Norm
Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz §16Kopf
SZ 46/16
Spruch
Ist eine verhältnismäßige Kürzung der Ersatzansprüche gemäß § 16 EKHG vorzunehmen, kann zwar nicht mit Rechtskraftwirkung über die Ansprüche von nicht am Verfahren beteiligten Geschädigten abgesprochen werden, doch bilden diese Ansprüche eine zu prüfende Vorfrage
OGH 8. Feber 1973, 2 Ob 190, 191/72 (OLG Wien 8 R 60/72; LGZ Wien 27 Cg 266/71)
Text
Im vorliegenden Rechtsmittelverfahren des zweiten Rechtsganges ist nur noch strittig, ob und bis zu welchem Betrag der Beklagte dem Kläger aus dem Unfall vom 29. Jänner 1965 nach dem EKHG für restliche Sachschäden von 66.475 S und Schmerzengeld von 12.000 S = zusammen 78.475 S abzüglich des im ersten Rechtsgang zugesprochenen Betrages von 26.000 S = restlich 51.975 S haftet.
Der Erstrichter sprach dem Kläger weitere 6739.70 S samt Zinsen zu und wies das Mehrbegehren ab. Er stellte fest, daß der Beklagte von dem zum Unfallszeitpunkt geltenden Haftungshöchstbetrag von 40.000 S einen Teilbetrag von 13.500 S an den Geschädigten Friedrich K bezahlt hat. Weitere Forderungen anderer Geschädigten Beträgen von 2935.68 S, 15.550 S und 2850 S gegen den Beklagten eingeklagt worden, doch ist in diesen Verfahren Ruhen vereinbart und die erste dieser drei Forderungen überdies von einer anderen Versicherung befriedigt worden. Nach der Rechtsansicht des Erstrichters sind nur die befriedigte Forderung des Geschädigten K von 13.500 S und die gesamte Forderung des Klägers von (infolge eines Rechenfehlers unrichtig: 78.475 S) 79.975 S auf den Höchstbetrag von 40.000 S verhältnismäßig aufzuteilen, womit auf die Forderung des Klägers 33.239.70 S entfallen, so daß ihm über den bereits rechtskräftig zuerkannten Teilbetrag von 26.500 S hinaus weitere 6739.70 S gebühren.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers teilweise und der Berufung des Beklagten zur Gänze Folge, bestätigte die Teilabweisung des Klagebegehrens hinsichtlich des (den Haftungshöchstbetrag von 40.000 S übersteigenden Schadens-)Betrages von 38.475 S und hob es hinsichtlich des Teilbetrages von 13.500 S (das ist die Differenz zwischen den bereits zuerkannten 26.500 S und dem Haftungshöchstbetrag von 40.000 S) unter Rechtskraftvorbehalt auf. Das Berufungsgericht übernahm die Tatsachenfeststellungen des Erstrichters, billigte dessen Rechtsansicht, daß die Halterhaftung des Beklagten jedenfalls mit dem Höchstbetrag von 40.000 S beschränkt sei, und begrundete die Aufhebung hinsichtlich des Unterschiedsbetrages von 13.500 S damit, daß die Ansprüche der sonstigen Geschädigten noch nicht genügend geklärt seien.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision und dem Rekurs des Klägers nicht Folge, wohl aber teilweise dem Rekurs des Beklagten.
Der Aufhebungsbeschluß des Gerichtes zweiter Instanz wurde
a) bezüglich des Teilbetrages von 6752.11 S aufgehoben und dem Berufungsgericht in diesem Umfang eine neue Entscheidung aufgetragen;
b) hinsichtlich des Betrages von 6739.70 S und des Restbetrages von 8.19 S sowie im Kostenpunkt bestätigt.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
1. Die Revision des Klägers ist zwar zulässig (SZ 27/112, SZ 39/114), aber nicht berechtigt.
Die Meinung des Revisionswerbers, daß hinsichtlich der Haftungsbegrenzung des Kraftfahrzeughalters und der Zulässigkeit der Geltendmachung von Schmerzengeld nach dem EKHG nicht von der Rechtslage zum Zeitpunkte des Unfalles, sondern von dem zum Zeitpunkte des Schlusses der Verhandlung erster Instanz geltenden Recht, nämlich dem EKHG i. d. F. der Novelle BGBl. 69/1968, auszugehen sei, übersieht die ausdrückliche gegenteilige Regelung durch die Übergangsbestimmung des Art. II dieser Novelle. Danach ist dieses Bundesgesetz nur auf Unfälle anzuwenden, die sich nach seinem Inkrafttreten ereignen. Für Unfälle, die sich vorher ereignet haben, gelten die bisherigen Vorschriften.
Mit Rücksicht auf diese eindeutige gesetzliche Bestimmung haben die Untergerichte zutreffend die Ersatzansprüche des Klägers aus dem schon am 29. Jänner 1965, also lange vor dem Inkrafttreten der EKHG-Novelle (1. März 1968) erlittenen Unfall nach der Fassung des EKHG vor der angeführten Novelle beurteilt (so auch Veit, Das Eisenbahn- und Kraftfahrzeug-Haftpflichtgesetz[3], 14).
2. Auch der Rekurs des Klägers gegen den Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes (in Ansehung des erstinstanzlichen Zuspruches eines Betrages von 6739.70 S) ist nicht berechtigt, während dem Rekurs des Beklagten gegen diesen Beschluß (in Ansehung der Abweisung eines weiteren Klagebegehrens von 6760.30 S) zum Teil Berechtigung zukommt.
Wie der Oberste Gerichtshof bereits im ersten Rechtsgang ausgesprochen hat (2 Ob 163, 164/70) folgt aus der Bestimmung des § 16 Abs. 2 EKHG (i. d. F. BGBl. 48/1959) über die quotenmäßige Befriedigung mehrerer auf Grund desselben Ereignisses Geschädigter, daß der wegen Haftung in Anspruch genommene Halter behaupten und beweisen muß, welche Ansprüche außer dem streitgegenständlichen und in welcher Höhe sie gegen ihn erhoben werden. Die gegenteilige Ansicht des Beklagten, daß der Kläger wegen seiner Beweispflicht den aus § 16 Abs. 2 EKHG zu errechnenden durchsetzbaren Anspruch unter Beweis zu stellen habe, trifft somit nicht zu.
Dem Beklagten war es auch nicht verwehrt, nach teilweiser Aufhebung des im ersten Rechtsgang gefällten Urteiles zu dem strittig verbliebenen Anspruch des Klägers noch weitere Einwendungen (betreffend weitere bei der quotenmäßigen Aufteilung des Höchstbetrages zu berücksichtigende Schadenersatzforderungen Dritter) vorzubringen. Im Umfange der Aufhebung war das Verfahren wieder in den Stand vor Schluß der Verhandlung erster Instanz getreten, so daß hinsichtlich des von der Aufhebung betroffenen Teiles des Verfahrens neues Vorbringen über die nicht schon abschließend entschiedenen Fragen statthaft und zu beachten war (Fasching IV, 212, SZ 28/96, SZ 43/194).
Das Berufungsgericht hat auch zutreffend erkannt, daß eine Verpflichtung des Beklagten zur Ersatzleistung an andere auf Grund desselben Ereignisses Geschädigte, wodurch sich seine Ersatzpflicht gegenüber dem Kläger verhältnismäßig mindern würde, nicht schon deshalb verneint werden kann, weil die von drei weiteren Geschädigten eingeleiteten Prozesse ruhen. Damit wurden jene Ansprüche noch nicht aberkannt. Die vom Berufungsgericht angeordnete Ergänzung des Verfahrens zur Feststellung des wahren Umfanges der von diesen weiteren Geschädigten (außer K) erhobenen Ersatzansprüche ist für die abschließende rechtliche Beurteilung notwendig. Wenn auch nicht mit Rechtskraftwirkung für die hier unbeteiligten Dritten entschieden werden kann, so bilden deren Ansprüche doch eine Vorfrage, ohne deren Prüfung die Ansprüche des Klägers nicht endgültig ermittelt werden können (Müller, Straßenverkehrsrecht[22] 1 zu dem vergleichbaren § 12 Abs. 2 StVG und Geigel, Haftpflichtprozeß[15], 149). Zu einem Antrag auf Verbindung der Rechtssachen war der Beklagte nicht verpflichtet, zumal die anderen Verfahren ruhen. Ob sich der Schädiger der Schwierigkeit einer Feststellung der einzelnen Ersätze durch den Gerichtserlag des Haftungshöchstbetrages zugunsten aller Geschädigten zu entledigen in der Lage ist (8 Ob 186/72; vgl. auch SZ 42/96) kann auf sich beruhen, da eine einschlägige Tilgungsbehauptung hinsichtlich des strittigen Restbetrages nicht aufgestellt wurde.
Während somit über die Berechtigung des Klagebegehrens hinsichtlich des vom Erstrichter zugesprochenen Betrages von 6739.70 S erst nach der vom Berufungsgericht angeordneten Prüfung des Zurechtbestehens der Ersatzansprüche der weiteren Geschädigten Innungskrankenkasse M, Stadtgemeinde K und Wilhelm T entschieden werden kann, macht der Beklagte mit Recht geltend, daß die vom Erstrichter abgewiesene Restforderung von 6760.30 S - fast zur Gänze - bereits spruchreif ist. Dem Berufungsgericht ist zwar zuzugeben, daß für die Kürzung des Klagsanspruches die Höhe des Sachschadens maßgebend ist, den der Geschädigte K erlitten hat. Aber der Kläger hat nie bestritten, daß der vom Beklagten an diesen Geschädigten bereits bezahlte Betrag von 13.500 S einen solchen wahren Sachschaden darstellt. Er hat nur vorgebracht, daß der Beklagte diesen Betrag gemäß § 16 Abs. 2 EKHG nicht zur Gänze einwenden könne, daß "die" Forderung s quotenmäßig gekürzt werden müsse und ihm selbst nur der gekürzte Teil in Anrechnung gebracht werden dürfe. Damit ist seitens des Klägers zugestanden (§ 266 Abs. 1 ZPO), daß die Forderung mit dem bereits befriedigten Betrage von 13.500 S einen nach § 16 Abs. 2 EKHG quotenmäßig anzurechnenden Sachschaden betrifft. Wird die Gesamtforderung des Klagers am Sachschaden (außer Schmerzensgeld) von 66.475 S nur dieser unbestrittenen Forderung s von 13.500 S gegenübergestellt, so ergibt sich in diesem für den Kläger günstigeren Fall ein Aufteilungsverhältnis von 83.12% zu 16.88% und ein Anspruch des Klägers von 33.247.89 S, der sich durch den bereits erfolgten Zuspruch von 26.500 S auf restliche 6747.89 S vermindert. Jede weitere berechtigte Forderung dritter Geschädigter müßte das Verhältnis weiter zu ungunsten des Klägers verändern. Der Restbetrag auf die Haftungshöchstsumme von 40.000 S, das sind 6762.11 S steht ihm also in keinem Fall zu.
Im letztgenannten Umfang, das ist hinsichtlich fast des ganzen Betrages der erstgerichtlichen Teilabweisung von 6760.30 S, konnte zwar dem Rekursantrag des Beklagten nicht gefolgt werden, weil der Oberste Gerichtshof im Rekursverfahren nach § 519 Z. 3 ZPO keine Sachentscheidung fällen kann. Dieser Fehler schadet aber nicht, weil das Gesetz keinen bestimmten Rekursantrag vorschreibt. Dem Berufungsgericht war wegen der vom Beklagten mit Recht behaupteten Spruchreife insoweit eine neue Entscheidung aufzutragen (EvBl. 1957/363, EvBl. 1958/28, 7 Ob 44/70).
Anmerkung
Z46016Schlagworte
Ersatzansprüche, verhältnismäßige Kürzung, Kürzung, Ersatzansprüche, verhältnismäßige -, Rechtskraftwirkung, verhältnismäßige Kürzung der ErsatzansprücheEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1973:0020OB00190.72.0208.000Dokumentnummer
JJT_19730208_OGH0002_0020OB00190_7200000_000