Norm
Vertragsbedienstetengesetz §30Kopf
SZ 45/2
Spruch
Das Ersuchen des Vertragsbediensteten, eine wegen bestimmter dienstlicher Verfehlungen erfolgte Entlassung in eine Kündigung umzuwandeln, enthält nicht auch den Antrag auf einvernehmliche Lösung des Dienstverhältnisses nach § 30 Abs 1 lit b VBG. Ein solches Begehren hätte einer ausdrücklichen Erklärung der Bereitwilligkeit zu einer einverständlichen Auflösung des Dienstverhältnisses bedurft
Auch ein im voraus erklärter Verzicht auf Anfechtung einer Kündigung gemäß § 32 VBG ist wirksam, wenngleich eine entgegen den Vorschriften des § 32 VBG ausgesprochene Kündigung an sich rechtsunwirksam ist (§ 30 Abs 3 VBG)
OGH 11. 1. 1972, 4 Ob 70/71 (LGZ Wien 44 Cg 32/71; ArbG Wien 8 Cr 513/70)
Text
Der Kläger begehrt mit der am 15. 3. 1968 eingebrachten Klage die Feststellung, daß ein zur Republik Österreich bestehendes Dienstverhältnis ungeachtet der am 23. 2. 1968 erfolgten Kündigung über diesen Zeitpunkt hinaus weiterhin aufrecht fortbesteht. Der Kläger begrundete das Klagebegehren damit, daß er seit dem Jahre 1953 Vertragsbediensteter der beklagten Partei sei und daß auf sein Dienstverhältnis das Vertragsbedienstetengesetz 1948 Anwendung finde. Mit Schreiben des Landesschulrates X vom 23. 2. 1968 sei er entlassen worden, doch sei letztlich die Entlassung in eine Kündigung umgewandelt worden. Die von der beklagten Partei behaupteten Entlassungs- bzw Kündigungsgrunde lägen nicht vor.
Die beklagte Partei beantragte, die Klage abzuweisen. Der Kläger sei seit 1. 9. 1967 als Vertragslehrer am Bundesgymnasium und Bundesrealgymnasium D tätig gewesen. An dieser Anstalt sei es infolge des dienstwidrigen Verhaltens des Klägers ebenso zu Schwierigkeiten gekommen wie an den Bundesgymnasien und Bundesrealgymnasien in G, W und M, an welchen Anstalten der Kläger vorher beschäftigt gewesen sei. Insbesondere habe der Kläger abgelehnt, den Weisungen des Direktors der Schule, Hofrat Dr H, nachzukommen, und dreimal den Vorladungen des Landesschulrates nicht Folge geleistet, obwohl darauf hingewiesen worden sei, daß die Nichtbeachtung der Ladungen einen Entlassungsgrund darstelle. Der Kläger habe sich auch ungehörig über Hofrat Dr H geäußert und es in dienstwidriger Weise die Kinder entgelten lassen, deren Eltern über ihn Beschwerde führten. Infolge Weigerung, seine Dienstverrichtungen ordentlich zu versehen und den dienstlichen Anordnungen seiner Vorgesetzten zu entsprechen, habe der Landesschulrat X mit Schreiben vom 23. 2. 1968 den Kläger gemäß § 34 Abs 2 lit b und d VBG 1948 fristlos entlassen. Darauf habe der Kläger mit Schreiben vom 11. 3. 1968 den Landesschulrat X ersucht, aus sozialen Gründen die Entlassung in eine Kündigung umzuwandeln. Diesem Ersuchen habe der Landesschulrat X mit Schreiben vom 18. 3. 1968 entsprochen und die ausgesprochene Entlassung des Klägers als Kündigung uzw aus den Gründen des § 32 Abs 2 lit a und f VBG 1948 aufrecht erhalten. Bei der Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung am 23. 12. 1970 brachte der Kläger noch vor: Seine Entlassung sei völlig unangekundigt und für ihn somit überraschend gekommen. Keiner der geltend gemachten Entlassungsgrunde sei zutreffend und es lägen auch keinerlei Kündigungsgrunde vor. Die Schilderung bezüglich des Verhaltens des Klägers sei unzutreffend, zumindestens weit übertrieben und stelle die Dinge verzerrt dar. Da der Kläger bemerkt habe, daß man ihm nicht gut gesinnt sei, habe er mehrfach, jedoch völlig vergeblich, um seine Versetzung angesucht. Man habe es offenbar darauf abgesehen gehabt, ihn zu entlassen. Ein Personalreferent des Stadtschulrates Y habe zwar dem Kläger die Zusage einer Versetzung gegeben, dieses Versprechen jedoch nicht eingehalten. Die beklagte Partei habe mit keinem Wort erwähnt, daß der Kläger etwa in U eine ausgezeichnete Beschreibung bekommen habe. In dieser Situation sei der Kläger infolge der Entlassung plötzlich sozusagen vor dem Nichts gestanden. Verschiedene Personen, mit denen er gesprochen habe, so etwa der Nationalratsabgeordnete H, hätten ihm erklärt, daß gar nichts zu machen sei. Aus diesem Grund habe der Kläger versucht, wenigstens die härtesten Folgen der Auflösung des Dienstverhältnisses abzuwenden; er habe deshalb und aus keinem anderen Grund das Ersuchen gestellt, die Entlassung in eine Kündigung umzuwandeln. Ein Anerkenntnis, daß irgendwelche Kündigungsgrunde berechtigt seien, habe der Kläger damit nicht abgegeben.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es war der Ansicht, daß infolge des Antrages des Klägers, die Entlassung in eine Kündigung umzuwandeln, und durch die Annahme dieses Antrages durch die beklagte Partei an die Stelle der ausgesprochenen Entlassung eine zweiseitige Vereinbarung getreten sei, derzufolge das Dienstverhältnis mit Ablauf der Kündigungsfrist aufgelöst worden sei. Hiebei sei unbeachtlich, aus welchem Motiv der Kläger die Umwandlung der Entlassung in eine Kündigung vorgeschlagen habe. Es könne auch in der Einbringung der gegenständlichen Klage am 15. 3. 1968 keine Zurücknahme des am 11. 3. 1968 gestellten Antrages auf Umwandlung der Entlassung in eine Kündigung erblickt werden, weil bereits mit Schreiben vom 18. 3. 1968 der Landesschulrat X dem Ersuchen des Klägers entsprochen habe und der Kläger an seinen Antrag gebunden bleibe (§ 862 ABGB), wenn mangels Setzung einer Annahmefrist die Antwort innerhalb angemessener Frist einlange.
Das Berufungsgericht verhandelte die Streitsache gemäß § 25 Abs 1 Z 3 ArbGG von neuem. Es gab der Berufung des Klägers nicht Folge und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 15.000.- übersteigt.
Die Entscheidung des Berufungsgerichtes beruht auf folgenden Feststellungen:
Der Kläger hat mit Schreiben vom 11. 3. 1968 den Landesschulrat X ersucht, seine am 23. 2. 1968 ausgesprochene Entlassung in eine Kündigung umzuwandeln. Bevor der Kläger dieses Schreiben absandte, hatte er bereits die Meinung mehrerer Personen, darunter die des Nationalrates H bezüglich seiner Entlassung eingeholt. Der Landesschulrat X hat mit Schreiben vom 18. 3. 1968 dem Ersuchen des Klägers entsprochen und die aus den Gründen des § 34 Abs 2 lit b und d VBG 1948 ausgesprochene Entlassung des Klägers als Kündigung des Dienstverhältnisses aus den Gründen des § 32 Abs 2 lit a und f VBG 1948 aufrecht erhalten.
In rechtlicher Beziehung führte das Berufungsgericht im wesentlichen aus:
Der offenbar nach eingeholter Rechtsberatung vom Kläger am 11. 3. 1968 gestellte Antrag, die am 23. 2. 1968 ausgesprochene Entlassung in eine Kündigung umzuwandeln, stelle ein Offert dar. Es könne dem Antrag kein anderer vernünftiger Sinn unterstellt werden, als daß sich der Kläger bei der gegebenen Sach- und Rechtslage für den Fall der Annahme des Anbotes mit der Auflösung des Dienstverhältnisses durch Kündigung per 23. 2. 1968 einverstanden erklärte. Wäre der Kläger mit den Entlassungsgrunden nach § 34 Abs 2 lit b und d VBG 1948 nicht einverstanden gewesen, so hätte er in dem Anbotschreiben vom 11. 3. 1968 seinen Wunsch nach Auflösung des Dienstverhältnisses aus unverschuldeten Kündigungsgrunden zum Ausdruck bringen müssen. Daß bei der gegebenen Sachlage die Auflösung des Dienstverhältnisses durch Kündigung dem Willen des Klägers entsprochen habe, ergebe sich auch daraus, daß die Prozeßchancen für die erfolgreiche Anfechtung einer Entlassung größer seien, als die der Anfechtung einer Kündigung; es wäre widersinnig anzunehmen, daß der Kläger die Umwandlung der Entlassung in eine Kündigung nur deshalb angestrebt habe, um seine Erfolgschancen zu mindern. Mit der Annahme des vom Kläger gemachten Offertes durch den Landesschulrat X liege sohin eine Vereinbarung vor, derzufolge kraft übereinstimmenden Willens beider Teile das Dienstverhältnis des Klägers mit Ablauf der vorgesehenen gesetzlichen Kündigungsfrist zu enden habe. § 862 ABGB verpflichte den Offerenten bei Nichtstipulierung einer Annahmefrist, solange zu seinem Antrag zustehen, solange unter Anrechnung des Postenlaufes bei rechtzeitiger und ordnungsgemäßer Absendung der Antwort deren intreffen erwartet werden dürfe; vor Ablauf dieser Frist könne der Antrag nicht zurückgenommen werden. Die bereits am 15. 3. 1968 beim Erstgericht eingelangte Klage habe sohin den Kläger nicht von seinem Anbot entbunden. Im übrigen sei das Antwortschreiben des Landesschulrates X schon abgefertigt gewesen, bevor die Klage der Finanzprokuratur in Wien zugestellt worden sei.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Der Kläger erklärte vor dem Erstgericht, er habe, um wenigstens die härtesten Folgen der Auflösung des Dienstverhältnisses abzuwenden, das Ersuchen gestellt, die Entlassung in eine Kündigung umzuwandeln. Hiezu steht fest, daß dieses Ersuchen mit Schreiben vom 11. 3. 1968 an den Landesschulrat X gerichtet wurde, dem von diesem mit dem Schreiben vom 18. 3. 1968 entsprochen wurde; die aus den Gründen des § 34 Abs 2 lit b und d VBG 1948 ausgesprochene Entlassung des Klägers wurde als Kündigung des Dienstverhältnisses aus den Gründen des § 32 Abs 2 lit a und f VBG 1948 aufrecht erhalten.
Der Kläger behauptet, er hätte seinem Schreiben als nicht Rechtskundiger keinen anderen Sinn beilegen können, als daß die Entlassung in eine Kündigung ohne Verschulden umgewandelt werde.
Dem ist entgegenzuhalten, daß die Auslegung der Erklärung des Klägers im Schreiben vom 11. 3. 1968 an den Landesschulrat X, mit der nur die Umwandlung seiner Entlassung in eine Kündigung angestrebt wurde, nicht nach den subjektiven Vorstellungen des Klägers, sondern nach der Übung des redlichen Verkehrs, wie dieser die Erklärung versteht, zu erfolgen hat (§ 914 ABGB). Darnach enthält aber das Ersuchen, eine wegen bestimmter dienstlicher Verfehlungen erfolgte Entlassung in eine Kündigung umzuwandeln, nicht auch den Antrag zur einvernehmlichen Lösung des Dienstverhältnisses nach § 30 Abs 1 lit b VBG 1948. Ein solches Begehren hätte eines besonderen Antrags bedurft, in dem die Bereitwilligkeit zu einer einverständlichen Auflösung des Dienstverhältnisses ausdrücklich erklärt worden wäre. Eine Kündigung ohne Angabe von Gründen wäre dem Kläger gegenüber, da sein Dienstverhältnis jedenfalls mindestens ein Jahr lang ununterbrochen gedauert hatte, gar nicht möglich gewesen.
Das Ersuchen des Klägers an den Landesschulrat X, seine am 23. 2. 1968 ausgesprochene Entlassung in eine Kündigung umzuwandeln, hatte somit die Bedeutung, daß er bereit sei, eine Kündigung iS des § 32 VBG 1948, gestützt auf den Entlassungstatbestand, hinzunehmen. Da das Dienstverhältnis gemäß § 30 Abs 1 lit b VBG 1948 einverständlich gelöst werden konnte, muß angenommen werden, daß auch ein im voraus erklärter Verzicht auf Anfechtung einer Kündigung gemäß § 32 VBG wirksam ist, wenngleich eine entgegen den Vorschriften des § 32 ausgesprochene Kündigung an sich rechtsunwirksam ist (§ 30 Abs 3 VBG 1948). Bei einer anderen Auffassung würde es dem Dienstnehmer unmöglich, vom Dienstgeber die für den Dienstnehmer günstigere Kündigung anstelle der Entlassung zu erreichen, falls es aus irgendwelchen Gründen zu einer einverständlichen Auflösung des Dienstverhältnisses (ohne Kündigung) nicht kommt.
Anmerkung
Z45002Schlagworte
Anfechtung, Kündigung, Anfechtung, Verzicht, Entlassung, Vertragsbediensteter, Kündigung, Anfechtungsverzicht, Kündigung, Vertragsbediensteter, Vertragsbediensteter, einverständliche Lösung des Dienstverhältnisses, Vertragsbediensteter, Entlassung, Vertragsbediensteter, Kündigung, Verzicht, Anfechtung einer KündigungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1972:0040OB00070.71.0111.000Dokumentnummer
JJT_19720111_OGH0002_0040OB00070_7100000_000