Norm
ABGB §1497Kopf
SZ 44/34
Spruch
Die Einleitung des Aufgebotsverfahrens zur Kraftloserklärung eines Wechsels unterbricht die Verjährung. Die Verjährungsfrist beginnt von neuem zu laufen. Eine "gehörige Fortsetzung der Klage" innerhalb der neuen Verjährungsfrist ist nicht erforderlich
Sachliche Zuständigkeit des Bezirksgerichtes, wenn sich die Klage auf den Rechtsgrund der Bereicherung nach Art 69 WG stützt und der geltend gemachte Anspruch unter 15.000 S liegt
OGH 24. 3. 1971, 5 Ob 64/71 (LG Salzburg 8 R 730/70; BG Salzburg 13 C 696/70)
Text
Mit der vorliegenden, am 17. 3. 1970 eingebrachten Klage begehrt die klagende Sparkasse, den Beklagten schuldig zu erkennen, ihr den Betrag von S 10.000.- samt 6% Zinsen seit 16. 7. 1966 zu zahlen. Die Klage wird nach der mit Beschluß des Gerichtes zweiter Instanz v 18. 6. 1970 erfolgten Zulassung der Klageänderung darauf gestützt, daß der Beklagte vom Inhaber einer Baumschule Gustav R Waren bezogen habe. Zur Deckung der Kaufpreisschuld habe er Wechsel als Annehmer unterschrieben. Einen davon, ausgestellt am 10. 7. 1966, fällig am 15. 7. 1966, habe die Klägerin eskomptiert. Dabei habe sie Gustav R die Wechselsumme in der Höhe von S 10.000.- ausgezahlt. Damit sei die Forderung des Gustav R der Klägerin wechselmäßig abgetreten worden. Der Beklagte habe die Wechselschuld weder dem Gustav R noch der Klägerin gezahlt. Der Wechsel aber sei verlorengegangen. Das KG Ried i I habe den Wechsel mit Beschluß vom 10. 10. 1969 kraftlos erklärt. Die Klägerin gelte damit als Inhaberin des Wechsels gemäß Art 89 WG. Der Beklagte habe sich aus dem Schaden, den die Klägerin durch den Verlust des Wechsels erlitten habe, bereichert. Er habe den Betrag von S 10.000.-, für den er Waren bezogen habe, nicht bezahlt.
Der Beklagte wendete ein, der Klägerin fehle die aktive Klagslegitimation. Er sei auch nicht bereichert.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf nachstehende Feststellungen:
Die Klägerin erwarb am 18. Juli 1966 durch Eskompt von der Fa Gustav R, Baumschule in H, einen Wechsel über S 10.000.-. Er trug das Ausstellungsdatum 10. 7. 1966 und war am 15. 7. 1966 fällig. Der Beklagte hatte diesen Wechsel als Annehmer unterschrieben. Der Wechsel geriet in Verlust. Die Klägerin beantragte am 16. 4. 1969 beim KG Ried i I, das Verfahren zur Kraftloserklärung des Wechsels einzuleiten.
Mit Beschluß v 10. 10. 1969 hat das KG Ried i I den Wechsel für kraftlos erklärt.
Rechtlich würdigte das Prozeßgericht den Sachverhalt dahin, daß die Klage auf Art 89 WG gestützt werde. Ein auf die angeführte Gesetzesstelle gestützter Bereicherungsanspruch habe zur Voraussetzung, daß ein wechselmäßiger Anspruch durch Verjährung (oder durch Versäumung einer wechselmäßig notwendigen Handlung) erloschen sei. Solange der wechselmäßige Anspruch noch nicht verjährt sei, könne ihn der rechtmäßige Inhaber des Wechsels gegen den Annehmer geltend machen. Im vorliegenden Fall aber sei die Verjährung noch nicht eingetreten. Nach Art 70 WG verjähre der wechselmäßige Anspruch gegenüber dem Annehmer des Wechsels drei Jahre nach dem Verfallstag, hier also am 15. 7. 1969. Nun sei aber die Verjährungsfrist durch die Einleitung des Kraftloserklärungsverfahrens gemäß § 9 KEG unterbrochen worden. Die Klägerin könne nach wie vor ihren Anspruch aus dem Wechsel geltend machen, dürfe also nicht auf das aushilfsweise Mittel des Art 89 WG zurückgreifen. Zur Prüfung der Frage aber, ob die Klägerin aus dem Wechsel gegenüber dem Beklagten berechtigt sei, sei sachlich die Zuständigkeit des Bezirksgerichtes nicht gegeben. Gemäß Art 89 WG habe die Klägerin jedenfalls gegenüber dem Beklagten keinen Anspruch.
Das Berufungsgericht hob das Urteil des Prozeßgerichtes unter Setzung eines Rechtskraftvorbehaltes auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Das Gericht zweiter Instanz ging davon aus, daß die wechselmäßigen Ansprüche der Klägerin gegen den Beklagten als Annehmer ohne Einleitung eines Kraftloserklärungsverfahrens am 15. Juli 1969 verjährt wären. Drei Monate vor dem Ablauf der Verjährungszeit, nämlich am 16. 4. 1969, sei die Kraftloserklärung des Wechsels beantragt worden. Wohl trete bei einem Antrag auf Kraftloserklärung eine Unterbrechung der Verjährung ein, doch könne dem Antrag auf Einleitung des Aufgebotsverfahrens nicht die gleiche absolute und unbedingte Wirkung wie einem Anerkenntnis einer Forderung durch den Schuldner iS des § 1497 ABGB zugebilligt werden. Der Einleitung des Kraftloserklärungsverfahrens könne nur die gleiche bedingte Wirkung zukommen wie der Klagsanbringung, die eine gehörige Fortsetzung des Verfahrens erfordere. Wenngleich § 9 KEG keine Regelung enthalte, die der des § 1497 ABGB entspreche, wonach die Klage nur dann die Verjährung unterbreche, wenn sie gehörig fortgesetzt werde, so würde doch das Unterlassen einer analogen Anwendung des § 1497 ABGB zu einer unbegrundeten Verlängerung der Verjährungsfrist für den Fall führen, als die Kraftloserklärung beantragt werde. Auch der Anschluß als Privatbeteiligter im Strafverfahren unterbreche die Verjährung nur bedingt. Der auf den Zivilrechtsweg verwiesene Privatbeteiligte sei gehalten, die Klage innerhalb angemessener Frist einzubringen, um eine Anspruchsverjährung hintanzuhalten. Es sei daher zu prüfen, ob die Klägerin das Verfahren gehörig fortgesetzt habe. Mit Beschluß des KG Ried i I v 10. 10. 1969 sei der Wechsel für kraftlos erklärt worden. Dieser Beschluß sei der Klägerin am 22. 10. 1969 zugestellt worden.
Erst am 17. 3. 1970 habe die Klägerin die vorliegende Klage eingebracht. Zwischen der Rechtskraft des Beschlusses über die Kraftloserklärung des Wechsels und der Anbringung der Klage lägen somit mehr als 4 Monate. Für das lange Zögern der Klägerin sei kein tauglicher Grund angeführt worden. Da der Anspruch auf Grund des Wechsels somit mangels gehöriger Fortsetzung der Klage verjährt sei, sei zu prüfen, ob der Beklagte, wenn er die Wechselsumme nicht bezahlen müsse, durch den Schaden der Klägerin bereichert sei. Darüber fehlten aber Feststellungen, so daß die Sache noch nicht spruchreif sei.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs des Beklagten gegen den Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes Folge, hob diesen Beschluß auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurück.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Nicht beigetreten werden kann der Auffassung des Rekurswerbers, daß eine unheilbare sachliche Unzuständigkeit vorliege, weil die Klägerin einen wechselrechtlichen Anspruch geltend gemacht habe. Nach § 51 Abs 2 Z 8 JN gehören ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes vor die Handelsgerichte Streitigkeiten aus Wechselgeschäften. Unter den Streitigkeiten aus Wechselgeschäften iS der angeführten Gesetzesstelle sind nur solche zu verstehen, bei denen der Anspruch unmittelbar aus einem wechselrechtlichen Verpflichtungsakt abgeleitet wird, die materiellrechtliche Grundlage des Anspruches also das Wechselgeschäft selbst bildet (SZ 32/139; RZ 1967, 203 ua). Wird aber die Klage auf den Rechtsgrund der Bereicherung nach Art 89 WG gestützt und liegt der geltend gemachte Anspruch unter S 15.000.-, dann ist, wie der OGH in Übereinstimmung mit dem Schrifttum (Fasching I Anm 24 zu § 51 JN) ausgesprochen hat (SpR 57 alt), die Zuständigkeit des Bezirksgerichtes gegeben, weil Gegenstand des Rechtsstreites die Bereicherung eines Wechselberechtigten oder Wechselverpflichteten auf Grund einer wegen des Wechsels erfolgten Zahlung ist.
In der Sache selbst trifft es zu, daß der beim zuständigen Gericht eingebrachte Antrag auf Einleitung des Verfahrens zur Kraftloserklärung von Wertpapieren die Verjährung unterbricht (Klang[2] VI 660; Ehrenzweig[2] I/1 323). § 9 Abs 1 KEG bestimmt, daß durch die Einleitung des Kraftloserklärungsverfahrens die Verjährung gegenüber dem Antragsteller mit dem Tag unterbrochen wird, an dem der Antrag beim zuständigen Gericht gestellt wurde. Ergänzend zu § 9 KEG verfügt § 17 KEG idF BGBl 1951/6, daß die Bestimmungen über die Kraftloserklärung von Wechseln, Schecks und anderen Urkunden unberührt bleiben, deren Kraftloserklärung zufolge gesetzlicher Vorschrift sich nach Art 90 WG und Art 4 WREinfV v 21. 4. 1938 RGBl I 421 zu richten haben. Daraus ergibt sich, daß das KEG insoweit zur Anwendung gelangt, als Sondervorschriften des WG fehlen. Eine Regelung über die Unterbrechung der Verjährung bei einer Kraftloserklärung des Wechsels enthält das WG aber nicht, so daß § 9 Abs 1 KEG maßgebend ist (Kapfer, Wechselgesetz und Scheckgesetz[s6], 208 Anm 1 zu Art 90 WG; Kapfer, Hd komm z WG 284).
Dem Rekurswerber ist beizupflichten, daß zwischen der Anbringung der Klage und den der Klageanbringung gleichzustellenden Verfahrenshandlungen sowie ihren Rechtswirkungen und der Einleitung des Kraftloserklärungsverfahrens zu unterscheiden ist. Nach § 1497 ABGB wird die Verjährung unterbrochen, wenn der, welcher sich auf sie berufen will, vom Berechtigten belangt und die Klage gehörig fortgesetzt wird. Nach der angeführten Gesetzesstelle setzt die Unterbrechung der Verjährung somit voraus, daß die Klage beim zuständigen Gericht angebracht wird und daß das Verfahren gehörig fortgesetzt wird. Gemäß Art 71 Abs 2 WG stehen der Anbringung der Klage in bezug auf die Unterbrechung der wechselrechtlichen Verjährung die vom Beklagten bewirkte Streitverkündigung und die Geltendmachung des Anspruches in der mündlichen Verhandlung gleich. Anders verhält es sich bei der Einleitung des Kraftloserklärungsverfahrens. Dort tritt nach § 9 KEG eine Unterbrechung der Verjährung mit der Anbringung des Antrages beim zuständigen Gericht ein. Eine Anordnung der Einleitung oder der Fortsetzung eines Rechtsstreites innerhalb einer angemessenen Frist enthält § 9 KEG nicht. Schon auf Grund des Textes des § 9 KEG ergibt sich daher, daß durch den Antrag auf Einleitung des Kraftloserklärungsverfahrens (und die Kraftloserklärung des Papiers) die Verjährung ohne weitere Voraussetzung, somit unbedingt unterbrochen wird. Die vom Berufungsgericht vertretene Auffassung würde den Anwendungsbereich des § 9 KEG einschränken und die bestehende gesetzliche Regelung ändern.
Für die Auffassung, daß die Einleitung des Aufgebotsverfahrens zur Kraftloserklärung einen unbedingten Unterbrechungsgrund bildet, sprechen auch die gesetzlichen Maßnahmen anläßlich der Einführung des Wechsel- und Scheckrechts v 21. 4. 1938. In Ermangelung einer Regelung der Frage, welche Gründe die Verjährung unterbrechen, im WG selbst wurden die Grundsätze des allgemeinen bürgerlichen Rechtes beibehalten. Für Österreich wurden die Klageanbringung und die ihr gleichzustellenden Verfahrenshandlungen in Art 3 EinfV v 21. 4. 1938 geregelt, wogegen, um Zweifel auszuschließen, eine eigene Regelung für das Aufgebotsverfahren in Art 4 Satz 1 der angeführten V erfolgte (Bülow, Zur Einführung des Wechsel- und Scheckrechtes im Lande Österreich, DJ 1938. 746).
Auch das Schrifttum unterscheidet bei den Gründen für die Unterbrechung der Verjährung wechselrechtlicher Ansprüche zwischen der Klageeinbringung und den ihr gleichzustellenden Verfahrenshandlungen, die eine gehörige Fortsetzung des Verfahrens erfordern, einerseits und den weiteren Unterbrechungsgrunden, wie der Einleitung des Verfahrens zur Kraftloserklärung, die an keine weiteren Voraussetzungen geknüpft sind, andererseits (Kapfer, Wechselgesetz und Scheckgesetz[5], 176 Anm 2; Kapfer, HdKomm z WG 242). Auch Gschnitzer (Allgemeiner Teil 251 P II 3) stellt nicht die Einleitung des Aufgebotsverfahrens zur Kraftloserklärung von Wertpapieren der Klage gleich.
Geht man aber davon aus, daß durch die Einleitung des Aufgebotsverfahrens zur Kraftloserklärung des Wechsels die Verjährungsfrist unterbrochen wurde, so hat das die rechtliche Bedeutungslosigkeit des bis zur Unterbrechung erfolgten Zeitablaufes zur Folge. Die Verjährungsfrist begann von neuem zu laufen (Klang[2] VI 643 P III, 658 P V 1). Die Klägerin ist daher in der Lage, ihre Ansprüche auf Grund des Wechsels geltend zu machen.
Nach Art 89 WG bleiben der Aussteller oder der Annehmer dem Inhaber des Wechsels insoweit verpflichtet, als sie sich um dessen Schaden bereichern würden, falls die wechselmäßige Verbindlichkeit durch Verjährung oder dadurch erloschen ist, daß eine zur Erhaltung des Wechselrechtes notwendige Handlung versäumt wurde. Daraus folgt, daß, solange die wechselmäßige Verbindlichkeit des Akzeptanten nicht erloschen und die Möglichkeit, von ihm Erfüllung zu verlangen, nicht ausgeschlossen ist, Bereicherungsansprüche, wie der OGH in Übereinstimmung mit dem Schrifttum (Kapfer, HdKomm z WG 275 ff) ausgesprochen hat (Kapfer, Wechselgesetz und Scheckgesetz[6] E 14 zu Art 89 WG; EvBl 1963/275), nicht geltend gemacht werden können. Da es nach der vom OGH gebilligten Rechtsauffassung des Prozeßgerichtes der vom Berufungsgericht für notwendig erachteten Verfahrensergänzung nicht bedarf, die Rechtssache vielmehr im Sinne der Bestätigung des Ersturteiles spruchreif ist, mußte der angefochtene Beschluß aufgehoben und dem Berufungsgericht aufgetragen werden, neuerlich zu entscheiden.
Anmerkung
Z44034Schlagworte
Bezirksgericht, sachliche Zuständigkeit, Bereicherungsklage nach Art 89, WG bei Streitwert unter S 15.000, Fortsetzung der Klage, keine - erforderlich bei Unterbrechung der, Verjährung durch Einleitung des Aufgebotsverfahrens zur, Kraftloserklärung eines Wechsels, Kraftloserklärung eines Wechsels, Unterbrechung der Verjährung durch, Einleitung des Aufgebotsverfahrens zur -, Unterbrechung der Verjährung, Einleitung des Aufgebotsverfahrens zur, Kraftloserklärung eines Wechsels, Verjährung, wechselrechtliche, Unterbrechung der - durch Einleitung des, Aufgebotsverfahrens zur Kraftloserklärung des Wechsels, Wechsel, Unterbrechung der Verjährung durch Einleitung des, Aufgebotsverfahrens zur Kraftloserklärung eines -, Wertzuständigkeit, Bereicherungsklage nach Art 89 WG, Zuständigkeit, sachliche, des Bezirksgerichtes, Bereicherungsklage nach, Art 89 WG bei Streitwert unter 15.000 SEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1971:0050OB00064.71.0324.000Dokumentnummer
JJT_19710324_OGH0002_0050OB00064_7100000_000