Norm
ABGB §166a Abs2Kopf
SZ 45/27
Spruch
Auch der uneheliche Vater des unehelichen Kindesvaters ist gemäß § 166a ABGB subsidiär unterhaltspflichtig
OGH 8. 3. 1972, 5 Ob 39/72 (KG Krems R 333/71; BG Krems P 190/71)
Text
Karl S ist der außereheliche Vater des Erich W. Dieser wiederum ist der außereheliche Vater des mj Erwin A.
Das Erstgericht hat auf Antrag (14. 9. 1971) des Stadtjugendamtes K als des Amtsvormundes dieses Minderjährigen zufolge derzeitiger Uneinbringlichkeit eines Unterhaltes vom Vater des Kindes und infolge Fehlens eines Einkommens der Mutter auf der Grundlage des § 166a ABGB die Unterhaltspflicht des Großvaters väterlicherseits als gegeben angenommen und diesen verpflichtet, ab 15. 9. 1971 den Unterhaltsbeitrag von S 150.- monatlich bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit des Kindes zu bezahlen.
Das Rekursgericht hat dem Rekurs des Unterhaltsverpflichteten Folge gegeben und den Beschluß iS der Abweisung des Antrages des Stadtjugendamtes K abgeändert. Das Rekursgericht ist der Auffassung, daß die maßgebende Bestimmung des § 166a Abs 2 ABGB idF des BG 30. 10. 1970 BGBl 342 in der Reihe der subsidiären Unterhaltsverpflichteten nur die ehelichen väterlichen Großeltern vorsehe, nicht aber auch den unehelichen Vater des unehelichen Vaters des unterhaltsberechtigten Kindes. Da damit dessen Unterhaltspflicht schon dem Gründe nach zu verneinen sei, könne auch der gerichtsbekannte Umstand außer Betracht bleiben, daß der uneheliche Vater des Kindes ohnehin zumindest im November 1971 Unterhalt geleistet habe.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Pflegebefohlenen Folge, hob den angefochtenen Beschluß auf und trug dem Rekursgericht die neuerliche Entscheidung auf.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Der Revisionsrekurs des Pflegebefohlenen gegen den Beschluß des Rekursgerichtes ist zulässig. Der Oberste Gerichtshof kann sich mit dem Rechtsfall zufolge der Vorschrift des § 14 Abs 2 AußStrG nur insoweit befassen, als es sich nicht um Fragen der Bemessung des Unterhaltes handelt. Der Bestand eines die Unterhaltspflicht auslösenden Verwandtschaftsverhältnisses betrifft aber den Grund des Unterhaltsanspruches. Damit ist gemäß dem Rechtssatz I des Jud 60 neu die Zulässigkeit des Rechtsmittels an die dritte Instanz gegeben.
Der Revisionsrekurs ist auch berechtigt.
Der seit 1. 7. 1971 in Geltung stehende § 166a ABGB idF des BG 30. 10. 1970 BGBl 342 über die Neuordnung der Rechtsstellung des unehelichen Kindes sieht zunächst grundsätzlich vor, daß sich der Anspruch auf Unterhalt und Versorgung des unehelichen Kindes wie für ein eheliches Kind bestimmt. Im zweiten Absatz wird vorgesehen, daß die Pflicht, für den Unterhalt und die Versorgung des unehelichen Kindes aufzukommen, den Vater, sodann die Mutter und schließlich die väterlichen und mütterlichen Großeltern in der Reihenfolge trifft, die für die Unterhaltspflicht gegenüber einem ehelichen Kinde gilt (§ 143 ABGB). Im Justizausschußbericht (155 BlgNR 12. GP, 4 f) wird ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die nunmehrige Regelung des § 166a ABGB in einer neuen Weise die Grundlagen und das Ausmaß der Ansprüche des unehelichen Kindes auf Unterhalt und Versorgung regle und dabei das uneheliche Kind nach Art eines programmatischen Leitsatzes dem ehelichen Kinde gleichstelle. Die hilfsweise Heranziehung der väterlichen Großeltern sei der Rechtsordnung als Forderung der Gerechtigkeit auferlegt, um die Auswirkungen der verwandtschaftlichen Beziehungen in gleicher Weise auf die Familie des Vaters und die der Mutter anzuerkennen. Gerade im Hinblick auf die zufolge des Fortschrittes der Naturwissenschaften bereits weitestgehend gesicherte Ausschlußmöglichkeit des Nichtvaters und damit dessen Bewahrung vor einer ihm nicht zukommenden Unterhaltspflicht erschienen im Rahmen der gesetzlichen Neuregelung die Voraussetzungen für die gleiche Heranziehung der väterlichen mit den mütterlichen Großeltern gegeben. Dabei hat der Hinweis auf § 143 ABGB nur den Zweck, die Reihenfolge, in der die Eltern und die Großeltern des unehelichen Kindes leistungspflichtig sein sollen, zu bestimmen (EB z RV, 6 BlgNR 12. GP). Dem entspricht auch die korrespondierende neue Bestimmung des § 169a ABGB, die das uneheliche Kind verpflichtet, seinem Vater und seiner Mutter sowie seinen väterlichen und seinen mütterlichen Großeltern unter bestimmten Voraussetzungen Unterhalt zu leisten. Auch hiebei wird nicht unterschieden und zum Ausdruck gebracht, daß das uneheliche Kind dem unehelichen Vater seines unehelichen Vaters anders als etwa dem ehelichen Vater seines unehelichen Vaters keinen Unterhalt zu leisten hätte. Der Justizausschußbericht spricht in diesem Zusammenhang dementsprechend auch ganz allgemein von einer Unterhaltspflicht gegenüber den Vorfahren und stellt damit auf die blutmäßigen Bande ab.
Da sohin sowohl aus der eigentümlichen Bedeutung der Worte der gesetzlichen Bestimmung in ihrem Zusammenhange als auch aus der klaren Absicht des Gesetzgebers die Auffassung hervorleuchtet, die Großeltern väterlicherseits und mütterlicherseits ohne Einschränkung auf die Herstellung des verwandtschaftlichen Bandes auf Grund ehelicher Geburt bezüglich des primär Unterhaltsverpflichteten zu einer subsidiären Unterhaltsleistung heranzuziehen, ist der Oberste Gerichtshof der Auffassung, daß im vorliegenden Falle der geltend gemachte Unterhaltsanspruch dem Gründe nach zu bejahen sein wird.
Demgegenüber können die Darlegungen und Erwägungen des Rekursgerichtes nicht überzeugen. Sie stellen weitgehend auf die frühere Rechtslage ab und werden damit dem grundlegenden Wandel in den gesetzlichen Bestimmungen über die Grundlagen und das Ausmaß der Ansprüche des unehelichen Kindes auf Unterhalt und Versorgung nicht gerecht. Gerade weil damit ja die Gleichstellung mit dem ehelichen Kind bewirkt werden soll, muß auch angenommen werden, daß Unterschiede nur zufolge ausdrücklicher gesetzlicher Regelung bestehen können. Die Berufung auf Feil, Die Neuordnung der Rechtsstellung des unehelichen Kindes, 59, vermag die Auffassung des Rekursgerichtes gleichfalls nicht zu decken, zumal auch dort die Rede davon ist, daß die Rechtsordnung die Auswirkungen der verwandtschaftlichen Beziehungen ohne Ausnahme bestimmter Gruppen anerkennen müsse.
Dem Rekurs des Pflegebefohlenen war daher Folge zu geben und dem Rekursgericht die neuerliche Entscheidung auf der Grundlage der dargelegten Rechtsauffassung aufzutragen. Die vom Rekursgericht in Frage gestellte Entstehung der subsidiären Unterhaltsverpflichtung des väterlichen Großvaters zufolge zumindest teilweiser Unterhaltsleistungen des primär Unterhaltsverpflichteten gehört zur Bemessung des gesetzlichen Unterhaltsanspruches, auf die einzugehen dem Obersten Gerichtshof gemäß § 14 Abs 2 AußStrG verwehrt ist.
Anmerkung
Z45027Schlagworte
Außerehelicher Großvater, Unterhaltspflicht, Subsidiäre Unterhaltspflicht, außerehelicher Vater des außerehelichen, Kindesvaters, Subsidiäre Unterhaltspflicht, unehelicher Vater des unehelichen, Kindesvaters, Unehelicher Großvater, Unterhaltspflicht, Unterhaltspflicht, außerehelicher Vater des außerehelichen Kindesvaters, Unterhaltspflicht, subsidiäre, Unterhaltspflicht, unehelicher Vater des unehelichen KindesvatersEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1972:0050OB00039.72.0308.000Dokumentnummer
JJT_19720308_OGH0002_0050OB00039_7200000_000