TE OGH 1972/4/11 4Ob18/72

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Veröffentlicht am 11.04.1972
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bröll als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Leidenfrost, Dr. Graf, Dr. Wurzinger und Dr. Samsegger als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Ing. Erwin A*****, vertreten durch Dr. Otfried Fresacher, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte Partei Alexander L*****, vertreten durch Dr. Herwig Jasbetz, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen S 2.698,80 und Feststellung (Streitwert S 20.000), infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes Klagenfurt als Rekursgerichtes vom 1. Februar 1972, GZ 3 R 5/71-8, womit der Beschluss des Arbeitsgerichtes Klagenfurt vom 16. August 1971, Cr 113/71-5, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluss dahin abgeändert, dass die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Der Kläger ist schuldig, dem Beklagten die mit S 1.308,10 bestimmten Kosten des Revisionsrekurses binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Begründung:

Der Kläger behauptet, dass er beim Großvater des Beklagten als Forstmeister angestellt gewesen sei. Dieser habe ihm mit Vereinbarung vom 10. 6. 1951 und 15. 6. 1951 einen monatlichen Ruhegenuss von S 600, der später auf monatlich S 800 erhöht worden sei, zugesichert. Dieser Ruhegenuss sei auf der Grundlage des Lebenshaltungskostenindexes wertgesichert gewesen. Der Beklagte habe den Gutsbesitz seines Großvaters übernommen und sei verpflichtet, diese Vereinbarung über die Gewährung eines Ruhegenusses an den Kläger weiter zu erfüllen. Er habe aber die Bezahlung des Ruhegenusses mit 1. 5. 1971 eingestellt. Der Kläger begehre daher einen Betrag von S 2.698,80 als Ruhegenuss für Mai und Juni 1971 sowie die Feststellung, dass der Anspruch des Klägers aufgrund der Vereinbarung vom 10. (15.) 6. 1951 weiterhin bestehe. Der Beklagte wendete am Beginn der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung - eine erste Tagsatzung war nicht angeordnet worden - ein, dass zur Entscheidung über Streitigkeiten aus dem Übereinkommen vom 10. (15.) 6. 1951 ein Schiedsgericht vereinbart worden und daher der Rechtsweg ausgeschlossen sei.

Dazu brachte der Kläger vor, dass die Schiedsgerichtsvereinbarung aufgrund des Schriftverkehres im Jahre 1971 (stillschweigend) aufgehoben worden sei.

Das Erstgericht schränkte die Verhandlung auf die Frage der „Zulässigkeit des Rechtsweges" ein und wies die Klage wegen sachlicher Unzuständigkeit des Arbeitsgerichtes zurück. Es stellte fest:

Die Vereinbarung vom 10. (15.) 6. 1951 enthält im letzten Absatz Folgendes: „Im Falle von Streitigkeiten aus dem gegenwärtigen Vertragsverhältnis unterwerfen sich beide Teile der Entscheidung durch ein Schiedsgericht, zu welchem beide Teile je einen Schiedsrichter entsenden, die zusammen einen Obmann wählen. Falls darüber keine Einigung erfolgt, hat der Präsident der Kärntner Land- und Forstwirtschaftskammer über Ersuchen den Obmann des Schiedsgerichtes zu bestimmen. Im Übrigen haben für das Schiedsgericht die Bestimmungen der §§ 577 und ff der ZPO Anwendung zu finden." Mit Schreiben vom 13. 4. 1971 wandte sich der Kläger an den Vater des Beklagten, *****, mit der Bitte, die vereinbarte Pension im Sinne der Wertsicherung zu erhöhen. Am 19. 4. 1971 beantwortete der Beklagte dieses Schreiben im Auftrag seines Vaters dahin, dass er nicht mehr bereit sei, die bisher überwiesenen S 800 zu bezahlen und schon gar nicht die geforderte Werterhöhung anzuerkennen. In diesem Schreiben hieß es weiter: „Ihnen stehen natürlich die ordentlichen Gerichte, wenn Sie sich benachteiligt fühlen, zur Verfügung, wie Sie auch jedem Bürger zur Verfügung stehen." Dieser Brief wurde vom Vertreter des Klägers beantwortet. Er richtete in seinem Schreiben an den Beklagten die Frage, ob er bereit sei, den Pensionsanspruch in voller Höhe zu erfüllen oder ob, wie er vorschlage, die ordentlichen Gerichte darüber befinden sollten. Falls er nicht innerhalb von 8 Tagen eine Antwort erhalten sollte, nehme er an, dass der Beklagte eine Auseinandersetzung vor den ordentlichen Gerichten wünsche. Der Beklagte beantwortete diesen Brief nicht. Darauf schrieb neuerlich der Klagevertreter an den Beklagten, schlüsselte den Klagsanspruch auf und setzte noch eine Frist von einer Woche zu einer außergerichtlichen Regelung. Auch dieses Schreiben beantwortete der Beklagte nicht.

Das Erstgericht führte weiter aus, dass es glaubwürdig sei, dass dem Beklagten das Übereinkommen vom 10. (15.) 6. 1951 erst durch den Schriftverkehr im Jahre 1971 bekannt geworden sei und er beim Hinweis auf die ordentlichen Gerichte im Schreiben vom 19. 4. 1971 keineswegs an eine Aufhebung der Schiedsgerichtsvereinbarung gedacht habe. Sein Schweigen zu den Briefen des Vertreters des Klägers könne nicht als Zustimmung zur Aufhebung der Schiedsgerichtsvereinbarung angesehen werden, weil der Vertreter des Klägers seine Absicht, eine Aufhebung dieser Vereinbarung herbeizuführen, dem Beklagten als juristischem Laien gegenüber klarer ausdrücken hätte müssen. Da eine Willenseinigung über die Außerkraftsetzung der Schiedsgerichtsvereinbarung nicht vorliege, sei die sachliche Zuständigkeit des Arbeitsgerichtes nicht gegeben.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Klägers Folge, hob den Beschluss des Erstgerichtes auf und trug diesem die Fortsetzung des Verfahrens auf. Es ging davon aus, dass der Beklagte selbst in seinem Schreiben vom 19. 4. 1971 dem Kläger freigestellt habe, die ordentlichen Gerichte anzurufen. Auf diesen Vorschlag habe der Vertreter des Klägers in den Schreiben vom 27. 4. 1971 und 1. 6. 1971 mit aller Deutlichkeit Bezug genommen. Es sei Sache des Beklagten gewesen, zu diesen Schreiben Stellung zu nehmen und zu erklären, dass er zu dem von seinem Rechtsvorgänger geschlossenen Schiedsvertrag stehe. Der Ausdruck „ordentliche Gerichte" könne auch ohne juristische Kenntnisse nur dahin ausgelegt werden, dass damit staatliche Gerichte gemeint seien. Wegen der Aufhebung der Schiedsgerichtsvereinbarung, die durch das Schreiben des Beklagten vom 19. 4. 1971 und sein Schweigen zu dem Schreiben des Vertreters des Klägers schlüssig erfolgt sei, könne der Kläger seine Ansprüche vor dem Arbeitsgericht geltend machen. Das Erstgericht habe daher die Klage zu Unrecht zurückgewiesen, sodass ihm die Fortsetzung des Verfahrens aufzutragen gewesen sei.

Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs des Beklagten mit dem Antrag, die Entscheidung des Erstgerichtes wiederherzustellen. Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil der aufhebende Beschluss des Rekursgerichtes in Wahrheit eine Abänderung der Entscheidung des Erstgerichtes bedeutet (Fasching, Kom. z. ZPO IV 441 f, RZ 1967/37 ua).

Er ist auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Kläger stützt seinen Anspruch auf den Vertrag vom 10. (15.) 6. 1951, den der Beklagte als Rechtsnachfolger des Vertragspartners des Klägers erfüllen müsse. In diesem Vertrag ist vereinbart, dass über Streitigkeiten aus dem Vertragsverhältnisse ein Schiedsgericht zu entscheiden habe. Dies hat der Beklagte im vorliegenden Rechtsstreit geltend gemacht, bevor er sich in die Verhandlung über die Hauptsache einließ. Er hat damit rechtzeitig die Einrede der sachlichen Unzuständigkeit des Arbeitsgerichtes erhoben, weil durch die Vereinbarung eines Schiedsgerichtes zwar nicht der Rechtsweg, aber die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte und auch der Arbeitsgerichte zur Entscheidung über die betreffende Rechtsstreitigkeit ausgeschlossen wird (Fasching, Kom. z. ZPO I 54, III 167 f, IV 736, RZ 1958/89). Die gültige Vereinbarung eines Schiedsgerichtes bindet auch die Rechtsnachfolger der Vertragsparteien; es ist dabei unerheblich, ob es sich um einen Einzel- oder Gesamtrechtsnachfolger handelt (SZ 18/12, SZ 7/279 ua). Die Bindung an die Schiedsgerichtsvereinbarung gilt auch im Falle einer Schuldübernahme nach § 1409 ABGB (SZ 15/43). Die vom Rekursgericht erwähnte Frage der Rechtsnachfolge des Beklagten nach dem Vertragspartner des Klägers ist daher im Rahmen des Zuständigkeitsstreites jedenfalls unerheblich, weil sich der Beklagte unabhängig vom Grund der vom Kläger behaupteten Übernahme der Verpflichtungen aus dem Vertrag vom 10. (15.) 6. 1951 auf die darin enthaltene Schiedsgerichtsvereinbarung berufen kann. Richtig ist allerdings, dass auf die Geltendmachung einer Schiedsgerichtsvereinbarung verzichtet und die Vereinbarung auch jederzeit ausdrücklich oder stillschweigend wieder aufgehoben werden kann (RZ 1958/89, 1967/37). Die Aufhebung einer Schiedsgerichtsvereinbarung bedarf nicht der Schriftform (Fasching, Kom. z. ZPO IV 727, 738, GlUNF 3459). Es kann aber die Auffassung des Rekursgerichtes nicht geteilt werden, dass im vorliegenden Fall eine stillschweigende Aufhebung der Schiedsgerichtsvereinbarung erfolgt sei. Eine ausdrückliche Aufhebung der Schiedsgerichtsvereinbarung wurde nicht einmal behauptet.

Der Beklagte hat allerdings im Schreiben vom 19. 4. 1971, mit dem er das Schreiben des Klägers vom 13. 4. 1971 beantwortete, ausgeführt, dass dem Kläger natürlich die ordentlichen Gerichte wie jedem anderen Bürger zur Verfügung stehen. Daraus war auch bei Kenntnis des Übereinkommens vom 10. (15.) 6. 1951, auf das sich der Kläger in seinem Schreiben vom 13. 4. 1971 ausdrücklich berufen hatte, keineswegs mit der erforderlichen Deutlichkeit zu entnehmen, dass der Beklagte an diesem Vertrag etwas ändern, insbesondere die darin enthaltene Schiedsgerichtsvereinbarung aufheben wolle. Er hat bereits am Beginn seines Schreibens vom 19. 4. 1971 ausgeführt, dass er die Zahlung eines Ruhegenusses an den Kläger ab sofort eingestellt habe und es dem Kläger somit frei bleibe „sich an ein Gericht um Geltendmachung zu wenden". Er hat am Ende des Schreibens dann noch einmal darauf hingewiesen, dass dem Kläger die Anrufung der ordentlichen Gerichte wie jedem anderen Staatsbürger freistehe, wenn er glaube, dass ihm ein berechtigter Anspruch vorenthalten werde. Das Schreiben des Klägers vermittelte daher bei objektiver Beurteilung lediglich den Eindruck, dass der Beklagte freiwillig keine Leistungen aus dem vom Kläger bezogenen Vertrag vom 10. (15.) 6. 1951 mehr erbringen wolle und dass es dem Kläger überlassen bleibe, die nach der Rechtsordnung für jedermann möglichen Schritte zur Durchsetzung des von ihm behaupteten Anspruches zu unternehmen. Ein Wille des Beklagten zu einer Änderung des Vertrages - sei es auch nur hinsichtlich der vorgesehenen Art der Austragung von Streitigkeiten daraus - war diesem Schreiben nicht mit der nach § 863 ABGB erforderlichen Deutlichkeit, die Handlungen voraussetzt, welche mit Überlegung aller Umstände keinen vernünftigen Grund an ihrem Sinn zu zweifeln übrig lassen, zu entnehmen. Da somit bei objektiver Beurteilung des Inhaltes des Schreibens des Beklagten daraus nicht abzuleiten war, dass er die Schiedsgerichtsvereinbarung außer Kraft setzen will, hätte der Vertreter des Klägers in seinen Schreiben vom 27. 4. 1971 und 1. 6. 1971 eine solche Absicht dem Beklagten als juristischem Laien gegenüber eindeutiger und klarer ausdrücken müssen, wenn er aus dem bloßen Stillschweigen des Beklagten auf diese Schreiben dessen Zustimmung zu einer Aufhebung der Schiedsgerichtsvereinbarung ableiten wollte. Unter den gegebenen Umständen war aus dem Stillschweigen des Beklagten nur zu schließen, dass er seinen Standpunkt aufrecht erhalte, wonach er freiwillig nichts mehr leiste und der Kläger die nach der Rechtsordnung möglichen Schritte zur Durchsetzung des behaupteten Anspruches unternehmen möge. Die Schreiben des Vertreters des Klägers waren nämlich so abgefasst, dass ein juristischer Laie bei unbefangener Beurteilung den Eindruck erhielt, dass die Durchsetzung des behaupteten Anspruches gegen den Beklagten mit den Mitteln der Rechtsordnung angekündigt werden soll, nicht aber, dass eine Änderung der getroffenen Vereinbarung über diesen Anspruch und seine Durchsetzung vorgeschlagen und angestrebt werde.

Da somit die Schiedsgerichtsvereinbarung nicht aufgehoben wurde, ist die Zuständigkeit des Arbeitsgerichtes zur Entscheidung über den geltend gemachten Anspruch nicht gegeben. Es war daher die Entscheidung des Erstgerichtes wiederherzustellen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 41, 50, 52 ZPO.

Anmerkung

E85246 4Ob18.72

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1972:0040OB00018.72.0411.000

Dokumentnummer

JJT_19720411_OGH0002_0040OB00018_7200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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