Norm
ZPO §565Kopf
SZ 46/91
Spruch
Einwendungen gegen eine den Formerfordernissen des § 565 Abs. 2 ZPO in Verbindung mit § 562 Abs. 1 und 2 ZPO nicht genügende außergerichtliche Aufkündigung dürfen nicht zurückgewiesen werden, sofern nur überhaupt eine Kündigung im materiell-rechtlichen Sinn, also eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung vorliegt, die den Willen des Erklärenden, ein zwischen den Parteien bestehendes Bestandverhältnis zu einem bestimmten Zeitpunkt aufzulösen, klar erkennen läßt. Eine Erklärung des Bestandgebers, die weder den "aufgekundigten" Bestandgegenstand deutlich bezeichnet noch den Zeitpunkt nennt, in dem das Bestandverhältnis enden soll, ist keine Kündigung
OGH 26. September 1973, 5 Ob 164/73 (LG Innsbruck 2 R 406/73; BG Kitzbühel C 1 170/72)
Text
Die klagende Gemeinde K ist Eigentümer des Grundstückes Nr. 574/1 der KG K-St. Ein als Terrasse ausgestalteter Teil dieser Parzelle zwischen dem - seit 1969 im Eigentum der Beklagten stehenden - Hotel R und der Straßenfläche der Vorderstadt war schon seit Jahrzehnten von dem genannten Hotel und dem angrenzenden Cafe L dadurch gewerblich genutzt worden, daß dort während der warmen Jahreszeit Tische und Sitzgelegenheiten für die Gäste der beiden Betriebe aufgestellt wurden. Mit dem als "Pachtvertrag" bezeichneten Vertrag vom 10. Feber 1956 "verpachtet" die Klägerin die Terrasse dem Rechtsvorgänger der Beklagten, Guido R, für die Dauer von 30 Jahren gegen Zahlung eines wertgesicherten jährlichen Entgelts von 1500 S zur Benützung "als Gastgarten bzw. Terrasse" für seinen gastgewerblichen Betrieb. Guido R verpflichtete sich, das Bestandobjekt nach den Wünschen der Klägerin auszugestalten, es vor allem mit reichlichem Blumenschmuck zu versehen und den Passanten den freien Durchgang über die Terrasse zu gewähren. Punkt VI des Vertrages enthält die Verpflichtung des Bestandnehmers, auf Verlangen der Klägerin Teile des "Pachtgrundes" schon vor Ablauf des Bestandverhältnisses zurückzustellen, soweit die Gemeinde K diese zur Erweiterung der angrenzenden Straßen benötige und in Anspruch nehme.
Am 15. Dezember 1972 übermittelte die Klägerin der Beklagten nachstehendes Schreiben.
"Der Gemeinderat beschloß in seiner Sitzung vom 14. Dezember 1972, den Gehsteig entlang der Terrasse vor den Häusern der Frau Grete L und der Hotel Guido R, Gastwirtschaftsbetriebs-Ges. m. b. H in der Vorderstadt um einen Meter zu verbreitern und nimmt daher den zur Verbreiterung notwendigen Grundstreifen von der bestehenden Terrasse der Gp. 574/1 KG A gemäß Punkt VI des Pachtvertrages, abgeschlossen zwischen der Stadtgemeinde K als Verpächterin einerseits und Herrn Guido R, Hotelier, als Pächter andererseits vom 3. 3. 1956 in Anspruch.
Die Verschmälerung der Terrasse ist daher erforderlich.
Mit der Bitte um Kenntnisnahme."
Die Beklagte erhob dagegen am 20. Dezember 1972 gerichtliche Einwendungen mit dem Antrag, die "außergerichtliche Teilkündigung vom 15. 12. 1972" mit Urteil aufzuheben.
Bei der darüber im Sinne des § 571 ZPO durchgeführten mündlichen Verhandlung beantragte die Klägerin die Zurückweisung der Einwendungen u. a. deshalb, weil ihr Schreiben vom 15. Dezember 1972 keine Kündigung gewesen sei.
Nach Vernehmung zweier Zeugen und Parteienvernehmung eines Vertreters der Klägerin hob das Erstgericht mit Urteil vom 4. April 1973 die "außergerichtliche Aufkündigung vom 15. Dezember 1972" auf; gleichzeitig wies es das Begehren, die Beklagte zur Räumung des "zur Gehsteigverbreiterung um einen Mieter nötigen Grundstreifens von der bestehenden Terrasse Gp. 574/1 KG K-St. zu verhalten, ab. Das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien sei ein den Kündigungsbeschränkungen des Mietengesetzes unterliegendes Mietverhältnis über eine Geschäftsräumlichkeit im Sinne des § 1 Abs. 1 MG. Obgleich das Schreiben der Klägerin vom 15. Dezember 1972 sicherlich nicht den gesetzlichen Formerfordernissen einer Aufkündigung nach § 562 ZPO entspreche, sei ihm dennoch die Absicht der Klägerin, das Mietverhältnis mit der Beklagten einseitig teilweise aufzulösen, klar zu entnehmen. Im Sinne der neueren Rechtsprechung müsse der Beklagte daher das Recht zugebilligt werden, sich gegen eine solche, wenn auch mit formalen Fehlern behaftete Kündigung durch Erhebung gerichtlicher Einwendungen im Sinne des § 566 ZPO zur Wehr zu setzen. Diesen sohin zulässigen Einwendungen sei aber schon deshalb stattzugeben gewesen, weil dir Klägerin das Mietverhältnis gemäß § 21 Abs. 1 MG nur gerichtlich hätte kundigen dürfen.
Infolge Berufung der Klägerin hob das Berufungsgericht das Urteil des Erstgerichtes und das ihm vorangegangene Verfahren als nichtig auf und wies die Einwendungen der Beklagten als unzulässig zurück. Da das Schreiben der Klägerin vom 15 Dezember 1972 wohl in gewissem Sinne den in Anspruch genommenen Teil des Bestandgegenstandes bezeichne, aber überhaupt keinen Termin anführe, zu dem die Räumung der betreffenden Grundflache gewünscht werde, könne es nicht als Teilkündigung, sondern nur als Ankündigung der Klägerin aufgefaßt werden, daß sie ihre Rechte nach Punkt VI des Vertrages kunftig einmal wahrnehmen werde. Mangels Vorliegens einer außergerichtlichen Aufkündigung seien die Einwendungen der Beklagten daher unzulässig gewesen, was die Nichtigkeit des darüber nach § 571 ZPO eingeleiteten Verfahrens gemäß § 477 Abs. 1 Z. 6 ZPO zur Folge habe.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der Beklagten gegen diese Entscheidung des Berufungsgerichtes nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Der - in sinngemäßer Anwendung des § 519 Z. 2 ZPO als zulassig anzusehende - Rekurs ist nicht berechtigt.
Im Sinne der - auch von Fasching (IV 664 f., § 566 ZPO Anm. 3) gebilligten - neueren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (MietSlg. 21.853, 23.687, 24.599; 5 Ob 67/73 u. a.) sind die Untergerichte zutreffend davon ausgegangen, daß Einwendungen gegen eine den Formerfordernissen des § 565 Abs. 2 ZPO in Verbindung mit § 562 Abs. 1 und 2 ZPO nicht genügende außergerichtliche Aufkündigung nicht zurückgewiesen werden dürfen, sondern daß über sie, wenn sie rechtzeitig erhoben worden sind, gemäß § 571 Abs. 1 ZPO eine Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung anzuordnen und dann mit Urteil zu entscheiden ist. Voraussetzung für die Einleitung eines solchen Verfahrens ist aber immer, daß es sich überhaupt im materiellrechtlichen Sinne um eine Kündigung, also um eine einseitige, empfangsbedürftige Erklärung handelt, nach der das Bestandverhältnis in einem bestimmten Zeitpunkt sein Ende finden soll (MietSlg. 3.554, 24.599; Klang[2] V, 105; Fasching IV, 664). Nur einer Äußerung, die - wenn auch nicht notwendig unter Verwendung der Wörter "Aufkündigung", "Kündigung"" "kundigen" oder dgl. (MietSlg. 6.139) - den Willen des Erklärenden, ein zwischen den Parteien bestehendes Bestandsverhältnis zu einem bestimmten Zeitpunkt aufzulösen, klar erkennen läßt und damit die Mindesterfordernisse einer Kündigungserklärung enthält (vgl. MietSlg. 3.554, 4.268, 6.836, 18.701; Klang[2] V, 109), kann mit gerichtlichen Einwendungen im Sinne des § 566 ZPO entgegengetreten werden; liegt dagegen wegen Fehlens dieser Voraussetzungen gar keine Kündigungserklärung vor, dann sind die dagegen erhobenen Einwendungen unzulässig und vom Gericht zurückzuweisen (SZ 24/243; MietSlg. 4.268, EvBl. 1959/82 = MietSlg. 6.840).
Unter Bedachtnahme auf diese Grundsatze hat das Berufungsgericht dem Schreiben der Klägerin vom 15. Dezember 1972 mit Recht die Eigenschaft einer außerordentlichen (Teil-)Kündigung des Bestandverhältnisses mit der Beklagten abgesprochen: Die Klägerin teilt der Beklagten in diesem Brief "mit der Bitte um Kenntnisnahme" lediglich mit, daß der Gemeinderat der Stadt K in seiner Sitzung vom 14. Dezember 1972 eine Verbreiterung des Gehsteiges vor dem Hotel Guido R um einen Meter beschlossen habe und daher "den zur Verbreiterung notwendigen Grundstreifen von der bestehenden Terrasse ... gemaß Punkt VI des Pachtvertrages ... in Anspruch" nehme; die Verschmälerung der Terrasse sei "daher erforderlich". Bei ungezwungener Auslegung kann diese Erklärung nur als Mitteilung der Klägerin an die Beklagte verstanden werden, daß nunmehr der im Punkt VI des Vertrages ins Auge gefaßte Fall einer Verbreiterung der Straße eingetreten sei und die Beklagte deshalb ihrer vertraglichen Verpflichtung zur Rückstellung des entsprechenden Teiles der Bestandfläche nachzukommen haben werde, eine darüber hinausgehende Absicht der Klägerin, das Bestandverhaltnis in diesem eingeschränkten Umfang schon jetzt einseitig zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt durch Kündigung aufzulösen ist dem Schreiben vom 15. Dezember 1972 keinesfalls eindeutig zu entnehmen. Davon abgesehen, entspricht der erwähnte Brief schon deshalb nicht einmal den oben angeführten Mindesterfordernissen einer Kündigungserklärung, weil er einerseits keine klare und zweifelsfreie Bezeichnung des aufgekundigten Bestandgegenstandes enthält - der "zur Verbreiterung des Gehsteiges um 1 m notwendige Grundstreifen" muß sich durchaus nicht, wie das Berufungsgericht meint, mit dem 1 m breiten Streifen neben der Straße decken -, andererseits und vor allem aber den von der Klägerin ins Auge gefaßten Zeitpunkt der Beendigung des Bestandverhältnisses in keiner Weise erkennen läßt. Eine Erklärung, die weder den aufgekundigten Bestandgegenstand deutlich bezeichnet noch den Zeitpunkt nennt, in dem das Bestandverhältnis enden soll, ist aber keine außergerichtliche Aufkündigung, gegen die gerichtliche Einwendungen
erhoben werden könnten (ZBl. 1929/349 = MietSlg. 13.190; EvBl.
1962/458 = MietSlg. 9.931; MietSlg. 18.701). Wenn die Beklagte
dagegen ins Treffen führt, daß die Erklärung der Klägerin vom 15. Dezember 1972 mangels Anführung eines bestimmten Termins eben als sofortige Inanspruchnahme der betreffenden Grundfläche aufgefaßt werden müsse, dann ist sie darauf zu verweisen, daß nach der österreichischen Rechtssprache als "Aufkündigung" - im Gegensatz zum vorzeitigen "Abstehen vom Vertrag" durch den Bestandnehmer nach § 1117 ABGB und zur "früheren Aufhebung" des Vertrages durch den Bestandgeber nach § 1118 ABGB - nur eine solche einseitige Auflösungserklärung bezeichnet wird, welche die Beendigung des Bestandverhältnisses erst nach Ablauf einer Frist, eben der Kündigungsfrist, bewirkt (s. dazu Klang[2] V, 106). Eine Erklärung, mit der die sofortige Übergabe der Bestandsache gefordert wird, könnte daher schon aus diesem Grund nicht als Aufkündigung im Sinne der §§ 1114, 1116 ABGB beurteilt werden.
Liegt aber nach dem Gesagten überhaupt keine Kündigungserklärung der Klägerin vor, dann waren die dagegen erhobenen gerichtlichen Einwendungen der Beklagten unzulässig und das trotzdem gemäß § 571 ZPO eingeleitete Verfahren gemäß § 477 Abs. 1 Z. 6 ZPO nichtig (EvBl. 1959/82 = MietSlg. 6.840). Das Berufungsgericht hat daher mit Recht - und zwar ungeachtet der Anberaumung einer Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung gemäß § 494 ZPO in Verbindung mit § 478 Abs. 1 ZPO in Beschlußform - das vom Erstgericht durchgeführte Verfahren als nichtig aufgehoben und die Einwendungen der Beklagten als unzulässig zurückgewiesen.
Anmerkung
Z46091Schlagworte
Außergerichtliche Aufkündigung, Einwendungen gegen eine den, Formerfordernissen nicht genügende -, Einwendungen gegen eine den Formerfordernissen nicht genügende, außergerichtliche AufkündigungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1973:0050OB00164.73.0926.000Dokumentnummer
JJT_19730926_OGH0002_0050OB00164_7300000_000