TE OGH 1973/1/25 2Ob5/73

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Veröffentlicht am 25.01.1973
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Norm

ZPO §488
ZPO §503 Z2

Kopf

SZ 46/7

Spruch

Hat das Erstgericht auf Grund unmittelbarer Beweisaufnahme Feststellungen getroffen, die zueinander in unlösbarem Widerspruch stehen, muß das Berufungsgericht die Beweise selbst wiederholen und kann sich nicht ohne Beweisaufnahme auf die eine dieser Feststellungen stützen und die widersprechende als bedenklich nicht übernehmen

OGH 25. Jänner 1973, 2 Ob 5/73 (OLG Wien 10 R 100/72; LGZ Wien 40 c Cg 162/70)

Text

Am 26. Jänner 1969 ereignete sich gegen 20.35 Uhr in Wien auf der Rechten Wienzeile in Höhe des Hauses Nr. 58 ein Verkehrsunfall, bei dem der Kläger als Fußgänger beim Überqueren der Rechten Wienzeile von dem vom Zweitbeklagten gelenkten Personenkraftwagen, dessen Haftpflichtversicherer die Erstbeklagte ist, niedergestoßen und schwer verletzt wurde. Der Zweitbeklagte wurde deswegen der Übertretung nach § 355 StG schuldig gesprochen.

Der Kläger stellt ein Eigenverschulden im Ausmaß von 10% in Rechnung und begehrt von den Beklagten zur ungeteilten Hand Zahlung von 66.700 S samt Anhang sowie die Feststellung, daß ihm die Beklagten zur ungeteilten Hand für alle zukünftigen Forderungen, die aus dem Unfall vom 26. Jänner 1969 noch entstehen, zu 90% haften.

Das Erstgericht verurteilte - ausgehend von einem gleichteiligen Mitverschulden des Zweitbeklagten und des Klägers - beide Beklagte zur ungeteilten Hand zur Zahlung von 6815 S samt Zinsen

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Berechtigt erscheint die Mangelrüge hingegen insoweit als der Kläger darauf hinweist, daß das Berufungsgericht seiner Entscheidung gewisse Feststellungen zugrunde gelegt, andere damit im unlösbaren Widerspruch stehende Feststellungen hingegen nicht übernommen hat, die - wenn sie als feststehend angesehen worden wären - für die Beurteilung der Verschuldensteilung von Bedeutung gewesen wären. Der Kläger verweist mit Recht darauf, daß umgekehrt bei Zugrundelegung der vom Berufungsgericht nicht übernommenen Feststellungen über das Fahrverhalten des Zweitbeklagten nach dem Erkennen des die Fahrbahn überschreitenden Klägers die tatsächlich zugrunde gelegten Feststellungen über die vom Zweitbeklagten eingehaltene Geschwindigkeit, den Zeitpunkt der Gefahrenerkennung und den Moment des Wirksamwerdens der Bremsung nicht aufrecht erhalten werden konnten. Die Vorgangsweise des Berufungsgerichtes stellt daher tatsächlich einen Verstoß gegen den im Berufungsverfahren geltenden Unmittelbarkeitsgrundsatz dar, weil damit von den Feststellungen des Erstgerichtes ohne Beweiswiederholung abgegangen wurde, und zwar in einem Punkte, der - wie das Berufungsgericht selbst richtig ausgeführt hat - entscheidungswesentlich sein konnte. Hat das Berufungsgericht Bedenken gegen die Richtigkeit von vom Erstgericht auf Grund unmittelbarer Beweisaufnahme getroffenen Tatsachenfeststellungen, und dies muß bei zueinander in unlösbarem Widerspruch stehenden Feststellungen notwendigerweise der Fall sein, dann kann es sich ohne Beweisaufnahme im Berufungsverfahren nicht auf eine dieser Feststellungen stützen und die widersprechende als bedenklich nicht übernehmen, sondern es muß, daß es ja zwangsläufig von einer Feststellung abgehen muß, die Beweise in der mündlichen Berufungsverhandlung selbst wiederholen (Fasching IV, 185). Da dies nicht geschehen ist, mußte das Berufungsurteil, soweit es von diesem Mangel betroffen wurde, aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen werden, ohne daß schon jetzt der noch umstrittenen Verschuldensfrage nähergetreten werden konnte.

Anmerkung

Z46007

Schlagworte

Beweiswiederholung, Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, Unterlassung der - Mangelhaftigkeit, Unterlassung der Beweiswiederholung, - des Berufungsverfahrens

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1973:0020OB00005.73.0125.000

Dokumentnummer

JJT_19730125_OGH0002_0020OB00005_7300000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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