Norm
ABGB §1036Kopf
SZ 45/137
Spruch
Bei Beschädigung eines Linienomnibusses haftet der Schädiger für die auf die Zeit des unfallsbedingten Ausfalls entfallenden Kosten des bereitgehaltenen und nun zum Einsatz gelangten Reservefahrzeugs
OGH 7. 12. 1972, 2 Ob 195/72 (OLG Graz 3 R 70/72; KG Leoben 4 Cg 56/71)
Text
Am 16. 7. 1970 wurde ein Omnibus der Klägerin vom Erstbeklagten als Lenker eines bei der Zweitbeklagten haftpflichtversicherten PKW beschädigt. Die Verschuldensteilung 1:1 steht außer Streit.
Die Klägerin begehrte ua unter Berücksichtigung des 50%igen Eigenverschuldens von den Beklagten die Bezahlung der "sogenannten frustrierten Generalunkosten" im Betrage von S 6142.50. Dieser Betrag stelle den Kostenersatz für den Ausfall des beschädigten Omnibusses während einer neuntägigen Reparaturzeit dar; es handle sich um die quotenmäßigen Kosten für die Bereitstellung eines Reservefahrzeuges.
Die Beklagten beantragten Klagsabweisung und wendeten ein, daß der Klägerin kein Schaden entstanden sei, da sie schon auf Grund ihrer gesetzlichen Betriebspflicht verhalten sei, Ersatzomnibusse in dem benötigten Umfang bereitzuhalten. Wenn sich der Unfall nicht ereignet hätte, hätte die Klägerin die gleichen Kosten zu tragen gehabt, da die Kosten eines Ersatzfahrzeuges auch dann liefen, wenn dieses nicht nach einem Unfall als Ersatzfahrzeug eingesetzt werde.
Das Erstgericht verurteilte die Beklagten, der Klägerin S 5445.- sA zu bezahlen und wies das Mehrbegehren unangefochten ab.
Das Berufungsgericht wies jedoch das Klagebegehren zur Gänze ab.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision Folge und stellte in Abänderung des Berufungsurteils das Ersturteil wieder her.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Untergerichte sind von folgenden Feststellungen ausgegangen: Der Klägerin stehen zwei Omnibusse mehr zur Verfügung, als sie ohne Rücksicht auf Reparaturen usw. benötigen würde. Sie hat im Jahr etwa 60 bis 80 Tage Ausfälle durch aus fremdem Verschulden verursachte Unfälle, woraus sich die Rentabilität der Haltung zweier Reserveomnibusse ergibt. Es wäre praktisch nicht möglich gewesen, für eine reparaturbedingte Stehzeit von einigen Tagen von anderer Seite einen Omnibus zu mieten. Bei dem Durchschnittsleistungsergebnis von 40.000 km im Jahr und bei einem angenommenen und praktisch vertretbaren Einsatz von 300 Tagen im Jahr ergibt sich eine Tageskilometerleistung eines Omnibusses von 133 km. Da es sich hier um einen Bus mit mehr als 48 Sitzplätzen handelt, ist ein Kilometerpreis von S 13.- angemessen. Die auf einen Kilometer entfallenden fixen Kosten, wie zB Versicherung, Garagierung, Verzinsung eines Anlagekapitals von zirka 1 Millionen Schilling, Verwaltungskosten und Gewerbesteuer im Ausmaß von 70% (die Abgrenzung zwischen fixen Kosten und variablen Kosten hat im Ausmaß von 70 zu 30% zu erfolgen) machen S 9.10 aus. Wird dieser Betrag mit 133 km (Tagesleistung) multipliziert, ergibt sich ein Tagessatz von S 1210.-. Durch den Ausfall des beschädigten Omnibusses in einem Zeitraum von neun Tagen errechnen sich die Kosten für die Bereitstellung des Ersatzomnibusses mit S 10.890.-.
In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, daß der vorliegende Fall gleich der Aufnahme eines Mietfahrzeuges zu betrachten sei. Der Unternehmer, der für den Fall eines befürchteten Unfalls durch Bereitstellung eines Ersatzfahrzeuges Vorsorge treffe, solle für diese Vorsicht nicht schlechter gestellt werden als jener Unternehmer, der dies nicht tue. Es könne als eine Pflicht eines Omnibusunternehmers aufgefaßt werden, im Rahmen der Schadensminderungspflicht für Unfälle ein Ersatzfahrzeug bereitzuhalten, um so dem Schädiger die weitaus höheren Kosten für ein fremdes Mietfahrzeug zu ersparen. Es könne daher nicht gesagt werden, daß der Klägerin kein Schaden entstanden sei, vielmehr habe die Klägerin iS der Schadensminderungspflicht den bevorstehenden Schaden durch eine eigene Leistung "bevorschußt" und die Schadenstilgung vorweggenommen. Unter Berücksichtigung des 50%igen Eigenverschuldens sei daher der Klägerin ein Betrag von S 5445.- zuzusprechen, während das Mehrbegehren abzuweisen sei.
Das Berufungsgericht war jedoch der Ansicht, daß die sogenannten Unkosten für den eingesetzten Reserveomnibus auch unabhängig von dem gegenständlichen Unfall aufgelaufen wären. Die wirtschaftliche Situation auf seiten der Klägerin sei durch den vorliegenden Unfall nicht anders geworden. Es sei daher durch die Verwendung des bereitgestellten Ersatzomnibusses während des Ausfalls des beschädigten Omnibusses der Klägerin ein Schaden nicht entstanden.
Die Revisionswerberin hält dem entgegen, daß ihr für die Bereithaltung eines Reserveautobusses, der für einen ausgefallenen Autobus eingesetzt werden mußte, Ersatz gebühre. Der Entfall des Reserveautobusses sei als Einbuße erfahrungsgemäß zu erwartender Einnahmen anzusehen.
Zweifellos wäre es der Klägerin freigestanden, während der Reparaturzeit ihres beschädigten Fahrzeuges ein Mietfahrzeug einzusetzen und die Kosten den Beklagten anzulasten.
Sie hat anstatt dessen ihr eigenes Vermögen zur Geringhaltung des Schadens eingesetzt. Dabei ist nicht entscheidend, ob sie diesen Vermögensbestandteil (diesfalls den Reserveautobus) bereits hatte oder erst aus Anlaß des Unfalls anschaffte. Maßgebend ist nur, daß sie durch Einsatz ihres Vermögens das Entstehen weiteren Schadens (nämlich Verdienstausfalls) verhindert hat und somit im Interesse des Schädigers gehandelt hat. Vom Beschädigten kann zwar positive Tätigkeit zur Abwendung der Folgen der schädigenden Handlung nur so weit zumutbar verlangt werden (RZ 1972, 14 f, SZ 39/170), trifft er aber solche Vorkehrungen, so ist dies Geschäftsführung (§§ 1036, 1037 ABGB) für den Haftpflichtigen (vgl GlUNF 6597; Koziol, "Schadensminderungspflicht" JBl 1972, 234, letzter Absatz). Keinesfalls ist es Aufgabe des Geschädigten, den Schädiger auf eigene Kosten zu entlasten. Die Beklagten sind daher grundsätzlich verpflichtet, der Klägerin die auf die Zeit des unfallsbedingten Ausfalls des Omnibusses im Linienverkehr entfallenden Kosten des eingesetzten Ersatzfahrzeuges zu ersetzen. (Zu demselben Ergebnis kommt der BGH in NJW 1960, 1339 und NJW 1961, 729.) Der Hinweis des Berufungsgerichtes auf die Ablehnung des Ersatzes von bloßem Nutzungsausfall eines beschädigten Kraftfahrzeuges in der Entscheidung RZ 1969, 88 geht somit an der Problematik des vorliegenden Falles vorbei, weil es sich hier nicht darum handelt, daß das beschädigte Fahrzeug nicht zur Verfügung stand und der Geschädigte aus diesem Anlaß nichts weiter unternommen hat.
Da gegen die Höhe des in Frage kommenden Schadens im Revisionsverfahren nichts mehr vorgebracht wurde, war sonach das Ersturteil wiederherzustellen.
Anmerkung
Z45137Schlagworte
Frustrierte Generalunkosten, Kostentragung bei Beschädigung eines, Linienomnibusses, Geschäftsführung ohne Auftrag, Kostentragung bei Beschädigung eines, Linienomnibusses, Linienomnibus, Beschädigung, Reservefahrzeug, Kostentragung bei Beschädigung eines Linienomnibusses, Schadenersatz, Kostentragung bei Beschädigung eines Linienomnibusses, Schadensminderung, Kostentragung bei Beschädigung eines, LinienomnibussesEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1972:0020OB00195.72.1207.000Dokumentnummer
JJT_19721207_OGH0002_0020OB00195_7200000_000