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27 RechtspflegeNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerwaltungsaktLeitsatz
Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch die Verhängung einer Disziplinarstrafe über einen Rechtsanwalt wegen verbotener Werbung, insbesondere nicht der Meinungsäußerungsfreiheit und der Verfahrensgarantien der Europäischen Menschenrechtskonvention; denkmögliche Annahme der Verletzung des Reklameverbotes durch aktives Mitwirken am Erscheinen eines Zeitungsarktikels betreffend ein gespieltes ScheidungsverfahrenSpruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Der Beschwerdeführer ist Rechtsanwalt in Wien. Mit Erkenntnis des Disziplinarrates der Rechtsanwaltskammer Wien (im folgenden: Disziplinarrat) vom 24. Juni 1998 wurde er im Spruchpunkt 1 für schuldig erkannt, das Disziplinarvergehen der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes dadurch begangen zu haben, daß er gemeinsam mit dem abgesondert verfolgten Dr. A K zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt vor dem 27. Juni 1993 eine "fiktive Scheidung im Haus Windsor" in den gemeinsamen Kanzleiräumlichkeiten in Gegenwart des Redakteurs der Neuen Kronen-Zeitung G M "durchgespielt" und dabei in Kauf genommen hat, daß dieser Redakteur darüber Bericht erstatten wird, was durch die Veröffentlichung des Artikels "Scheidung im Hause Windsor" in der Neuen Kronen-Zeitung vom 27. Juni 1993 geschehen ist. Der Disziplinarrat nahm dabei folgenden Sachverhalt als erwiesen an:
"In der Tageszeitung Neue Kronen-Zeitung vom 27.6.1993 wurde ein Artikel mit einer Fotomontage auf der hinter dem britischen Thronfolgerpaar Prinz Charles und Prinzessin Diana der DB (= Disziplinarbeschuldigte) und Dr. A K zu sehen sind veröffentlicht. Inhalt des Artikels, getitelt mit 'Scheidung im Hause Windsor' ist, daß zwischen dem DB als Vertreter von Prinzessin Diana und Dr. A K als Vertreter von Prinz Charles, im Beisein des Artikelverfassers, in den Kanzleiräumlichkeiten der vorgenannten Anwälte eine 'fiktive Scheidung' durchgespielt wurde. In besagtem Artikel wurde unter anderem, wie folgt, ausgeführt:
'Wir spielten den Vorgang in der Kanzlei der Rechtsanwälte Dr. K sen. und jun. durch. '......' die Zusammenfassung der mehrstündigen 'Verhandlung'.
'Diese Ehe ist nicht zu retten, sagt Österreichs Scheidungsspezialist Nr. 1, Dr. A K, 'die Klientin Diana von Windsor zu vertreten sei eine ungeheure Herausforderung, da in einer Monarchie de facto Recht ist, was die regierende Familie bestimmt, und nicht das, was im Gesetz steht'. 'Welcher Richter wird sich's denn schon mit den Royals anlegen?' - weiters,
'Wir spielen die Causa außerhalb des Gerichtssaales, über die Medien, Prinz Charles muß Angst haben, daß wir die öffentliche Meinung gegen ihn aufbringen' - schließlich weiter,
'hier wiederum sieht der Scheidungsprofi vor allem einen Aspekt ....' und,
'A K würde also seinen Gegner, Prinz Charles, in einer Vorbesprechung' freundlich an die Telefonsex-Sache erinnern. Daß er ein toller Hecht ist, der seine Frau betrügt, würden die Engländer vielleicht noch billigen, aber daß ein Mann, der dazu ausersehen ist, ein ehemaliges Weltreich zu regieren, eine so unappetitliche Konversation führt, würde auf die Dauer niemand pardonieren. Das weiß Prinz Charles, und er wird daher auf meine Vorschläge eingehen'.
'So einfach wird's Dr. A K, der Sohn, als Rechtsvertreter des Kronprinzen, der gegnerischen Partei nicht machen'.
'Nachdem die Anwälte den entsprechenden Vertrag aufgesetzt haben, könne die Ehe einvernehmlich geschieden werden.'
'Beide Anwälte sind sich darüber im klaren, daß dieser Vertrag - ganz im Gegensatz zu sonstigen Scheidungsfällen - in seinen Auswirkungen einfach 'keine reine Privatangelegenheit ist'.
'Charles wird dennoch klein beigeben, weil er weiß, daß wir andernfalls via Telefonsex die Öffentlichkeit gegen ihn aufbringen würden.'
'Als die Herren K & K die 'Akte Windsor' schließen, zwinkert der Senior seinem Sohn noch zu: 'Das Arrangement, Herr Kollege, ist für beide Seiten akzeptabel. Aber eins sag' ich Dir unter 100 Millionen Schilling im Jahr wird Dein Mandant, der Prinz, nicht davonkommen.'
Neben dem Foto des DB befindet sich folgender Text:
'Prinzessin Diana beraten von Dr. K sen.: 'Wir werden Charles an seine Telefongespräche erinnern müssen.'"
2. Gegen dieses Erkenntnis erhob der Beschwerdeführer Berufung an die Oberste Berufungs- und Disziplinarkommission für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter (im folgenden: OBDK). Die Berufungsverhandlung wurde zunächst auf 29. November 1999 anberaumt. Mit Schreiben vom 25. November 1999 beantragte der Beschwerdeführer die Vertagung der Berufungsverhandlung, weil er "schwer herzkrank sei". Nach der daraufhin erfolgten Festsetzung des Verhandlungstermins auf den 9. Dezember 1999 bat der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 7. Dezember 1999 neuerlich um Vertagung der Verhandlung. Er sei schwer herzkrank und werde sich am 9. Dezember 1999 zu Behandlungszwecken im Ausland aufhalten. Für die nunmehr für 20. Dezember 1999 anberaumte Verhandlung stellte der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 16. Dezember 1999 erneut den Antrag auf Verlegung der Verhandlung auf einen späteren Zeitpunkt, "weil er am 20. Dezember 1999 nicht in Wien sein werde und darauf bestehe, bei der Verhandlung anwesend zu sein". Aufgrund des Verhaltens des Beschwerdeführers im Verfahren erster Instanz, in dem der Beschwerdeführer ebenfalls wiederholt um Vertagung der Disziplinarverhandlung unter Hinweis auf seine Erkrankung gebeten hatte, gleichzeitig aber einer gerichtsärztlichen Vorladung zur Überprüfung seiner Verhandlungsfähigkeit keine Folge leistete, führte die OBDK zur Vermeidung weiterer Verzögerungen die Verhandlung in Abwesenheit des Beschwerdeführers durch. Der Beschwerdeführer ließ sich durch einen von ihm im Disziplinarverfahren beigezogenen Rechtsanwalt vertreten.
Mit Erkenntnis vom 20. Dezember 1999 gab die OBDK der Berufung gegen des Straferkenntnis des Disziplinarrates im Hinblick auf dessen Spruchpunkt 1 keine Folge und verhängte über den Beschwerdeführer gemäß §16 Abs1 Z2 Disziplinarstatut 1990, BGBl. 1990/474 (im folgenden: DSt 1990) die Disziplinarstrafe der Geldbuße in der Höhe von S 15.000,-. In der Begründung wird ua. ausgeführt, daß der Disziplinarrat zu Recht angenommen habe, daß der Artikel in der Neuen Kronen-Zeitung unter bewußter und gewollter Mitwirkung des Beschwerdeführers zustandegekommen sei. Wenn fallbezogen in einem Zeitungsartikel der Beschwerdeführer als "Österreichs Scheidungsspezialist Nr. 1" bezeichnet werde und als fiktiver Berater der Diana von Windsor in deren fiktiven Scheidungsverfahren aufgetreten sei, sei darin ein reklamehaftes Herausstellen der Person und der Leistungen des Beschwerdeführers in krasser, geradezu marktschreierischer Weise (iS des §45 Abs3 der Richtlinien für die Ausübung des Rechtsanwaltsberufes, für die Überwachung der Pflichten des Rechtsanwaltes und für die Ausbildung der Rechtsanwaltsanwärter - im folgenden: RL-BA 1977) zu erblicken.
3. Gegen dieses als Bescheid zu wertende Erkenntnis richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter, auf Freiheit der Erwerbsbetätigung und auf ein faires Verfahren (Art6 EMRK) geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides begehrt wird.
4. Die OBDK als belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie für die Abweisung der Beschwerde eintritt.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1.1.1. Nach Art13 Abs1 StGG hat jedermann das Recht, durch Wort, Schrift, Druck oder durch bildliche Darstellung seine Meinung innerhalb der gesetzlichen Schranken frei zu äußern. Das Recht der freien Meinungsäußerung ist zwar nur innerhalb der gesetzlichen Schranken gewährleistet, doch darf ein solches Gesetz keinen Inhalt haben, der den Wesensgehalt des Grundrechtes einschränkt (vgl. VfSlg. 6166/1970, 10700/1985, 11404/1987, 12796/1991). Eine nähere Bestimmung des Wesensgehaltes dieses Grundrechtes findet sich in Art10 EMRK (vgl. zB VfSlg. 11996/1989, 12796/1991, 13122/1992). Diese Verfassungsnorm bekräftigt den Anspruch auf freie Meinungsäußerung und stellt klar, daß dieses Recht die Freiheit der Meinung und die Freiheit zum Empfang und zur Mitteilung von Nachrichten oder Ideen ohne Eingriffe öffentlicher Behörden und ohne Rücksicht auf Landesgrenzen einschließt (Abs1), sieht aber vor, daß die Ausübung dieser Freiheiten im Hinblick darauf, daß sie Pflichten und Verantwortung mit sich bringt, bestimmten, vom Gesetz vorgesehenen Formvorschriften, Bedingungen, Einschränkungen oder Strafdrohungen unterworfen werden kann, wie sie in einer demokratischen Gesellschaft im Interesse der nationalen Sicherheit, der territorialen Unversehrtheit oder der öffentlichen Sicherheit, der Aufrechterhaltung der Ordnung und der Verbrechensverhütung, des Schutzes der Gesundheit und der Moral, des Schutzes des guten Rufes oder der Rechte anderer, um die Verbreitung von vertraulichen Nachrichten zu verhindern oder das Ansehen und die Unparteilichkeit der Rechtsprechung zu gewährleisten, unentbehrlich sind (zur korrekten Übersetzung siehe VfSlg. 6288/1970).
Das Grundrecht der freien Meinungsäußerung darf also nur aus den in Art10 Abs2 EMRK angeführten Gründen beschränkt werden (VfSlg. 10700/1985, 13035/1992, 13122/1992).
Der Bescheid einer Verwaltungsbehörde kann dieses Recht nur dann verletzen, wenn er ohne jede gesetzliche Grundlage ergangen ist oder auf einer verfassungswidrigen Norm beruht oder wenn bei seiner Erlassung einem verfassungsrechtlich unbedenklichen Gesetz ein verfassungswidriger, gegen Art10 EMRK verstoßender Inhalt unterstellt oder wenn ein solches Gesetz in denkunmöglicher Weise angewendet wurde (vgl. zB VfSlg. 9909/1983, 12796/1991, 12822/1991).
1.1.2. §45 RL-BA 1977 lautet in der hier maßgeblichen (vgl. dazu die §§1 und 61 StGB) Fassung des Beschlusses des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages vom 2. März 1990, kundgemacht im Amtsblatt zur Wiener Zeitung vom 24. März 1990 und im Anwaltsblatt 1990, S 183:
"§45
(1) Der Rechtsanwalt wirbt durch die Qualität seiner anwaltlichen Leistung.
(2) Der Rechtsanwalt darf, sofern er sich auf das sachlich Gebotene beschränkt, wahrheitsgemäße und nicht irreführende Angaben über seine Person oder Tätigkeit machen und dabei benennen
a) akademische Titel und Titel, die mit der anwaltlichen Berufsausübung im Zusammenhang stehen,
b)
Sprachkenntnisse,
c)
neben dem Rechtsanwaltsberuf zulässigerweise ausgeübte weitere Berufe, die eine akademische Ausbildung erfordern, soweit diese Tätigkeiten in sachlichem Zusammenhang mit der Ausübung eines rechtsberatenden Berufes stehen,
d)
Fachpublikationen,
e)
Mitgliedschaften in Fachverbänden, die mit der Berufsausübung im Zusammenhang stehen, nicht jedoch Funktionen als Organe oder Mitglieder von Körperschaften öffentlichen Rechts und nicht-anwaltlichen Fach- und Berufsverbänden,
f)
beruflichen Werdegang,
g)
Rechtsgebiete, auf denen der Rechtsanwalt vornehmlich tätig ist oder nicht tätig sein will.
(3) Hingegen hat der Rechtsanwalt standeswidrige Werbung zu unterlassen; diese liegt insbesondere vor bei
a) Selbstanpreisung durch reklamehaftes Herausstellen seiner Person oder seiner Leistungen,
b)
vergleichende Bezugnahme auf Standesangehörige,
c)
Anbieten beruflicher Leistungen gegenüber bestimmten Auftraggebern,
d)
Erwecken objektiv unrichtiger Erwartungen, Anbieten unzulässiger Honorarvorteile oder Nennung von Auftraggebern."
1.1.3. Gegen das in §45 Abs3 lita RL-BA 1977 enthaltene Verbot der Selbstanpreisung durch reklamehaftes Herausstellen der Person des Rechtsanwaltes oder seiner Leistungen bestehen vor dem Hintergrund des Eingriffstatbestandes der "Gewährleistung des Ansehens der Rechtsprechung" im Art10 EMRK keine gesetz- und (indirekt) verfassungsrechtlichen Bedenken (so bereits VfSlg. 12467/1990 zur inhaltlich vergleichbaren Vorgängerbestimmung des hier präjudiziellen §45 Abs3 lita RL-BA 1977 idF vom 2. März 1990). Da sich der bekämpfte Bescheid auf die in Rede stehende Bestimmung der Richtlinien stützt, könnte die behauptete Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Freiheit der Meinungsäußerung nur dann stattgefunden haben, wenn dieser Verordnungsvorschrift ein gesetz- bzw. verfassungswidriger Inhalt unterstellt oder wenn sie denkunmöglich angewendet worden wäre, was aber nur dann der Fall wäre, wenn die Behörde einen der Gesetzlosigkeit gleichkommenden Fehler begangen hätte (vgl. zB VfSlg. 12796/1991).
Der Beschwerdeführer spielte im Beisein des Journalisten G M zusammen mit Rechtsanwalt Dr. A K in seinen Kanzleiräumlichkeiten ein "Scheidungsverfahren im Hause Windsor" durch, wobei er als Rechtsberater eines Mitglieds des englischen Königshauses fungierte. Es ist offenkundig, daß der Beschwerdeführer durch dieses Verhalten aktiv am Erscheinen des Artikels am 27. Juni 1993 in der Neuen Kronen-Zeitung mitwirkte. Der belangten Behörde kann angesichts dieses Sachverhaltes nicht der Vorwurf gemacht werden, sie habe §45 RL-BA 1977 einen verfassungswidrigen Inhalt unterstellt bzw. diese Vorschrift denkunmöglich angewendet, wenn sie dieses Verhalten als verpönte Selbstanpreisung durch reklamehaftes Herausstellen der Person iS des §45 Abs3 lita RL-BA 1977 qualifiziert (vgl. in diesem Zusammenhang auch VfSlg. 14561/1996). Im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit der Meinungsäußerung ist der Beschwerdeführer somit nicht verletzt worden.
1.2. Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Freiheit der Erwerbsbetätigung wird mit Rücksicht auf den in Art6 StGG enthaltenen Gesetzesvorbehalt nur verletzt, wenn einem Staatsbürger durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde der Antritt oder die Ausübung einer bestimmten Erwerbsbetätigung untersagt wird, ohne daß ein Gesetz die Behörde zu einem solchen die Erwerbstätigkeit einschränkenden Bescheid ermächtigt, oder wenn die Rechtsvorschrift, auf die sich der Bescheid stützt, verfassungswidrig oder gesetzwidrig ist, oder wenn die Behörde bei der Erlassung des Bescheides ein verfassungsmäßiges Gesetz oder eine gesetzmäßige Verordnung in denkunmöglicher Weise angewendet hat (zB VfSlg. 10413/1985).
Daß die belangte Behörde den - gesetz- und verfassungsrechtlich unbedenklichen - §45 Abs3 lita RL-BA 1977 nicht denkunmöglich angewendet oder dieser Vorschrift einen gesetz- bzw. verfassungswidrigen Inhalt unterstellt hat, wurde bereits unter Punkt
1.1.3. dargelegt. Der Beschwerdeführer wurde sohin auch nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit der Erwerbsbetätigung verletzt.
2.1. Unter dem Titel der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art83 Abs2 B-VG) und auf ein faires Verfahren (Art6 EMRK) bringt der Beschwerdeführer vor:
Die Ladungen für die von der OBDK anberaumten Verhandlungstermine (für 29. November 1999, 9. Dezember 1999 und 20. Dezember 1999) seien ihm nicht persönlich, sondern - rechtswidrigerweise - nur seinem Vertreter zugestellt worden. Zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor der OBDK, die am 20. Dezember 1999 stattgefunden habe, sei er nachweisbar nicht in Wien gewesen. Die Verhandlung sei jedoch trotz seiner Abwesenheit durchgeführt worden, was Bedenken im Hinblick auf Art6 EMRK aufwerfe.
Im übrigen habe die OBDK durch die Mitwirkung des Anwaltsrichters Dr. B nicht als unparteiisches Tribunal iS des Art6 EMRK entschieden. Der Beschwerdeführer habe durch seinen Verteidiger in der Berufungsverhandlung vom 20. Dezember 1999 Anwaltsrichter Dr. B mit der Begründung abgelehnt, daß dieser in einem früheren Verfahren des Disziplinarrates der Rechtsanwaltskammer Wien an einer Entscheidung mitgewirkt habe, in welcher dem Beschwerdeführer die Ausübung der Rechtsanwaltschaft für die Dauer eines Jahres untersagt worden sei. In der gegen dieses Erkenntnis erhobenen Berufung habe der Beschwerdeführer dem damaligen Mitglied des Disziplinarrates (und nunmehrigen Anwaltsrichter) Dr. B strafrechtlich relevante Handlungsweisen vorgeworfen, was für das Verfahren vor der OBDK den Anschein der Parteilichkeit des Dr. B begründe.
Nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers habe im vorliegenden Fall auch deswegen eine nicht dem Gesetz entsprechend zusammengesetzte Kollegialbehörde entschieden, "weil für die OBDK der Grundsatz der festen Geschäftsverteilung nicht ausnahmslos gelte".
2.2. Der Beschwerdeführer wurde durch den angefochtenen Bescheid weder im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter noch in dem auf ein faires Verfahren verletzt:
2.2.1. Im vorliegenden Fall ist im Verfahren gegen den Beschwerdeführer in seiner Abwesenheit von der OBDK ein Disziplinarerkenntnis gefällt worden. Gemäß §51 Abs4 iVm. §35 DSt 1990 und §427 Abs3 StPO steht dem Beschuldigten die Möglichkeit offen, gegen ein in seiner Abwesenheit gefälltes Disziplinarerkenntnis Einspruch an die OBDK zu erheben. Wird diesem stattgegeben, weil nachweislich ein unabweisbares Hindernis das Erscheinen des Beschuldigten zur Verhandlung unmöglich gemacht hat, so ist eine neue Verhandlung anzuordnen.
Der Beschwerdeführer hat von dieser Einspruchsmöglichkeit keinen Gebrauch gemacht. Er kann der belangten Behörde daher nicht vorwerfen, daß er von ihr bei der Berufungsverhandlung nicht gehört worden wäre oder daß ihm von der belangten Behörde in rechtswidriger Weise die Möglichkeit abgeschnitten worden wäre, bei der Berufungsverhandlung Vorbringen, die zu seiner Entlastung geführt hätten, zu erstatten (so bereits VfSlg. 13298/1992).
Die vom Beschwerdeführer der Behörde vorgeworfenen Fehler im Zusammenhang mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung würden selbst für den Fall, daß von Gesetzes wegen eine persönliche Verständigung (zu eigenen Handen) erfolgen hätte müssen, lediglich einen Verfahrensmangel aufzeigen, der nicht in die Verfassungssphäre reicht (vgl. in diesem Zusammenhang auch die §§44 Abs2 und 50 Abs3 DSt 1990).
2.2.2. Zum Vorwurf, es habe ein befangenes Mitglied an der Entscheidung der OBDK mitgewirkt:
Zur geltend gemachten Verletzung des Art6 EMRK:
Die Behauptung, die Abweisung des Antrages auf Ablehnung des Anwaltsrichters Dr. B verstoße gegen Art6 EMRK, weil die Unparteilichkeit des Abgelehnten in Frage stehe, entbehrt der Darlegung hinlänglicher Gründe, die objektiv geeignet sind, zumindest den Anschein fehlender Unparteilichkeit aufzuzeigen. Weder der Umstand, daß Dr. B in einem früheren Verfahren gegen den Beschwerdeführer an einer Disziplinarentscheidung mitgewirkt habe, noch die Tatsache, daß ihm der Beschwerdeführer in einer Berufungsschrift strafrechtlich relevante Verhaltensweisen vorgeworfen habe, kann die nach Art6 EMRK geforderte Unparteilichkeit des Anwaltsrichters zweifelhaft erscheinen lassen. Von einem Richter muß erwartet werden können, daß er selbst dann unbefangen entscheidet, wenn etwa eine Partei ihm in einem Schriftsatz strafrechtlich relevantes Verhalten vorwirft oder gegen ihn unbegründete Strafanzeigen erstattet. Die Partei hätte es andernfalls in der Hand, ihr mißliebig erscheinende Richter durch die Erhebung von derartigen Vorwürfen in ihren Rechtssachen vom Verfahren auszuschließen (so auch die ständige Rechtsprechung des Obersten
Gerichtshofes: vgl. etwa OGH 1.9.1987, 5 Ob 347/87, OGH 18.9.1991, 1 Ob 575/91, OGH 23.2.1993, 1 Ob 623/92).
Zur behaupteten Verletzung des Art83 Abs2 B-VG:
Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes - von der abzugehen keine Veranlassung besteht - könnte selbst im Fall der Mitwirkung eines befangenen Organwalters an der Entscheidung eine Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter nicht bewirkt werden (vgl. etwa VfSlg. 10205/1984, 13976/1994).
Der Beschwerdeführer ist daher durch die Mitwirkung von Dr. B am Disziplinarverfahren vor der OBDK nicht in den gemäß Art83 Abs2 B-VG und Art6 EMRK gewährleisteten Rechten verletzt worden.
2.2.3. Zum Vorwurf, es habe eine unrichtig zusammengesetzte Kollegialbehörde entschieden, weil für die OBDK der Grundsatz der festen Geschäftsverteilung nicht "ausnahmslos" gelte, genügt es, auf die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu verweisen, wonach es keine verfassungsrechtliche Anordnung gibt, die eine feste Geschäftsverteilung für die nach dem DSt 1990 zu bildenden einzelnen Senate der OBDK gebieten würde (vgl. VfSlg. 9387/1982, 12108/1989, 12407/1990, 12462/1990, 12962/1992; vgl. dazu auch Strigl, Grundrechtsschutz und anwaltliches Disziplinarverfahren, AnwBl. 1995, 13 ff. (15)).
3.1. Schließlich erblickt der Beschwerdeführer durch die in Rede stehende Verurteilung eine Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz:
Es sei nicht einzusehen, daß die Standesbehörden sein Verhalten als Disziplinarvergehen qualifizieren, gleichzeitig aber in der Abbildung bestimmter prominenter Rechtsanwälte am Cover des österreichischen Nachrichtenmagazins "Profil" mit dem Titel "So mächtig sind Österreichs Anwälte" und den Untertiteln "Die knallharten Verteidiger, die diskreten Wirtschaftsadvokaten und die neuen Großkanzleien" kein - standeswidriges - reklamehaftes Herausstellen der Personen oder der Leistungen dieser Rechtsanwälte erblicken.
Zudem habe die belangte Behörde die erforderliche Ermittlungstätigkeit nicht durchgeführt, weil sie auf einen Brief des Zeugen G M nicht näher eingegangen sei.
3.2. Auch der Vorwurf einer willkürlichen Vorgangsweise der Standesbehörden in Bezug auf eine behauptete nicht einheitliche Entscheidungspraxis zum "Werbeverbot" für Rechtsanwälte in §45 RL-BA 1977 vermag keine Gleichheitswidrigkeit des angefochtenen Bescheides zu begründen. Selbst wenn der näher bezeichnete Artikel über prominente Rechtsanwälte im genannten Nachrichtenmagazin als verbotene Werbemaßnahme der darin vorkommenden Rechtsanwälte zu beurteilen wäre, ist dem Beschwerdeführer die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes entgegenzuhalten, wonach die Rechtmäßigkeit des Verhaltens einer Behörde nicht dadurch in Frage gestellt werden kann, daß die Behörde in anderen Fällen gleiche Fehlverhalten disziplinär nicht geahndet hat; daraus erwächst dem Beschwerdeführer kein Recht, daß sein Fehlverhalten nicht geahndet werde, denn das Ergebnis wäre ein Anspruch auf die Nichtanwendung des Gesetzes trotz gegebener Tatbestandsmäßigkeit, was ein innerer Widerspruch wäre (vgl. VfSlg. 6072/1969, 7836/1976, 11435/1987, 12796/1991, VfGH 25.9.2000, B1405/98).
Dem Vorwurf der mangelhaften Ermittlungstätigkeit ist zu erwidern, daß er allenfalls Verstöße gegen einfachgesetzliche Regelungen aufzeigt, aber nicht geeignet ist, einen in die Verfassungssphäre reichenden Vollzugsfehler zu erweisen. Ob nämlich der angefochtene Bescheid in jeder Hinsicht dem Gesetz entspricht, ist vom Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, und zwar auch dann nicht, wenn sich die Beschwerde - wie im vorliegenden Fall - gegen die Entscheidung einer Kollegialbehörde nach Art133 Z4 B-VG richtet, die beim Verwaltungsgerichtshof nicht bekämpft werden kann (vgl. etwa VfSlg. 13419/1993, 14408/1996, VfGH 25.9.2000, B1405/98).
4.1. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.
4.2. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß der Beschwerdeführer in von ihm nicht geltend gemachten sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde.
Die Beschwerde war daher abzuweisen.
5. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG 1953 ohne vorangegangene mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Meinungsäußerungsfreiheit, Rechtsanwälte Disziplinarrecht, Befangenheit, Kollegialbehörde, fair trial, WerbungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2001:B670.2000Dokumentnummer
JFT_09989380_00B00670_2_00