Norm
Wechselgesetz Art39Kopf
SZ 44/33
Spruch
Bei Ausstellung eines Prolongierungswechsels ist der erste Wechsel dem Schuldner zurückzugeben. Der nicht zurückgegebene erste Wechsel kann nicht geltend gemacht werden, solange sich der Prolongierungswechsel im Umlauf befindet. Anders dann, wenn der Inhaber des ersten Wechsels dem Schuldner auch die Aushändigung des Prolongierungswechsels im Fall der Zahlung anbietet: hier ist eine Verurteilung Zug um Zug gegen Aushändigung auch des zweiten Wechsels möglich
OGH 23. 3. 1971, 4 Ob 514/71 (OLG Graz 3 R 131/70; KG als HG Leoben 5 Cg 183/69)
Text
Das Erstgericht erließ auf Grund eines am 17. 3. 1969 ausgestellten und von den Beklagten als Akzeptanten unterfertigten Wechsels einen Wechselzahlungsauftrag, wonach den Beklagten zur ungeteilten Hand aufgetragen wurde, die eingeklagte Wechselsumme von S 67.000.- samt Zinsen binnen 3 Tagen zu bezahlen.
In ihren fristgerecht eingebrachten Einwendungen führten die Beklagten aus, bei diesem Wechsel handle es sich um einen von ihnen im Jahr 1967 unterfertigten Blankowechsel, der von der Klägerin vertragswidrig ausgefüllt worden sei. Das Akzept sollte lediglich zur Sicherstellung eines in der Folge nicht erlangten Kleingewerbekredites in der Höhe von S 50.000.- bei der Salzburger Landesregierung dienen. Dieses Darlehen sei in der Folge nicht ausbezahlt worden. Trotz Aufforderung durch den Drittbeklagten habe die Klägerin das Akzept nicht zurückgestellt und behauptet, sie habe es vernichtet. Der Wechsel sei wider Treu und Glauben geltend gemacht worden. Im übrigen werde der Klagsbetrag von den Beklagten nicht geschuldet.
Das Erstgericht hob den Wechselzahlungsauftrag auf. Es stellte fest, daß der ausgestellte Wechsel nach der Vereinbarung der Parteien lediglich Deckung für die Verpflichtung der Beklagten aus dem bei der Salzburger Landesregierung aufzunehmenden Kleingewerbekredit bieten sollte. Mangels Gewährung dieses Kredits sei die Berechtigung der Klägerin zur Ausfüllung des Wechsels hinsichtlich anderer Forderungen aus Kaufabschlüssen entfallen, da eine Ausfüllung wider das gewährte Gestaltungsrecht keine Wirkung habe.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin keine Folge. Auf Grund der durchgeführten Beweiswiederholung stellte es fest: Helmut und Martha K, der Dritt- und die Viertbeklagte, haben von der Klägerin verschiedene Geräte für ihren Gasthausbetrieb bezogen. Bei Abschluß dieses Geschäftes hätten Helmut und Martha K verschiedene Blankowechsel akzeptiert. Zur weiteren Anschaffung eines Zigarettenautomaten zum Preis von S 31.800.- sowie zur Abdeckung offener Schulden durch den Differenzbetrag auf S 50.000.- hätte der Drittbeklagte einen Kleingewerbekredit bei der Salzburger Landesregierung gemeinsam mit seiner Gattin aufnehmen wollen. Im Mai 1967 seien der Klägerin zwei Blankowechsel mit der Unterschrift der vier Beklagten als Annehmer zur weiteren Besicherung der oben genannten Kaufpreisforderungen übergeben worden, die Ende November 1967 einen Saldo zu Lasten des Drittbeklagten von S 67.199.60 aufwiesen. Diese Wechsel seien unter dem Datum 20. 5. 1967, laufende Nummer 955-956, unter K + N im gebundenen Rimessenbuch der Klägerin eingetragen und dann in das folgende Rimessenbuch übertragen worden, und zwar 1. Nr 955 Betrag S 69.443.60 fällig am 19. 12. 1969 und 2. Nr 956 Betrag S 67.000.- fällig am 19. 6. 1969. Der unter Beilage B vorgelegte Wechsel mit dem Blankoindossament der Klägerin sei von dieser über einen Betrag von S 67.000.- am 17. 3. 1969 ausgestellt und am 19. 6. 1969 fällig gestellt worden. Dieser Wechsel sei ihr von der Raiffeisenkasse M auch honoriert worden. Da von den Beklagten keine Zahlung geleistet worden sei, sei der zweite von den Blankowechseln, Beilage R, bei der Raiffeisenkasse M per 19. 12. 1969 von der Klägerin verlängert, seitens der Raiffeisenkasse M mangels Zahlung durch die Beklagten aber nicht mehr honoriert worden. Die Klägerin sei daraufhin mit einem Betrag von S 69.943.60 rückbelastet worden. Dieser zweite Wechsel befinde sich noch im Depot der Raiffeisenkasse M. Beide Wechsel seien zur Besicherung ein und derselben Schuld des Dritt- und der Viertbeklagten, nämlich der Kaufpreisforderungen an die Klägerin übergeben worden. Es handle sich daher beim zweiten Wechsel um einen sogenannten Prolongierungswechsel, durch den der erste Wechsel prolongiert worden sei. Die Entgegennahme eines Verlängerungswechsels verpflichte den Gläubiger, den ersten Wechsel zurückzugeben, oder wenn dieser nicht mehr in seinem Besitz ist, für seine Einlösung zu sorgen, damit der Schuldner nicht doppelt in Anspruch genommen werde. Durch Eskomptierung des Verlängerungswechsels solle sich der Gläubiger regelmäßig die Mittel zur Einsparung des ursprünglichen Wechsels beschaffen. Werde der ursprüngliche Wechsel bei Hingabe des Erneuerungswechsels nicht zurückgegeben, so gelte der Verlängerungswechsel im Zweifel nur als zahlungshalber gegeben. Es bestunden dann zwei Wechselschulden, von denen die aus dem ersten Wechsel gestundet sei. Der Schuldner brauche nur gegen Aushändigung beider Wechsel zu zahlen. Da somit die Klägerin, als sie den zweiten Blankowechsel als Prolongierungswechsel mit der Fälligkeit 19. 12. 1969 in Anspruch genommen habe, entgegen ihrer Verpflichtung aber den ersten Wechsel den Beklagten nicht zurückgegeben, vielmehr durch den Prolongierungswechsel die Zahlungsfrist verlängert, also bis 19. 12. 1969 Stundung gewährt habe, werde der der Klage zugrunde liegende Wechsel vom 19. 3. 1969 zu Unrecht gegen die Beklagten geltend gemacht.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin Folge, hob die Urteile beider Untergericht auf und verwies die Rechtssache zu neuerlicher Verhandlung und Urteilsfällung an das Erstgericht zurück.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Die Klägerin behauptet einen Verstoß gegen die Eventualmaxime. Die Beklagten hätten in ihren Einwendungen nur behauptet, die Klägerin könne den Wechsel nicht geltend machen, weil dieser ausschließlich zur Beschaffung eines Kleingewerbekredits gegeben worden sei. Dies habe sie jedoch im Verfahren nicht nachgewiesen.
Die Klägerin übersieht jedoch, daß die Abweisung ihres Begehrens nicht auf Grund der Einwendungen erfolgte, sondern weil sich aus der Parteienaussage des Geschäftsführers der Klägerin Umstände ergeben haben und festgestellt wurden, die Bedenken gegen den Anspruch aufkommen ließen. Die Klägerin kann sich nicht beschweren, daß der Entscheidung Tatsachen zugrunde gelegt wurden, die sich aus der Parteienaussage ihres eigenen Geschäftsführers ergaben. Sie kann daher weder gegen die Beklagten noch gegen das Berufungsgericht mit Erfolg den Vorwurf erheben, die Eventualmaxime sei verletzt worden, zumal auch - von der Klägerin unangefochten - nicht festgestellt wurde, daß die Beklagten zur Zeit der Erhebung ihrer Einwendungen von der Ausfüllung und Begebung ihres zweiten Blankowechsels für die fällige Forderung überhaupt Kenntnis hatten. Somit ist dem Berufungsgericht keine Außerachtlassung der Eventualmaxime und damit auch keine unrichtige Handhabung von Verfahrensvorschriften unterlaufen. Im übrigen haben die Beklagten eingewendet, die Geltendmachung des strittigen Wechsels verstoße gegen Treu und Glauben. Damit ist eingewendet, daß sich die Klägerin ohne Verstoß gegen Treu und Glauben nicht auf den strittigen Wechsel stützen kann.
In rechtlicher Hinsicht ist dem Berufungsgericht zuzustimmen, daß der ohne Wissen der Beklagten von der Klägerin vorgenommenen Ausfüllung des ihr übergebenen Blankoakzepts auf dieselbe Forderung, jedoch mit einem späteren Fälligkeitsdatum, keine andere Beurteilung zukommen kann, als der eines Prolongierungswechsels, von dem die Klägerin selbst in der Revision zugibt, daß er an die Raiffeisenkasse M begeben wurde. Wie schon das Berufungsgericht unter Anführung des einschlägigen Schrifttums und der Rechtsprechung ausführte, wäre die Klägerin verpflichtet gewesen, bei Ausfüllung des zweiten Blankowechsels als Prolongierungswechsel den ersten Wechsel an die Beklagten zurückzugeben. Dadurch, daß sie dies nicht getan, den Prolongierungswechsel aber an die Raiffeisenkasse M begeben hat, hat sie die Beklagten der Gefahr einer doppelten Inanspruchnahme wegen ein- und derselben Schuld ausgesetzt. Entgegen der den Wechselgläubiger treffenden Treuepflicht, den Schuldner vor Schaden zu bewahren, hat die Klägerin durch Begebung des Prolongierungswechsels eine Erweiterung der wechselmäßigen Haftung der Wechselgeber durch den Verlust von Einwendungen gegenüber gutgläubigen Wechselinhabern ausgesetzt. Der nicht zurückgegebene erste Wechsel kann nicht geltend gemacht werden, solange sich der Prolongierungswechsel im Umlauf befindet (Baumbach-Hefermehl, Wechsel- und Scheckgesetz[s10], 148, 151, NJW 1953, 457, SZ 35/134). Böte aber der Wechselinhaber die Aushändigung auch des Prolongierungswechsels bei Zahlung an (wodurch er die Wechselverpflichteten vor einer weiteren Inanspruchnahme wegen derselben Schuld absichern würde), dann stunde, Bestand einer die Wechselsumme erreichenden Schuld vorausgesetzt, der Aufrechterhaltung des Wechselzahlungsauftrags mit der Beschränkung nichts im Weg, daß die Zahlung nur Zug um Zug gegen Aushändigung auch des zweiten Wechsels stattzufinden habe. Daran hindert auch der Umstand nicht, daß die Fälligkeit des Prolongierungswechsels erst nach Einbringung des Antrages auf Erlassung des Wechselzahlungsauftrages, aber noch vor Schluß der Verhandlung in erster Instanz eingetreten ist. Einen im Zeitpunkt der Urteilsfällung fälligen Anspruch abzuweisen, weil er bei der Erlassung des Wechselzahlungsauftrags noch nicht fällig war, entspräche einem nicht zu rechtfertigenden Formalismus (SZ 19/274).
Ob nun die Klägerin imstande ist, über den Prolongierungswechsel zu verfügen und ob sie überhaupt zur Aushändigung desselben Zug um Zug gegen Zahlung bereit wäre, wurde im Verfahren vor den Untergerichten nicht erörtert. Auch wurden die den Prolongierungswechsel betreffenden Feststellungen nur auf Grund der Parteiaussage des Geschäftsführers der Klägerin getroffen, ohne den Parteien Gelegenheit zu einer Stellungnahme zu den hier aufgezeigten rechtlich erheblichen Tatumständen Gelegenheit zu geben; so gibt insbesondere die Beilage R keinen sicheren Aufschluß darüber, ob über den Prolongierungswechsel nunmehr die Raiffeisenkasse M verfügungsberechtigt ist oder ob er in einem dort befindlichen Depot der Klägerin zu deren jederzeitigen Verfügung gehalten wird.
Das Verfahren erweist sich somit in der aufgezeigten Richtung ergänzungsbedürftig (§ 182 Abs 1 ZPO), was zur Aufhebung der Urteile beider Untergerichte und zur Zurückverweisung der Rechtssache an das Erstgericht führen muß. Erst wenn feststeht, daß die Klägerin imstande und willens ist, bei Zahlung auch den zweiten Wechsel auszuhändigen, wird unter der Voraussetzung der erforderlichen Feststellungen über Bestand und Höhe der Forderung der klagenden Partei der Wechselzahlungsauftrag mit der oben genannten Beschränkung aufrechterhalten werden können, andernfalls wird das Begehren abermals abzuweisen sein.
Anmerkung
Z44033Schlagworte
Prolongierungswechsel, Rückgabe, Prolongierungswechsel, Zug-um-Zug- Verurteilung, Wechsel, Prolongierungswechsel, Wechsel, Zug-um-Zug- Verurteilung, Zug-um-Zug-Leistung, ProlongationswechselEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1971:0040OB00514.71.0323.000Dokumentnummer
JJT_19710323_OGH0002_0040OB00514_7100000_000