Norm
Amtshaftungsgesetz §1Kopf
SZ 44/122
Spruch
Jede auf das AHG gestützte Klage muß auch als solche erkennbar sein
Entscheidend ist, auf welche Tatsachen der Kläger seinen Anspruch stützt
Der durch die Amtshandlung entstandene Schaden kann auch einem Dritten zugefügt worden sein
OGH 26. 8. 1971, 1 Ob 184/71 (OLG Wien 6 R 57/71; LGZ Wien 39 b Cg 167/70)
Text
Der Kläger ist zu 83/102-Anteilen Miteigentümer der Liegenschaft EZ 1480 KG K mit dem Grundstück 427/1 Sandgrube, auf dem er im Jahre 1948 ohne baubehördliche Bewilligung ein gemauertes Siedlungshaus errichtete. Dieses Haus gab er im Jahre 1950 an Leopold und Maria R in Bestand. Die übrige Liegenschaft wurde an verschiedene Pächter vergeben. Bei einer Erhebung des Magistrats Wien am 20. 6. 1966 wurde festgestellt, daß das gemauerte Siedlungshaus ohne baubehördliche Bewilligung errichtet worden war; im Erhebungsbericht wurde Leopold R als Eigentümer der Baulichkeit, der Kläger als Gründeigentümer bezeichnet. Diesen Irrtum des Erhebungsbeamten über das Eigentum am Siedlungshaus stellte der Kläger bei der Verhandlungstagsatzung am 13. 7. 1966, bei der auch Leopold R anwesend war, nicht richtig. Mit Bescheid vom 2. 8. 1966 erteilte der Magistrat Wien dem Eigentümer des Hauses den Auftrag, es binnen 6 Wochen ab Rechtskraft des Bescheides abzutragen. Dieser Bescheid erging an Leopold R, der irrtümlich als Hauseigentümer bezeichnet wurde, aber auch an den Kläger als Gründeigentümer. Er wurde lediglich von Leopold R angefochten; die Magistratsdirektion der Stadt Wien, Rechtsmittelbüro, fügte dem Spruch der Erstinstanz aber nur einen Satz bei, daß der Abtragungsbescheid nicht gelte, wenn innerhalb der festgesetzten Erfüllungsfrist um die Erteilung einer nachträglichen Baubewilligung angesucht und diese in der Folge erwirkt werde. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft. Mit Bescheid vom 20. 9. 1967 wurde die Ersatzvornahme angedroht; der Bescheid wurde auch dem Kläger am 26. 9. 1967 zugestellt. Mit dem weiteren Bescheid vom 19. 10. 1967 wurden der Kläger und Leopold R verständigt, daß nunmehr die zwangsweise Durchführung der Abtragung der Baulichkeit und Räumung der Liegenschaft durch Ersatzvornahme angeordnet werde; als Beginn der Vollstreckungsmaßnahme wurde der 30. 10. 1967, 8 Uhr früh, bestimmt; sie wurde an diesem Tage auch vollzogen. Dem Kläger wurde hierauf der Ersatz der mit S 14.070.- festgesetzten Kosten der "durchgeführten Sicherungsmaßnahmen" aufgetragen. Dieser Bescheid wurde vom Verwaltungsgerichtshof wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts mit der Begründung aufgehoben, daß der Auftrag auf Abbruch des Siedlungshauses nicht an den Kläger als dessen Eigentümer, sondern an Leopold R ergangen sei, aber der Kläger als Eigentümer verpflichtet hätte werden müssen.
Mit einem am 26. 5. 1970 bei der beklagten Partei (Land Wien) eingelangten Schreiben machte der Kläger durch seinen damaligen Anwalt Schadenersatzansprüche gegen die beklagte Partei in der Höhe von S 771.145.- geltend. Mit der am 15. 7. 1970 überreichten gegenständlichen Klage macht der Kläger geltend, ihm sei durch rechtswidriges Verhalten der beklagten Partei bei Durchführung der Ersatzvornahme durch die Zerstörung des Hauses ein Schaden von S 450.000.- entstanden; darüber hinaus seien ihm durch 31 Monate Pachtzinse im anteiligen Betrag von S 283.335.- entgangen. Er beantragte das Urteil, die beklagte Partei zur Bezahlung von S 773.335.- sA sowie dazu zu verurteilen, die Liegenschaft EZ 1480 KG K von allem Schutt und Unrat zu säubern und in einen ordentlichen Zustand zu versetzen.
Bei der ersten Tagsatzung vom 12. 8. 1970 einigten sich die Parteien auf den Einzelrichter. Bei der Tagsatzung vom 25. 1. 1971 wendete die beklagte Partei Unzuständigkeit des "Senates" und Nichtigkeit des Verfahrens ein, da es sich nach den Behauptungen des Klägers um einen Amtshaftungsfall handle, das nach § 8 AHG erforderliche Aufforderungsverfahren aber nicht eingeleitet worden sei. Selbst wenn man das von ihr vorgelegte Schreiben des Klägers vom 25. 5. 1970 als Aufforderungsschreiben ansehen wollte, sei doch die Klage vor Ablauf der dreimonatigen Frist eingebracht worden. Der Kläger erwiderte hierauf, daß er sein Klagebegehren nicht auf das Amtshaftungsgesetz stütze.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Sämtliche Bescheide seien dem Kläger zugestellt worden; er hätte sich bei der Tagsatzung vom 13. 7. 1966 als Eigentümer deklarieren müssen. Für die Verwüstung der Liegenschaft mache der Kläger Organe des Landes Wien verantwortlich; für diesen Teil des Begehrens sei nach § 8 AHG die Einbringung einer gesonderten Klage bei der Senatsabteilung 38 des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien erforderlich.
Das Berufungsgericht hob das Urteil des Erstgerichtes und das diesem vorangegangene Verfahren ab Zustellung der Klage als nichtig auf und wies die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurück. Der Kläger begehre den Ersatz eines Schadens, den ihm Organe der beklagten Partei in Vollziehung der Gesetze durch ihr angeblich rechtswidriges Verhalten zugefügt hätten. Er mache damit einen Amtshaftungsanspruch geltend, für den der Rechtsweg nur zulässig sei, wenn er den Rechtsträger gem § 8 AHG zur Anerkennung des Ersatzanspruches schriftlich aufgefordert und der Rechtsträger entweder binnen 3 Monaten keine Erklärung abgegeben oder den Ersatz ganz oder zum Teil verweigert habe. Vor der Verweigerung der Anerkennung oder vor Ablauf der Frist sei der Rechtsweg unzulässig. Der Kläger habe weder behauptet noch den Beweis erbracht, ein Aufforderungsverfahren eingeleitet zu haben. Lediglich die beklagte Partei habe ein Schreiben des Klägers vorgelegt, das allenfalls als Mahnschreiben iS des § 8 AHG aufgefaßt werden könnte. Ob dieses Schreiben den Bestimmungen dieser Gesetzesstelle entsprochen habe, könne unerörtert bleiben, weil es erst am 25. 5. 1970 verfaßt, die Klage aber schon am 15. 7. 1970 eingebracht worden sei. Damals sei dem Kläger aber der Rechtsweg zur Geltendmachung seines Anspruches verschlossen gewesen.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs des Klägers nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Auch im Rekurs betont der Kläger wiederum, daß er seine Schadenersatzforderung nicht auf Normen des Amtshaftungsgesetzes stütze, sondern auf Grund des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches geltend mache. Der Kläger übersieht hiebei, daß das Amtshaftungsgesetz keine eigenen Haftungsnormen enthält, vielmehr in seinem § 1 Abs 1 anordnet, daß die Rechtsträger, zu denen auch das Land Wien gehört, nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes haften. Die Grundsätze des bürgerlichen Rechtes in seiner Gesamtheit, die keineswegs im Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch geregelt sein müssen, bilden daher die Grundlage, nach der sich die Haftung der Rechtsträger bestimmt; das Amtshaftungsgesetz enthält nur einige Sondernormen, die allenfalls Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes abändern (Loebenstein - Kaniak, Komm z AHG 50). Wenn der Kläger also gegen das Land Wien Schadenersatzansprüche, die er aus den Bestimmungen des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches ableitet, geltend macht, schließt dies noch keineswegs aus, daß hiebei nicht die Bestimmungen des Amtshaftungsgesetzes zur Anwendung gelangen müssen. Dies ist nach dem bereits zitierten § 1 Abs 1 AHG dann der Fall, wenn der Kläger einen Schaden behauptet, den ihm als Organe der beklagten Partei handelnde Personen in Vollziehung der Gesetze durch ein rechtswidriges Verhalten zugefügt haben, was auf Grund des gesamten Klagevorbringens (vgl EvBl 1969/242 ua) zu beurteilen ist. Entscheidend ist, auf welche Tatsachen der Kläger seinen Anspruch stützt (1 Ob 38/71; ZBl 1922/279; Fasching I 260). Aus der Klage ergibt sich nun einwandfrei, daß der Kläger seinen Schadenersatzanspruch ausschließlich auf die Tatsachenbehauptung stützt, daß die beklagte Partei am 30. 10. 1967 in Durchführung einer zunächst bescheidmäßig angedrohten und sodann mit einem weiteren Bescheid angeordneten Ersatzvornahme unter Polizeiassistenz die Schleifung seines Siedlungshauses durchgeführt und dabei auch das Grundstück verwüstet habe. Er will also seinen Schaden nur durch rechtswidriges, in Vollziehung der Gesetze gesetztes Verhalten von Organen der beklagten Partei erlitten haben. Er behauptet nur, die beklagte Partei habe hiezu keinen Rechtstitel gehabt, weil die Aufforderung zur Entfernung des Hauses nicht an ihn als Eigentümer, sondern als seinen Bestandnehmer Leopold R gerichtet worden war. Der Vollzug der Ersatzvornahme auf Grund eines möglicherweise auf irrigen Annahmen beruhenden, aber dennoch vorhandenen Rechtstitel ändert aber nichts daran, daß die Organe der beklagten Partei bei Abbruch des Siedlungshauses des Klägers dennoch in Vollziehung der Gesetze tätig waren. Der hiebei entstandene Schaden muß keineswegs unbedingt demjenigen, gegen den sich die Amtshandlung richtete, entstanden sein, er kann vielmehr, wie sich ebenfalls bereits aus dem Wortlaut des § 1 Abs 1 AHG ergibt, "wem immer" zugefügt worden sein, also auch einem Dritten (vgl Loebenstein - Kaniak aaO 49). Zu den bei Vorliegen der Voraussetzungen zur Erhebung eines Amtshaftungsanspruches Berechtigten gehört somit zweifellos auch der ohnehin am Verwaltungsverfahren - wenn irrtümlich auch nur als Gründeigentümer - beteiligt gewesene Kläger. Mit Recht hat damit das Berufungsgericht den Rechtsstandpunkt vertreten, daß der Kläger nur berechtigt war, die in seiner Klage dargelegten Schadenersatzansprüche nach den Sonderbestimmungen des Amtshaftungsgesetzes geltend zu machen.
Wie das Berufungsgericht ebenfalls richtig darlegte, hat der Geschädigte gem § 8 AHG zunächst den Rechtsträger, gegen den er den Ersatzanspruch geltend machen will, zur Anerkennung des Ersatzanspruches schriftlich aufzufordern. Nur wenn dem Geschädigten binnen drei Monaten nach Einlangen dieser Aufforderung keine Erklärung des Rechtsträgers über das Begehren zukommt oder wenn dieser innerhalb der Frist den Ersatz ganz oder zum Teil verweigert, kann jener den Ersatzanspruch durch Klage gegen den Rechtsträger geltend machen. Der Zweck dieser Bestimmung liegt darin, den Rechtsträger in die Lage zu versetzen, den Ersatzanspruch zunächst im eigenen Bereich zu prüfen und eine Sichtung der wirklich strittigen Rechtsfälle zu ermöglichen (Bericht und Antrag des Ausschusses für Verwaltungsreform zum Amtshaftungsgesetz, 515 der Beil zu den stenographischen Protokollen des NR V GP bei Loebenstein - Kaniak aaO 166; RZ 1971, 67; SZ 34/48). Nach ständiger Rechtsprechung stellt die Aufforderung an den Rechtsträger einen Formalakt dar, ohne dessen Einhaltung der Rechtsweg unzulässig ist (RZ 1971, 67; JBl 1964, 569; EvBl 1963/105; SZ 23/68 u 349 ua).
Der Rekurs will nun dartun, daß der Kläger ein solches Aufforderungsschreiben ohnehin am 25. 5. 1970 an den hiefür auch zuständigen Bürgermeister der beklagten Partei (Loebenstein - Kaniak aaO 106) geschickt habe. Er verkennt allerdings nicht, daß der Kläger die dreimonatige Frist des § 8 AHG nicht eingehalten hat, meint aber hiezu, daß sich die beklagte Partei ohnehin (innerhalb der dreimonatigen Frist) zum Schreiben nicht geäußert habe, so daß die (Verletzung der) Vorschrift des § 8 AHG als saniert anzusehen sei. Dieser Auffassung kann jedoch nicht beigepflichtet werden. Der Geschädigte mag allerdings nicht verhalten sein, sein Aufforderungsschreiben ausdrücklich als solches nach § 8 AHG zu bezeichnen. Liegt aber bei Einbringung der Klage vor Ablauf der in dieser Gesetzesbestimmung vorgesehenen dreimonatigen Frist Unzulässigkeit des Rechtsweges vor, kann dieser Mangel, dessen Vorliegen die Klageführung unzulässig macht, nicht durch bloßen Ablauf dieser Frist während des unzulässigerweise dennoch eingeleiteten Prozesses oder durch Klarstellung, daß der Rechtsträger ohnehin den Anspruch abgelehnt hätte, saniert werden. Eine Entscheidung über eine Klage, die wegen Verschließung des Rechtsweges gar nicht erhoben werden dürfte, bleibt vielmehr unzulässig. Jede andere Auffassung widerspräche dem Gesetze, das ausdrücklich anordnet, daß der Ersatzanspruch überhaupt erst nach Ablauf der dreimonatigen Frist geltend gemacht, also eingeklagt, werden kann.
Dazu kommt noch, daß der Kläger selbst über Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges noch ausdrücklich behauptete, sein Begehren nicht auf das Amtshaftungsgesetz zu stützen, worin auch die Behauptung liegt, daß sein Schreiben vom 25. 5. 1970. auf das er sich vor dem Erstgerichte nie berufen hat, gar nicht als solches nach § 8 AHG gedacht war. Vor allem ist es aber notwendig, daß jede auf das Amtshaftungsgesetz gestützte Klage auch als solche erkennbar ist. Der Kläger muß nämlich in die Klage auch alle jene Angaben aufnehmen, aus denen das Gericht seine Zuständigkeit, aber auch seine Besetzung entnehmen kann (vgl Fasching III 39). Da § 9 AHG hierüber besondere Vorschriften enthält, muß das Gericht auch zur Beurteilung in der Lage sein, ob der Kläger einen Anspruch erhebt, über den ua unter Anwendung der genannten Bestimmungen zu verhandeln ist. Ebenso muß der Kläger aber auch darauf hinweisen, daß die dreimonatige Frist des § 8 AHG eingehalten wurde, weil sonst ja, wie erwähnt, der Rechtsweg unzulässig wäre. Wenn sich der Kläger daran nicht gehalten hat und zur Begründung auch noch vor dem Erstgerichte vorbrachte, einen Amtshaftungsanspruch auch nicht hilfsweise (RZ 1965, 163) zu erheben, kann er nun nicht mehr im Rekurs an den Obersten Gerichtshof sich auf den Standpunkt stellen, er stütze seinen Anspruch subsidiär doch auch auf das Amtshaftungsgesetz.
Anmerkung
Z44122Schlagworte
Amtshaftungsklage, Klagsbehauptungen, durch Amtshandlung einem Dritten, entstandener Schaden, Klagsvorbringen, AmtshaftungsklageEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1971:0010OB00184.71.0826.000Dokumentnummer
JJT_19710826_OGH0002_0010OB00184_7100000_000