Norm
ZPO §103Kopf
SZ 44/47
Spruch
Die Zustellung an die in der Kanzlei tätige Ehefrau des Rechtsanwaltes oder Notars nach § 103 Abs 2 ZPO ist zulässig
OGH 16. 4. 1971, 1 Ob 102/71 (OLG Wien 4 R 118/70)
Text
Mit dem angefochtenen Beschluß wies das Oberlandesgericht Wien als Berufungsgericht die vom Beklagten gegen das Berufungsurteil dieses Gerichtes vom 5. 10. 1970 erhobene Revision als verspätet zurück. Die im § 505 Abs 2 ZPO geregelte Revisionsfrist betrage 14 Tage und könne nicht verlängert werden. Nach dem Inhalt der Akten sei dem Beklagten, einem Rechtsanwalt, das Berufungsurteil am 19. 10. 1970 im Wege der Ersatzzustellung zugestellt worden. Die Revisionsschrift hätte daher spätestens bis zum 2. 11. 1970 (kein Feiertag iS des Feiertagsgesetzes, BGBl 1957/153 idF des Bundesgesetzes BGBl 1967/264) zur Post gegeben werden müssen. Tatsächlich sei die Postaufgabe der Revisionsschrift erst am 3. 11. 1970 erfolgt, das Rechtsmittel sohin verspätet erhoben worden.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der Beklagten gegen diesen berufungsgerichtlichen Zurückweisungsbeschluß nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Der Rekurs ist zwar zulässig, er ist jedoch nicht gerechtfertigt. Während § 102 ZPO die Ersatzzustellung in der Wohnung des Empfängers behandelt, gilt § 103 ZPO für alle jene Fälle, in denen im Geschäftsraum (Kanzlei) oder der gewerblichen Betriebsstätte des Empfängers zugestellt werden soll. Nach § 103 Abs 2 ZPO kann dann, wenn der Rechtsanwalt oder Notar, an den zugestellt werden soll, in seiner Kanzlei nicht angetroffen wird, an jeden dort anwesenden, dem Zusteller bekannten Angestellten oder Bediensteten des Rechtsanwaltes oder Notars zugestellt werden. Bei Rechtsanwälten oder Notaren kann also die Ersatzzustellung dann, wenn die Zustellung in der Kanzlei vorzunehmen ist, im Falle der Abwesenheit des Adressaten an dessen Angestellte oder Bedienstete erfolgen; solche sind beispielsweise die Rechtsanwaltsanwärter, Notariatskandidaten, Kanzleiangestellte und sonstige Kanzleibedienstete (Fasching, II 588 f). Auch an die Ehefrau eines Rechtsanwaltes oder Notars kann unter den beschriebenen Voraussetzungen eine rechtswirksame Ersatzzustellung vorgenommen werden, sofern diese in der Kanzlei ihres Mannes dauernd eine - wenn auch unentgeltliche - Tätigkeit, die im Interesse des Ehemannes erfolgt, entfaltet (vgl RZ 1937, 406).
Der Rechtsmittelwerber, der die verspätete Einbringung der Revisionsschrift an sich zugesteht, weist nur darauf hin, daß seine Ehefrau in der Kanzlei nicht tätig gewesen sei. Diese Behauptung wird allerdings - falls sie der Beklagte überhaupt aufstellen und im Rekurs nicht anstatt "in der Kanzlei nicht tätige Ehefrau" richtig "in der Kanzlei mittätige Ehefrau" sagen wollte - durch den Akteninhalt eindeutig widerlegt. Diesem ist nämlich zu entnehmen, daß mit Ausnahme der dem Beklagten zu eigenen Handen zugestellten Klageschrift (§ 106 Abs 1 ZPO) sämtliche in dieser Rechtssache für den Beklagten bestimmten Schriftstücke im Wege der Ersatzzustellung zugestellt und hierbei alle diese Schriftstücke von dessen Ehefrau übernommen worden sind (siehe die Rückscheine vom 28. 4., 24. 6., 21. 9. und 19. 10. 1970 sowie vom 25. 2. und 16. 3. 1971). Für die vom Beklagten geforderte Annahme, die Ehefrau habe in seiner Kanzlei keine Dienste geleistet, besteht unter diesen Umständen füglich kein Raum.
Da sohin der Zurückweisungsbeschluß mit dem Gesetz im Einklang steht, muß dem Rekurs ein Erfolg versagt bleiben.
Anmerkung
Z44047Schlagworte
Ehegattin, Ersatzzustellung, Ersatzanstellung, Ehefrau des Notars, Ersatzanstellung Ehefrau des, Rechtsanwaltes, Notar, Ersatzzustellung an die Ehegattin, Rechtsanwalt, Ersatzzustellung an die EhegattinEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1971:0010OB00102.71.0416.000Dokumentnummer
JJT_19710416_OGH0002_0010OB00102_7100000_000