TE OGH 1972/5/2 5Ob93/72

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Veröffentlicht am 02.05.1972
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Norm

ZPO §577 Abs3
ZPO §582 Abs2

Kopf

SZ 45/55

Spruch

Die Bezugnahme auf andere, die Schiedsvereinbarung enthaltende Urkunden genügt dem Formerfordernis des § 577 Abs 3 ZPO nur dann, wenn diese Urkunden der von den Parteien unterfertigten Vertragsurkunde unmittelbar angeschlossen sind

Der Rechtsmittelausschluß des § 582 Abs 2 ZPO ist auf Fälle beschränkt, in denen dem Antrag auf Bestellung eines Schiedsrichters gesetzmäßig stattgegeben wurde; dabei ist insbesondere auch zu prüfen, ob der dem Antrag zugrunde liegende Schiedsvertrag gültig zustande gekommen ist und ob eine solche Schiedsgerichtsklausel dem Antragsgegner gegenüber wirksam geltend gemacht werden kann

OGH 2. 5. 1972, 5 Ob 93/72 (OLG Linz 2 R 3/72; LG Salzburg 1 Nc 267/70)

Text

Die Parteien haben am 29. 5. 1968 in S zur Durchführung der Bauarbeiten an der Ziller-Regulierung einen Arbeitsgemeinschaftsvertrag abgeschlossen, wobei die "Besonderen Bedingungen" vom vertretungsbefugten Geschäftsführer der Antragstellerin Dipl-Ing Othmar R und vom Antragsgegner eigenhändig unterfertigt wurden.

Gestützt auf die "Allgemeinen Bedingungen" zu diesem Vertrage wurde der Antrag auf Bestellung eines Schiedsrichters gemäß § 582 ZPO gestellt, da ein die vereinbarte Schiedsgerichtsbarkeit betreffender Konfliktsfall der Parteien vorliege und der Antragsgegner trotz Aufforderung den von ihm zu bestellenden Schiedsrichter nicht fristgerecht namhaft gemacht habe.

Das Erstgericht hat im zweiten Rechtsgang nach der aufgetragenen Klärung der Formvoraussetzung des § 577 Abs 3 ZPO hinsichtlich des Schiedsvertrages, deren Vorliegen der Antragsgegner bestritten hatte, Dr Wilhelm T zum Schiedsrichter bestellt. Dazu wurde festgestellt, im letzten Absatz der (gehörig unterfertigten) "Besonderen Bedingungen" heiße es, die firmenmäßig gefertigten Arbeitsgemeinschaftspartner nähmen verbindlich zur Kenntnis, daß die angeschlossenen "Allgemeinen Bedingungen" einen integrierenden Bestandteil dieses Vertrages bildeten. Diese Bestimmung beziehe sich auch auf § 20 der (nicht unterfertigten) "Allgemeinen Bedingungen", wo unter Z 2 vorgesehen sei, daß bei Nichtzustandekommen einer Einigung im Firmenrat unter Ausschluß des ordentlichen Rechtsweges ein Schiedsgericht entscheide. Das Schiedsverfahren sei bei sonstigem Verfall des Anspruches binnen acht Wochen nach Zustellung der den Sachverhalt betreffenden Niederschrift der Firmenratssitzung einzuleiten. Die Zusammensetzung des Schiedsgerichtes und das Verfahren vor dem Schiedsgericht richteten sich nach den Bestimmungen der Ö-Norm B 2110. Die Parteien hätten monatelang über den Abschluß des ARGE-Vertrages verhandelt. Jede Partei habe dabei eine Ausfertigung der "Besonderen" und der "Allgemeinen Bedingungen" des ARGE-Vertrages zur Verfügung gehabt. Auch der Antragsgegner habe bei Unterschriftsleistung auf den "Besonderen Bedingungen" die "Allgemeinen Bedingungen" besessen und gekannt. Ob bei dieser Unterschriftsleistung die "Allgemeinen Bedingungen" an die "Besonderen Bedingungen" bereits angeheftet oder angeschlossen gewesen seien, könne nicht mit Sicherheit festgestellt werden.

Da damit dem Formerfordernis der Schriftlichkeit der Schiedsvereinbarung entsprochen sei, kämen die Bestimmungen der "Allgemeinen Bedingungen" über das Schiedsgericht zur Anwendung. Bei der Firmenratssitzung vom 8. 4. 1970 seien das Beteiligungsverhältnis und die Partnerkontenangleichung zwischen den Parteien strittig geblieben. Die Sitzungsniederschrift sei den Parteien mit Schreiben vom 22. 4. 1970 zugesandt worden. Die Antragstellerin habe mit Schreiben vom 4. 6. 1970 (dem Antragsgegner zugestellt am 5. 6. 1970, seinem Vertreter Dr Erwin A zugestellt am 8. 6. 1970) entsprechend § 16 Abs 3 der Ö-Norm B 2110 die Einleitung des Schiedsverfahrens und die Bestellung des Dr Helmut R als Schiedsrichter für die Antragstellerin mitgeteilt und dem Antragsgegner zur Bestellung eines Schiedsrichters binnen 14 Tagen aufgefordert. Das habe der Antragsgegner aber abgelehnt, weil ein schriftlicher Schiedsvertrag nicht abgeschlossen worden sei.

Die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes sei entgegen der Einwendung des Antragsgegners gegeben, weil hiefür der Satz der Geschäftsführung maßgebend sei (§ 20 Z 1 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen), mit der Geschäftsführung die Antragstellerin betraut worden sei (§ 5 der Besonderen Bedingungen) und diese ihren Sitz in S habe. Eine Verlegung des Sitzes sei rechtswirksam nicht erfolgt. Frühere Erörterungen des Beteiligungsverhältnisses hätten nicht den Fall des Nichtzustandekommens einer Einigung und damit den Schiedsgerichtsfall darstellen können. Der geltend gemachte Streitgegenstand sei nach der Vereinbarung weder der Schiedsgerichtsbarkeit überhaupt entzogen, noch könne gesagt werden, daß ein Schiedsspruch darauf keinen Einfluß haben könne. Damit liege auch ein Rechtsschutzbedürfnis auf Bestellung eines Schiedsrichters vor.

Das Rekursgericht hat dem Rekurse des Antragsgegners Folge gegeben und den Antrag auf Bestellung eines Schiedsrichters abgewiesen. Es erachtete den Rekurs ungeachtet des Rechtsmittelausschlusses des § 582 Abs 2 ZPO iS der herrschenden Rechtsprechung für zulässig, weil der Stattgebung des Antrages die gesetzlichen Voraussetzungen gefehlt hätten. Das Rekursgericht billigte zwar die Annahme der örtlichen Zuständigkeit seitens des Erstgerichtes. Es war aber der Auffassung, daß es an dem Formerfordernis der Schriftlichkeit des Schiedsvertrages gemäß § 577 Abs 3 ZPO einschließlich der Unterfertigung durch beide Parteien ermangle. Soweit hinsichtlich des Schiedsvertrages auf andere Urkunden verwiesen werde, müßten diese unmittelbar an die unterfertigte Urkunde angeschlossen sein, um eine Verbindlichkeit iS der § 886 ABGB, § 577 Abs 3 ZPO zu bewirken. Im Hinblick auf die vom Erstgericht getroffene und vom Rekursgericht übernommene Feststellung, es sei nicht mit Sicherheit erwiesen, daß bei Unterschriftsleistung auf den "Besonderen Bedingungen" des ARGE-Vertrages die "Allgemeinen Bedingungen" mit der Schiedsgerichtsklausel beigeheftet und angeschlossen waren, liege die für das wirksame Zustandekommen einer Schiedsvereinbarung erforderliche Schriftlichkeit nicht vor, womit auch dem Antrag auf Bestellung eines Schiedsrichters die Grundlage fehle.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Antragstellerin nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Was die Zulässigkeit des Rechtsmittels des Antragsgegners gegen den Beschluß des Erstgerichtes anlangt, so ist der in § 582 ZPO normierte Rechtsmittelausschluß auf die Fälle beschränkt, in denen dem Antrag gesetzmäßig stattgegeben wurde (Fasching IV 765; SZ 24/327). Entgegen der Auffassung der Revisionsrekurswerberin ist die Gesetzmäßigkeit der Antragstattgebung nicht nur auf das Vorliegen der in § 582 ZPO unmittelbar genannten Voraussetzungen hin zu überprüfen. Es ist dabei auch von Bedeutung, ob der Schiedsvertrag zufolge Einhaltung der Formvoraussetzungen gültig zustande gekommen ist und ob eine derartige Schiedsgerichtsklausel gegenüber dem Antragsgegner wirksam geltend gemacht werden kann (vgl SZ 24/327; 7 Ob 156/69). Die Wirksamkeit eines bestellten Schiedsgerichtes iS des § 577 ZPO ist von der Gültigkeit und vom Umfang des Schiedsvertrages abhängig. Der Antrag auf Bestellung des Schiedsrichters iS des § 582 ZPO ist schon dann zurückzuweisen, wenn es an einer dieser Voraussetzungen fehlt (vgl Fasching IV 764).

Der Revisionsrekurs ist aber auch sonst nicht berechtigt.

Was die in § 577 Abs 3 ZPO zwingend statuierte Voraussetzung der schriftlichen Errichtung des Schiedsvertrages anlangt, so dient diese einerseits der leichteren Feststellbarkeit und der Festhaltung des Inhaltes der Vereinbarung, andererseits aber auch dem Schutz von Übereilung (vgl Fasching IV 725). Daraus haben Lehre und Rechtsprechung abgeleitet, daß eine Bezugnahme auf andere, die Schiedsvereinbarung beinhaltende Urkunden nur genügen kann, wenn diese unmittelbar der unterfertigten Vertragsurkunde angefügt sind (vgl Gschnitzer in Klang[2] IV/1, 267; SZ 34/35; SZ 37/31; EvBl 1966/407; EvBl 1971/205).

Der vorliegende ARGE-Vertrag mit seinen "Besonderen" und "Allgemeinen Bedingungen" und die Feststellungen der Untergerichte über sein Zustandekommen, insbesondere den Umfang des Vertragswerkes bei der Unterschriftsleistung, lassen nun die Annahme des Vorliegens der Voraussetzungen des § 577 Abs 3 ZPO für die Gültigkeit einer Schiedsvereinbarung nicht zu. Soweit die Revisionsrekurswerberin darauf hinweist, daß nunmehr auch Schiedsvereinbarungen als gültig anerkannt würden, wenn sie durch "Telegramm- oder Fernschreibwechsel", sohin ohne jede Unterschrift zustande gekommen sind (8 Ob 233/71), betrifft dies einen anderen Sachverhalt. Es wurde hier das Zustandekommen einer Vereinbarung auf diesem Wege im Zusammenhang mit Art II des UNO-Übereinkommens vom 10. 6. 1958 (Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche) BGBl 1961/200 herangezogen. Wie weit diese Bestimmungen im Hinblick darauf, daß die Parteien ihren Sitz bzw Wohnsitz im Inland haben und auch der ARGE-Vertrag in S abgeschlossen worden ist, für den vorliegenden Fall bedeutsam wären, kann dahingestellt bleiben, weil jedenfalls mit dem Austausch von Telegrammen oder Fernschreiben zwischen den Parteien zweifelsfrei das Zustandekommen einer auf eine Schiedsgerichtsbarkeit abzielenden Vereinbarung festgestellt werden kann. Im vorliegenden Fall sollte und konnte aber die in den "Allgemeinen Bedingungen" enthaltene Schiedsgerichtsklausel nur dann integrierender Bestandteil des schriftlich in Form der Unterfertigung der "Besonderen Bedingungen" abgeschlossenen Arbeitsgemeinschaftsvertrages sein, wenn diese dem Vertragswerk bei Unterfertigung angeschlossen waren, was der Antragsgegner ausdrücklich bestritten hat. Es kann daher entgegen der Auffassung der Revisionsrekurswerberin ihrem Standpunkt auch nicht zum Erfolge verhelfen, daß nach den Feststellungen der Untergerichte die "Allgemeinen Bedingungen" mit der Schiedsgerichtsklausel in diesem Zeitpunkt im Besitze der Vertragspartner und ihnen auch bekannt waren, weil sich daraus allein noch nicht ableiten läßt, daß sie auch Gegenstand der schriftlichen Vereinbarung sein sollten. Die mittelbare Schriftlichkeit der festgestellten Art kann aber nicht genügen, weil nur die unmittelbare Errichtung des Schiedsgerichtsvertrages in schriftlicher Form samt der diesbezüglich geforderten Unterfertigung dafür Gewähr bietet, daß sich die Parteien der Bedeutung dieser Vereinbarung, welche einem Ausschluß des ordentlichen Rechtsweges gleichkommt, voll bewußt sind (vgl EvBl 1971/205). Für die Verbindlichkeit der Schiedsgerichtsklausel in den "Allgemeinen Bedingungen" war sohin nach den dargelegten rechtlichen Überlegungen, aber auch schon nach dem Inhalt der von den Parteien unterfertigten "Besonderen Bedingungen" Voraussetzung, daß die "Allgemeinen Bedingungen" bei Unterfertigung den "Besonderen Bedingungen" angeschlossen waren. Der Nachweis dieser Voraussetzung ist der Antragstellerin, die sich auf diesen Vertrag als Grundlage für ihren Antrag auf Bestellung eines Schiedsrichters berufen hat und sohin dafür beweispflichtig war, nach den Feststellungen der Untergerichte nicht gelungen.

Da der Revisionsrekurs sohin keine rechtliche Fehlbeurteilung durch das Rekursgericht aufzeigen konnte, war ihm ein Erfolg zu versagen.

Anmerkung

Z45055

Schlagworte

Formerfordernis, Schiedsvereinbarung, Formerfordernis, Schiedsvertrag, Rechtsmittel, Schiedsvertrag, Rechtsmittelausschluß, Schiedsvertrag, Schiedsrichter, Bestellung, Schiedsvereinbarung, Formerfordernis, Schiedsvereinbarung, Urkunde, Schiedsvertrag, Formerfordernis, Schiedsvertrag, Rechtsmittel, Schiedsvertrag, Rechtsmittelausschluß, Schiedsvertrag, Urkunde, Urkunde, Schiedsvereinbarung, Urkunde, Schiedsvertrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1972:0050OB00093.72.0502.000

Dokumentnummer

JJT_19720502_OGH0002_0050OB00093_7200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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