TE OGH 1971/2/10 6Ob24/71

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.02.1971
beobachten
merken

Norm

ABGB §905
ABGB §918
ABGB §1062
ABGB §1419

Kopf

SZ 44/11

Spruch

Trotz Annahmeverzug des Käufers bleiben die aus dem Kaufvertrag entstandenen Verpflichtungen wie insbesondere die vereinbarte Übersendungspflicht des Verkäufers bestehen

OGH 10. 2. 1971, 6 Ob 24/71 (LG Feldkirch R 345/70; BG Bregenz C 786/70)

Text

Der Kläger begehrt die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung des Betrages von S 1750.40 sA mit der Begründung, er habe beim Beklagten am 4. 2. 1965 eine 11teilige Vita-Küchengarnitur zum Preis von S 1210.- bestellt. Diese Ware sei ihm nie geliefert worden. Trotzdem habe der Beklagte den Kläger auf Zahlung des Kaufpreises geklagt und auf dem Exekutionswege schließlich den Kaufpreis samt Zinsen und Kosten, zusammen S 1750.40 hereingebracht. Obwohl der Beklagte also seit April 1968 den gesamten Kaufpreis erhalten habe, sei keine Lieferung erfolgt. Daher habe der Kläger dem Beklagten eine Nachfrist bis 25. 8. 1969 bei sonstigem Rücktritt vom Vertrage gestellt. Auch diese Nachfrist habe der Beklagte nicht eingehalten, sodaß der Vertragsrücktritt wirksam geworden sei. Der Beklagte sei daher verpflichtet, den empfangenen Betrag zurückzuzahlen. Hilfsweise stützte der Kläger sein Begehren auf den Titel des Schadenersatzes und der Bereicherung.

Der Beklagte bestritt das Klagebegehren und wendete ein, er habe dem Kläger seinerzeit die bestellte Küchengarnitur geliefert, der Kläger habe jedoch die Annahme verweigert. Die mit Schreiben vom 12. 8. 1969 gesetzte Nachfrist bis 25. 8. 1969 sei zu kurz gewesen. Der Beklagte habe die bestellte Ware dem Kläger am 27. 8. 1969 neuerlich geliefert, der Kläger habe aber wieder die Annahme verweigert.

Das Erstgericht wies - nachdem sein erstes abweisendes Urteil vom Berufungsgericht aufgehoben worden war - im zweiten Rechtsgang das Klagebegehren abermals ab und ging hiebei von folgenden wesentlichen Feststellungen aus:

Der Kläger bestellte am 4. 2. 1965 beim Beklagten eine sogenannte Vita-Küchengarnitur zum Preise von S 1210.-. Bei der Lieferung frei Bestimmungsort sollte als Anzahlung ein Betrag von S 100.- mit Nachnahme eingehoben, der Restbetrag sollte in acht Raten bezahlt werden. Die Ware wurde dem Kläger auftragsgemäß zugestellt, kam aber wieder an den Beklagten zurück. Da der Kläger nicht zahlte, brachte der Beklagte eine Mahnklage über den Betrag von S 1286.- (Kaufpreis S 1210.- und Mahnspesen S 76.-) ein, führte dann Exekution und brachte den Klagsbetrag, Verzugszinsen von S 213.50 und Kosten von S

213.90 herein. Die letzte Zahlung an den Beklagten erfolgte am 9. 4. 1968. Der Betrieb des Beklagten in W bei Bregenz besteht seit Jahresende 1966 nicht mehr; es ist dort nur mehr ein Lager mit Restbeständen vorhanden. Der seinerzeitige Angestellte des Beklagten Dr G wickelt von Graz aus, wohin er 1969 übersiedelt war, die schwebenden Geschäfte ab. Der Sohn des Beklagten Peter K sah seit Ende 1966 in unregelmäßigen Abständen die in W für den Beklagten eingehende Post durch. Der Kläger forderte den Beklagten mit Schreiben vom 2. 8. 1967 und 21. 5. 1968 zur Lieferung der Küchengarnitur auf. Dasselbe tat im Auftrage des Klägers die Kammer für Arbeiter und Angestellte in K, welche die Übersendung der Küchengarnitur bis 11. 7. 1969 verlangte. Schließlich forderte der Kläger durch den Klagevertreter den Beklagten mit Schreiben vom 12. 8. 1969 nochmals zur Lieferung auf und setzte ihm eine Nachfrist bis längstens 21. 8. 1969, widrigens der Kläger vom Vertrage zurücktrete. Am 26. 8. 1969 brachte Peter K die bestellte Küchengarnitur an den Kläger mit der Post zum Versand. Der Kläger wurde am 30. 8. 1969 aufgefordert, das Paket beim Postamt in A abzuholen. Nach Besichtigung des Paketes lehnte der Kläger die Übernahme ab.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, der Kläger sei schon im Jahre 1965 in Annahmeverzug geraten und vertragsbrüchig geworden. Dadurch sei zwar der Kaufvertrag bestehen geblieben, alle widrigen Folgen seien aber auf den Kläger übergegangen und der Beklagte sei nicht verpflichtet gewesen, die Ware nochmals an den Kläger zu übersenden; er habe sie nur in W bereithalten müssen. Die Bestimmungen des § 918 ABGB seien nicht anwendbar

Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil insoweit ab, als es den Beklagten unter gleichzeitiger Abweisung des Mehrbegehrens verurteilte, dem Kläger S 1210.- sA und ein Drittel der Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz zu bezahlen.

Das Berufungsgericht verneinte das Vorliegen einer Mangelhaftigkeit des Verfahrens bzw das Vorliegen von Feststellungsmängeln, erachtete die Beweiswürdigung des Erstgerichtes für unbedenklich und übernahm dessen tatsächliche Feststellungen. In rechtlicher Hinsicht führte das Berufungsgericht aus: Der Kläger sei durch Verweigerung der Annahme des im Jahre 1965 gelieferten Gerätes in Annahmeverzug geraten. Durch Nichtbezahlung der vereinbarten Anzahlung und der weiter fällig werdenden Raten sei auch Erfüllungsverzug des Klägers eingetreten. Der Beklagte sei aber hiedurch von seiner Leistungsverpflichtung nicht befreit worden. Der Kläger hätte daher mit Rücksicht auf die Bestimmungen des Ratengesetzes zur Bezahlung trotz seines Annahmeverzuges nur Zug um Zug gegen Lieferung des Kaufgegenstandes verurteilt werden können. Wenn er den gegen ihn erlassenen Zahlungsbefehl widerspruchslos gegen sich habe gelten lassen, könne ihn dies im vorliegenden Rechtsstreit nicht der Möglichkeit berauben, den Beklagten zur Nachholung seiner Leistungspflicht zu zwingen. Nach den Feststellungen sei der Beklagte, nachdem er seitens des Klägers am 9. 4. 1968 volle Befriedigung seines Anspruches erhalten hatte, seinerseits in Leistungsverzug geraten. Der Kläger habe daher das Recht gehabt, auf Leistung zu dringen und gemäß § 918 ABGB unter Setzung einer angemessenen Nachfrist vom Vertrag zurückzutreten. Mit Rücksicht auf das wiederholte Lieferungsverlangen des Klägers nach dem 9. 4. 1968 sei die mit Schreiben des Klagevertreters vom 12. 8. 1969 gesetzt Nachfrist nicht zu kurz bemessen worden. Der Rücktritt des Klägers vom Vertrag sei daher rechtswirksam geworden und habe zur Folge, daß der Beklagte den Kaufpreis von S 1210.- samt gesetzlichen Zinsen zurückzahlen müssen. Hingegen fehle es an einer Rechtsgrundlage, dem Kläger auch die weiteren S 540.40 an Mahn-, Klags- und Exekutionskosten sowie Verzugszinsen zuzusprechen.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Wenn der Beklagte ausführt, die Voraussetzungen des § 5 RatG seien nicht vorhanden gewesen, daher könnten dessen Bestimmungen keine Anwendung finden, so ist ihm entgegenzuhalten, daß das Berufungsgericht keineswegs das Vorliegen der Voraussetzungen für einen Rücktritt gemäß § 5 RatG angenommen hat, sondern nur in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung aus den Bestimmungen der §§ 5, 6 und 15 RatG Schlußfolgerungen über eine bestimmte dem Gesetz zu entnehmende Absicht getroffen hat, nämlich daß die den säumigen Käufer treffenden Folge beschränkt oder gemildert werden sollen. Die Ausführungen der Revision gehen daher insoweit ins Leere.

Der Beklagte meint weiter, durch den Annahmeverzug des Klägers wäre seine Verpflichtung, die Ware dem Kläger zu übersenden, weggefallen; der Beklagte wäre nur verpflichtet gewesen, die Ware am Ort seiner Niederlassung (dem Erfüllungsort) für den Kläger bereit zu halten. Auch dieser Ansicht kann nicht zugestimmt werden. Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, bleiben trotz des Annahmeverzuges des Klägers der Kaufvertrag und die aus ihm entstandenen Verpflichtungen abgesehen von den den säumigen Käufer gemäß § 1419 ABGB treffenden "widrigen Folgen" weiter bestehen (HS 1699 ua). (Dies gibt der Beklagte übrigens in seiner Revision selbst zu.) Unter den "widrigen Folgen" auch eine Änderung der Leistungspflicht des Verkäufers (Beklagten) durch Wegfall der im Vertrag übernommenen Übersendungspflicht zu verstehen, fehlt jeder gesetzliche Anhaltspunkt. Daher hatte der Beklagte auch weiterhin die Verpflichtung, dem Kläger die Ware in der Art und auf die Weise zu übergeben, wie es im Vertrag vereinbart war, sie also dem Kläger zu übersenden. Der Beklagte hat im übrigen dieser Verpflichtung ja auch dadurch Rechnung getragen, daß er die Ware nach dem Schreiben des Beklagtenvertreters vom 12. 8. 1968 - allerdings verspätet - dem Kläger übersandt hat. Das Berufungsgericht hat daher ohne Fehler in der rechtlichen Beurteilung die Wirksamkeit des Rücktrittes des Klägers vom Vertrag angenommen und die Verpflichtung des Beklagten zur Rückzahlung des Kaufpreises daraus abgeleitet.

Anmerkung

Z44011

Schlagworte

Annahmeverzug des Käufers, Übersendungspflicht des Verkäufers trotz -, Kaufvertrag, Übersendungspflicht des Verkäufers trotz Annahmeverzuges, des Käufers, Übersendungspflicht des Verkäufers trotz Annahmeverzuges des Käufers

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1971:0060OB00024.71.0210.000

Dokumentnummer

JJT_19710210_OGH0002_0060OB00024_7100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten