TE OGH 1971/6/17 2Ob182/70

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Veröffentlicht am 17.06.1971
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Norm

ABGB §1325
Allgemeines Sozialversicherungsgesetz §105a
Allgemeines Sozialversicherungsgesetz §203
Allgemeines Sozialversicherungsgesetz §205
Allgemeines Sozialversicherungsgesetz §332

Kopf

SZ 44/93

Spruch

Der Schadenersatzanspruch der Ehefrau wegen Beeinträchtigung ihrer Fähigkeit zur Erfüllung ihrer Aufgaben im Haushalt geht mangels sachlicher Kongruenz nicht auf den Sozialversicherungsträger über

OGH 17. 6. 1971, 2 Ob 182/70 (OLG Wien 8 R 262/69; LGZRS Wien 30 Cg 29/68)

Text

Der Beklagte stieß die damals bei der Klägerin sozialversicherte Ingrid S, inzwischen verehelichte Z, am 9. 2. 1965 in Wien mit seinem Personenkraftwagen nieder, wodurch diese Verletzungen erlitt. Der Beklagte wurde deswegen strafgerichtlich verurteilt. Ingrid Z trifft am Unfall kein Mitverschulden. Die Klägerin erbrachte der Ingrid Z aus Anlaß dieses Unfalles Sozialversicherungsleistungen. Für die Zeit vom 1. 7. 1967 bis einschließlich September 1969 erbrachte die Klägerin der Ingrid Z Rentenleistungen von insgesamt S 8332.30. Derzeit betreut Ingrid Z einen Fünfpersonenhaushalt und übt keine Berufstätigkeit aus. Zur Zeit des Unfalls war sie bei der X AG als Hilfsarbeiterin beschäftigt.

Die Klägerin verlangte vom Beklagten Ersatz der erwähnten Rentenleistungen sowie die Feststellung der Haftung des Beklagten für alle der versicherten Ingrid Z aus Anlaß des Unfalles vom 9. 2. 1965 zu erbringenden Pflichtaufwendungen nach Maßgabe des Forderungsüberganges nach § 332 ASVG. Zum Zahlungsbegehren brachte die Klägerin vor, Ingrid Z habe wegen der unfallbedingten Dauerfolgen einen Anspruch auf Hausfrauenrente in Höhe der Kosten der Haushaltshilfe, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob sie eine Haushaltshilfe beschäftige oder die Hausarbeiten unter Aufwendung von mehr Zeit und Mühe selbst verrichte. Den Deckungsfonds bilde der Verdienstentgang der Ingrid Z in ihrer Haushaltstätigkeit.

Der Beklagte beantragte Abweisung des Klagebegehrens. Er bestritt, daß bei Ingrid Z überhaupt eine ins Gewicht fallende Minderung der Erwerbsfähigkeit vorliege. Außerdem wendete er Verjährung des Anspruches der Ingrid Z auf eine sogenannte Hausfrauenrente ein.

Das Erstgericht erkannte iS des Klagebegehrens.

Es traf folgende Feststellungen:

Die im Jahre 1942 geborene Ingrid Z ist verheiratet und Mutter von drei in den Jahren 1959, 1961 und 1962 geborenen Kindern. Sie erlitt beim Unfall vom 9. 2. 1965 einen Beckenstückbruch mit zentraler Hüftluxation rechts. Diese Verletzungen sind abgeheilt. Es sind jedoch Dauerfolgen verblieben, durch die Ingrid Z in ihrer Erwerbsfähigkeit sowohl für eine am allgemeinen Arbeitsmarkt vorhandene und nachgefragte regelmäßige Erwerbstätigkeit als auch für die Tätigkeiten einer Bedienerin und einer Hausfrau um mindestens 20% eingeschränkt ist. Eine Verschlechterung dieses Zustandes ist möglich. Ingrid Z ist einer doppelten Belastung, nämlich durch die Besorgung eines Haushaltes mit drei Kindern und eine Berufsausübung als Bedienerin, nicht voll gewachsen.

Das Erstgericht folgerte daraus, der Ingrid Z stehe ein Schadenersatzanspruch aus dem Titel des Verdienstentganges in der Höhe der Kosten einer Haushaltshilfe für mindestens 4 Stunden wöchentlich zu. Dieser überschreite die Rentenleistungen und sei auf die Klägerin bis zur Höhe der Rentenleistungen übergegangen. Verjährung liege nicht vor, weil die Verjährungsfrist durch die Klagseinbringung unterbrochen worden sei. Das Feststellungsbegehren sei im Hinblick auf die bestehenden Dauerfolgen und die Möglichkeit einer Verschlechterung des Zustandes der Ingrid Z gerechtfertigt, weil derzeit noch nicht feststehe, welche Leistungen die Klägerin der Ingrid Z aus Anlaß des Unfalles vom 9. 2. 1965 noch zu erbringen haben werde.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil hinsichtlich des Feststellungsbegehrens und änderte es hinsichtlich des Leistungsbegehrens iS einer Abweisung dieses Begehrens ab. Es übernahm die erstrichterlichen Feststellungen als unbedenklich. Es folgte dem Erstgericht bei der Beurteilung der Verjährungseinrede mit der Begründung, daß die Verjährung schon durch das Feststellungsbegehren unterbrochen worden sei, es verneinte aber die Kongruenz eines Anspruches auf eine Hausfrauenrente mit den Versicherungsleistungen der Klägerin und damit den Übergang eines der Ingrid Z zustehenden diesbezüglichen Schadenersatzanspruches auf die Klägerin iS des § 332 ASVG.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Revision ist nicht gerechtfertigt.

Nach ständiger Rechtsprechung (vgl dazu SZ 28/150; ZVR 1960/411; ZVR

1962/66 uva) tritt der Forderungsübergang nach § 332 ASVG nur

insoweit ein, als kongruente Leistungen des

Sozialversicherungsträgers den Forderungen des Versicherten

gegenüberstehen. Eine solche Kongruenz zwischen der einer verletzten

Versicherten gewährten Versehrtenrente und einem allfälligen

Schadenersatzanspruch der Versicherten wegen Beeinträchtigung in der

Haushaltsführung ist zu verneinen. Wie das Berufungsgericht

ausgeführt hat, war Ingrid Z als Bedienerin pflichtversichert, und

es stellt die von der Klägerin gewährte Versehrtenrente ihrem Wesen

nach einen Ausgleich für die Minderung ihrer beruflichen

Erwerbsfähigkeit dar. Der Klägerin ist zuzugeben, daß hiebei eine

Einschränkung auf die konkret versicherte Tätigkeit der Verletzten

nicht zu machen ist, weil innerhalb eines Schadenersatzanspruches

für Erwerbsausfall eine weitere Unterteilung unter dem Gesichtspunkt

der kongruenten Deckung nicht in Betracht kommt. Alle Einnahmen, die

dem Verletzten aus seiner Tätigkeit vor dem Unfall zugeflossen sind,

also auch solche aus einer Nebenbeschäftigung, dienen begrifflich

der Deckung des Lebensunterhaltes (siehe Wussow,

Unfallhaftpflichtrecht[10], 690, P 1490). Damit ist für die Klägerin

aber nichts gewonnen, weil ihr insoweit nicht gefolgt werden kann,

als sie einen Schadenersatzanspruch auf Grund einer Beeinträchtigung

bei der Haushaltsführung als "Verdienstentgang" im Bereiche einer

erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit werten will. Es ist hier auf die

bei im wesentlichen gleicher Rechtsgrundlage ergangene Entscheidung

des Bundesgerichtshofes vom 19. 12. 1967, VersR 1968, 194, zu

verweisen, wo ausgesprochen wurde, daß eine Trennungslinie zwischen

Hausarbeit und erwerbswirtschaftlicher Berufstätigkeit einer

Hausfrau gezogen werden müsse und daß sich die Sozialversicherung

grundsätzlich nicht auf den privaten Lebenskreis, in den die

Haushaltstätigkeit falle, erstrecke; daher gehe der

Schadenersatzanspruch der Ehefrau wegen Beeinträchtigung ihrer

Fähigkeit zur Erfüllung ihrer Aufgaben im Haushalt mangels

sachlicher Kongruenz nicht nach § 1542 RVO auf den

Sozialversicherungsträger über. Diese Auffassung kommt auch in der

vom Berufungsgericht zitierten Literatur und Rechtsprechung zum

Ausdruck und stimmt mit der Erledigung in den Entscheidungen RZ

1971, 161 und EvBl 1972/2 = RZ 1972, 34 überein. In der im Ergebnis

gegenteiligen Entscheidung JBl 1968, 143 = ZVR 1967/147 war die

Frage der sachlichen Kongruenz im oben dargestellten Sinne gar nicht erörtert worden.

Hat somit die Versehrtenrente nicht den Zweck, auch außerberufliche Nachteile abzugelten, dann ist die sachliche Kongruenz gegenüber dem Schadenersatzanspruch der Ehefrau wegen Beeinträchtigung ihrer Fähigkeit zur Haushaltsführung zu verneinen. Es konnte daher insoweit ein Rechtsübergang nach § 332 ASVG nicht stattfinden.

Damit erübrigt es sich, auf die vom Revisionsgegner hilfsweise aufrecht erhaltene Einwendung der Verjährung einzugehen.

Anmerkung

Z44093

Schlagworte

Deckungsfonds, Behinderung im Haushalt Hausfrau, Kongruenz bei Behinderung im Haushalt Kongruenz, Behinderung im Haushalt Legalzession, Behinderung im Haushalt Sachliche Kongruenz, Behinderung im Haushalt Sozialversicherungsträger, Behinderung im Haushalt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1971:0020OB00182.7.0617.000

Dokumentnummer

JJT_19710617_OGH0002_0020OB00182_7000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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