Norm
EO §296Kopf
SZ 45/33
Spruch
Das Begehren der Drittschuldnerklage auf Herausgabe von Wertpapieren (Aktien), die sich in der Gewahrsame eines zu ihrer Herausgabe nicht bereiten Dritten befinden, an den Überweisungsgläubiger selbst, ist zwar verfehlt; als bloßes "Minus" kann jedoch auf Ausfolgung an das Vollstreckungsorgan erkannt werden
OGH 21. 3. 1972, 8 Ob 45/72 (OLG Wien 7 R 187/71; KG Krems 12 Cg 79/71)
Text
Anna B hat mit Testament vom 15. 9. 1960 ihren Ehegatten Dr Rudolf B zum Alleinerben, ihre Nichte Wilhelmine N zur Nacherbin auf den Überrest bei Ableben ihres Gatten eingesetzt. In der Verlassenschaftsabhandlung nach ihrem am 7. 9. 1964 eingetretenen Tod wurde kein Inventar aufgenommen und die Substitutionsmasse nicht festgestellt. Der Nachlaß, zu dem zwei Liegenschaften und auch die klagsgegenständlichen Wertpapiere gehörten, wurde Dr Rudolf B ohne Einschränkung eingeantwortet. Nach dessen Tod am 24. 11. 1968 wurde auf Grund seines Testamentes der Nachlaß der Beklagten zufolge unbedingter Erbserklärung eingeantwortet. Von den Wertpapieren im Depot der I-Bank Nr 40.861 stammten nach dem Bericht des Verlassenschaftskurators vom 14. 7. 1970 und dem eidesstättigen Vermögensbekenntnis der Beklagten vom 31. 10. 1970 (A 4/69 des BG Waidhofen/Thaya) aus dem Eigentum der Anna B die klagsgegenständlichen Wertpapiere, die einen Kurswert von S 58.490.- hatten.
Dem Kläger wurde auf Grund eines vor dem Handelsgericht Wien am 16. 4. 1969, 16 Cg 265/69, geschlossenen Vergleiches zur Hereinbringung seiner vollstreckbaren Forderung von restlichen S 47.477.66 sA gegenüber Wilhelmine N mit Beschluß des Exekutionsgerichtes Wien vom 12. 1. 1971, 16 E 88/71, die Pfändung des Anspruches der Wilhelmine N auf Herausgabe der oben angeführten Wertpapiere und die Überweisung dieses Anspruches zur Einziehung gegenüber der Verlassenschaft nach Dr Rudolf B, vertreten durch den Verlassenschaftskurator Dr Leo B, Rechtsanwalt in W, bewilligt. Der Beschluß wurde letzterem am 25. 1. 1971 zugestellt.
Mit der am 16. 2. 1971 eingebrachten Drittschuldnerklage begehrte der Kläger zunächst von der Verlassenschaft nach Dr Rudolf B, vertreten durch den Verlassenschaftskurator, und nach dessen Enthebung von der Alleinerbin Eva P, der der Nachlaß mit Beschluß vom 22. 2. 1971 eingeantwortet worden war, die Herausgabe der im Spruch angeführten Aktien.
Die Beklagte beantragte Klagsabweisung und wendete ein:
Eine Verpflichtung zur Herausgabe dieser Wertpapiere an die Nacherbin Wilhelmine N bestehe nur unter der Voraussetzung, daß diese Papiere noch vorhanden seien. Da die I-Bank das Vorhandensein derselben bestätigt habe, sei die Beklagte grundsätzlich bereit, die Papiere an die Berechtigte herauszugeben. Der Herausgabeanspruch sei jedoch nicht fällig, weil die Beklagte auch für die auf Wilhelmine N entfallende Erbschaftssteuer hafte und diese noch nicht vorgeschrieben sei; es sei auch nicht klar, ob die gegenständlichen Wertpapiere nicht für die Erfüllung eines Vermächtnisses der Anna B an Dipl-Ing P im Betrage von S 50.000.- haften. Sie sei nur gegen Bezahlung der Erbschaftssteuer für die Nacherbin bereit, die gegenständlichen Wertpapiere bei Gericht zugunsten Wilhelmine N, Dipl-Ing P und des Klägers zu erlegen. Weiters wendete die Beklagte ein, der Kläger könne die Ausfolgung der Wertpapiere nicht zu eigenen Handen verlangen, weshalb sein Klagebegehren im Widerspruch zur Exekutionsordnung stehe und abzuweisen sei.
Das Erstgericht hat der Klage vollinhaltlich stattgegeben.
Es vertrat die Auffassung, daß die Beklagte schon nach ihrer eigenen Darstellung jedenfalls seit Kenntnis vom Vorhandensein der gegenständlichen Papiere bei der I-Bank (di 31. 8. 1970) zur Herausgabe der Wertpapiere bereit sei und die Legitimation des Klägers als Überweisungsgläubiger feststehe, so daß das Klagebegehren berechtigt sei. Einschließlich der dazugehörigen Liegenschaften habe das Vermögen nach Anna B einen Wert von S 298.990.-, ohne die Wertpapiere einen solchen von S 240.500.-; darin fänden die vorzuschreibende Erbschaftssteuer und andere Wilhelmine N treffende Gebühren einschließlich des zugunsten des Dipl.-Ing P errichteten Legats von S 50.000.- Deckung, weshalb die diesbezüglichen Einwendungen der Beklagten unberechtigt seien. Ob das Klagebegehren den Bestimmungen der Exekutionsordnung widerspräche, ließ das Erstgericht mit der Begründung dahingestellt, es sei Sache des Klägers, für die Durchsetzung seines Anspruches zu sorgen.
Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 15.000.- übersteige.
Da eine Inanspruchnahme der Beklagten zur Erfüllung des der Nacherbin auferlegten Legats nicht hervorgekommen sei und die Erbschaftssteuer nach dem Vorbringen der Beklagten noch nicht einmal vorgeschrieben worden sei, stunde eine Belastung der Beklagten im Zusammenhang mit diesen Verpflichtungen der Nacherbin weder fest noch sei eine solche mit Sicherheit zu erwarten; es fehle daher an einer fälligen Forderung der Beklagten als Grundlage eines Zurückbehaltungsrechtes. Die Einwendungen der Beklagten könnten auch die Fälligkeit des von ihr schon im eidesstättigen Vermögensbekenntnis anerkannten Anspruches auf Herausgabe der klagsgegenständlichen Wertpapiere nicht beeinträchtigen. Das Berufungsgericht bejahte ferner die Berechtigung des Klägers, die Herausgabe an sich selbst zu verlangen. Der Überweisungsbeschluß ersetze die Erklärung der verpflichteten Partei, durch welche der betreibende Gläubiger legitimiert werde, deren Forderung gegen den Drittschuldner einzuziehen. Das Klagebegehren sei nicht verfehlt, weil auf dessen Grundlage die Abnahme durch den Vollstrecker nur im Rahmen der Exekutionsführung nach § 346 EO erfolgen könne; die Befriedigung des betreibenden Gläubigers werde durch den Verkauf der Wertpapiere iS des § 268 EO herbeigeführt werden, so daß die von der Beklagten angenommene Gefahr einer Befriedigung des betreibenden Gläubigers über seine Forderung hinaus nicht gegeben sei.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten teilweise Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen
Da die Beklagte ihre Leistung von einer Zug um Zug zu bewirkenden Gegenleistung abhängig machte, hat die zweite Instanz ihr Vorbringen auch unter dem Gesichtspunkt eines Zurückbehaltungsrechtes geprüft. Entgegen den Revisionsausführungen hat das Berufungsgericht jedoch mit Recht das Bestehen eines solchen Zurückbehaltungsrechtes verneint. Mangels einer besonderen gesetzlichen Anordnung könnte der Beklagten ein Zurückbehaltungsrecht an den gegenständlichen Wertpapieren nur unter der Voraussetzung des § 471 ABGB zukommen. Da nach den Feststellungen der Beklagten weder eine Erbschaftssteuer vorgeschrieben wurde noch deren Inanspruchnahme seitens des Legatars erfolgte, fehlt es an einer fälligen Forderung der Beklagten wegen eines für die Sache gemachten Aufwandes und damit an den Voraussetzungen eines Retentionsrechtes. Ob das Vermögen der Nacherbin in Zukunft auslangen wird, deren Schulden zu decken, ist hiefür ohne Belang.
Die Revision vertritt ferner den Standpunkt, der Herausgabeanspruch sei deshalb nicht fällig, weil der Beklagten "mögliche Aufrechnungsansprüche gegen Wilhelmine N aus dem Titel der Haftung für Erbschaftssteuern und der möglichen Haftung für ein Legat an Dipl-Ing Josef P" zustunden. Dem ist zunächst zu erwidern, daß gegen einen Anspruch auf Herausgabe körperlicher Sachen eine Geldforderung schon mangels Gleichartigkeit nicht aufgerechnet werden kann und daß die Kompensation im übrigen die Fälligkeit beider Forderungen zur Voraussetzung hat. Eine allfällige Regreßforderung der Beklagten gegen die Nacherbin hätte ferner zur Voraussetzung, daß sie für diese bereits Leistungen erbracht hat, was hier nicht der Fall ist. Da der Substitutionsfall am 24. 11. 1968 eingetreten ist und im Verlassenschaftsverfahren nach dem eingeantworteten Erben anläßlich der Geltendmachung des gegenständlichen Herausgabeanspruches dieser vom Verlassenschaftskurator am 14. 7. 1970 und von der Beklagten in ihrem eidesstättigen Vermögensbekenntnis am 31. 8. 1970 anerkannt wurde, ist er jedenfalls vor der Erhebung der Drittschuldnerklage fällig geworden. Die Fälligkeit des Herausgabeanspruchs wird durch eine allfällige künftige Inanspruchnahme der Beklagten für Schulden der Nacherbin nicht berührt.
Der Revision ist lediglich dahin beizupflichten, daß der Kläger die Herausgabe der Wertpapiere nicht an sich selbst, sondern nur an den vom Gericht bezeichneten Vollstrecker zu verlangen berechtigt ist. Auf Inhaberpapiere ist die Exekution wegen Geldforderungen nach den Vorschriften über die Exekution auf bewegliche körperliche Sachen zu führen (JM zu § 296 EO). Gemäß § 325 EO erfolgte die Pfändung von Ansprüchen des Verpflichteten, welche die Herausgabe oder Leistung körperlicher Sachen zum Gegenstand haben, nach den Vorschriften der §§ 294 bis 298 EO, auf die weiteren Exekutionsschritte haben die Vorschriften der §§ 300 bis 319 EO unter Berücksichtigung der nachfolgenden Bestimmungen Anwendung zu finden. Hieraus folgt, daß für die Pfändung und Überweisung von Geldforderungen geltende Bestimmungen nur insoweit zur Anwendung gelangen, als nicht durch die Bestimmungen der §§ 326 bis 329 EO abweichende Regelungen getroffen werden. Die für die Formulierung des Begehrens der Drittschuldnerklage maßgebenden diesbezüglichen Unterschiede bestehen in folgendem: Bei der Exekution auf Geldforderungen wird das Verfahren regelmäßig unmittelbar zur Beschaffung von Geldmitteln und damit zur Befriedigung des betreibenden Gläubigers führen. Dieser ist kraft der ausdrücklichen Anordnung des § 308 EO insbesondere berechtigt, die - freiwillige oder im Klagsweg erzwungene - Zahlung des Drittschuldners mit der im § 312 Abs 1 EO normierten Wirkung in Empfang zu nehmen und gemäß § 312 Abs 2 EO verpflichtet, mit dem Mehrempfang in der dort vorgesehenen Weise zu verfahren. Bei der Exekution auf Ansprüche auf Herausgabe körperlicher Sachen kann durch die Pfändung und Überweisung nur der Zugriff auf diese Sachen ermöglicht werden; sie müssen aber erst nach den entsprechenden Vorschriften der Exekutionsordnung einer Verwertung zugeführt werden. Erst hiedurch werden die zur Befriedigung des betreibenden Gläubigers erforderlichen Geldmittel beschafft. Daher ist der betreibende Gläubiger hier berechtigt, mit dem Antrag auf Pfändung und Überweisung des Anspruches auf Herausgabe körperlicher Sachen einen diesbezüglichen Verwertungsantrag zu verbinden. Der Drittschuldner aber ist nach der ausdrücklichen Anordnung des § 327 EO nur verpflichtet, die beweglichen körperlichen Sachen dem ihm vom Gericht bezeichneten Vollstreckungsorgan herauszugeben und nicht dem Überweisungsgläubiger. Hieraus folgt aber, daß im Falle der Nichtherausgabe der Überweisungsgläubiger auch im Klagewege nur die Ausfolgung an das Vollstreckungsorgan des Gerichtes begehren kann und nicht an sich selbst (vgl Hanreich - Peters - Stagel, Schriftsätze in Exekutions- und Sicherungsverfahren, Anm 6 zu Nr 139, Petschek - Hämmerle - Ludwig, Das österreichische Zwangsvollstreckungsrecht 202). Das auf Herausgabe der Wertpapiere an den Kläger selbst gerichtete Begehren ist daher verfehlt. Dies führt jedoch entgegen den Revisionsausführungen nicht zu seiner gänzlichen Abweisung. Ebenso wie nach ständiger Rechtsprechung der Gerichtserlag nicht etwas von der Zahlung verschiedenes, sondern eine weniger weit reichende Leistung darstellt, weshalb ohne darauf abzielenden Parteiantrag und ohne Verstoß gegen § 405 ZPO auf gerichtlichen Erlag des Klagsbetrages zu erkennen und nur das auf Zahlung lautende Mehrbegehren abzuweisen ist, wenn nur ersteres gerechtfertigt ist (SZ 24/35, SZ 19/80 ua), muß im vorliegenden Fall die Herausgabe an das Vollstreckungsorgan des Exekutionsgerichtes zugunsten des dort als betreibender Gläubiger auftretenden Klägers gegenüber der Herausgabe an den Kläger selbst als Minus gewertet werden, das infolge seiner Berechtigung ohne Rücksicht auf die mangelnde Rechtfertigung des Mehrbegehrens zuzuerkennen war.
Anmerkung
Z45033Schlagworte
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ECLI:AT:OGH0002:1972:0080OB00045.72.0321.000Dokumentnummer
JJT_19720321_OGH0002_0080OB00045_7200000_000