TE OGH 1972/8/30 1Ob184/72

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Veröffentlicht am 30.08.1972
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Norm

Tiroler Höfegesetz §1
Tiroler Höfegesetz §19

Kopf

SZ 45/89

Spruch

Die Erbteilungsvorschriften des Tiroler Höferechtes sind ohne Rücksicht auf die Lebensfähigkeit des Hofes anzuwenden, wenn der Hof in die Abteilung 1 des Hauptbuches des Grundbuches eingetragen ist

Mit der dem Gericht aufgetragenen Bedachtnahme auf das Wohlbestehenkönnen des Hofübernehmers wird ihm im Rahmen des billigen Ermessens ein ziemlich weiter Spielraum gewahrt; seine Grenze ist aber die Leistungsfähigkeit des Hofes und seines Inhabers

Bei der Bestimmung des Übernahmswertes hat der Ertragswert des geschlossenen Hofes der entscheidende Orientierungspunkt, aber doch nicht einzige Richtschnur zu sein. Nicht zu berücksichtigen ist jedoch ein höherer Verkehrswert, der sich nur daraus ergibt, daß der Hof oder ein Teil desselben nicht landwirtschaftlichen Zwecken zugeführt werden könnte (Siehe auch die in diesem Band veröffentlichte E 1 Ob 55/72 Nr 40)

OGH 30. 8. 1972, 1 Ob 184/72 (LG Innsbruck 4 R 121/72; BG Innsbruck 3 A 357/70)

Text

Der am 9. 9. 1970 ohne Hinterlassung einer letztwilligen Anordnung verstorbene Erblasser Engelbert G sen war ua Alleineigentümer des geschlossenen Hofes EZ 1 I KG R; er hat auch bezüglich des Übernahmswertes des Hofes keine Verfügung getroffen. Auf Grund des Gesetzes gaben die erblasserische Witwe zu einem Viertel sowie die erblasserischen Kinder Engelbert G und Irmgard S zu je drei Achteln des Nachlasses unbedingte Erbserklärungen ab, die vom Erstgericht rechtskräftig angenommen wurden. Engelbert G jun erklärte, von seinem Übernahmsrecht als Anerbe hinsichtlich des geschlossenen Hofes EZ 1 I KG 5 gemäß § 17 TirHG Gebrauch zu machen. Eine Vereinbarung der Beteiligten über den Übernahmswert des geschlossenen Hofes kam nicht zustande.

Nach Einholung eines Schätzungsgutachtens des gerichtlich beeideten Sachverständigen Dipl-Ing Eugen M aus Innsbruck und des gerichtlich beeideten Ortsschätzmannes Josef T sowie Vernehmung des Bürgermeisters Josef K bestimmte das Erstgericht den Übernahmswert des geschlossenen Hofes EZ 1 I Katastralgemeinde R mit S 276.000.- und wies den Antrag der erblasserischen Tochter Irmgard S, vor Bestimmung des Übernahmswertes ein weiteres Sachverständigengutachten einzuholen, ab. Die Hofstelle sei sehr alt, baufällig und kaum bewohnbar, sodaß Engelbert G jun einen Neubau beabsichtige. Die Wirtschaftsfläche habe ein Ausmaß von 5 ha 26 a 33 m2 und liege arrondiert beim Hof; sie gestatte die Haltung von sechs Großvieheinheiten. Die geringe Größe des Betriebes erfordere keine volle Arbeitskraft; aus dem Einkommen des Betriebes könne kein vergleichbarer Lohnanspruch erwartet werden. Der jährliche Rohertrag sei mit S 44.160.- zu veranschlagen; werde nur ein halber Lohnanspruch berücksichtigt, könne ein jährlicher Reinertrag von 25% und damit von S 11.040.- in Ansatz gebracht werden, woraus sich ein kapitalisierter Ertragswert der Liegenschaft von S 276.000.- ergebe. Deren Verkehrswert sei, da etwa ein Drittel des Hofes Bauerwartungsland mit den schönsten Flächen der Gemeinde sei, höher. Bauerngüter würden aber durch fruchtbringende Bebauung, nicht wie Waren im Handel genützt. Durch den sehr geringen Ertrag des Hofes werde der Übernehmer ohnehin bereits gezwungen sein, das eine oder andere Baugrundstück zu verkaufen, um die notwendige Renovierung des Hauses vorzunehmen, die nicht aus den laufenden Erträgnissen bezahlt werden könne. Es sei bei dem geringen Ertrag des Hofes bereits schwierig, auch nur bei dem lediglich nach dem Ertragswert festgesetzten Übernahmspreis bestehen zu können. Ein höherer Übernahmswert würde der Bestimmung des § 19 Abs 1 TirHG wohl nicht mehr entsprechen.

Über Rekurs der erblasserischen Tochter hob das Rekursgericht den erstgerichtlichen Beschluß über die Bestimmung des Übernahmswertes auf und verwies die Verlassenschaftssache in diesem Umfang zur neuerlichen Beschlußfassung an das Erstgericht zurück. Das Erstgericht habe seiner Beschlußfassung das Schätzungsgutachten des Dipl-Ing Eugen M zugrundegelegt, der bei seiner Bewertung ausschließlich vom Ertragswert der Liegenschaft ausgegangen sei und den Verkehrswert völlig unberücksichtigt gelassen habe. Nach § 19 Abs 3 TirHG sei jedoch bei der Schätzung auf den Ertragswert nur angemessen Rücksicht zu nehmen; diese Formulierung sei nicht so zu verstehen, als ob der Schätzung der Ertragswert geradezu zugrundezulegen sei; der Ertragswert sei vielmehr nicht die einzige Richtschnur. Der Verkehrswert dürfe vielmehr nicht völlig außer acht gelassen werden. Es müsse auf den Einzelfall entsprechend Bedacht genommen werden. Im vorliegenden Fall sei nicht zu verkennen, daß ein ausgesprochen grobes Mißverständnis zwischen Verkehrs- und Ertragswert bestehe. Der Verkehrswert scheine, resultierend aus der günstigen Lage der Liegenschaft, ungewöhnlich groß zu sein. In diesem Zusammenhang sei auf die Angaben des Bürgermeisters zu verweisen, der die Berücksichtigung des Verkehrswertes für richtig gehalten und vermutet habe, daß etwa ein Drittel des Hofes Bauerwartungsland sei. Er habe auch bestätigt, daß der Verkehrswert des Hofes sicher um ein Vielfaches höher als der Ertragswert sei; beim gegenständlichen Hof handle es sich um eine der schönsten Flächen der Gemeinde zu Bauzwecken. Sicher werde im Hinblick auf das Tiroler Höfegesetz dieser hohe Verkehrswert nicht in so großem Umfang zu berücksichtigen sein wie anläßlich einer Schätzung zu anderen Zwecken, es gehe aber doch nicht an, diesen Verkehrswert gänzlich außer Betracht zu lassen. Es dürften die Interessen der weichenden Erben nicht völlig unberücksichtigt bleiben und diese mit einer Abfertigungssumme abgespeist werden, die zum wahren Wert des Hofes überhaupt in keinem Verhältnis stunde. Es werde eine ergänzende Schätzung vorzunehmen sein, durch welche auch der Verkehrswert festgestellt werde. Erst dann werde es möglich sein, den Übernahmswert zu bestimmen.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des erblasserischen Sohnes Engelbert G jun, den er für zulässig erachtete, da im Außerstreitverfahren auch aufhebende Beschlüsse zweiter Instanz, sofern das Gesetz nichts anderes bestimmt, anfechtbar sind (JBl 1971, 138 ua), nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Es ist weitverbreitetes und insbesondere in Tirol geltendes bäuerliches Gewohnheitsrecht, daß der Bauernhof nicht zerbröckelt und ungeschmälert auf einen würdigen Nachfolger übergehen soll. Die ungeteilte Erhaltung und Vererbung des Hofes war daher in Tirol bereits im Mittelalter bekanntes Sonderrecht (Webhofer, Tiroler Höfegesetz[2] 15). Es liegt aber auch im allgemeinen Interesse, daß ein gesunder Bauernstand erhalten bleibt und vor allem mittlere Bauernhöfe, die in der Regel nur eine Familie erhalten können, ungeteilt auf einen Anerben übergehen und die weichenden Erben vom Übernehmer in Geld abgefunden werden (1 Ob 55/72 (Veröffentlicht in diesem Band unter Nr 40)). Um dieses öffentliche Interesse zu wahren und das bäuerliche Gewohnheitsrecht gesetzlich zu verankern, wurde insbesondere das Tiroler Höfegesetz geschaffen, das die Bestimmung eines Hofübernehmers vorsieht und in seinem § 19 Abs 1 anordnet, daß in einem nach diesem Gesetz abzuhandelnden Verlassenschaftsverfahren das Gericht den Wert eines solchen Hofes nach billigem Ermessen so zu bestimmen hat, daß der Übernehmer wohl bestehen kann. Dieses Wohlbestehenkönnen des Übernehmers (Anerben) ist auch der Grundsatz des Kärntner Erbhofgesetzes (§ 9 Abs 2) und des Anerbengesetzes (§ 11 Abs 1) und gilt darüber hinaus in allen ähnlich gelagerten Fällen, insbesondere bei Hofübernahmen unter Lebenden, als von der Rechtsprechung stets anerkanntes und daher anzuwendendes Gewohnheitsrecht (EvBl 1972/1; RZ 1969, 14; SZ 38/47 = JBl 1966, 37; JBl 1956, 339, SZ 26/64 uva; Edlbacher, Anerbengesetz 55). Mit der dem Gericht aufgetragenen Bedachtnahme auf das Wohlbestehenkönnen des Hofübernehmers wird ihm im Rahmen des billigen Ermessens ein ziemlich weiter Spielraum gewahrt; es hat dabei insbesondere auf die Größe des Hofes, seine Lage, seine Ertragssituation, die Zahl der Kinder und Versorgungsberechtigten und den Schuldenstand Bedacht zu nehmen (1 Ob 51/59; Webhofer aaO 87); der Übernehmer soll sich nicht zu hart tun, es soll aber auch für die Weichenden immer noch etwas herausschauen; die Grenze des Spielraumes ist aber die Leistungsfähigkeit des Hofes und seines Inhabers (Webhofer aaO 87). Unter dem Wohlbestehenkönnen versteht man also, daß der Übernehmer in der Lage sein muß, die Ansprüche der Noterben ohne größere wirtschaftliche Nachteile zu befriedigen; er darf insbesondere nicht genötigt sein, lebenswichtige Teile der Wirtschaft zu verkaufen (RZ 1967, 75, EvBl 1964/426; Mayer, Anerbengesetz 46). Die Lebensfähigkeit des Hofes darf nicht in Mitleidenschaft gezogen werden (1 Ob 23/71; EB zur RV des Anerbengesetzes, 76 der Blg NR VIII. GP, bei Edlbacher aaO 53).

Die Bedachtnahme auf das Wohlbestehenkönnen des Übernehmers hat allerdings für die weichenden Erben Härten zur Folge, weil sie in der Regel wesentlich weniger erhalten, als ihnen anteilmäßig unter Berücksichtigung auf den Verkehrswert der bäuerlichen Liegenschaft zustunde. Im Interesse der Aufrechterhaltung eines gesunden Bauernstandes müssen sie jedoch diese Nachteile auf sich nehmen; ihre Beseitigung können sie nachträglich nur verlangen, wenn der Übernehmer den Hof binnen sechs bzw zehn Jahren zur Gänze oder in seinen wesentlichen Teilen verkauft (vgl § 24 Abs 1 TirHG; § 14a KrntEHG; § 18 Abs 1 Anerbengesetz), nicht aber bei Zweckentfremdung (JBl 1966, 92). Der Gesetzgeber war daher bestrebt, den Geltungsbereich der Gesetze auf mittlere Bauernhöfe zu beschränken, deren ungeteilte Erhaltung vor allem notwendig ist. Es sind dies jene bäuerlichen Unternehmen, die durch ihren Ertrag eine krisenfeste und einigermaßen bedeutsame Leistungsfähigkeit aufweisen, ohne Großgrundbesitz zu sein; nur solchen landwirtschaftlichen Betrieben soll der besondere Schutz des Gesetzes zuteil werden (EB zu § 1 AnerbenG bei Edlbacher aaO 17). Das Anerbengesetz gilt in diesem Sinne nur für behauste landwirtschaftliche Betriebe, die mindestens einen zur angemessenen Erhaltung einer Bauernfamilie von fünf erwachsenen Personen ausreichenden, jedoch das Siebenfache dieses Ausmaßes nicht übersteigenden Durchschnittsertrag haben (§ 1 Abs 1 AnerbenG). § 2 KrntEHG bestimmt, daß das Gesetz nur für landwirtschaftliche, mit einem Wohnhaus versehene Besitzungen mittlerer Größe gilt, worunter Höfe verstanden werden, deren Flächenmaß wenigstens 3 ha beträgt und deren Durchschnittsertrag das Vierfache des zur Erhaltung einer Familie von sieben Köpfen Erforderlichen nicht übersteigt. Das Tiroler Höfegesetz ist einen anderen Weg gegangen, indem es anordnete, daß als geschlossener Hof jede landwirtschaftliche, mit einem Wohnhaus versehene Besitzung gilt, deren Grundbuchseinlage sich in der Höfeabteilung des Hauptbuches befindet (§ 1). Daß aber auch das Tiroler Höferecht grundsätzlich auf die Lebensfähigkeit der Höfe abstellte, ergibt sich nicht nur daraus, daß Besitzungen, auf welchen selbst eine kleine Familie ihren Unterhalt durch den landwirtschaftlichen Betrieb nicht zu finden vermochte, schon anläßlich der Grundbuchsanlegung in Tirol von der Behandlung als geschlossener Hof ausgenommen waren, selbst wenn sie im Steuerkataster von 1787 als Hof vorkamen (§ 24 des Gesetzes vom 17. 3. 1897, LGBl 9, idF des Art II des Gesetzes vom 12. 6. 1900, LGBl 48), sondern auch aus § 3 Abs 2 des Gesetzes, wonach die Bewilligung zur Neubildung eines geschlossenen Hofes unter anderem nur zu erteilen ist, wenn der Durchschnittsertrag des neu zu bildenden Hofes zur angemessenen Erhaltung einer Familie von mindestens fünf Köpfen ausreicht, ohne das Vierfache eines solchen Ertrages zu übersteigen. Dabei ist bemerkenswert, daß in diesem Sinn durch Art II des erwähnten Gesetzes vom 12. 6. 1900, LGBl 48, auch eine analoge Einschränkung der Grundbuchsanlegungsvorschriften für behauste Besitzungen, denen bis dahin die Hofeigenschaft nicht zugekommen war, erfolgte (vgl dazu Federspiel in ÖJZ 1954, 581 ff; Webhofer in Klang[2] III, 812). Verliert der Hof die Eignung zur Erhaltung einer Familie dauernd, ist über Einschreiten des Eigentümers auf Aufhebung der Hofeigenschaft zu erkennen (§ 7 Abs 1). Es liegt dann also beim Eigentümer, ob er die Eigenschaft seines Hofes als geschlossener Hof aufrecht erhalten will oder nicht. Bleibt er untätig, kann es also vorkommen, daß auch ein nicht mehr zur Erhaltung einer Familie geeigneter Hof weiterhin geschlossener Hof bleibt und auf ihn demnach weiterhin die im Gesetz vorgeschriebenen Erbteilungsvorschriften anzuwenden sind. Daß es unbefriedigend ist, wenn bei lebensunfähigen Höfen die höferechtliche Bindung aufrecht bleibt, und hier vom Gesetzgeber Abhilfe zu schaffen wäre, wurde schon wiederholt hervorgehoben (vgl auch hiezu Federspiel aaO, Webhofer aaO 803 Anm 20). Das ändert aber nichts daran, daß auch in einem solchen Falle dennoch die Erbteilungsvorschriften des Tiroler Höfegesetzes anzuwenden sind, da eben nur die Eintragung in die Abteilung I des Hauptbuches des Grundbuches die Frage nach der Hofeigenschaft beantwortet, wogegen es auf andere Umstände nicht ankommt (Webhofer in Klang[2] III, 802). Daß der Übernehmer nach dem Erwerb des Eigentums sodann jederzeit die Möglichkeit haben dürfte, die Aufhebung der Hofeigenschaft zu begehren EvBl 1972/102 = RZ 1972, 89), kann nicht beachtet werden.

Für die Anwendung des billigen Ermessens bei der Bestimmung des Übernahmswertes gibt das Tiroler Höfegesetz einige Richtlinien. Aus der Erkenntnis, daß sich die Ortsschätzer durchaus bewährt haben und aus ihrer Erfahrung heraus schon gefühlsmäßig allermeistens das Richtige treffen (Webhofer, Tiroler Höfegesetz 87 und in Klang aaO 811), schreibt das Gesetz vor, daß der gerichtlichen Entscheidung die Schätzung des Hofes durch Sachverständige und die Vernehmung des Gemeindevorstandes voranzugehen hat (§ 19 Abs 2). Die Aufgabe der Sachverständigen besteht dabei darin, die für die gerichtliche Entscheidung maßgebenden Unterlagen unter Vorschlag einer Schätzungsziffer zu liefern, wobei jedoch immer noch den Übernahmswert ausschließlich das Gericht festzusetzen hat (1 Ob 51/59 ua). Das Gesetz ordnet aber auch an, daß bei der Schätzung auf den Ertragswert angemessen Rücksicht zu nehmen ist (§ 19 Abs 3). Es war dabei bekannt, daß der Ertragswert in der Regel erheblich unter dem Verkehrswert liegt (Webhofer, Tiroler Höfegesetz 87). Der Ertragswert wurde deswegen als wesentlich erachtet, weil der Gesetzgeber ja gerade erreichen will, daß der Hof weiterbewirtschaftet und nicht verkauft wird; der Verkehrswert ist aber nur bei einer Veräußerung von Interesse. Der Hinweis auf die angemessene Berücksichtigung des Ertragswertes bedeutet allerdings nicht, daß er geradezu der Schätzung zugrundezulegen ist; er hat vielmehr nicht einzige Richtschnur zu sein (1 Ob 51/59; Webhofer aaO 88). Der Grund liegt darin, daß die Schätzung nach dem wirklichen Reinertrag oft zu einem negativen Resultat führen würde, die Miterben aber doch nicht leer ausgehen sollen (1 Ob 51/59). Immerhin hat aber, wie der Oberste Gerichtshof zum Anerbengesetz bereits ausgesprochen hat (1 Ob 55/72), der Ertragswert bei der Festsetzung des Übernahmspreises der entscheidende Orientierungspunkt zu sein; da Bauerngüter nicht wie Waren gehandelt werden sollen, kann daher der Ertragswert kaum jemals wesentlich überstiegen werden, wenn er auch nicht schlechthin als der ordentliche Preis angesehen werden darf. Daß die Bedachtnahme auf den Ertragswert kaum jemals wesentlich überstiegen werden, wenn er auch nicht schlechthin als der ordentliche Preis angesehen werden darf. Daß die Bedachtnahme auf den Ertragswert auch allgemein dem im deutschen Sprachraum geltenden Rechtsdenken entspricht, kann dem in der Bundesrepublik Deutschland geltenden bürgerlichen Gesetzbuch entnommen werden, dessen § 2049 Abs 1 dahin lautet, daß dann, wenn der Erblasser angeordnet hat, daß einer der Miterben das Recht haben soll, ein zum Nachlaß gehöriges Landgut zu übernehmen, im Zweifel anzunehmen ist, daß das Landgut zu dem Ertragswert eingesetzt werden soll. In seiner Entscheidung 1 Ob 55/72 hat der Oberste Gerichtshof auch bereits erkannt, daß die Bestimmung des Übernahmswertes vor allem dann problematisch ist, wenn eine ungewöhnliche Diskrepanz zwischen Ertragswert und Verkehrswert des Hofes besteht; dennoch hat aber auch in einem solchen Fall dem Ertragswert besondere Bedeutung zuzukommen. Das gilt insbesondere dann, wenn sich der höhere Verkehrswert nur daraus ergibt, daß die landwirtschaftlichen Gründe, wie auch im vorliegenden Fall, anderen Zwecken, etwa zur Verwendung als Baugrunde, zugeführt werden könnten. Eine solche Verwendung würde eine Umwidmung und damit eine Zweckentfremdung der Landwirtschaft oder eines Teiles derselben voraussetzen, die der Gesetzgeber gerade verhindern will. Eine solche Vorgangsweise des Übernehmers kann, auch wenn sie für die Zukunft nicht verhindert werden kann, jedenfalls bei Bestimmung des Übernahmswertes nicht berücksichtigt werden. Der Auffassung des Rekursgerichtes, daß im vorliegenden Fall bei der Bestimmung des Übernahmswertes auch ein Verkehrswert mit zu berücksichtigen ist, dessen besondere Höhe sich nur daraus ergibt, daß die Liegenschaft zum Teil Bauerwartungsland ist, kann daher nicht zugestimmt werden.

Dennoch ist dem Rekursgericht im Ergebnis beizupflichten, daß über die Bestimmung des Übernahmswertes noch nicht abschließend entschieden werden kann. Es darf nämlich nicht übersehen werden, daß die beiden Sachverständigen in ihren schriftlichen Gutachten ausschließlich vom Ertragswert ausgehen, ohne dies besonders zu begrunden. Der Sachverständige Dipl-Ing Eugen M hat dann allerdings bei seiner mündlichen Vernehmung eine Begründung nachzuholen versucht, von der Anhörung des zweiten Sachverständigen Josef T wurde aber abgesehen. Gerade dieser Sachverständige ist jedoch Ortsschätzer, dessen Erfahrung besonders schwer wiegt; seine ergänzende Anhörung ist daher wichtig. Keine Feststellungen wurden auch über die persönlichen Verhältnisse des Übernehmers getroffen, die jedoch angemessen zu berücksichtigen sind. Es ist aber auch notwendig, den Verkehrswert des Hofes unter der Annahme einer weiteren Verwendung als Landwirtschaft zu schätzen; auch dieser Verkehrswert könnte insbesondere im Hinblick auf die Nähe eines bedeutenden Fremdenverkehrsgebietes und der sich etwa für die Ausnutzung der Landwirtschaft daraus ergebenden zusätzlichen Möglichkeiten (etwa Einrichtung einer Hühnerfarm) eventuell höher als der Ertragswert sein und damit für die Bestimmung des Übernahmswertes von Bedeutung werden. Es darf aber auch nicht gänzlich außer acht gelassen werden, daß der Hof als solcher wohl kaum mehr lebensfähig ist, sodaß von einem tatsächlichen Wohlbestehenkönnen einer Bauernfamilie schwerlich die Rede sein kann. Die Bestimmung des § 19 Abs 1 TirHG kann also nur sinngemäß in der Richtung angewendet werden, daß der Übernehmer wesentlich weniger belastet werden soll als dies ohne Anwendung der Erbfolgeordnung des Tiroler Höfegesetzes der Fall wäre (in diesem Sinne bereits 1 Ob 23/71). Es kann aber auch der Umstand, daß der Übernehmer einem anderen Beruf nachgehen muß und nachgeht, nicht völlig unberücksichtigt bleiben. Andererseits darf wiederum nicht übersehen werden, daß schon im Hinblick auf den schlechten Bauzustand der Hofstelle größere Investitionen vorzunehmen sind, die aus den Erträgnissen der Liegenschaft unter keinen Umständen gedeckt werden können. Nimmt man dies alles zusammen, erscheint eine gewisse Erhöhung des Übernahmswertes über den bloßen derzeit der Entscheidung des Erstgerichtes zugrunde gelegten Ertragswert, dessen Höhe nicht strittig ist, nicht ausgeschlossen, worüber jedoch erst nach Ergänzung des Verfahrens entschieden werden kann.

Anmerkung

Z45089

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European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1972:0010OB00184.72.0830.000

Dokumentnummer

JJT_19720830_OGH0002_0010OB00184_7200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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