TE OGH 1973/7/10 3Ob100/73

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Veröffentlicht am 10.07.1973
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Norm

ABGB §276
Außerstreitgesetz §9
JN §1
Vereinsgesetz §1
Vereinsgesetz §4

Kopf

SZ 46/71

Spruch

Ein ausgeschlossenes Vereinsmitglied kann die Bestellung eines Kurators nur verlangen, wenn es eine Prozeßführung gegen den Verein beabsichtigt und kein zur Vertretung des Vereines vor Gericht berechtigtes Organ vorhanden ist

Ein aus dem Verein ausgeschlossenes Mitglied kann auf die Organbildung des Vereines und die Führung der Vereinsgeschäfte keinen Einfluß nehmen; es muß zunächst den erfolgten Ausschluß bekämpfen, ehe es weder an der Organbildung des Vereines mitwirken und seine sonstigen statutengemäßen Mitgliedschaftsrechte ausüben kann

Die Bekämpfung eines ungerechtfertigten Ausschlusses aus dem Verein hat sowohl hinsichtlich der formellen als auch der materiellen Voraussetzungen im ordentlichen Rechtsweg zu erfolgen

Nur die Hemmung eigener Rechte, nicht aber die Hemmung der Rechte dritter Personen berechtigt zur Antragstellung nach § 276 ABGB

Einem Vereinsmitglied kann daher nicht das Recht zugebilligt werden, zur ausschließlichen Wahrung der Rechte anderer Vereinsmitglieder die Bestellung eines Kurators anstelle der angeblich funktionsunfähigen Vereinsleitung zu beantragen

OGH 10. Juli 1973, 3 Ob 100/73 (LG f. ZRS Graz 3 E 106/73; BG f. ZRS Graz 14 Nc 2/73)

Text

Dr. Gottfried I beantragte die Bestellung eines Kurators anstelle der Vereinsleitung des Union G E-Vereines mit folgender Begründung:

Bei der satzungswidrig einberufenen Generalversammlung am 30. Oktober 1971 sei eine satzungswidrig nur aus 7 statt 12 Mitglieder bestehende Vereinsleitung gewählt worden und die Wahl eines Obmannes überhaupt unterblieben. Infolge des unwiderruflichen Rücktrittes des Präsidenten Dipl.-Ing. W und des, wenn auch rechtswidrigen Ausschlusses des Vereins- und Vorstandsmitgliedes Med.-Rat Dr. Gottfried 1 bestehe die Vereinsleitung nur mehr aus 5 Mitgliedern, deren Funktionsperiode außerdem bereits abgelaufen sei. Die Vereinsleitung sei daher nicht beschlußfähig. Die Bestellung eines Kurators anstelle der Vereinsleitung zur raschen Einberufung und Durchführung einer Generalversammlung mit Wahl eines statutengemaßen Vereinsvorstandes, zur sofortigen Übernahme der Vereinsgeschäfte und zur gesetzlichen Vertretung des Vereins in den gerichtlichen Verfahren der Vereinsmitglieder sei dringend notwendig, damit sowohl die gefährdeten Rechte des rechtswidrig aus dem Verein ausgeschlossenen Antragstellers als auch die gemeinsamen Rechte aller Mitglieder wahrgenommen werden könnten.

Das Erstgericht wies diesen Antrag mit Beschluß vom 19. Jänner 1973 ab, weil es der Ansicht war, daß die Bestellung eines Abwesenheitskurators für eine ihrer Organe beraubten und daher handlungsfähigen juristischen Person unzulässig sei.

Der dagegen erhobenen Vorstellung des Antragstellers gab das Erstgericht Folge und bestellte in Abänderung seiner angefochtenen Entscheidung den Rechtsanwalt Dr. Erich B später Dr. Franz I, gemäß § 276 ABGB anstelle der Vereinsleitung des genannten Vereines zum Kurator.

Das Rekursgericht wies den Antrag des Dr. Gottfried I auf Kuratorbestellung zurück. Es führte aus, daß der Antragsteller nicht Mitglied des Vereines sei; über die Rechtmäßigkeit seines Ausschlusses könne nur im Rechtsweg entschieden werden, eine solche Entscheidung sei bisher nicht ergangen. Als Dritter sei Dr. Gottfried I zur Antragstellung nur legitimiert, wenn durch die behauptete Handlungsunfähigkeit des Vereines seine Rechte im Gange gehemmt wären. Dem Vorbringen des Antragstellers sei jedoch nicht zu entnehmen, welches seiner konkreten Rechte durch die behauptete satzungswidrige Bestellung und Vorgangsweise des Vereinsvorstandes beeinträchtigt werde. Die Anfechtung seines Ausschlusses beabsichtige der Antragsteller nicht. Es fehle ihm daher ein die Antragstellung nach § 276 ABGB rechtfertigendes Interesse.

Der Oberste Gerichtshof hob den Beschluß des Rekursgerichtes auf und trug ihm die neuerliche Entscheidung auf.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Wer die Bestellung eines Kurators beantragt hat, ist, wenn sein Antrag zurückgewiesen wird, zum Rekurs berechtigt (vgl. EvBl. 1955/333). Die Zulässigkeit des Revisionsrekurses ist daher zu bejahen.

Dem Rekursgericht ist beizupflichten, daß dem Antragsteller die Sachlegitimation fehlt. Zunächst ist festzuhalten, daß nur die Hemmung eigener Rechte, nicht aber die Hemmung der Rechte dritter Personen zur Antragstellung nach § 276 ABGB berechtigt (vgl.JBl.1953, 323 u. a.). Einem Vereinsmitglied kann daher nicht das Recht zugebilligt werden, als Schirmherr anderer Vereinsmitglieder aufzutreten und zur ausschließlichen Wahrung deren Rechte die Bestellung eines Kurators für die angeblich funktionsunfähige Vereinsleitung zu beantragen. Ein aus dem Verein rechtsgültig ausgeschlossenes Mitglied kann auf die Organbildung des Vereines und die Führung der Vereinsgeschäfte keinen Einfluß nehmen. Ein ausgeschlossenes Vereinsmitglied muß zunächst den erfolgten Ausschluß bekämpfen, ehe es wieder an der Organbildung des Vereines mitwirken und seine sonstigen statutengemäßen Mitgliedschaftsrechte ausüben kann. Die Bekämpfung eines ungerechtfertigten Ausschlusses aus dem Verein hat im Streitfall sowohl hinsichtlich der formellen als der materiellen Voraussetzungen nach einhelliger Auffassung im ordentlichen Rechtsweg zu erfolgen (SZ 13/218, 32/49, 34/152 u. a.). Der Rekurswerber ist als ausgeschlossenes Vereinsmitglied vor erfolgreicher Bekämpfung seines Ausschlusses im ordentlichen Rechtsweg nicht berechtigt, die Bestellung eines Kurators anstelle der Vereinsleitung zur Einberufung und Durchführung einer Generalversammlung mit Wahl der Organe und zur Übernahme der Vereinsgeschäfte zu beantragen. Das Recht, die Bestellung eines Kurators zu verlangen, wäre dem Rekurswerber nur zuzubilligen, wenn er eine Prozeßführung gegen den Verein beabsichtigte und kein zur Vertretung des Vereines vor Gericht berechtigtes Organ vorhanden wäre. Der Rekurswerber hat wohl die Kuratorbestellung auch "zur gesetzlichen Vertretung des Vereines in den gerichtlichen Verfahren der Vereinsmitglieder" beantragt, aber nicht behauptet, daß er die Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens beabsichtige. Er hat vielmehr in seiner Vorstellung vorgebracht, daß er nicht die Absicht habe, einen Prozeß anzustrengen.

Das Verfahren zweiter Instanz ist jedoch mangels Prüfung der Vertragsbefugnis jener Person, die den einschreitenden Anwalt namens des Vereines bevollmächtigt haben, mangelhaft geblieben.

Die Vollmacht des für den Verein einschreitenden Rechtsanwaltes wurde vom "Präsidenten" Dipl.-Ing. Walter W und vom "Geschäftsführer" Viktor S ausgestellt. Die Funktion eines Präsidenten und Geschäftsführers ist in den Statuten nicht vorgesehen. Die vom Verein diesbezüglich behauptete Statutenänderung wäre nur wirksam, wenn sie der Vereinsbehörde angezeigt und die Umbildung des Vereines von der Behörde nicht untersagt worden wäre (§§ 4 Abs. 2 lit. b, 7 Abs. 1, 10 VerG 1951; Fessler Österreichisches Vereinsrecht, 43). Die Unterlassung dieser Anzeige steht jedoch der Vertretungsbefugnis des "Präsidenten" nicht entgegen. "Obmann" und "Präsident" sind zwei verschiedene, im Vereinsleben übliche Bezeichnungen für ein- und dieselbe Funktion. Wesentlich für die Vertretungsbefugnis des "Präsidenten" ist, daß von der hiezu berufenen Generalversammlung ein dem in den Statuten vorgesehenen Obmann gleichwertiges, wenn auch statutenwidrig anders bezeichnetes Organ gewählt wurde. Demzufolge ist der "Präsident" Dipl.-Ing. Walter W zur Vertretung des Vereines in gerichtlichen Verfahren berechtigt, es sei denn, daß er, was wohl behauptet, aber nicht geprüft wurde, als Präsident (= Obmann) vor Vollmachtserteilung wirksam zurückgetreten wäre.

Hingegen ist der sogenannte "Geschäftsführer" zur Vertretung des Vereines nicht legitimiert. Daß der Geschäftsführer Stellvertreter des Obmannes, bzw. Präsidenten sei, ergibt sich weder aus der Funktionsbezeichnung noch sonst aus den Akten.

Das Rekursgericht wird daher durch geeignete Erhebungen zu klären haben, ob und wann der Präsident Dipl.-Ing. Walter W von seiner Funktion wirksam zurückgetreten ist. Sollte er vor Vollmachtserteilung zurückgetreten und die Behebung des Mangels der gesetzlichen Vertretung unmöglich sein, wäre der vom Verein gegen die Entscheidung der ersten Instanz erhobene Rekurs zurückzuweisen. Andernfalls wird der Rekurs des Vereines meritorisch zu erledigen und der Antrag des Dr. Gottfried I auf Bestellung eines Kurators in Abänderung der Entscheidung des Erstgerichtes zurückzuweisen sein.

Anmerkung

Z46071

Schlagworte

Abwesenheitskurator, Voraussetzungen zur Antragstellung Kurator, Bestellung des -s auf Antrag des ausgeschlossenen Vereinsmitgliedes für Verein Ordentlicher Rechtsweg für Bekämpfung eines ungerechtfertigten Ausschlusses aus dem Verein Vereinsmitglied, Antrag auf Bestellung eines Kurators für Verein durch ausgeschlossenes - Vereinsmitglied, Bekämpfung des Ausschlusses im ordentlichen Rechtsweg durch ausgeschlossenes - Vereinsmitglied, Einflußnahme auf die Organbildung des Vereines durch ausgeschlossenes -

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1973:0030OB00100.73.0710.000

Dokumentnummer

JJT_19730710_OGH0002_0030OB00100_7300000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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