Index
001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §13 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Rigler, Dr. Bayjones und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerde der Dr. G in W, vertreten durch Dr. Otto Holter, Dr. Gerald Wildfellner, Dr. Klaus Holter, Dr. Stefan Holter und Mag. Mario Schmieder, Rechtsanwälte in 4710 Grieskirchen, Rossmarkt 21, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 26. August 2002, MA 63 - B 93/02, betreffend gewerbliche Betriebsanlage (mitbeteiligte Partei: Ing. J in W, Tgasse 65), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 26. August 2002 wurde die Berufung der beschwerdeführenden Partei gegen den Bescheid des Magistrats der Stadt Wien (Magistratisches Bezirksamt für den 18. Bezirk) vom 28. Juni 2000, mit dem festgestellt worden war, dass die - näher beschriebene - Betriebsanlage der mitbeteiligten Partei eine solche gemäß § 359b Abs. 1 Z. 2 GewO 1994 sei, in Ansehung des Begehrens, die Angelegenheit im ordentlichen Verfahren zu behandeln, abgewiesen und im Übrigen mangels Parteistellung zurückgewiesen. Begründend wurde nach Darstellung des Verfahrensganges im Wesentlichen ausgeführt, es ergebe sich aus den vorgelegten Projektunterlagen, dass die Gesamtleistung aller elektrischen Verbraucher der Betriebsanlage der mitbeteiligten Partei 86,02 kW betrage; eine Überprüfung durch den gewerbetechnischen Amtssachverständigen habe bestätigt, dass die elektrische Anschlussleistung sowohl vom Projekt als auch von der tatsächlichen Ausführung der Anlage her unter dem nach § 359b Abs. 1 Z. 2 GewO 1994 maßgeblichen Wert von 100 kW liege. Dies sei von der beschwerdeführenden Partei grundsätzlich auch ohne Einwand zur Kenntnis genommen worden. Sie habe allerdings vorgebracht, dass die Betriebsanlage 370 m2 groß sei und die in § 359b Abs. 1 Z. 2 GewO 1994 erst seit der Novelle 1997 vorgesehene maximale Betriebsgesamtgröße von 1.000 m2 im vorliegenden Fall nicht zum Tragen komme. Die Novelle 1997 sei nämlich auf im Zeitpunkt ihres Inkrafttretens bereits anhängige Verfahren nicht anzuwenden und es sei das Genehmigungsansuchen tatsächlich vor dem Inkrafttreten der Novelle 1997 eingebracht worden. An diesem Vorbringen sei richtig, dass das Gesamtausmaß der Betriebsanlage der mitbeteiligten Partei 369,44 m2 betrage, unrichtig jedoch, dass ein "anhängiges Genehmigungsverfahren" vorliege. Das dem Bescheid zu Grunde liegende Ansuchen sei nämlich am 7. März 2000, also lange nach dem Inkrafttreten der Gewerberechtsnovelle 1997 eingebracht worden. Das von der beschwerdeführenden Partei offenbar gemeinte Genehmigungsansuchen vom 12. Februar 1991, dem ein anderes Projekt zu Grunde gelegen sei, sei zurückgezogen worden und im vorliegenden Fall ohne Bedeutung. Im Gegensatz zur Auffassung der beschwerdeführenden Partei seien daher die Tatbestandsvoraussetzungen des § 359b Abs. 1 Z. 2 GewO 1994 erfüllt; die Erstbehörde habe die Betriebsanlage zu Recht dem vereinfachten Verfahren unterzogen.
Die gegen diesen Bescheid an den Verfassungsgerichtshof erhobene Beschwerde wurde, nachdem dieser deren Behandlung mit Beschluss vom 26. November 2000, B 1507/02, abgelehnt hatte, gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wurde. Die mitbeteiligte Partei beteiligte sich nicht am verwaltungsgerichtlichen Verfahren.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die beschwerdeführende Partei erachtet sich ihrem gesamten Vorbringen zufolge im Recht, dass die Betriebsanlage der mitbeteiligten Partei nicht im vereinfachten Verfahren im Sinn des § 359b GewO 1994 genehmigt werde, verletzt. Sie bringt hiezu im Wesentlichen vor, das Genehmigungsverfahren betreffend die Betriebsanlage der mitbeteiligten Partei sei seit 1991 anhängig. Die mitbeteiligte Partei betreibe weder eine neue noch eine abgeänderte Betriebsanlage, die es rechtfertigen würde, die Gewerbeordnung in der Fassung der Novelle 1997 anzuwenden. Vielmehr gehe es darum, die bis dato konsenslos betriebene Betriebsanlage zu genehmigen. Vor dem Hintergrund des bisherigen Verfahrensverlaufes, insbesondere der Aufhebung des Genehmigungsbescheides durch Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. Juni 1999, Zl. 98/04/0215, weil das Genehmigungsansuchen nicht ausreichend bestimmt gewesen sei, könne das Schreiben der mitbeteiligten Partei vom 7. März 2000 nur dahin verstanden werden, dass nunmehr die erforderlichen Unterlagen beigebracht würden, um die Mängel des seinerzeitigen Ansuchens zu sanieren; eine Zurückziehung des seinerzeitigen Ansuchens sei nicht ersichtlich. Selbst wenn das seinerzeitige Ansuchen aber zurückgezogen worden wäre, änderte dies nichts daran, dass das auf Grund dieses Ansuchens geführte Verfahren im Zeitpunkt der Gewerberechtsnovelle 1997 noch nicht abgeschlossen gewesen sei und daher nach den früheren Bestimmungen zu Ende hätte geführt werden müssen. Es entspreche aber auch das "neue" Ansuchen vom 7. März 2000 den Anforderungen, die im erwähnten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes dargelegt worden seien, nicht, sodass es mangels Konkretisierung zurückgewiesen hätte werden müssen. Schließlich habe die belangte Behörde die beschwerdeführende Partei nicht ausreichend gemäß § 359b Abs. 1 GewO 1994 von der Neuantragstellung informiert und sie dadurch im Recht auf Parteiengehör verletzt.
Gemäß § 359b Abs. 1 Z. 2 GewO 1994 in der derzeit geltenden Fassung hat die Behörde, wenn sich aus dem Genehmigungsansuchen und dessen Beilagen (§ 353) ergibt, dass das Ausmaß der der Betriebsanlage zur Verfügung stehenden Räumlichkeiten und sonstigen Betriebsflächen insgesamt nicht mehr als 1.000 m2 beträgt und die elektrische Anschlussleistung der zur Verwendung gelangenden Maschinen und Geräte 100 kW nicht übersteigt, das Projekt durch Anschlag in der Gemeinde und durch Anschlag in den der Anlage unmittelbar benachbarten Häusern mit dem Hinweis bekannt zu geben, dass die Projektunterlagen innerhalb eines bestimmten, vier Wochen nicht überschreitenden Zeitraumes bei der Behörde zur Einsichtnahme aufliegen und die Nachbarn innerhalb dieses Zeitraumes von ihrem Anhörungsrecht Gebrauch machen können; die Eigentümer der betroffenen Häuser haben derartige Anschläge in ihren Häusern zu dulden; statt durch Hausanschlag kann das Projekt aus Gründen der Zweckmäßigkeit, Raschheit und Einfachheit durch persönliche Verständigung der Nachbarn bekannt gegeben werden; nach Ablauf der im Anschlag oder in der persönlichen Verständigung angeführten Frist hat die Behörde unter Bedachtnahme auf die eingelangten Äußerungen der Nachbarn die die Anwendung des vereinfachten Verfahrens begründende Beschaffenheit der Anlage mit Bescheid festzustellen und erforderlichenfalls Aufträge zum Schutz der gemäß § 74 Abs. 2 sowie der gemäß § 77 Abs. 3 und 4 wahrzunehmenden Interessen zu erteilen; dieser Bescheid gilt als Genehmigungsbescheid für die Anlage. Die Behörde hat diesen Bescheid binnen drei Monaten nach Einlangen des Genehmigungsansuchens und der erforderlichen Unterlagen zum Genehmigungsansuchen (§ 353) zu erlassen. § 356b gilt sinngemäß. Nachbarn (§ 75 Abs. 2) haben keine Parteistellung. In der Anlage 3 zu diesem Bundesgesetz angeführte Betriebsanlagen sind nicht dem vereinfachten Genehmigungsverfahren zu unterziehen.
Vor der Gewerberechtsnovelle 1997, BGBl. I Nr. 63/1997, waren Voraussetzungen eines entsprechenden vereinfachten Verfahrens eine Gesamtbetriebsfläche von nicht mehr als 300 m2, eine elektrische Anschlussleistung von nicht mehr als 100 kW sowie die Erwartung, es würden auf Grund der geplanten Ausführung der Anlage Gefährdungen, Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs. 2 oder Belastungen der Umwelt (§ 69a) vermieden.
Nach den Übergangsvorschriften des Art. III Abs. 2 der Gewerberechtsnovelle 1997 sind von den novellierten Bestimmungen u. a. § 359b Abs. 1 GewO 1994 auf die im Zeitpunkt des Inkrafttretens noch nicht abgeschlossenen Verfahren betreffend Betriebsanlagen nicht anzuwenden. Wäre daher - wie die beschwerdeführende Partei behauptet - das durch den angefochtenen Bescheid abgeschlossene Verfahren betreffend die Betriebsanlage der mitbeteiligten Partei bereits im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Gewerberechtsnovelle 1997 anhängig gewesen, hätte dies zur Folge, dass auf dieses Verfahren die vor Inkrafttreten der Gewerberechtsnovelle 1997 geltenden Bestimmungen anzuwenden wären.
Nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten hat die mitbeteiligte Partei mit Schriftsatz vom 7. März 2000 unter Anschluss von Projektunterlagen um "Betriebsstättengenehmigung für das Technische Büro und den Werkzeugbau" an einem näher beschriebenen Standort angesucht. Dieses Ansuchen ist als ein - unter konkludenter Zurückziehung des ursprünglichen Antrages vom 12. Februar 1991 - neuer Genehmigungsantrag betreffend die gewerbliche Betriebsanlage der mitbeteiligten Partei zu qualifizieren (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 8. November 1994, Zl. 94/04/0011): Die mitbeteiligte Partei hat unter Anschluss neuer Unterlagen einen neuen Genehmigungsantrag gestellt, der die Grundlage für ein (neues) Verfahren bildete. Mit der Einbringung dieses Antrages war die Behörde nicht mehr ermächtigt, im Grunde des ursprünglichen Antrages zu entscheiden; das durch den ursprünglichen Antrag eingeleitete Verfahren war - im Gegensatz zur Auffassung der beschwerdeführenden Partei - damit beendet. Es besteht auch keinerlei Anhaltspunkt für die Auffassung, mit diesem Antrag habe die mitbeteiligte Partei lediglich ihren ursprünglichen Antrag "sanieren" wollen. Vielmehr zeigt ihre Erklärung vom 29. Juni 2000, den Antrag vom 12. Februar 1991 "ausdrücklich" zurückzuziehen, dass sie den neuen Antrag bzw. die damit vorgelegten Unterlagen keineswegs als "Präzisierung" des ursprünglichen Antrages verstanden wissen wollte.
Die belangte Behörde ist daher zu Recht davon ausgegangen, dass es sich im Gegenstande um ein erst nach Inkrafttreten der Gewerberechtsnovelle 1997 eingeleitetes Verfahren handelt, auf das die Bestimmungen des § 359b Abs. 1 Z. 2 GewO 1994 in der - eingangs dargestellten - geltenden Fassung anzuwenden sind.
Im vereinfachten Betriebsanlagengenehmigungsverfahren gemäß § 359b Abs. 1 GewO 1994 kommt dem Nachbarn nicht die Stellung als Partei, sondern nur ein Anhörungsrecht zu. Dieses Anhörungsrecht vermittelt ihnen - wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat (zuletzt im Erkenntnis vom 17. November 2004, Zl. 2004/04/0132; vgl. auch die dort zitierte Vorjudikatur) - aber keinen Anspruch auf die Berücksichtigung bestimmter (materieller) Interessen. Lediglich in der Frage, ob überhaupt die Voraussetzungen des vereinfachten Verfahrens gegeben sind, kommt den Nachbarn eine insoweit eingeschränkte Parteistellung zu.
Die belangte Behörde hat die Zulässigkeit der Durchführung des vereinfachten Genehmigungsverfahrens gemäß § 359b Abs. 1 Z. 2 GewO 1994 zufolge Erfüllung der dazu normierten Voraussetzungen bejaht. Dass die Erfüllung dieser Voraussetzungen den vorliegenden Projektunterlagen nicht entnommen werden könnte, behauptet die beschwerdeführende Partei ebenso wenig wie eine Nichterfüllung dieser Voraussetzungen. Über diese Frage hinaus kommt den Nachbarn wie dargelegt aber kein subjektiv-öffentlicher Anspruch zu, der mit Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof geltend gemacht werden könnte. Dies gilt auch für die Frage, ob die mitbeteiligte Partei an der Genehmigung ihrer Betriebsanlage noch ein rechtliches Interesse habe, oder ob dieses - wie die beschwerdeführende Partei behauptet - zufolge Kündigung des Bestandsobjektes weggefallen sei.
Soweit die beschwerdeführende Partei jedoch eine Verletzung ihres Parteiengehörs behauptet, weil sie von der Neuantragstellung nicht im erforderlichen Umfang informiert worden sei, ist sie ein Vorbringen schuldig geblieben, dem die Relevanz des solcherart behaupteten Verfahrensmangels im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG im Hinblick auf ihre als Partei dieses Verfahrens verfolgbare Rechtsstellung entnommen werden könnte.
Die sich somit als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Wien, am 6. April 2005
Schlagworte
Gewerberecht Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2003040009.X00Im RIS seit
06.05.2005