TE OGH 1971/9/1 5Ob193/71 (5Ob194/71, 5Ob195/71)

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Veröffentlicht am 01.09.1971
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Lachout als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Greissinger, Dr. Sobalik, Dr. Winkelmann und Dr. Wurzinger als Richter in den zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Rechtssachen der Antragsteller 1.) August und Pauline H*****, beide vertreten durch Dr. Kurt Sailer, Rechtsanwalt in Ried im Innkreis, und 2.) Anna B*****, vertreten durch Dr. Felix Daller, Rechtsanwalt in Ried im Innkreis, wider die Antragsgegnerin Republik Österreich, Bundesstraßenverwaltung, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien I., Rosenbursenstraße 1, wegen Festsetzung einer Enteignungsentschädigung infolge Revisionsrekurses der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Kreisgerichtes Ried im Innkreis als Rekursgerichtes vom 3. Mai 1971, GZ R 195, 196, 197/70-112, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Ried im Innkreis vom 15. Juli 1970, GZ 1 Nc 222, 223/68-103, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Spruch

Dieser Bescheid wurde von den Antragstellern angefochten, ihre Berufung blieb jedoch erfolglos. Mit den vorliegenden Anträgen begehrten die Antragsteller beim Erstgericht, über die Höhe der Entschädigung zu entscheiden. Die Antragsteller August und Pauline H***** erklärten ausdrücklich, mit dem ihnen für die Obstbäume zuerkannten Entschädigungsbetrag einverstanden zu sein, sie begehrten jedoch mit der Begründung, dass es sich bei den von der Enteignung betroffenen Grundstücken um Bauerwartungsland handle, hierfür eine Entschädigung von 90 S pro Quadratmeter. Außerdem verwiesen diese Antragsteller auf die Belastung ihrer Liegenschaft mit Pfandrechten, deren Gläubiger sichergestellt werden müssten. Die Antragstellerin Anna B***** beantragte, ihr für die enteigneten Grundstücksflächen mit Rücksicht auf deren günstige Lage am Stadtrand von Ried i. I. eine Entschädigung von 140 S pro Quadratmeter zuzuerkennen, weil vergleichbare Grundstücke in den Jahren 1966 und 1967 für 130 S bis 150 S pro Quadratmeter verkauft worden seien. Die Höhe des für die enteigneten Bäume im Verwaltungsverfahren bestimmten Entschädigungsbetrages sei nicht Gegenstand dieses Verfahrens. Die Antragsgegnerin war zunächst der Ansicht, dass das Begehren der Antragsteller verfrüht gestellt und daher unzulässig sei, weil bisher über die Verwaltungsgerichtshofbeschwerde der Antragsteller gegen den Entscheidungsbescheid noch nicht entschieden worden sei. In der Sache selbst meinte die Antragsgegnerin, dass die Verwaltungsbehörde den Enteignungsbetrag überhöht festgesetzt habe, sie beantragte daher die den Enteigneten insgesamt zustehenden Entschädigungssumme ohne Berücksichtigung der Ergebnisse des Verwaltungsverfahrens zu bestimmen.

Das Erstgericht setzte nach Durchführung eines Augenscheines sowie nach Vernehmung mehrerer Auskunftspersonen und vier Sachverständigen die Entschädigungen wie folgt fest:

a) hinsichtlich der Antragsteller August und Pauline H*****: für

15.464 m2 der enteigneten Grundflächen - die im Enteignungsbescheid genannte größere Fläche werde tatsächlich für den Straßenbau nicht in Anspruch genommen - 15,30 S pro Quadratmeter,

daher

236.600 S

für 29 Obstbäume

32.400 S

zusammen

269.000 S

b) hinsichtlich der Antragstellerin Anna B*****:

für 4.040 m2 im Grünlandgebiet -

10 S pro Quadratmeter - daher 40.400 S

für 4.230 m2 geplantes Baugebiet -

50 S pro Quadratmeter, daher 211.500 S

für die Wertminderung eines 1.000 m2

großen Trennstückes der Parzelle 554 - 25 S pro Quadratmeter - daher

25.000 S

für die Hofnähe des durch die Enteignung

betroffenen Grünlandgebietes gebühre ein Zuschlag von 40 % des Bodenwertes, daher 16.160 S

für vier Obstbäume

3.750 S

zusammen

296.810 S

Die Antragsgegnerin hatte die im Verwaltungsverfahren bestimmten Entschädigungsbeträge zum Teil bereits gemäß § 1425 ABGB hinterlegt. Unter Hinweis darauf erkannte das Erstgericht die Antragsteller August und Pauline H***** zur ungeteilten Hand schuldig, der Antragsgegnerin binnen 14 Tagen den bereits erhaltenen Entschädigungsmehrbetrag von 180.526 S zurückzuzahlen. Ebenso wurde die Antragstellerin Anna B***** schuldig erkannt, der Antragsgegnerin binnen 14 Tagen den Mehrbetrag von 199.390 S zurückzuzahlen. Überdies wies des Erstgericht die Verwahrungsabteilung beim Oberlandesgericht Linz an, von dem bei ihr zu HMB 495/67 in der Enteigungssache der Antragsteller August und Pauline H***** erliegenden Entschädigungsbetrag den Mehrbetrag von 180.526 S an die Antragsgegnerin zurückzuüberweisen.

Über Rekurs der Antragsteller hob das Rekursgericht diesen Beschluss der ersten Instanz auf. Dem Erstgericht wurde aufgetragen, nach Durchführung weiterer Erhebungen über die Enteigungsentschädigung der Antragsteller zu entscheiden. Die Antragsgegnerin wurde mit ihrem Rekurs auf diese Entscheidung verwiesen.

Das Rekursgericht war der Meinung, dass das Verfahren in erster Instanz mangelhaft geblieben sei, weil verschiedene Auskunftspersonen ohne Beteiligung der Parteien und zu wenig eingehend oder überhaupt nicht vernommen worden seien. Insbesondere hätte geklärt werden müssen, ob schon zur Zeit der Enteignung die inzwischen erfolgte Eingemeindung bestimmter Teile der von der Enteignung betroffenen Liegenschaft der Anna B***** wahrscheinlich war und wann die Stadtgemeinde Ried i. I. von Anna B***** Gründe für den Neubau einer Straße kaufen wollte, sowie, ob an dieser Straße Häuser gebaut worden wären. Das Rekursgericht hatte auch Bedenken gegen die Ausführungen der Sachverständigen Dipl. Ing. Dr. Messiner und Dipl. Ing. Scheurembrandt, denen das Erstgericht im Wesentlichen in der Frage der Bewertung der enteigneten Gründe gefolgt war. Der im Zeitpunkt der Enteignung noch gar nicht gültige Flächenwidmungsplan sei bei der Beurteilung der enteigneten Gründe als Grünland bzw Bauerwartungsland nicht maßgebend. Es komme vielmehr auf die damaligen tatsächlichen örtlichen Verhältnisse und die Tendenz der Stadtgemeinde Ried i. I., sich in Richtung der enteigneten Gründe auszudehnen, an. Für den Verkehrswert der enteigneten Grenzstücke seien nicht bloß die im tatsächlichen Grundverkehr seinerzeit erzielten Preise für in der gleichen Katastralgemeinde gelegenen Liegenschaften entscheidend, zumal sich diese Katastralgemeinde vom Rande der Stadt Ried i. I. bis in rein ländliche Gegenden erstrecke, vielmehr sei auch der Grundverkehr in anderen Katastralgemeinden, wo ähnliche Verhältnisse herrschten, zu Vergleichszwecken heranzuziehen. Zwar erscheine die vom Sachverständigen Dipl. Ing. Dr. Messiner (offenbar richtig: Dipl. Ing. Scheurembrandt, vgl AS 241) gewählte Methode der Berechnung des Verkehrswertes der enteigneten Grundstücke, soweit sie im geplanten Bauland liegen, zielführender als die Methode des Sachverständigen Dr. Messiner, die Berechnung sei jedoch auf eine breitere Basis zu stellen und seien auch die Erhebungsergebnisse der Sachverständigen Dipl. Ing. Wildfellner und Ing. Hörmandinger über Grundverkäufe in den Jahren 1966 und 1967 zu verwerten. Bei der Bewertung der landwirtschaftlichen Gründe könne nicht bloß vom Ertragswert ausgegangen werden, es sei auch zu berücksichtigen, dass die Gründe an einem Stadtrand liegen und damit die potentielle Möglichkeit ihrer wenigstens teilweisen Verwertung als Bauland bestehe. Es sei jedenfalls auffallend, dass die Verwaltungsbehörde wesentlich höhere Entschädigungsbeträge für angemessen hielt, als die im gerichtlichen Verfahren zuletzt vernommenen Sachverständigen. Sollte das Erstgericht nach Durchführung der aufgetragenen Erhebungen noch Bedenken haben, seien weitere Sachverständige beizuziehen. Allerdings habe das Erstgericht mit Recht die Beiziehung eines Realitätenvermittlers als Sachverständigen abgelehnt. In Erledigung des Rekurses der Antragsgegnerin führte das Rekursgericht aus, dass den Antragstellern eine Entschädigung für die enteigneten Bäume nur dann gebühre, wenn diese auf einem als Grünland zu beurteilenden Grundstücksteil standen, soferne aber der frühere Standplatz dieser inzwischen gefällten Bäume als Bauerwartungsland zu bewerten sei, komme eine Entschädigung für die Bäume nicht in Betracht. Es sei daher der frühere Standort der enteigneten Bäume festzustellen. Hinsichtlich der Höhe der für diese Bäume den Antragstellern gebührenden Entschädigung bestünden keine Bedenken gegen die vom Erstgericht aus dem Verwaltungsverfahren übernommene Beträge. Für die Entwertung der Restfläche der Parzelle 554 hätte der Antragstellerin Anna B***** keine Entschädigung gebührt, da sie eine solche bisher nicht ausdrücklich begehrt habe. Soferne aber im fortgesetzten Verfahren auch die Restflächenentwertung zum Gegenstand der Verhandlung gemacht werde, müsste das Erstgericht darüber sämtliche Sachverständige hören. Schließlich werde das Erstgericht bei seiner neuerlichen Entscheidung darauf Bedacht zu nehmen haben, dass den Antragstellern ein Teil der im Verwaltungsverfahren zuerkannten Entschädigung bereits direkt überwiesen worden sei. Diesen Aufhebungsbeschluss des Rekursgerichtes bekämpft die Antragsgegnerin mit Revisionsrekurs, in dem sie beantragt, den Entschädigungsbetrag für die Antragsteller August und Pauline H***** mit 236.600 S (also im Sinne der Entscheidung des Erstrichters mit 15,30 S pro Quadratmeter der tatsächlich in Anspruch genommenen enteigneten Fläche, jedoch ohne Zuspruch einer Entschädigung für die enteigneten Bäume) und für die Antragstellerin Anna B***** mit 268.060 S (also im Sinne der Entscheidung des Erstrichters, jedoch ohne Entschädigung für die Wertminderung der Restfläche der Parzelle 554 und für die Bäume) festzusetzen, sowie die Antragsteller zu verpflichten, der Antragsgegnerin die empfangenen Mehrbeträge von 243.100 S bzw 236.690 S zurückzuerstatten. Hilfsweise wird die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und die Zurückverweisung der Sache an das Rekursgericht beantragt.

In ihren Gegenäußerungen zum Revisionsrekurs beantragten die Antragsteller, den Aufhebungsbeschluss des Rekursgerichtes zu bestätigen.

Der vorliegende Revisionsrekurs ist aus den in der Entscheidung SZ 33/73 ausführlich dargestellten Gründen zulässig, er ist aber im Ergebnis nicht begründet.

Was zunächst die im Revisionsrekurs allerdings nicht mehr ausdrücklich aufrecht erhaltene Meinung der Antragsgegnerin anlangt, die Antragsteller hätten verfrüht die Entscheidung des Gerichtes begehrt, ihre Anträge seien daher unzulässig, ist zu beachten:

Text

Begründung:

Mit Bescheid des Amtes der OÖ Landesregierung vom 24. 3. 1967, Zl BauR-61/3-1967 wurden unter anderem nicht näher bezeichnete Trennstücke verschiedener Parzellen der je zur Hälfte im Eigentum der Antragsteller August und Pauline H***** stehenden Liegenschaft EZ ***** KG ***** im Gesamtausmaß von 18.170 m2 und ebensolche Trennstücke verschiedener Parzellen der im Eigentum der Antragstellerin Anna B***** stehenden Liegenschaft EZ ***** KG ***** im Gesamtausmaß von 8.270 m2 für die Umlegung der Hausruck-Bundesstraße und für den Ausbau der Innviertler-Bundesstraße im Baulos Ried-Nord enteignet. Zugleich wurde den Enteigneten folgende Entschädigung zuerkannt: Den Antragstellern August und Pauline H***** 25 S pro Quadratmeter für alle betroffenen Grundstücke und 32.400 S für 29 Obstbäume, der Antragstellerin Anna B***** 60 S pro Quadratmeter für alle betroffenen Grundstücke und 3.750 S für vier Obstbäume.

Rechtliche Beurteilung

Nach § 15 Abs 3 BStG ist gegen die Entscheidung des Landeshauptmannes über die Notwendigkeit, den Gegenstand und den Umfang der Enteignung die Berufung an das Bundesministerium für Bauten und Technik (vgl BGBl Nr 70/1966) zulässig. Eine Berufung bezüglich der Höhe der im Verwaltungsverfahren zuerkannten Entschädigung ist unzulässig, doch steht es jedem der beiden Teile frei, binnen einem Jahr nach Rechtskraft des Enteignungsbescheides die Entscheidung über die Höhe der Entschädigung bei jenem Bezirksgericht zu begehren, in dessen Sprengel sich der Gegenstand der Enteignung befindet. Mit der Anrufung des Gerichtes tritt die verwaltungsbehördliche Entscheidung über die Höhe der Entschädigung außer Kraft. Schon dieser Wortlaut der die Frage der Rechtzeitigkeit der Antragstellung regelnden gesetzlichen Bestimmung zeigt, dass die Jahresfrist zur Anrufung des Gerichtes am Tage des Eintrittes der Rechtskraft des Enteignungsbescheides zu laufen beginnt. Da nun im Gesetz eine weitere Anfechtung der Entscheidung der Berufungsbehörde im Verwaltungsverfahren nicht vorgesehen ist, wird diese Entscheidung mit ihrer Zustellung an die Parteien rechtskräftig. Die Antragsteller waren daher berechtigt, ab Zustellung der den Enteignungsbescheid der ersten Instanz bestätigenden Entscheidung des Bundesministeriums für Bauten und Technik die Entscheidung des Gerichtes über die Höhe der Entschädigung zu begehren. Daran ändert die Verwaltungsgerichtshofbeschwerde der Antragsteller gegen den Enteignungsbescheid nichts, zumal diese Beschwerde die Rechtskraft des angefochtenen Bescheides voraussetzt. Dass die Antragsteller die Jahresfrist des § 15 Abs 3 BStG versäumt hätten, wurde nicht behauptet.

Nach § 13 BStG gebührt dem Enteigneten für alle durch die Enteignung verursachten vermögensrechtlichen Nachteile Schadloshaltung (§ 1323 ABGB). Bei der Bemessung der Entschädigung hat jedoch der Wert der besonderen Vorliebe und die Werterhöhung außer Betracht zu bleiben, den die abzutretende Liegenschaft durch die straßenbauliche Maßnahme erfährt. Hingegen ist auf die Minderung des Wertes eines etwa verbleibenden Grundstücksrestes Bedacht zu nehmen. Ist dieser Grundstücksrest nicht mehr zweckmäßig nutzbar, so ist auf Verlangen des Eigentümers das ganze Grundstück einzulösen. Aus dieser Vorschrift in Verbindung mit § 15 Abs 3 BStG, wonach mit der Anrufung des Gerichtes die verwaltungsbehördliche Entscheidung über die Höhe der Entschädigung außer Kraft tritt, folgt, dass der Enteignete in seinem Antrag auf Festsetzung der Enteigungsentschädigung zwar anzugeben hat, welchen Betrag er als Enteignungsentschädigung begehrt, dass es aber Sache des Gerichtes ist, bei der Bemessung der Entschädigung, die insgesamt nicht höher als der vom Enteigneten begehrte Betrag sein kann, die einzelnen dem Enteigneten durch die Enteignung verursachten vermögensrechtlichen Nachteile zu berücksichtigen. Diesfalls ergibt sich aus den vorliegenden Anträgen der Antragsteller deutlich, dass diese für die enteigneten Bäume eine Entschädigung beanspruchten. Das Gericht hat daher auch den den Antragstellern hierfür gebührenden Entschädigungsbetrag ohne Rücksicht auf die Ergebnisse des Verwaltungsverfahrens festzusetzen (ebenso 5 Ob 202/70). Es ersetzt daher die Bezugnahme des Erstrichters auf den Enteignungsbescheid die notwendige Begründung seiner diesbezüglichen Entscheidung nicht. Da nicht alle im Enteignungsbescheid angeführten Grundstücke von der Antragsgegnerin in Anspruch genommen wurden und die Parteien ausdrücklich beantragten, nur die in Anspruch genommenen Grundstücke der Entscheidung zugrundezulegen (vgl AS 194), nach dem Gutachten der Sachverständigen ON 28 und ON 60 aber nur vierzehn der insgesamt von der Verwaltungsbehörde enteigneten Bäume der Antragsteller H***** auf den von der Antragsgegnerin in Anspruch genommenen Grundstücken standen, wird für die übrigen Bäume eine Entschädigung nur dann zu bestimmen sein, wenn diese Bäume auf Grund des Enteignungsbescheides inzwischen tatsächlich gefällt wurden. Darüber fehlen bisher Feststellungen. Außerdem steht nicht fest, ob jene Bäume, die die Antragsteller durch die Enteignung tatsächlich verloren, zu einer ausgesprochenen Edelobstanlage gehörten (vgl AS 239) und mit welchem Betrag sie zu entschädigen sind, wenn dies nicht der Fall war. Schon aus diesem Grunde erscheint die Sache noch nicht spruchreif und war der Aufhebungsbeschluss des Rekursgerichtes begründet. Im Übrigen kann jedoch der Auffassung nicht gefolgt werden, dass grundsätzlich für die Obstbäume deshalb keine Entschädigung zu leisten sei, weil die enteigneten Grundstücke als Bauland zu qualifizieren seien. In der zur Unterstützung dieser Auffassung vom Rekursgericht angeführten Entscheidung des Obersten Gerichtshofes (5 Ob 86/67) kommt dieser Gedanke nicht zum Ausdruck. Vielmehr hat der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen, dass neben der Entschädigung für das Bauland auch Ersatz für die darauf gepflanzten Obstbäume zu leisten ist, wenn das in Anspruch genommene Grundstück als aufgeschlossenes Bauland zu werten ist. Denn nach § 13 BStG gebührt dem Enteigneten für alle durch die Enteignung verursachten vermögensrechtlichen Nachteile Schadloshaltung. Dazu zählt aber auch die Entschädigung für Obstbäume, die auf dem als Bauland zu wertenden Grund gepflanzt wurden (ebenso 5 Ob 248/67 = NotZtg 1969 S 30, 5 Ob 100/70 ua). Dass im vorliegenden Fall besondere Umstände gegeben wären, die eine Ausnahme von diesem Grundsatz rechtfertigen könnten, hat das bisherige Verfahren nicht ergeben.

Was die vom Rekursgericht aufgezeigten Mängel des Verfahrens erster Instanz anlangt, ist zu beachten, dass im Außerstreitverfahren, das gemäß § 15 Abs 5 BStG bzw §§ 24 ff EisenbEntG 1954 auf das gerichtliche Verfahren zur Ermittlung der Enteignungsentschädigung sinngemäß anzuwenden ist, der Richter Auskunftspersonen auch ohne Zuziehung der Parteien befragen kann. Die Vernehmung von Auskunftspersonen außerhalb einer mit den Parteien durchgeführten Tatsatzung stellt daher an sich keinen Verfahrensmangel dar. Nur wenn die Erhebungsergebnisse keine ausreichende Grundlage der Entscheidung ergaben, oder die erforderlichen Feststellungen aus den aufgenommenen Beweisen nicht getroffen wurden, kann die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung wegen Feststellungsmängel notwendig sein. Da im Außerstreitverfahren der Grundsatz der Unmittelbarkeit des Verfahrens nicht Platz greift, sind die Rechtsmittelinstanzen berechtigt, die vorliegenden Beweise selbst zu würdigen und die notwendigen Feststellungen unabhängig von der Beweiswürdigung der Vorinstanzen zu treffen. Obwohl nun der Oberste Gerichtshof auch im Außerstreitverfahren im Allgemeinen nur Rechts- und nicht auch Tatsacheninstanz ist (vgl JBl 1966 Seite 149), kann er doch im Rahmen eines ordentlichen Revisionsrekurses die Beweiswürdigung der Vorinstanzen überprüfen (ebenso 5 Ob 248/67 = NotZ 1969 S 30 ua). Im vorliegenden Fall erscheinen nun die Bedenken des Rekursgerichtes gegen die auf Sachverständigengutachten gestützte Feststellungen des Erstrichters durchaus begründet: Wie schon das Erstgericht richtig erkannte, gebührt dem Grundeigentümer für die enteigneten und tatsächlich in Anspruch genommenen Grundstücke eine Entschädigung in der Höhe ihres Verkehrswertes, auch wenn dieser den Ertragswert der Grundstücke übersteigt (vgl Klang Komm2 II Seite 195, ZVR 1956 Nr 131 und 143, RiZtG 1969 Seite 107 ua). Den Verkehrswert der enteigneten Grundstücke zu ermitteln, ist Aufgabe der Sachverständigen. Es kann jedoch entgegen der Meinung des Revisionsrekurses nicht gesagt werden, dass der Auffassung des Rekursgerichtes über die notwendige Verbreiterung der Basis der vorliegenden Gutachten ein Rechtsirrtum anhaftet. Es wurde bereits mehrfach ausgesprochen, dass auch ein Flächenwidmungsplan, der im maßgebenden Zeitpunkt der Enteignung noch nicht genehmigt war, den Verkehrswert der enteigneten Grundstücke beeinflussen kann (so 1 Ob 278/70 ua). Ein ebensolcher Einfluss muss auch der nachträglichen tatsächlichen Entwicklung der Verhältnisse zuerkannt werden, wenn diese im Zeitpunkt der Enteignung als wahrscheinlich vorausgesehen werden konnte. Wenn nun am Rande einer sich allmählich vergrößernden Stadt ausschließlich wegen der Erwartung der Einbeziehung dieser Randgebiete in das verbaute Gebiet kein oder nur ein geringer Grundstücksverkehr in Bezug auf die bisher rein landwirtschaftlich genutzten Grundstücke stattfindet, dann können diese Gebiete mit Recht als Bauerwartungsland angesprochen werden, auch wenn ein nachfolgender Flächenwidmungsplan sie noch als Grünland einstufte. Ihr Verkehrswert wird dementsprechend zu beurteilen sein. Allerdings sind hierbei Preise außer Acht zu lassen, die nur aus bestimmten Gründen einmal von einem einzelnen Käufer bezahlt oder angeboten wurden (EvBl 1965 Nr 423). Wohl aber kann auch der Grundstücksverkehr in anderen Katastralgemeinden der näheren Umgebung, in denen ähnliche Verhältnisse vorliegen, zum Vergleich herangezogen werden. Diese Auffassung widerspricht durchaus nicht der ständigen Rechtsprechung, wonach für den Verkehrswert nur Preise für gleichartige Grundstücke innerhalb eines örtlich begrenzten Gebietes maßgebend sind. Unter diesen Umständen sind die Ergänzungsaufträge des Rekursgerichtes, soweit sie sich auf die Feststellung der im Zeitpunkt der Enteignung bereits erkennbaren Ausdehnungsbestrebungen der Stadtgemeinde Ried i. I. beziehen, durchaus berechtigt. Eine Entschädigung für die Restflächenentwertung der Parzelle 554 gebührt der Antragstellerin B***** ohne Rücksicht darauf, dass sie eine Entschädigung unter diesem Gesichtspunkt in ihrem Antrag nicht ausdrücklich begehrte (arg: "Hingegen ist auf die Minderung des Wertes ..." § 13 BStG), wenn die nach der Enteignung verbleibende Restfläche dieser Parzelle ganz oder teilweise nicht mehr zugänglich sein sollte, wie dies der Sachverständige Dr. Scheurembrandt annahm (AS 245). Hierbei wird allerdings hinsichtlich der Größe des durch die Restflächenentwertung betroffenen Grundstücksteiles der Unterschied zur Befundaufnahme AS 219 aufzuklären sein. Das Gleiche gilt für die ohne nähere Erklärung unverständliche Äußerung des Sachverständigen Dr. Messiner (AS 233), dass der Rest dieser Parzelle keine Entwertung erfahre, weil der enteignete Grundstücksteil als Bauerwartungsland bewertet werde. Darüberhinaus macht schon die keineswegs unerhebliche Differenz der nach Ansicht der zuletzt vernommenen Sachverständigen den Antragstellern gebührenden Entschädigungsbeträge die Einholung eines weiteren Gutachtens, zumindest aber eine eingehende ergänzende Befragung der bisher dem Verfahren beigezogenen Sachverständigen notwendig, um dem Gericht die überprüfbare Würdigung dieser Gutachten und zuletzt entsprechende Feststellungen über die zur Bemessung der Enteignungsentschädigung maßgebenden Umstände zu ermöglichen.

Bei seiner neuerlichen Entscheidung wird das Erstgericht auch die Vorschriften der §§ 33 und 34 EisenbEntG zu beachten haben. Es wird wohl festzustellen sein, welche Beträge die Antragsgegnerin bereits als Entschädigungsbetrag durch Gerichtserlag oder in anderer Weise den Antragstellern bezahlte. Darüberhinaus gehört es aber nicht zur Aufgabe des Gerichtes in diesem Verfahren, die Antragsteller zur Rückzahlung allfällig empfangener Mehrbeträge zu verpflichten. Mit diesen Ergänzungen erweist sich daher der Aufhebungsbeschluss des Rekursgerichtes als begründet, weshalb dem Revisionsrekurs der Erfolg zu versagen war.

Anmerkung

E73532 5Ob193.71

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1971:0050OB00193.71.0901.000

Dokumentnummer

JJT_19710901_OGH0002_0050OB00193_7100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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