Norm
ABGB §879Kopf
SZ 44/159
Spruch
Widmung der Hauseigentümerwohnung als mietzinsfreie Dienstwohnung der zur Hausbesorgerin bestellten Gattin des Vermieters; Rechtswirksamkeit einer solchen Widmung gegenüber den Mietern
OGH 13. 10. 1971, 5 Ob 187/71 (LG Salzburg 8 R 124/71; BG Salzburg 13 Msch 7/70)
Text
Über Antrag des Hauseigentümers sprach die Schlichtungsstelle des Magistrates Salzburg mit Bescheid vom 19. 10. 1970 aus, daß 1. im einzelnen aufgezählte unbedingt notwendige Erhaltungsarbeiten am Hause S, A-Straße 65, die einen Kostenaufwand von S 454.591.60 erfordern, grundsätzlich eine Mietzinserhöhung für die Dauer von zehn Jahren rechtfertigen, sowie 2. bei der Neufestsetzung des Betriebskostenschlüssels die vom Hauseigentümer und seiner Familie bewohnte Wohnung im ersten Stock dieses Hauses mit 166 m2 Wohnfläche und einem Mietwert von FK 1347.- außer Betracht zu bleiben habe. Die Entscheidung unter Pkt 2 wurde damit begrundet, daß der Hauseigentümer mit seiner Gattin Ingeborg S einen Hausbesorgervertrag abgeschlossen und diese Wohnung der Hausbesorgerin als Dienstwohnung überlassen habe.
Mit dieser Entscheidung gaben sich die Mieter nicht zufrieden. Sie begehrten die Entscheidung des Gerichtes, das in erster Instanz jedoch zu den gleichen Ergebnissen wie die Schlichtungsstelle gelangte.
Das Erstgericht wiederholte deshalb in seiner Entscheidung den Spruch der Schlichtungsstelle. Im einzelnen wurde festgestellt: Der Antragsteller kaufte im März 1969 das Haus S, A-Straße 65, in dem die Antragsgegner Mieter sind. Das Eigentumsrecht des Antragstellers an diesem Haus ist jedoch noch nicht grundbücherlich einverleibt. Nach Abschluß des Kaufvertrages bezog der Antragsteller mit seiner Familie die im ersten Stock gelegene 166 m2 große Wohnung Nr 4. Am 1. 1. 1970 schloß er mit seiner Gattin Ingeborg S einen Hausbesorgerdienstvertrag und überließ ihr die Wohnung Nr 4 als mietzinsfreie Dienstwohnung.
In rechtlicher Beziehung führte das Erstgericht aus, es bestunden keine Bedenken gegen die Gültigkeit des Hausbesorgerdienstvertrages, insbesondere komme es nicht darauf an, daß der Vermieter und die Hausbesorgerin miteinander verheiratet seien. Die Bereitschaft der Mieter, die Reinigungsarbeiten im Haus zu verrichten, lasse die Bestellung eines Hausbesorgers nicht überflüssig erscheinen. Der Umfang der Hausbesorgerwohnung werde durch das Gesetz nach oben nicht begrenzt. Es sei für die Beurteilung einer Wohnung als Dienstwohnung des Hausbesorgers ohne Belang, ob der Hausbesorger bei der Verrichtung seiner Arbeiten von seinen Familienangehörigen unterstützt werde. Da nach § 4 MG Hausbesorgerwohnungen, für die kein besonderes Entgelt zu entrichten ist, bei der Berechnung des Betriebskostenschlüssels außer Betracht zu bleiben haben, der Antragsteller aber die Wohnung Nr 4 der Hausbesorgerin in Erfüllung ihres Anspruches auf eine Dienstwohnung mietzinsfrei überlassen habe, sei diese Wohnung bei der Berechnung des Betriebskostenschlüssels nicht zu berücksichtigen. Daran ändere es nichts, daß der Vermieter nun als Ehemann der Hausbesorgerin in deren Dienstwohnung wohne und damit eine Lücke im Gesetz ausnütze.
Über Rekurs der Mieter änderte die zweite Instanz die Entscheidung des Erstgerichtes im Umfang ihrer Anfechtung dahin ab, daß bei der Berechnung des Betriebskostenschlüssels die Wohnung Nr 4 zur Gänze im Verhältnis ihres Mietwertes zu jenem der übrigen vermieteten Bestandteile des Hauses berücksichtigt werde. Das Rekursgericht sprach aus, daß seiner Entscheidung eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zugrunde liege. Es war der Auffassung, daß der festgestellte Sachverhalt die Annahme nahelege, es habe die Bestellung der Gattin des Antragstellers zur Hausbesorgerin mit der Überlassung der Hauseigentümerwohnung als Dienstwohnung der Hausbesorgerin nur den Zweck gehabt, die Anrechnung der Hauseigentümerwohnung bei der Aufteilung der Betriebskosten zu verhindern. Die Beistellung einer Dienstwohnung sei für den Hausbesorgervertrag nicht wesentlich. Sie könne entfallen, wenn der Hausbesorger ohnehin eine Wohnung habe. Diesfalls benötige die neue Hausbesorgerin keine Dienstwohnung, da sie als Gattin des Vermieters in der Hauseigentümerwohnung wohne. Außerdem seien die Dienstleistungen einer Hausbesorgerin der als Oberlehrerin tätigen Gattin des Antragstellers - eines Diplom-Ingenieurs - kaum angemessen. Die als Hausbesorgerwohnung gewidmete Hauseigentümerwohnung sei fast doppelt so groß wie die größte Mietwohnung im Hause. Mit Rücksicht auf die geringe Anzahl der Mieter und ihre Bereitschaft, die Hausbesorgerarbeiten wie bisher unter sich aufzuteilen, sei die Bestellung einer Hausbesorgerin nicht notwendig gewesen. Damit liege es aber auf der Hand, daß der Antragsteller die Vorschriften der §§ 4 und 7 MG umgehen wollte. Nach der Absicht des Gesetzgebers müsse eine solche Umgehung dadurch verhindert werden, daß die gesetzlichen Folgerungen, die umgangen werden sollten, trotzdem gezogen werden.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Antragstellers Folge. Er hob die Beschlüsse der Untergerichte, die hinsichtlich der Entscheidung über die grundsätzliche Erhöhung der Hauptmietzinse als unbekämpft unberührt blieben, im übrigen, also im Ausspruch über die Jahresmietwerte der einzelnen Bestandteile des Hauses S, A-Straße 65, und über den sich daraus ergebenden Betriebskostenschlüssel auf und trug dem Erstgericht im Umfang dieser Aufhebung die Ergänzung des Verfahrens und die neuerliche Entscheidung auf.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Der Rekurs ist gemäß § 32 Abs 2 MG zulässig, ihm kommt auch - allerdings aus anderen als den geltend gemachten Gründen - Berechtigung zu.
Nach der ausdrücklichen Vorschrift des Gesetzes (§ 32 Abs 1 MG) können in diesem Verfahren die Entscheidungen des Erstgerichtes nur wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung angefochten werden. Aktenwidrigkeiten, Verfahrensmängel und unrichtige Beweiswürdigung können somit als Anfechtungsgrunde nicht geltend gemacht werden. Dies gilt umsomehr für die Anfechtung der Entscheidung des Rekursgerichtes. Was der Rekurswerber aber in seinem vorliegenden Rechtsmittel als Verfahrensmängel geltend macht, stellt sich in Wahrheit als Rechtsrüge dar, da es eine Rechtsfrage ist, ob der entscheidungswesentliche Sachverhalt festgestellt ist. Zutreffend erkannte das Rekursgericht, daß die Entscheidung diesfalls davon abhängt, welche Absicht der Antragsteller bei der Bestellung seiner Gattin zur Hausbesorgerin und bei der Überlassung des Hauseigentümerwohnung an die Hausbesorgerin als Dienstwohnung hatte, da diese Vereinbarungen mit seiner Gattin den Mietern gegenüber gemäß § 1295 ABGB ganz oder teilweise unwirksam sein können, wenn sie bloß in der Absicht geschlossen wurden, den Mietern Schaden zuzufügen, denn jeder mißbräuchlichen Rechtsausübung kann einredeweise entgegengetreten werden (vgl SZ 28/133; JBl 1956, 72). Es könnte aber auch der Fall sein, daß der Antragsteller und seine Gattin in Kenntnis der Rechtsfolgen ihrer Vereinbarungen für die Mieter des Hauses überhaupt keinen Hausbesorgervertrag zu schließen beabsichtigten, sondern daß die beiderseitigen Willenserklärungen vielmehr dem anderen gegenüber mit dessen Einverständnis nur zum Schein abgegeben wurden (§ 916 ABGB). Auf dieses Scheingeschäft könnte sich der Antragsteller den Mietern gegenüber nicht berufen.
Da nun das Erstgericht über die Absicht des Antragstellers beim Abschluß der kritischen Vereinbarungen keine Beweise aufgenommen hat, war das Rekursgericht nicht in der Lage, die entsprechenden Tatsachenfeststellungen zu treffen. Es begnügte sich auch in Wirklichkeit mit Vermutungen über diese Parteienabsicht ("es liege die Annahme nahe ..., es liege auf der Hand ..."), welche Vermutungen aber Feststellungen nicht zu ersetzen vermögen. Die Sache ist daher noch nicht spruchreif.
Im fortgesetzten Verfahren wird das Erstgericht durch Vernehmung der Beteiligten klarzustellen haben, ob dem Antragsteller bei Abschluß des Hausbesorgerdienstvertrages und der Widmung seiner Wohnung als Hausbesorgerwohnung, für die kein besonderes Entgelt zu entrichten ist, bekannt war, daß als Folge des § 4 Abs 1 letzter Satz MG bei der Berechnung des Betriebskostenschlüssels die bisherige Hauseigentümerwohnung außer acht zu lassen ist und daß in diesem Fall auch gemäß § 7 Abs 1 und 2 MG die Mieter dieses Hauses allein die zu seiner ordnungsgemäßen Erhaltung erforderlichen Auslagen zu tragen haben, sowie ob der Antragsteller mit dem Abschluß der genannten Verträge mit seiner Gattin nur diese gesetzlichen Folgen herbeizuführen beabsichtigte. Darüber hinaus wird zu prüfen und festzustellen sein, ob der Hausbesorgerposten in der Vergangenheit aufgelassen worden war, wie lange Zeit die Mieter des Hauses die dem Hausbesorger obliegenden Pflichten erfüllten und ob sich der Antragsteller selbst bereit erklärte, seiner Gattin bei der Erfüllung der Hausbesorgerarbeiten zu helfen bzw welche Familienmitglieder des Antragstellers dafür in Betracht kommen (vgl MietSlg 9889 ua, wonach aus der Bereitschaft des Hauseigentümers, selbst oder durch seine Angehörigen oder vorhandene Bedienstete die Hausbesorgerarbeiten zu verrichten, auf seine Absicht geschlossen werden könne, den Posten eines Hausbesorgers aufzulassen). Allerdings normiert das Gesetz (§ 13 Abs 1, § 30 HBG) einen Anspruch des Hausbesorgers auf Einräumung einer unentgeltlichen Dienstwohnung. Dennoch ist, wie das Rekursgericht zutreffend erkannte, die Einräumung einer Dienstwohnung für den Abschluß eines Hausbesorgerdienstvertrages nicht wesentlich, da das Gesetz ausdrücklich auch Hausbesorgerdienstverhältnisse ohne Dienstwohnung kennt (§ 13 Abs 5, § 18 Abs 6, § 22 Abs 1 HBG). Ebenso ist richtig, daß das Gesetz ausdrücklich keine Höchst-, sondern nur eine Mindestanzahl der Räume der Dienstwohnung für Hausbesorger festlegt. Dennoch ist es dem Vermieter nicht freigestellt, zu Lasten der Mieter dem Hausbesorger eine beliebige, zu seinem Bedarf in keinem Verhältnis stehende Wohnung als mietzinsfreie Dienstwohnung zu überlassen. Unter den oben angegebenen Voraussetzungen wird eine solche Vereinbarung den Mietern gegenüber unwirksam sein. Es könnte jedoch die Überlassung einer unverhältnismäßig großen oder luxuriös ausgestatteten Wohnung an den Hausbesorger als mietzinsfreie Dienstwohnung den Mietern gegenüber teilweise unwirksam sein, wenn weder ein Scheinvertrag vorliegt noch angenommen werden kann, daß der Vermieter damit den Mietern absichtlich Schaden zufügen wollte. Vor dem Inkrafttreten des HBG bestanden keine Bedenken gegen die Annahme, daß dem Hausbesorger eine größere Wohnung teils als unentgeltliche Dienstwohnung eingeräumt, teils als Mietwohnung überlassen werden könnte (vgl Czech, Das Hausbesorgerrecht[2], 104; MietSlg 7633/45). Obwohl nun das HBG die für diese Ansicht maßgebende Vorschrift des § 18 HBO 1957 nicht übernahm, ist doch nicht anzunehmen, daß der Gesetzgeber diese Rechtslage ändern wollte, zumal auch nach § 13 Abs 5 HBG der Hausbesorger auf den Anspruch auf Dienstwohnung verzichten kann, wenn ihm im Zeitpunkt der Begründung des Dienstverhältnisses eine entsprechende andere Wohnung zur Verfügung steht. Dabei macht das Gesetz keinen Unterschied, ob dem Hausbesorger diese andere Wohnung auf Grund eines Bestandverhältnisses oder infolge sonstiger Vereinbarungen mit dem Vermieter oder anderer tatsächlicher Verhältnisse zur Verfügung steht. Es ist also auch denkbar, daß der Hausbesorger, wie hier, im Zeitpunkt der Begründung des Dienstverhältnisses auf Grund seiner familienrechtlichen Stellung zum Vermieter als wohnversorgt anzusehen ist. Dennoch kann auch in einem solchen Fall der zum Hausbesorger bestellte Familienangehörige des Vermieters nicht zur Abgabe der Verzichtserklärung nach der zuletzt angeführten Gesetzesstelle verpflichtet werden, er ist damit auch nicht bloß auf seinen zusätzlichen Entgeltanspruch nach § 13 Abs 6 HBG zu verweisen. In einem solchen Fall wird die Widmung der Hauseigentümerwohnung als Dienstwohnung des Hausbesorgers den Mietern gegenüber nur insoweit als wirksam angesehen werden können, als es nach den Umständen des besonderen Falles, zB wegen dringender Notwendigkeit der Bestellung eines Hausbesorgers, zugleich aber besonderer Schwierigkeiten, eine hiefür geeignete familienfremde Person zu finden, die auf eine Dienstwohnung verzichtet, als recht und billig angesehen werden müßte, daß der Antragsteller einen Teil seiner Wohnung der neu bestellten Hausbesorgerin als Dienstwohnung überließ. Darüber hinaus ist es dem Vermieter aber verwehrt, zu Lasten seiner Mieter die Anrechenbarkeit der einzelnen Bestandteile des Hauses, also auch der Hauseigentümerwohnung, auf den Betriebskostenschlüssel zu verändern. Ob hier solche besonderen Verhältnisse gegeben sind, die die Überlassung eines Teiles der Hauseigentümerwohnung als unentgeltliche Dienstwohnung an die neu bestellte Hausbesorgerin auch den Mietern gegenüber als recht und billig erscheinen lassen, wird das Erstgericht durch geeignete Erhebungen zu prüfen haben. In diesem Falle wird bloß der restliche Teil der Hauseigentümerwohnung bei der Neuberechnung des Betriebskostenschlüssels zu berücksichtigen sein.
Anmerkung
Z44159Schlagworte
Dienstwohnung, Hausbesorger, Ehegattin des Vermieters als Hausbesorgerin, Hausbesorger, Dienstwohnung, Hausbesorger, Ehegattin des Vermieters, Hausbesorger, Hauseigentümerwohnung als Dienstwohnung, Hauseigentümerwohnung, Dienstwohnung als Hausbesorgerwohnung, Hauseigentümerwohnung, Widmung als Dienstwohnung des Hausbesorgers, Mieter, Widmung der Hauseigentümerwohnung als Dienstwohnung des, Hausbesorgers, Mieter, Wirksamkeit der Widmung der Hauseigentümerwohnung als, Dienstwohnung des Hausbesorgers, Vermieter, Widmung der Hauseigentümerwohnung als Dienstwohnung des, HausbesorgersEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1971:0050OB00187.71.1013.000Dokumentnummer
JJT_19711013_OGH0002_0050OB00187_7100000_000