nach § 19 Abs 2 Z 13 MG nach Inkrafttreten des MRÄG

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1971:0060OB00278.7.0127.000

Dokumentnummer

JJT_19710127_OGH0002_0060OB00278_7000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten