TE OGH 1973/1/30 4Ob301/73

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Veröffentlicht am 30.01.1973
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Norm

ABGB §338
Urheberrechtsgesetz §86

Kopf

SZ 46/11

Spruch

Das spätere Spezialgesetz geht den grundsätzlichen Regeln des ABGB vor

Keine analoge Anwendung des § 338 ABGB auf die späteren Spezialregelungen der §§ 86, 87 UrhG

OGH 30. Jänner 1973, 4 Ob 301/73 (OLG Wien 6 a R 177/72; LGZ Wien 40c Cg 65/71)

Text

Die klagende Partei behauptet, sie habe am 28. September 1964 mit der A-Film-Verleih Gesellschaft m. b. H. Duisburg (in der Folge A-Film) einen Rahmenvertrag abgeschlossen, mit dem sie die Auswertung der A-Verleihfilme für das Lizenzgebiet Österreich unter besonders günstigen Verleihbedingungen bezüglich der Einspielergebnisse und der Nebenkosten übernommen habe. Im Dezember 1966 habe die A-Film ihre Verpflichtung zur Lieferung von Filmen, insbesondere des Filmes "Die Blonde von Peking" bestätigt, aber mit Rücksicht auf ihre finanziellen Schwierigkeiten die nochmalige Zahlung von 150.000 S verlangt. Dieser Betrag habe als Anzahlung auf die Abrechnung der Produzentenanteile des Films "Die Blonde von Peking" verrechnet werden sollen. Da die A-Film in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten sei, habe sie ihre Rechte bezüglich des Filmes "Die Blonde von Peking" an die Filmbörse in München weiterübertragen, obwohl die klagende Partei diese Rechte bereits am 1. Dezember 1966 von ihr erworben habe. Die Filmbörse habe die Filmverleihrechte an die U-Filmgesellschaft m. b. H. (kurz U-Film) verkauft, die später durch eine Fusion in der beklagten Partei aufgegangen sei. Die klagende Partei habe auf Grund der mit der A-Film getroffenen Vereinbarung den erwähnten Film in ihr Verleihprogramm für 1967 aufgenommen. Etwa gleichzeitig sei auch das Programm der U-Film mit demselben Film ausgegeben worden. Alle Bemühungen der klagenden Partei, die Filmbörse und die U-Film zum Verzicht zu bewegen, seien gescheitert. Die klagende Partei habe daher ein Urteil erwirkt, in dem das Erstgericht feststelle, daß ihr die Auswertungsrechte für die Republik Österreich bezüglich des Filmes "Die Blonde von Peking" auf Grund des Vertrages vom 1. Dezember 1966 auf die Dauer von 5 Jahren zustunden; die U-Film sei schuldig erkannt worden, die Ankündigung des Verleihes, die Vermittlung und die Aufführung des Filmes zu unterlassen.

Die U-Film habe gewußt, daß die klagende Partei die Filme des A-Filmverleihes auswerte. Außerdem habe die klagende Partei den Verleihchef der U-Film ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht, daß ihr die Verleihrechte zustunden. Obwohl die Klage zu 24 Cg 144/67 schon am 8. Juni 1967 eingebracht worden sei, habe die U-Film im November 1967 mit der Auswertung des Filmes begonnen. Dadurch, daß die klagende Parte verhindert worden sei, den Film auszuwerten, sei ihr auch kein Produzentenanteil der A-Film zugeflossen, von dem sie 152.620 S hätte einbehalten können. Außerdem wäre sie auf Grund des mit der A-Film und deren Treuhänder geschlossenen Vergleiches berechtigt gewesen, die für die A-Film eingespielten Produzentenanteile des Filmes gegen ihre sonstigen Forderungen aufzurechnen. Der Gewinnentgang der klagenden Partei ergebe sich ferner auch daraus, daß die Doppelankündigung der Filme das Vertrauen auf verläßliche Lieferung von Filmen erschüttert habe.

Die klagenden Partei begehrte zuletzt die Verurteilung der beklagten Partei zur Bezahlung von 497.345 S samt Anhang (10% Zinsen).

Die beklagte Partei beantragte, die Klage abzuweisen. Sie habe die Auswertungsrechte an dem Film am 24. August 1967 von der Filmbörse Treuhandgesellschaft m. b. H. in München gutgläubig erworben. Es treffe sie keinVerschulden, weil ihr nicht bekannt gewesen sei, daß ihr Vormann die Auswertungsrechte nicht besessen habe. Die Einspielergebnisse hätten bis 31. Dezember 1970 nur 297.794.26 S betragen, weil der Film unter dem Durchschnitt gewesen sei. Nach diesem Zeitpunkt sei der Film nicht mehr aufgeführt worden.

Das Erstgericht verurteilte die beklagte Partei zur Zahlung von 300.879 S samt 10% Zinsen seit 16. April 1971 und wies das Mehrbegehren von 196.466 S ab.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei Folge, hob den stattgebenden Teil des Urteils des Erstgerichtes unter Rechtskraftvorbehalt auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück.

Die klagende Partei stehe auf dem Standpunkt, daß die beklagte Partei zum Ersatz des ihr entstandenen Schadens verpflichtet sei, weil die U-Film, die Rechtsvorgängerin der beklagten Partei, sich geweigert habe, ihr die Auswertung des Filmes "Die Blonde von Peking" zu überlassen, und diese selbst rechtswidrig vorgenommen habe. Ohne es allerdings ausdrücklich zu sagen, stütze die klagende Partei ihren Schadenersatzanspruch auf die Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes, BGBl. 111/1936, in der derzeit geltenden Fassung. Die Bestimmungen des § 338 ABGB zur Beurteilung dieser Rechtssache heranzuziehen, sei schon deshalb verfehlt, weil Gegenstand des Urheberrechts das urheberrechtlich geschützte Geisteswerk, also eine unkörperliche Sache sei, § 338 ABGB sich aber als sachenrechtliche Vorschrift nur auf körperliche Sachen beziehe. Daß das Urheberrechtsgesetz dem Urheber absolute Rechte verschiedener Art gewähre, vermöge daran nichts zu ändern.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der beklagten Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die Beklagte vermißt bei der rechtlichen Beurteilung des Berufungsgerichtes, welche Bedeutung der Regel des § 338 ABGB im vorliegenden Fall zukomme, einen Hinweis darauf, daß die Einlassung in den Prozeß für sich allein noch nicht die Annahme eines Verschuldens rechtfertige.

Das Berufungsgericht hat aber diese Rechtsansicht ohnedies deutlich gebilligt. Sie trifft zu, weil sich die Ersatzansprüche aus einer Urheberrechtsverletzung nach den Sonderbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes richten. Dieses kennt neben dem Anspruch auf angemessenes Entgelt nach § 86 UrhG, der kein Verschulden voraussetzt, den Anspruch auf Schadenersatz nach § 87 UrhG, der den Nachweis des Verschuldens voraussetzt. § 338 ABGB bestimmt, daß ein redlicher Besitzer, wenn er durch den richterlichen Ausspruch zur Zurückstellung der Sache verurteilt wird, in Rücksicht des Ersatzes der Nutzungen und des Schadens wie auch in Rücksicht des Aufwandes von dem Zeitpunkt der ihm zugestellten Klage gleich einem unredlichen Besitzer zu behandeln ist; dies steht im Widerspruch mit der Regelung der Ersatzansprüche in den §§ 86, 87 UrhG. Das Urheberrechtsgesetz als Spezialgesetz und zeitlich späteres Gesetz geht aber grundsätzlich den Regeln des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches vor. Eine analoge Anwendung des § 338 ABGB kommt sohin schon aus diesen Erwägungen nicht in Frage. Im übrigen verweist die Beklagte auch zutreffend auf die herrschende Rechtsprechung, zuletzt etwa JBl. 1972, 144 = MietSlg. 22.007, wonach auch im allgemeinen Privatrecht nach dem ABGB bei einer Verletzung obligatorischer Rechte Schadenersatz nur nach den Bestimmungen der §§ 1295 ABGB und nicht nach den strengeren Bestimmungen des § 338 ABGB verlangt werden kann.

Anmerkung

Z46011

Schlagworte

Besitz, redlicher, Urheberrechtsverletzung, Lex specialis, lex generalis, Urheberrechtsverletzung, redlicher Besitz

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1973:0040OB00301.73.0130.000

Dokumentnummer

JJT_19730130_OGH0002_0040OB00301_7300000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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