Norm
ABGB §871Kopf
SZ 44/59
Spruch
Derjenige, der sich bei der Führung von Vertragsverhandlungen eines Gehilfen bedient, haftet für einen von diesem veranlaßten Irrtum wie für einen von ihm selbst veranlaßten
OGH 29. 4. 1971, 1 Ob 114/71 (OLG Wien 1 R 235/70; HG Wien 22 Cg 114/70)
Text
Die A-Verlagsgesellschaft mbH, deren generalbevollmächtigter Gesellschafter Dipl-Ing Ho war, hatte bei der klagenden Partei, einer Wiener Bank, seit 1965 einen Kredit in Anspruch genommen, dessen Höhe auf rund S 300.000.- angewachsen war. Im Jahre 1967 trat Dipl-Ing Erich Ho, der ein langjähriger Gast der von der Beklagten Ingrid J, und ihrem Ehemann in M bis 1966 geführten Hotel-Pension gewesen war, an die Eheleute J mit dem Vorschlag heran, sich an der A-GmbH zu beteiligen. Die Beklagte hatte damals 7/10 eines Hauses geerbt und war bereit, auf diese Anteile Geld aufzunehmen.
Dipl-Ing Erich Ho trat nun an die klagende Partei zwecks Ausweitung des Kredites auf S 1.000.000.- heran; als Sicherheit sollten die Liegenschaftsanteile der Beklagten dienen. Nachdem der Rechtskonsulent der klagenden Partei, Rechtsanwalt Dr Oskar H, die Kreditausweitung grundsätzlich bewilligt hatte, trafen sich am 7. 8. 1967 Dr Oskar H, Dipl-Ing Erich Ho, die Beklagte und ihr Ehemann in Wien. Nachdem Dr Oskar H erklärt hatte, daß die Krediterweiterung in Ordnung gehen würde und nur bis zur Unterschriftsleistung durch zwei Herren der klagenden Partei etwa zwei bis drei Wochen vergehen würden, ersuchte Dipl-Ing Erich Ho um Gewährung eines Überbrückungskredites von S 100.000.-. Dr. Oskar H erklärte, es kämen höchstens S 60.000.- in Frage, wenn die Beklagte für diesen Betrag die Bürgschaft übernehme. Die Rückzahlung dieses Betrages sollte im Rahmen des vorgesehenen Millionenkredites in der Weise erfolgen, daß der gesamte bis dahin aufgelaufene Saldo auf diese Million angerechnet werden sollte. Da Dr Oskar H aber den Zwischenkredit von S 60.000.- nicht selbst verbindlich zusagen und auszahlen lassen konnte, erklärte er, daß er eine entsprechende Bürgschaftserklärung der Beklagten nach Weyer schicken würde.
Am nächsten Tage, am 8. 8. 1967, schickte Dipl-Ing Erich Ho, der an der möglichst raschen Auszahlung der S 60.000.- interessiert war, seinen Sohn mit dem Auto zur Beklagten, um ihr die von Dr Oskar H vorbereitete Bürgschaftserklärung zur Unterschrift zu überbringen.
Diese hatte folgenden Inhalt (Beilage ./B):
"Unter Bezugnahme auf die mit Ihrem Konsulenten Herrn Dr Oskar H im Beisein des Herrn Dipl-Ing Erich Ho gepflogene Aussprache ersuche ich Sie, vor endgültiger Erledigung der beabsichtigten Krediterweiterung für die Firma A vorläufig einen Betrag von S 60.000.- (sechzigtausend Schilling) zur Auszahlung zu bringen.
Ich gebe hiemit die Erklärung ab, daß ich für den gesamten Kredit der Firma A, der derzeit mit S 319.000.- zuzüglich Zinsen und Spesen aushaftet, sowie den vorläufig weiters zur Auszahlung gelangenden Kreditbetrag von S 60.000.- die Haftung als Bürge und Zahler übernehme.
Feststellen möchte ich, daß diese Kreditbeträge im Zuge der Begründung des neuen Kreditverhältnisses über S eine Million in ihrer Gesamtheit zurückgezahlt werden müssen."
Da in dieser Erklärung die Bürgschaft nicht nur für den Zwischenkredit von S 60.000.-, wie zuvor mit Dr Oskar H besprochen worden war, sondern auch für den ganzen übrigen bereits aushaftenden Kreditbetrag der A übernommen werden sollte, rief die Beklagte Dipl-Ing Erich Ho in Wien an. Dieser erklärte ihr, nachdem er sich inzwischen angeblich nochmals bei Dr Oskar H informiert hatte, daß der Kredit ohnedies in Ordnung gehe. Die Bürgschaft sei nur eine Sicherstellung für die Bank und komme in die Lade und nicht ins Grundbuch, weshalb die Beklagte ruhig unterschreiben könne. Erst hierauf unterschrieb die Beklagte die Bürgschaftserklärung und übergab sie dem Sohn des Dipl-Ing Erich Ho, der sie wieder nach Wien brachte, wo sie am 9. 8. 1967 bei der klagenden Partei eingereicht wurde, die dann auch die S 60.000.- auszahlte.
Am 18. 8. 1967 erhielt Dipl-Ing Erich Ho eine schriftliche Kreditzusage der klagenden Partei (über die Krediterweiterung auf S 1.000.000.-). Da die A-GmbH jedoch die geforderte Kreditversicherungspolizze eines österreichischen Institutes über S 1.150.000.- nicht beibringen konnte, kam die vorgesehene Krediterweiterung nicht zustande.
Unter Berufung auf die von der Beklagten unterfertigte Bürgschaftserklärung begehrt die klagende Partei, die von der A-GmbH keine Zahlung erreichen konnte, Zahlung von zunächst S 431.172.- sA. Die Beklagte wendete dagegen ein, die Haftung für die Darlehenssumme sei nur unter der Bedingung übernommen worden, daß der Firma A-GmbH der Kredit von S 1.000.000.- gewährt werde; es wäre sinnlos gewesen, im August 1967 die Haftung für eine Summe zu übernehmen, die die klagende Partei ohnehin bereits ohne weitere Inanspruchnahme der Haftung eines Dritten ausgeschüttet gehabt habe.
Im ersten Rechtsgang verurteilte das Erstgericht die Beklagte zur Bezahlung von S 60.000.- sA und wies das Mehrbegehren ab. Die Beklagte habe nur die Absicht gehabt, die Haftung für die auszuzahlenden S 60.000.- zu übernehmen. Wenn sie trotzdem die von Dr Oskar H entgegen der Besprechung vom 7. 8. 1967 vorbereitete Bürgschaftserklärung unterschrieben habe, habe sie sich in einem Irrtum befunden, der von Dipl-Ing Erich Ho veranlaßt worden sei.
Das Berufungsgericht, das die Verurteilung der Beklagten zur Bezahlung der S 60.000.- sA bestätigte, hob im übrigen die Entscheidung des Erstgerichtes ohne Rechtskraftvorbehalt auf. Dipl-Ing Erich Ho sei keineswegs Bevollmächtigter der klagenden Partei, sondern der Vertreter der Firma A gewesen. Aus seinen Handlungen habe die klagende Partei weder berechtigt noch verpflichtet werden können. Im Hinblick auf die bedingungslose Unterfertigung der Bürgschaftserklärung durch die Beklagte habe die klagende Partei auch keinen Grund zur Annahme haben müssen, daß sich die Beklagte in Ansehung ihrer Haftungserklärung in irgendeinem Irrtum befunden habe. Das Berufungsgericht erachtete daher den Anspruch der klagenden Partei dem Gründe nach zur Gänze für berechtigt und trug dem Erstgericht nur Feststellungen über die Höhe des seinerzeit gewährten Darlehens auf.
Im zweiten Rechtsgang verurteilte nunmehr das Erstgericht die Beklagte auch noch zur Bezahlung des weiteren der Höhe nach nicht strittigen Betrages von S 383.164.22 sA.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten Folge und änderte die Urteile der Untergerichte dahin ab, daß das restliche Klagebegehren auf Bezahlung des Betrages von S 383.164.22 samt Zinsen abgewiesen wurde.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Beklagte bestreitet nicht, die Bürgschaftserklärung Beilage ./B abgegeben zu haben. Sie wendete nur ein, diese Haftung nur unter der Bedingung übernommen zu haben, daß der Firma A-GmbH der Kredit in der Höhe von S 1.000.000.- auch tatsächlich gewährt werde; ihre Haftung sei nicht gültig zustandegekommen, weil die klagende Partei die Bedingung nicht eingehalten habe. Mit Recht haben die Untergerichte darin auch zumindest subsidiär die Einwendung der Beklagten erblickt, sie hätte sich hierüber in einem von der klagenden Partei veranlaßten Irrtum befunden. Der Verpflichtung, eine Anfechtungserklärung abzugeben (EvBl 1968/395 ua), hat die Beklagte damit entsprochen. Ein Irrtum der Beklagten lag auch tatsächlich vor. Er lag allerdings nicht, wie die Revision in erster Linie meint, darin, daß sie nach der Formulierung des letzten Satzes ihren Inhalt mißverstanden habe; nach den unbestrittenen Feststellungen der Untergerichte wußte sie vielmehr ohnehin, daß die ihr vorgelegte Bürgschaftserklärung über die Vereinbarung vom Vortag hinausging. Ihr Irrtum lag vielmehr, wie das Berufungsgericht richtig hervorhob, darin, daß sie auf Grund der Erklärung des Dipl-Ing Erich H, der Kredit gehe ohnedies in Ordnung, der Meinung war, die Krediterweiterung auf S 1.000.000.- sei gesichert. Gemäß § 871 ABGB entstand dann für die Beklagte keine Verbindlichkeit, falls dieser Irrtum durch "den anderen" veranlaßt war.
Richtig hat das Berufungsgericht zum Ausdruck gebracht, daß Dipl-Ing Erich H weder ein Organ noch ein Bevollmächtigter der klagenden Partei war. Nach ständiger Lehre und Rechtsprechung gilt jedoch ein Irrtum auch dann iS des § 871 ABGB von dem anderen Teil veranlaßt, wenn er zwar nicht vom Vertragsgegner selbst, aber doch von einer Person hervorgerufen wurde, die für den Vertragsgegner beim Vertragsabschluß oder bei der Vorbereitung desselben tätig war. So ist insbesondere die Irreführung durch einen Agenten oder Subagenten dem Geschäftsherrn, als dessen Organ oder Hilfsorgan er, wenn auch ohne Vollmacht, aufgetreten ist, als eigene Irreführung zuzurechnen (1 Ob 68/71; HS 6456, 6086, 6084, 2362; EvBl 1965/199 und 302; SZ 33/114 ua; Gschnitzer in Klang[2] IV 1, 129 f und Lehrbuch, Allgem Teil 173, 181; Ehrenzweig[2] I/1, 232, § 91 III 1).
Der Begriff "anderer Teil" des § 871 ABGB steht dabei im Gegensatz zu dem des "Dritten" iS des § 875 ABGB. "Dritter" ist nicht jede Person außer dem Erklärenden und dem Erklärungsgegner. Eine allgemeine Formulierung des Begriffes "Dritter" ist, wie der deutsche Bundesgerichtshof (Lindenmaier - Möhring Nr 30 zu § 123 BGB) bereits überzeugend bei im wesentlichen gleicher Rechtslage wie in Österreich dargelegt hat, nicht möglich. Grundsätzlich kann jedoch nach der Auslegungsregel des § 6 ABGB nur ein unbeteiligter Dritter die Bezeichnung "Dritter" iS des § 875 ABGB verdienen. Wer also auf Seite des Erklärungsgegners steht und maßgeblich an dem Zustandekommen des Geschäftes mitgewirkt hat, kann nicht als "Dritter" gelten; der von ihm bewirkte Irrtum ist daher dem Erklärungsgegner als eigener zuzurechnen. Dieser Grundsatz muß insbesondere zum Tragen kommen, wenn sich der Erklärungsgegner den ihm aus dem Geschäft erwachsenden Vorteil zuwenden will (1 Ob 68/71; EvBl 1961/3).
Eine Sonderstellung nimmt der Fall ein, daß der den Irrtum Veranlassende vom Erklärungsempfänger mit der Führung von Vertragsverhandlungen beauftragt war und sie für ihn, wenn auch ohne Vollmacht, führt. Derjenige, der sich eines Gehilfen bei der Verhandlung bedient, haftet dann für dessen Verschulden wie für sein eigenes (Lindenmaier - Möhring Nr 30 zu § 123 BGB). Als entscheidend für die Gleichsetzung des Verhandlungsführers mit dem Erklärungsgegner muß es hiebei angesehen werden, daß dieser jenen zum Mann seines Vertrauens erklärte (Soerge - Hefermehl[10] Anm 29 zu § 123 BGB I 499; Lindenmaier - Möhring Nr 31 zu § 123 BGB). Wenn hingegen eine solche (eventuell stillschweigende) Vertrauenserklärung nicht vorliegt, fehlt es an einem zureichenden Grund, den Verhandlungsführer mit dem Erklärungsempfänger gleichzusetzen.
So ist der Schuldner, der auf Veranlassung des Gläubigers mit seinem Bekannten wegen Übernahme einer Bürgschaft verhandelt, nicht schon deshalb Verhandlungsbeauftragter des Gläubigers, weil der Gläubiger ihn zu den Verhandlungen veranlaßt hat und ein dem des Schuldners gleichgerichtetes Interesse daran hat, daß der Bekannte des Schuldners die Bürgschaft übernimmt; dem Gläubiger, der von seinem notleidend werdenden Schuldner eine Bürgschaft verlangt, liegt in der Regel sogar nichts ferner als den Schuldner als Person seines Vertrauens zu bezeichnen. Hat der Bürge bei den Bürgschaftsverhandlungen den Zusicherungen des Schuldners vertraut, kann er sich also grundsätzlich nur an ihn halten. Eine Haftung des Gläubigers wird auch noch nicht allein dadurch begrundet, daß er den Schuldner als Boten zur Einholung einer Unterschrift des Bürgen verwendet (HRR 1939/1346, ergangen zu § 875 ABGB). Anders ist es, wie erwähnt, aber, wenn der Gläubiger den Schuldner dennoch durch einen Verhandlungsauftrag dem Bürgen gegenüber zum Mann seines Vertrauens erklärt hat (Lindenmaier - Möhring Nr 31 zu § 123 BGB; Soergel - Hefermehl[10], Anm 30 zu § 123 BGB I 500). Das wird vor allem gesagt werden können, wenn der Gläubiger selbst ein über den mit jedem Bürgschaftsvertrag begrifflich verbundenen Sicherungszweck hinausgehendes Interesse an der Abgabe der Bürgschaftserklärung hatte (vgl RG JW 1934, 219 Nr 8); überließ er unter diesen Umständen dem Schuldner Verhandlungen über die Bürgschaft und führte dieser dann einen Irrtum des Bürgen herbei, kann sich dieser darauf berufen (vgl Coing in Staudinger[11] Anm 37 zu § 123 BGB I 687). Im vorliegenden Fall steht fest, daß die Beklagte nach Inhalt der Besprechung vom 7. 8. 1967 nur für den Betrag von S 60.000.- die Bürgschaft übernehmen und Dr Oskar H ihr nur eine entsprechende, also auf den Betrag von S 60.000.- lautende Bürgschaftserklärung nach Weyer schicken sollte. Wenn die klagende Partei nun Dipl-Ing Erich Ho eine Bürgschaftserklärung übergab, die darüber hinausgehende Verpflichtungen enthielt, mußte sie sich darüber im klaren sein, daß die Beklagte diese zusätzliche Verpflichtung nicht ohne nähere Aufklärung übernehmen würde. Um die Beklagte zur Übernahme der erweiterten Haftung zu bewegen, bedurfte es also zusätzlicher Verhandlungen mit ihr. Wenn die klagende Partei deren Durchführung Dipl-Ing Erich Ho überließ, gab sie ihm damit der Sache nach einen Verhandlungsauftrag und machte ihn damit zur Person ihres Vertrauens. Das gilt insbesondere für die Situation, wie sie sich damals darstellte. Die Interessen der klagenden Partei und des Dipl-Ing Erich Ho waren nämlich keineswegs in allem gleichgerichtet. Während er selbst zunächst nur eine Bürgschaft für die S 60.000.- benötigte, die ihm für den Fall der Übernahme der Bürgschaft durch die Beklagte für diesen Betrag bereits zugesagt worden war, ging es der klagenden Partei darüber hinaus offensichtlich darum, auch eine Bürgin für die der Firma A-GmbH bereits eingeräumten Kredite, die sie als nicht mehr genügend gesichert ansah, zu finden. Die Erweiterung der Bürgschaftserklärung der Beklagten lag daher, wie der Zeuge Dr Oskar H auch offen bekannte, nur im Interesse der klagenden Partei. Unter diesen Umständen war Dipl-Ing Erich Ho bei Erwirkung der Erweiterung der Bürgschaftserklärung keineswegs ein "unbeteiligter Dritter", sondern bereits für die klagende Partei tätig. Sie muß daher den von Dipl-Ing Erich Ho veranlaßten Irrtum als von ihr selbst veranlaßt gelten lassen.
Die Beklagte hätte demnach im weiteren Rahmen nur gehaftet, wenn es, wie Dipl-Ing Erich H sie glauben gemacht hatte, bereits zur vollen Krediterweiterung auf den vorgesehenen Betrag von S 1.000.000.- gekommen war oder wenigstens in der Folge gekommen wäre. Da diese Krediterweiterung nicht zustande kam, haftete die Beklagte hingegen höchstens für die S 60.000.-, für die sie nach der Besprechung vom 7. 8. 1967 eine Bürgschaft übernehmen sollte und auch zu übernehmen bereit war.
Dieses Ergebnis ist auch noch aus einem anderen Grund gerechtfertigt. Nach den Feststellungen hatte nämlich Dr Oskar H am 7. 8. 1967 auch selbst erklärt, daß die Krediterweiterung in Ordnung gehe und nur bis zur Unterschriftsleistung durch zwei Herren der klagenden Partei noch etwa zwei bis drei Wochen vergehen würden. Die Beklagte mußte also schon nach dem Ergebnis der Besprechung vom 7. 8. 1967 annehmen, daß die Krediterweiterung bereits als bewilligt gelten könne und nur noch einige Formalitäten zu erledigen seien. In Gegenwart der Beklagten war nach den Feststellungen der Untergerichte offenbar auch nicht davon die Rede, daß die Krediterweiterung noch von der Beibringung einer Kreditversicherungspolizze, an deren Mangel allein die Krediterweiterung schließlich scheiterte, abhänge. Erst diese Situation machte es Dipl-Ing Erich Ho dann leicht, die Beklagte davon zu überzeugen, daß die gesamte Krediterweiterung auf S 1.000.000.- in Ordnung gehe, also als bereits bewilligt gelten könne; Dipl-Ing Erich Ho hat der Beklagten ja im wesentlichen nichts anderes gesagt als Dr. Oskar H selbst. Nur deswegen konnte die Beklagte die Worte "vor endgültiger Erledigung der beabsichtigten Krediterweiterung" im ersten Absatz der Bürgschaftsverpflichtungserklärung als bedeutungslos ansehen. Die klagende Partei hat damit auch durch ihren eigenen bevollmächtigten Vertreter den Irrtum der Beklagten mitveranlaßt. Es ist allerdings auch möglich, daß ein gemeinsamer Irrtum aller Beteiligten vorlag, weil alle glaubten, die Krediterweiterung gehe wirklich in Ordnung. Auch ein gemeinsamer Irrtum, also eine unrichtige Vorstellung beider Parteien von der Wirklichkeit, macht jedoch eine Irrtumsanfechtung möglich, wenn der Irrtum die Hauptsache oder eine wesentliche Beschaffenheit derselben betrifft (EvBl 1969/258 ua; Gschnitzer in Klang[2] IV/1, 133). Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes kann die klagende Partei daher eine Haftung der Beklagten über die S 60.000.-, zu deren Bezahlung sie bereits im ersten Rechtsgang rechtskräftig verurteilt wunde, hinaus nicht in Anspruch nehmen. Die Urteile der Untergerichte sind daher dahin abzuändern, daß das restliche Klagebegehren abgewiesen wird.
Anmerkung
Z44059Schlagworte
Gehilfenhaftung für Irrtum bei Vertragsverhandlungen, Haftung für Gehilfen für Irrtum bei Vertragsverhandlungen, Irrtum bei Vertragsverhandlungen, Haftung für GehilfenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1971:0010OB00114.71.0429.000Dokumentnummer
JJT_19710429_OGH0002_0010OB00114_7100000_000