TE OGH 1971/2/11 12Os237/70

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Veröffentlicht am 11.02.1971
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. Februar 1971 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Estl in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spernoga, Dr. Borutik, Dr. Mößlang und Dr. Dienst als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Zamostny als Schriftführers in der Strafsache gegen Josef Z***** wegen des Vergehens der selbstverschuldeten vollen Berauschung nach dem § 523 (§ 335) StG über die von der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wels als Schöffengerichtes vom 2. September 1970, GZ 14 Vr 1175/69-34, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Mößlang, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Walter Wanko und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwaltes Dr. Lustig, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Ausspruch über die rechtliche Beurteilung der Tat und demgemäß auch im Strafausspruch aufgehoben und gemäß dem § 288 Abs 2 Z 3 StPO im Umfange der Aufhebung unter gleichzeitiger Neufassung des gesamten Urteilsspruches in der Sache selbst erkannt:

Josef Z***** ist schuldig, er hat sich am 21. September 1969 in Vo***** und Vö***** fahrlässig, obwohl er vorhersah, daß ihm noch die Lenkung seines PKW, sohin eine Tätigkeit bevorstehe, deren Vornahme in diesem Zustand eine Gefahr für das Leben, die Gesundheit oder die körperliche Sicherheit von Menschen herbeizuführen oder zu vergrößern geeignet sei, durch den Genuß eines berauschenden Mittels, nämlich alkoholischer Getränke, in einen die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustand (§ 2 lit c StG) versetzt und in dieser Berauschung Handlungen und Unterlassungen begangen, die ihm außer diesem Zustand als das Vergehen gegen die Sicherheit des Lebens nach den §§ 335, 337 lit b StG zugerechnet würden, indem er den PKW mit dem polizeilichen Kennzeichen O-3071 auf der Bundesstraße Nr. 143 von Vö***** in Richtung Vo***** so unvorsichtig lenkte, daß er bei Straßenkilometer 60.480 im Ortsgebiet D*****, Gemeinde R*****, von seiner rechten Fahrbahnhälfte nach links abkam und mit dem ihm entgegenkommenden, von Franz W***** gelenkten PKW mit dem polizeilichen Kennzeichen O-48.393 frontal zusammenstieß, woraus der Tod des im PKW W***** mitfahrenden Franz F***** sowie schwere körperliche Beschädigungen des Franz W*****, der Hedwig W***** und der Elisabeth F***** erfolgten.

Josef Z***** hat hiedurch das Vergehen der selbstverschuldeten vollen Berauschung nach dem § 523 StG in Beziehung auf die §§ 335, 337 lit b StG begangen und wird hiefür nach dem höheren Strafsatz des § 523 StG zur Strafe des strengen Arrestes in der Dauer von achtzehn Monaten, verschärft durch einen Fasttag und ein hartes Lager monatlich, und gemäß dem § 389 StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens sowie gemäß dem § 369 StPO zur Zahlung von je S 10.000 aus dem Titel des Schmerzengeldes an die Privatbeteiligten Franz W*****, Hedwig W***** und Elisabeth F***** verurteilt.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem erstgerichtlichen Urteil wurde der am 6. März 1944 geborene Kellner Josef Z***** des Vergehens der selbstverschuldeten vollen Berauschung nach dem § 523 (in Beziehung auf den § 335) StG schuldig erkannt. Das Erstgericht warf ihm inhaltlich des Urteilssatzes vor, daß er sich am 21. September 1969 in Vo***** bzw Vö***** fahrlässig durch den Genuß eines berauschenden Mittels, nämlich einer größeren Menge Alkohols, in einen die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rauschzustand (§ 2 lit c) versetzte und in diesem Zustand den PKW, Marke Mercedes, mit dem polizeilichen Kennzeichen O-3071 auf der Bundesstraße Nr. 143 von Vö***** in Richtung Vo***** (gemeint: unvorsichtig) lenkte, wodurch er bei Straßenkilometer 60.480 im Ortsgebiet D*****, Gemeinde R*****, von seiner rechten Fahrbahnhälfte nach links abkam und mit dem ihm entgegenkommenden PKW Cortina 1300, polizeiliches Kennzeichen O-48.393, gelenkt von Franz W*****, frontal zusammenstieß, woraus der Tod des Franz F*****, ferner eine schwere körperliche Beschädigung des Franz W*****, der Hedwig W***** und Elisabeth F***** erfolgte, mithin Handlungen bzw Unterlassungen beging, die ihm außer diesem Zustande als Vergehen gegen die Sicherheit des Lebens nach dem § 335 StG zugerechnet würden. Daß die Rauschtat, wie es in der Anklage von der Staatsanwaltschaft angenommen worden ist, wäre sie im Zustande der Zurechnungsfähigkeit gesetzt worden, als das Vergehen gegen die Sicherheit des Lebens im Sinne der §§ 335 und 337 lit b StG zu qualifizieren wäre, negierte das Erstgericht mit der Begründung, daß dies einen inneren Widerspruch des Urteils bedeuten würde. Das Erstgericht führte hiezu aus, dieser Widerspruch läge darin, daß einerseits ausgesprochen würde, der Angeklagte habe im Zustand einer seine Zurechnungsfähigkeit ausschließenden selbstverschuldeten vollen Berauschung einen schweren Verkehrsunfall verschuldet (§ 523 StG), anderseits aber zum Ausdruck kommen würde, daß dieser Unfall vom Angeklagten in einem die Zurechnungsfähigkeit nicht ausschließenden Rauschzustand verursacht worden sei (§ 337 lit b StG). Dieses Urteil wird seitens der Staatsanwaltschaft lediglich insoweit mit einer auf den Nichtigkeitsgrund des § 281 Z 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde bekämpft, als es die Qualifikation der Rauschtat auch im Sinne des § 337 lit b StG ablehnte. Nach Ansicht der Beschwerdeführerin könne von einem inneren Widerspruch eines auf das Vergehen nach dem § 523 (in Beziehung auf die §§ 335, 337 lit b) StG lautenden Urteils, wie ihn das Erstgericht für den Fall einer derartigen Beurteilung der Tat des Angeklagten besorgte, gar keine Rede sein; der Sache nach meint die Beschwerdeführerin hiezu, daß bei der rechtlichen Beurteilung einer im Vollrausch begangenen Tat im Sinne des § 523 StG doch nur von dem die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Grade des Rauschzustandes, nicht aber auch von jeglicher Berauschung des Täters überhaupt zu abstrahieren sei, und daß sohin nicht übersehen werden dürfe, daß ein durch den Genuß alkoholhältiger Getränke entstehender Zustand der Volltrunkenheit sich regelmäßig erst aus einem zunächst die Zurechnungsfähigkeit noch nicht ausschließenden Rauschzustand aufbaue.

Rechtliche Beurteilung

Die Beschwerde ist im Rechte.

Ihrer Auffassung zuwider liegt ein Feststellungsmangel in der Richtung, daß der Angeklagte zu der Zeit, als er größere Mengen alkoholhältiger Getränke zu sich nahm, voraussah, daß ihm noch die Heimfahrt mit seinem PKW als dessen Lenker bevorstehe, nicht vor; denn der Hinweis des Erstgerichtes darauf, der Angeklagte habe vor Gericht zugegeben, daß er zur Zeit des Genusses jener alkoholhältigen Getränke, die schließlich einen seine Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustand der Volltrunkenheit herbeiführten, sehr wohl wußte, daß er mit seinem PKW noch werde nach Hause fahren müssen (S 147 dA), kann im gegebenen Zusammenhang nur dahin verstanden werden, daß das Erstgericht damit ein solches Wissen des Angeklagten feststellte.

Zutreffend verweist die Beschwerdeführerin darauf, daß bei der Beurteilung einer im Vollrausch begangenen Übeltat lediglich von diesem Grade des Rauschzustandes, nicht aber auch von jeglicher Berauschung des Täters überhaupt zu abstrahieren sei und nicht übersehen werden könne, daß sich ein Vollrausch regelmäßig erst allmählich aus einem die Zurechnungsfähigkeit noch nicht ausschließenden Rauschzustand entwickle. Wenn dazu noch berücksichtigt wird, daß im Motivenbericht zur StG-Nov 1952, mit der u. a. die Bestimmung des § 337 lit b StG geschaffen und jene des § 523 StG erweitert wurden (503 der Beilagen zu den sten Prot des NR, VI.GP), ausdrücklich darauf hingewiesen wird, daß die strengeren Strafbestimmungen der §§ 337 und 432 StG dann anzuwenden sind, wenn der Täter zur Tatzeit noch nicht volltrunken ist, sodaß er noch nicht unter die Strafdrohung des § 523 StG fällt, so wird folgendes deutlich:

Die mit der Schaffung der Qualifikationsbestimmung des § 337 lit b StG vom Gesetzgeber verfolgte Absicht geht dahin, der besonderen Gefährlichkeit der schuldhaften Berauschung trotz Voraussicht oder Vorhersehbarkeit des Bevorstehens einer im berauschten Zustand erhöht gefährlichen Tätigkeit grundsätzlich durch eine Erhöhung der Strafsanktionen Rechnung zu tragen; damit aber wäre es unvereinbar, die Anwendbarkeit der in derselben StG-Novelle erweiterten Strafdrohungen des § 523 StG im Sinne einer Nichtanwendbarkeit der Qualifikationsbestimmung des § 337 lit b StG auf ein im Zustand der Volltrunkenheit begangenes Grunddelikt gegen die körperliche Sicherheit einzuschränken (vgl RZ 1957 S 52 = EvBl 1957/197 = JBl 1957/374 ua). Denn die vom Erstgericht im vorliegenden Fall vertretene gegenteilige Rechtsansicht - der Nichtunterstellbarkeit einer als Grunddelikt für den Tatbestand nach dem § 523 StG in Betracht kommenden Fahrlässigkeitstat im Sinne des § 335 StG auch unter die Bestimmungen des § 337 lit b StG - würde den Täter, der sich trotz Voraussicht oder Vorhersehbarkeit des Bevorstehens einer im berauschten Zustand erhöht gefährlichen Tätigkeit schuldhaft (= vorsätzlich oder fahrlässig) durch den Genuß berauschender Mittel in einen seine Zurechnungsfähigkeit sogar ausschließenden Rauschzustand versetzte, günstiger stellen als jenen Täter, der diesen Genuß beendete, noch ehe sein Rauschzustand seine Zurechnungsfähigkeit völlig ausschloß; gemäß dem § 523 Abs 2 StG darf nämlich die mit einem Strafrahmen von 6 Monaten bis zu 3 Jahren absolut eingegrenzte Strafe keineswegs höher sein als die Höchststrafe des im Zustand des Vollrausches begangenen Grunddeliktes. Diese beträgt aber bei dem unqualifizierten, mit Todesfolge verbundenen Vergehen gegen die Sicherheit des Lebens nach dem § 335 StG nur ein Jahr, während sie bei dem gemäß dem § 337 lit b StG qualifizierten, mit Todesfolge verbundenen Vergehen nach dem § 335 StG mit 3 Jahren festgesetzt ist. Eine solche Anomalie kann nun dem Gesetzgeber von vornherein nicht unterstellt werden. In diesem Sinne deckt sich auch die Judikatur mit dem Standpunkt der Nichtigkeitsbeschwerde (vgl u.a. EvBl 1970/273, 1969/113 und RZ 1971 S 62).

Der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft war daher Folge zu geben und wie im Spruche zu erkennen.

Bei der dadurch erforderlich gewordenen Neubemessung der Strafe wertete der Oberste Gerichtshof als mildernd bloß die Unbescholtenheit des Angeklagten. Seinem Geständnis kommt unter den gegebenen Umständen keine und der geringen eigenen Verletzung des Angeklagten nur geringe Bedeutung zu. Erschwerend war der chronische Alkoholismus des Angeklagten und die besondere Verantwortungslosigkeit, mit der er in volltrunkenem Zustand ein Kraftfahrzeug lenkte und einen Unfall verursachte. Einen besonderen Anlaß zum Trinken hatte der Angeklagte seinen eigenen Angaben zufolge (S 137 dA) am Tag der Tat nicht; obwohl er damals Kopfschmerzen hatte, den Föhn sehr stark spürte und sein Befinden darunter litt, betrank er sich auch an diesem Tag in mehreren Lokalen und lenkte als schließlich Volltrunkener ein Kraftfahrzeug. Dieses Verhalten reicht nahe an den Tatbestand des § 87 StG; er gefährdete einen sehr weitgehenden Personenkreis und die Unfallsfolgen, die er zu verantworten hat, sind außerordentlich schwerwiegend. Die für die Anwendung des außerordentlichen Milderungsrechtes nach dem § 266 StG und des Strafumwandlungsrechtes nach dem § 260 lit b StG normierten Voraussetzungen liegen nicht vor.

Im vorliegenden Fall mußte, um dem Angeklagten das Strafbare entsprechend vor Augen zu führen, also aus Gründen der Spezialprävention, und um die Bevölkerung vor derartigen Rechtsbrechern entsprechend zu schützen, also aus Gründen der Generalprävention, eine entsprechend lange Freiheitsstrafe verhängt werden.

Der Zuspruch der geltend gemachten privatrechtlichen Ansprüche an die Privatbeteiligten und der Kostenausspruch beruhen auf den bezogenen Gesetzesstellen.

Anmerkung

E73507 12Os237.70

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1971:0120OS00237.7.0211.000

Dokumentnummer

JJT_19710211_OGH0002_0120OS00237_7000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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