Norm
ABGB §1063Kopf
SZ 44/64
Spruch
Unzulässigkeit des Rechtsweges für die Klage eines Lehrers gegen einen Bezirksschulinspektor auf Herausgabe eines dem Beklagten im Rahmen einer dienstlichen Unterredung nur zur Einsicht vorgewiesenen Schriftstückes
OGH 5. 5. 1971, 5 Ob 102/71 (KG Steyr R 19/71; BG Windischgarsten C 69/70)
Text
Nach der Darstellung der Klage hat der Kläger - ein Hauptschullehrer - anläßlich einer im Frühjahr 1969 zwischen ihm und dem Beklagten, seinem vorgesetzten Bezirksschulinspektor, in der Hauptschule K stattgefundenen Unterredung, in deren Verlauf der Beklagte die Englischkenntnisse des Klägers anzweifelte, zur Widerlegung der Zweifel dem Beklagten eine von Prof Dr Z am 29. 3. 1969 ausgestellte schriftliche Bestätigung (eine Privaturkunde) lediglich zur Einsicht hingehalten, ohne sie vorlegen zu wollen. Der Beklagte habe dem Kläger aber die Bestätigung aus der Hand gerissen und die sofort begehrte Rückstellung der Bestätigung verweigert. Auch eine schriftliche Aufforderung des Vertreters des Klägers zur Rückstellung des Schriftstückes habe der Beklagte mit der unrichtigen Behauptung abgelehnt, es sei ihm ein solches Dokument zum Nachweis einer bestandenen Prüfung Übergeben worden. Es werde daher das Klagebegehren gestellt, der Beklagte sei schuldig, dem Kläger die Privaturkunde mit folgendem Wortlaut:
"Mitteilung, Herr Rudolf A, geb 18. 8. 1914, hat im Frühjahrstermin 1969 die Sonderprüfung aus Englisch in K mit ausgezeichnetem Erfolg abgelegt. Das Zeugnis wird ausgefolgt nach Abschluß der Prüfungsperiode. K, am 29. 3. 1969.
Z eh", zurückzustellen.
Für den Fall, daß beim Beklagten Unmöglichkeit der Leistung vorliegen sollte, werde aus dem Titel des Schadenersatzes das Eventualbegehren gestellt, der Beklagte sei schuldig, dem Kläger den Betrag von S 6000.- samt 4% Zinsen seit 26. 1. 1971 binnen 14 Tagen bei Exekution zu zahlen.
Der Beklagte wendete ein, er habe dem Kläger den Zettel nicht entrissen; dieser sei ihm vielmehr in seiner Eigenschaft als Bezirksschulinspektor vom Kläger überreicht und von ihm - dem Beklagten - sodann zum Personalakt des Klägers gelegt worden. Der Zettel sei nunmehr Bestandteil des Aktes geworden, und der Beklagte sei nicht mehr berechtigt, ohne Zustimmung seines Vorgesetzten (des Bezirkshauptmannes) den Zettel herauszugeben. Sein Vorgesetzter habe es abgelehnt, den Zettel auszufolgen.
Das Erstgericht hob das von ihm selbst durchgeführte Verfahren als nichtig auf und wies die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurück. Das Prozeßgericht traf nachstehende Feststellungen:
Der Kläger ist Hauptschullehrer an der Hauptschule K. Er unterrichtet wegen des bestehenden Lehrermangels ohne Fachprüfung Englisch. Seine Eignung zur Erteilung des Englischunterrichtes wurde angezweifelt. Der Kläger nahm daraufhin bei dem pensionierten Mittelschulprofessor Z in L Perfektionsstunden und meldete sich zum Herbsttermin 1968 bei der Lehrerbildungsanstalt L zur Sonderprüfung in Englisch an. Die schriftliche Prüfung bestand er nicht, zur mündlichen Prüfung trat er nicht an.
Am 1. 10. 1968 wurde der Beklagte zum Bezirksschulinspektor ernannt. Er wurde sofort mit Beschwerden von Eltern und Kollegen über den Kläger konfrontiert. Man bemängelte die Disziplin in der Klassen des Klägers und behauptete, man wisse nicht, ob der Kläger Englisch oder Chinesisch unterrichte. Von diesen Beschwerden wurde der Kläger durch den Beklagten in Kenntnis gesetzt. Daraufhin nahm der Kläger weitere Perfektionsstunden bei Prof Z.
Im März 1969 veranstaltete Prof Z nach dem Muster einer amtlichen Prüfung eine Privatprüfung des Klägers in Englisch, die er nach Ansicht des Z mit ausgezeichnetem Erfolg bestand. Auf Wunsch des Klägers bestätigte Prof Z den Prüfungserfolg durch die Mitteilung v 29. 3. 1969.
Als der Beklagte sich dienstlich an der Hauptschule K aufhielt, teilte ihm der Kläger mit, daß er die Englischprüfung mit ausgezeichnetem Erfolg bestanden habe. Der Beklagte gratulierte und fügte hinzu, hoffentlich komme das Schulzeugnis bald nach.
Als der Beklagte am 20. 6. 1969 wieder dienstlich in der Hauptschule K war, überreichte ihm der Kläger die Mitteilung v 29. 3. 1969 mit der sinngemäßen Erklärung: "Herr Inspektor, da habe ich nun die Bestätigung über die in K abgelegte Prüfung". Der Beklagte las den Zettel und erklärte, ihn bis zur Vorlage des angekundigten Prüfungszeugnisses zu behalten. Der Kläger verlangte die Rückgabe des Zettels, dessen Inhalt nur an ihn gerichtet und daher privat sei. Der Beklagte gab den Zettel jedoch nicht mehr heraus. Er stellte sich sofort auf den Standpunkt, der Zettel sei ihm im Dienst übergeben worden, und er müsse ihn daher zum Personalakt geben. Dies tat er dann auch.
Rechtlich würdigte das Erstgericht den Sachverhalt dahin, daß die Mitteilung v 29. 3. 1969 dem Beklagten in seiner Eigenschaft als Schulinspektor dienstlich überreicht und deshalb zum Personalakt des Klägers genommen worden sei. Es handle sich demnach nicht um Rechtsbeziehungen zwischen gleichberechtigten Mitgliedern der Gemeinschaft, sondern darum, daß der Beklagte dem Kläger die Mitteilung v 29. 3. 1969 im Rahmen eines Hoheitsaktes entzogen und vorenthalten habe, wogegen sich der Kläger nur im Verwaltungsweg oder im Rahmen eines gegen den Beklagten einzuleitenden Disziplinarverfahrens zur Wehr setzen könne. Es bestehe demnach Unzulässigkeit des Rechtsweges. Auch liege Unmöglichkeit der Leistung vor, da der Vorgesetzte des weisungsgebundenen Beklagten sich weigere, die Mitteilung herauszugeben.
Das Rekursgericht hob den erstinstanzlichen Beschluß unter Setzung eines Rechtskraftvorbehaltes auf und trug dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens auf. Für die Beurteilung der Zulässigkeit des Rechtsweges seien ausschließlich die Klagebehauptungen maßgebend. Der Kläger grunde seine Ansprüche auf Rückstellung und Schadenersatz auf die eigenmächtige Handlungsweise des Beklagten, der die ihm vorgewiesene Privaturkunde dem Kläger, welcher sie nicht offiziell vorlegen wollte, aus der Hand gerissen und ihre Rückgabe verweigert habe. Damit habe der Kläger einen Klagegrund geltend gemacht, dessen Prüfung und Entscheidung den ordentlichen Gerichten obliege, denn der Anspruch des Eigentümers auf Rückstellung der ihm gehörigen Sachen gegen den (sie innehabenden) Nichteigentümer sei ein privatrechtlicher. Auch über allfällige Schadenersatzansprüche habe das Gericht zu entscheiden.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs des Beklagten gegen den Aufhebungsbeschluß des Rekursgerichtes Folge und stellte den erstgerichtlichen Beschluß zur Gänze wieder her.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Dem Rekursgericht ist beizupflichten, daß für die Beurteilung der Zulässigkeit des Rechtsweges die Klagebehauptungen und die Art des vom Kläger geltend gemachten Anspruches maßgebend sind (SZ 36/79; JBl 1931, 18; JBl 1948, 17; 5 Ob 145/62 ua). Nach der Klageerzählung fand aber zwischen dem Kläger und dem Beklagten als seinem "vorgesetzten Bezirksschulinspektor" an seinem Dienstort (in der Hauptschule) eine Unterredung über die Befähigung des Klägers zum Englischunterricht statt. Bei dieser Unterredung wies der Beklagte dem Kläger die Bestätigung v 29. 3. 1969 über seine Befähigung vor. Aus dem Ort, dem Inhalt und dem Ablauf der Unterredung ergibt sich aber, daß der Beklagte als Organ der Unterrichtsverwaltung, nämlich als Bezirksschulinspektor, innerhalb seines Pflichtenkreises tätig wurde. Er erklärte auch nach der Darstellung der Klage, er benötigte die Bestätigung v 29. 3. 1969 für einen Bericht. Der Beklagte ließ die Bestätigung in der Folge dem Personalakt des Klägers einverleiben. Er wurde damit in Ausübung der ihm nach dem Landeslehrer-Dienstgesetz BGBl 1962/245 idF BGBl 1970/247 und nach dem Oö Landeslehrer-DiensthoheitsG LGBl 1964/50) übertragenden Aufgaben tätig (Loebenstein - Kaniak, Komm z AHG 36).
Es ist ein allgemeiner Rechtsgrundsatz, daß für den Fall, als Behörden in Vollziehung der Gesetze im Rahmen der Hoheitsverwaltung (einem Privatrechtssubjekt übergeordnet) tätig werden, ein zivilrechtlicher Anspruch, der im ordentlichen Rechtsweg geltend gemacht werden kann, nur gegeben ist, wenn eine gesetzliche Bestimmung einen solchen Anspruch gewährt. Im übrigen besteht ein Rechtsverhältnis öffentlich-rechtlicher Natur zwischen der Verwaltungsbehörde und dem ihr nicht gleichgestellten Rechtssubjekt. Das Organ der Verwaltungsbehörde ist als Beauftragter der Stelle anzusehen, dessen sich die Behörde bei der Durchführung ihrer Aufgaben bedient hat. Das Organ ist nicht Privatrechtssubjekt. Die aus den Rechtsbeziehungen zur Behörde durch die Tätigkeit ihrer Organe entstehenden Rechtsverhältnisse sind in der Regel nicht als bürgerliche Rechtssachen iS des § 1 JN anzusehen, die der Kognition der Gerichte unterliegen.
In den Bereich der Zuständigkeit der Verwaltungsbehörden fällt auch die Entscheidung über Verwaltungsakte, die in Vollziehung eines Gesetzes contra oder praeter legem zustande gekommen sind; sonst wäre jeder rechtswidrige Verwaltungsakt hinfällig und absolut nichtig (vgl hiezu den Bericht des Ausschusses für Verwaltungsreform, 594 Blg NR 5. GP).
Auch das vor dem Wirksamwerden der JN erlassene HfD 14. 3. 1806 JGS 758 erklärte: "Es ist in den Gesetzen gegrundet:
1. Daß Staatsbeamte ihrer Amtshandlungen wegen bei dem Zivilgericht niemals belangt werden können, und
2. daß daher der Zivilrichter die Grenzen seiner Gerichtsbarkeit von Amts wegen gegenwärtig halten, sohin solche Klagen, die gegen Staatsbeamte ihrer Amtshandlungen wegen eingebracht werden, sogleich zurückweisen müsse."
Schon aus der sprachlichen Fassung des HfD ist zu entnehmen, daß dieses nicht konstitutiv eine neue Rechtslage schaffen sollte, sondern ihm nur eine deklarative Bedeutung zukam.
Keine Änderung der bestehenden Rechtslage trat durch Art 23 B-VG ein. Die angeführte Gesetzesstelle erlangte in der 1. Republik in Ermangelung eines Ausführungsgesetzes keine rechtliche Bedeutung. Durch Art 23 B-VG idF BGBl 1949/19 und das AHG v 18. 12. 1948 wurde insofern eine Änderung der bestehenden Rechtslage geschaffen, als die in § 1 AHG angeführten Rechtsträger nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes für den Schaden am Vermögen oder an der Person haften, den die als ihre Organe handelnden Personen in Vollziehung der Gesetze durch ein rechtswidriges Verhalten, wem immer schuldhaft zugefügt haben.
Dem steht auch nicht entgegen, daß § 15 AHG das HfD 14. 3. 1806 aufhob, denn dadurch wurde keine über den Ersatz des Schadens hinausgehende Haftung der Rechtsträger begrundet. Die in § 1 AHG getroffene Sonderregelung räumt den Geschädigten nur Schadenersatzansprüche gegenüber den Rechtsträgern, nicht aber gegenüber dem Organ ein. Sie gewährt aber auf Grund des öffentlichrechtlichen Verhältnisses keine weiteren im Rechtsweg geltend zu machenden Ansprüche bürgerlichen Rechtes.
Die oben wiedergegebene Auffassung findet ihre Deckung auch im Schrifttum (Fasching, Komm I 110; Loebenstein - Kaniak, Komm z AHG 5; Ehrenzweig[2] I/1, 190) und in der Rechtsprechung. Das Erk des VfGH vom 6. 3. 1951, B 182/50 SlgNF spricht aus, daß für den Fall, als Verwaltungsbehörden oder von ihnen beauftragte Organe Verwaltungsakte setzen, die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde zur Beseitigung des von ihr geschaffenen rechtswidrigen Zustandes besteht. Auch für Besitzstörungsklagen (EvBl 1950/134) und einstweilige Verfügungen (EvBl 1954/378) gegen Rechtsträger oder die von ihnen beauftragten Organe wurde der Rechtsweg nicht für zulässig erachtet, wenn es sich um Akte in Ausübung der Hoheitsverwaltung handelt.
Im vorliegenden Fall hat der Beklagte die Bestätigung v 29. 3. 1969 in seiner Eigenschaft als Bezirksschulinspektor anläßlich einer dienstlichen Unterredung mit dem Kläger an sich genommen und sie dem Personalakt einverleiben lassen. Wenngleich die Klage auf das Eigentum des Klägers an einer Privaturkunde und die Innehabung des Beklagten gegrundet wird, ist dessen ungeachtet gegen den Beklagten als Organ der Schulbehörde das Hauptbegehren der Klage aus den aufgezeigten Erwägungen im ordentlichen Rechtsweg nicht zulässig.
Aber auch für das auf Schadenersatz gestützte Eventualbegehren in Geld steht der ordentliche Rechtsweg nicht offen. Nach § 1 Abs 1 AHG besteht zwar eine Haftung der Rechtsträger für den Schaden am Vermögen oder an der Person, den die als ihre Organe handelnden Personen in Vollziehung der Gesetze rechtswidrig und schuldhaft zugefügt haben. Das Organ selbst haftet aber dem Geschädigten nicht. Nach § 9 Abs 5 AHG kann der Geschädigte den Ersatz des Schadens, den ihm ein Organ des Rechtsträgers zugefügt hat, gegen das Organ im ordentlichen Rechtsweg nicht geltend machen.
Mangels Zulässigkeit des Rechtsweges sowohl für das Klagebegehren als auch für das Eventualbegehren war in Stattgebung des Rekurses der angefochtene Beschluß dahin abzuändern, daß der erstgerichtliche Beschluß zur Gänze wiederhergestellt wird.
Anmerkung
Z44064Schlagworte
Auswanderungsrecht, verlängerter Eigentumsvorbehalt, Eigentumsvorbehalt, verlängerter, Konkurs, verlängerter Eigentumsvorbehalt, Konkursforderung, verlängerter Eigentumsvorbehalt, Verlängerter Eigentumsvorbehalt, Aussonderungsrecht, Verlängerter Eigentumsvorbehalt, KonkursforderungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1971:0050OB00102.71.0505.000Dokumentnummer
JJT_19710505_OGH0002_0050OB00102_7100000_000