TE Vwgh Erkenntnis 2005/4/12 2003/01/0056

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Veröffentlicht am 12.04.2005
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §23;
AsylG 1997 §28;
AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
EGVG 1991 Anlage Art2 Abs2 Z43a;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Nowakowski, Dr. Pelant und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Matt, über die Beschwerde des V D in B, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 27. Dezember 2002, Zl. 225.707/0-XI/38/02, betreffend §§ 7 und 8 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der (ehemaligen) Bundesrepublik Jugoslawien, stammt aus dem Kosovo und gehört der albanischen Volksgruppe an. Er stellte am 25. Mai 2000 einen Asylantrag, den er im Wesentlichen damit begründete, es drohe seine Abschiebung nach Jugoslawien, weil ein Aufenthaltsverbot gegen ihn behänge. In seine Heimat könne er deshalb nicht zurückkehren, weil auf Grund eines (dem Asylantrag in beglaubigter Übersetzung angeschlossenen) Urteiles des Gemeindegerichtes in Djakovica vom 22. Dezember 1994 für ihn die Gefahr massiver Bedrohungen und Repressalien bestünde. Er sei mit diesem Urteil der Straftat des "Widerstandsaufrufes aus Art. 216 Abs. 2 des Strafgesetzes der Republik Serbien" für schuldig befunden und hiefür zu einer Gefängnisstrafe in der Dauer von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt worden. Diese Strafe habe er nicht angetreten, sondern er sei geflüchtet. Im Falle seiner Rückkehr nach Jugoslawien drohe seine sofortige Verhaftung aus politisch motivierten Gründen. Sollte er "den Serben in die Hände fallen", habe er keine korrekten Haftbedingungen, sondern unmenschliche und erniedrigende Behandlung sowie Folter zu erwarten.

Mit Bescheid vom 12. Dezember 2001 wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 Asylgesetz 1997 ab und sprach aus, dass seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Bundesrepublik Jugoslawien (Provinz Kosovo) gemäß § 8 Asylgesetz 1997 zulässig sei. Begründend führte das Bundesasylamt im Wesentlichen aus, der Vollzug des Urteiles werde "mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit nicht stattfinden", handle es sich doch um eine Tat, die "genau die Intention in sich barg, welche schließlich zur gegenwärtigen Umsetzung und völligen Änderung der politischen Lage und Situation im Kosovo führte". Die Provinz Kosovo stelle einen Teil des Heimatstaates des Beschwerdeführers dar, in dem für ihn keine Verfolgungsgefahr bestehe. Eine Ausübung serbischer Staatsgewalt im Kosovo sei seit 20. Juni 1999 nicht (mehr) gegeben.

In der gegen diesen Bescheid des Bundesasylamtes erhobenen Berufung führte der Beschwerdeführer aus, auf seine konkreten Verfolgungsgründe bzw. seine konkrete Situation sei nicht eingegangen worden. Vor dem Hintergrund seiner strafgerichtlichen Verurteilung aus politischen Gründen drohe ihm im Falle der Rückkehr in seine Heimat die sofortige Verhaftung und Anhaltung unter unmenschlichen Bedingungen. Vor dieser Gefahr könne ihn - sollte er "Serben in die Hände fallen" - auch die internationale Verwaltung und Militärpräsenz im Kosovo nicht schützen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ohne Durchführung einer - ausdrücklich beantragten - mündlichen Verhandlung gemäß § 7 AsylG ab und stellte gemäß § 8 AsylG iVm § 57 FrG fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die Bundesrepublik Jugoslawien, autonome Provinz Kosovo, zulässig sei.

In der Begründung ihrer Entscheidung führte die belangte Behörde - nach Darstellung des Verfahrensverlaufes - im Wesentlichen aus, es könne dahingestellt bleiben, ob das Vorbringen des Beschwerdeführers (betreffend seine Verurteilung vom 22. Dezember 1994 durch das nach seinen Behauptungen mit serbischen Richtern besetzt gewesene Gemeindegericht von Djakovica) auch den Tatsachen entspreche, weil diesem Vorbringen keine Asylrelevanz zukomme. Der vollständige Abzug der serbischen Verbände im Zusammenwirken mit der militärischen Präsenz der KFOR sowie der Zeitdauer des UN-Sicherheitsmandates und der damit verbundenen nachhaltigen Unwahrscheinlichkeit einer Rückkehr serbischer Verbände und einer Möglichkeit der Durchsetzung der "serbischen" Staatsgewalt im Kosovo würden nämlich "eine Durchsetzung der behaupteten Verurteilung im Gebiet der autonomen Provinz Kosovo gegenwärtig und künftig als ausgeschlossen erscheinen lassen". Die Gefahr einer gegenwärtig und künftig im Kosovo drohenden Vollstreckung dieses Urteils durch "serbische" Behörden habe der Beschwerdeführer nicht aktuell und konkret dargetan. Dass er Verfolgung in Asylrelevanz erreichendem Ausmaß im Kosovo zu gewärtigen hätte, habe der Beschwerdeführer nicht behauptet, und es würden diesbezüglich auch keine von Amts wegen aufzugreifenden Anhaltspunkte vorliegen.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Der Beschwerdeführer macht als Verfahrensmangel geltend, die belangte Behörde habe keine mündliche Berufungsverhandlung durchgeführt, und sie habe auch keine entsprechenden Sachverhaltsfeststellungen zu der von ihm geltend gemachten Verfolgungsgefahr im Zusammenhang mit seiner politisch motivierten Verurteilung getroffen. In dieser Hinsicht habe die belangte Behörde sich mit Mutmaßungen (Vermutungen) begnügt; es liege daher insoweit ein Feststellungs- und Begründungsmangel vor.

Damit ist der Beschwerdeführer im Recht: Die belangte Behörde beruft sich - insoweit dem erstinstanzlichen Bescheid folgend - bei der Einschätzung, eine Vollstreckung des rechtskräftigen Strafurteiles (des Gemeindegerichtes in Djakovica vom 22. Dezember 1994) sei in der Provinz Kosovo "gegenwärtig und künftig als ausgeschlossen" anzusehen, auf die geänderte Situation im Kosovo bzw. den eingetretenen Verlust der Kontrolle über diese Provinz durch die "serbische" Staatsgewalt. Damit allein ist aber nicht schlüssig begründet, dass dem Beschwerdeführer auf Grund des (dem Asylantrag in beglaubigter Übersetzung angeschlossenen) Strafurteils keine asylrelevante Gefährdung im Kosovo drohe. Weder das Bundesasylamt noch die belangte Behörde haben erkennbare Ermittlungen darüber gepflogen, ob das Strafurteil im Kosovo tatsächlich nicht vollstreckt wird, und etwa auch keine Überstellung (Auslieferung) des Beschwerdeführers an Vollzugsbehörden von Serbien und Montenegro (ehemals Bundesrepublik Jugoslawien) bewirken kann. Ermittlungen in diesem Sinne wären aber geboten gewesen, weil die ins Treffen geführten geänderten Verhältnisse alleine keine verlässliche Beurteilung über die Vollstreckung rechtskräftiger Strafurteile im Kosovo zulassen. Darauf hat der Beschwerdeführer schon in seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid zutreffend hingewiesen. Die belangte Behörde wäre daher verpflichtet gewesen, sich - im Rahmen der beantragten Berufungsverhandlung und auf Grund geeigneter Ermittlungen - damit auseinander zu setzen, welche Folgen dieses Strafurteil für den Beschwerdeführer im Hinblick auf eine mögliche asylrelevante Verfolgung tatsächlich hat.

Da sie dies unterlassen hat, ist der angefochtene Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften behaftet. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 12. April 2005

Schlagworte

Begründung Begründungsmangel Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher Verfahrensmangel Besondere Rechtsgebiete Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Freie Beweiswürdigung freie Beweiswürdigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2003010056.X00

Im RIS seit

23.05.2005
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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