Norm
ABGB §1438Kopf
SZ 47/9
Spruch
Der ausgeschiedene Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft haftet für die bestehenden, wenn auch noch nicht fälligen Schulden der Gesellschaft weiter
Ein stillschweigender Verzicht auf die Aufrechnung kann sich aus dem Zweck eines Vertrages ergeben. Das gilt insbesondere für Forderungen einer Bank gegen den Kunden, wenn sie im Überweisungsverkehr Aufträge übernommen hat, aber auch während des Bestehens eines Girovertrages bei Geldern, die auf das Girokonto von Dritten einbezahlt wurden
OGH 30. Jänner 1974, 1 Ob 212/73 (OLG Wien 1 R 156/73; HG Wien 12 Cg 26/72)
Text
Die Rechtssache war bereits einmal vor dem Obersten Gerichtshof anhängig, so daß zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen zunächst auf den Inhalt der damals ergangenen Entscheidung 1 Ob 318/71 (SZ 44/179 = JBl. 1972, 370) verwiesen werden kann. Im fortgesetzten Verfahren wurde der Rechtsstreit auch wieder gegen die protokollierte Firma E und Co. sowie deren persönlich haftende Gesellschafterin Erika I geführt; beide wurden rechtskräftig zur ungeteilten Hand zur Bezahlung von 10.985.900 S samt 9% Zinsen seit 13. August 1972 verurteilt. Das Begehren gegen den nunmehr noch allein beklagten Dr. Gottfried I wurde - der Höhe nach unbestritten - auf den Betrag von 9.901.521 S samt 7.5% Zinsen vom 1. Oktober 1968 bis 30. April 1969 und 9% Zinsen seit 21. Dezember 1972, zahlbar zur ungeteilten Hand mit der Firma E und Co. und Erika I, eingeschränkt.
Die dem klagsgegenständlichen Vertrag zugrunde liegende, der Firma E und Co. gegenüber erklärte Promesse der klagenden Partei, des C-Kreditinstitutes, vom 5. April 1965 enthält folgenden Satz: "Zur Vereinfachung des Rückzahlungsvorganges ersuchen wir Sie, Ihr Schillingkonto bei unserer Zentrale, Zweigstelle, Filiale G, termingerecht, jedoch spätestens am Fälligkeitstag zu dotieren, so daß die Abbuchung zu Lasten dieses Kontos und die Gutschrift auf Ihrem Darlehenskonto auf direktem Weg vorgenommen werden kann."
Weiter heißt es: "Es gilt als vereinbart, daß Sie die Kontoverbindung mit der Volksbank G. auflösen und in Hinkunft Ihre bankmäßigen Umsätze bei der Filiale G. unseres Institutes abwickeln werden."
Der Anfang des ersten Absatzes des Punktes i0 des Schuldscheines vom 6./12. April 1965 lautet: "Im Falle die bedungenen Annuitätsraten oder nur eine derselben ganz oder teilweise oder irgendeine andere den Schuldner treffende Zahlung an den Verfallstagen zu leisten versäumt würde oder überhaupt eine oder die andere der in diesem Schuldscheine vom Schuldner übernommenen Verpflichtungen - auch jener, bei welchen die hier festgesetzte Verzugsfolge nicht ausdrücklich angeführt ist - nicht pünktlich erfüllt würde, ist das C-Kreditinstitut berechtigt, den Schuldner nach ihrer Wahl entweder zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit zu verhalten oder des Rechtes, die Zahlung in Annuitäten zu leisten, verlustig zu erklären ...", Punkt 2 der dem Kreditverhältnis zugrunde liegenden "Allgemeinen Geschäftsbedingungen" der österreichischen Kreditinstitute lautet:
"Unterhält der Kunde mehrere Konten, so kann das Kreditinstitut in allen Fällen Forderungen gegen Verbindlichkeiten aufrechnen, der Kunde aber nur insoweit, als seine Forderungen vom Kreditinstitut anerkannt sind, in derselben Währung bestehen und die Verpflichtungen übersteigen. Das Kreditinstitut ist jedoch nicht verpflichtet, bei der Zinsenverrechnung auf den Bestand mehrerer Konten Rücksicht zu nehmen. Es ist berechtigt, den Saldo einzelner Konten selbständig geltend zu machen."
Der Beklagte wendete gegen den Klagsanspruch neben der bereits in der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes 1 Ob 318/71 abgelehnten Behauptung des Vorliegens einer Novation im wesentlichen ein: Ihm gegenüber sei die Fälligkeit des ganzen Darlehensbetrages nicht eingetreten, er sei nicht zur fristgerechten Zahlung rückständiger Kapital- und Zinsenquoten aufgefordert, der Verzug der Firma E und Co. sei ihm nicht bekanntgegeben worden. Der gesamte Geldverkehr der Firma E und Co. laufe über ein Konto und G Filiale der klagenden Partei. Diese sei auf Grund der"Allgemeinen Geschäftsbedingungen" für Kreditinstitute berechtigt, aus dem Guthaben der Darlehensschuldnerin die fälligen Annuitäten abzudecken. Sie habe dies trotz vorhandener Deckung unterlassen und dadurch ihre Verpflichtung zur Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes und zur Wahrung der Interessen des Kunden verletzt. Dadurch und durch ihr offensichtliches Zusammenspiel mit Erika I habe die klagende Partei sittenwidrig gehandelt. Die klagende Partei sei berechtigt und verpflichtet gewesen, die Rückstände aus dem bei ihrer Filiale in G bestehenden Guthaben der Firma E und Co. abzudecken. Die klagende Partei habe aus den Eingängen auf dem Konto der Firma E und Co. die gesamte fällig gestellte Darlehensforderung, allerdings ohne Berücksichtigung von Lastschriften, durch Aufrechnung tilgen können. Unter Hinweis auf sein Vorbringen wendete der Beklagte auch eine ihm zustehende Schadenersatzforderung in Höhe des Klagsbetrages aufrechnungsweise ein, da er durch das Verhalten der klagenden Partei schuldhaft geschädigt worden sei.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt und stellte im wesentlichen fest: Die Abbuchungen der vor dem 1. Oktober 1968 fälligen Annuitäten durch die klagende Partei vom Konto der Firma E und Co. bei der G Filiale der klagenden Partei sei jeweils drei bis sechs Tage nach den fälligen Terminen erfolgt; es sei jedoch jeweils bereits am Fälligkeitstag und bis zum Tage der tatsächlichen Abbuchung ein die fällige Schuldigkeit übersteigendes Guthaben auf dem Konto vorhanden gewesen; die Zinsen seien jeweils so berechnet worden, als ob die Abbuchung pünktlich erfolgt wäre. Die am 1. Oktober 1968 fällige Annuität von 616.967 S sei bis zum 17. März 1969 gestundet worden. Der Betrag sei bis zu diesem Zeitpunkt nicht zur Gänze bezahlt worden, die am 1. April 1969 fällige Annuität von 616.964 S überhaupt nicht. Der Schlußstand des Kontos der Firma E & Co. am 31. März 1969 habe 354.848.84 S betragen. Am 1. April 1969 seien 89.309.50 S (richtig: 88.809.50 S) eingegangen, wogegen auf Grund von Überweisungsaufträgen der Firma E und Co. 262.262.30 S, davon 200.000 S zur teilweisen Tilgung der am l. Oktober 1968 fällig gewesenen und bis 17. März 1969 gestundeten Annuität abgebucht worden seien; der Schlußstand am 1. April 1969 habe daher 181.369.04 S betragen. Durch Ein- und Ausgänge habe der Saldostand auch in den folgenden Tagen 444.610.04 S nicht überstiegen. Am 14. April 1969 habe die klagende Partei an die Firma E und Co. ein Schreiben gerichtet, daß von der am 1. Oktober 1968 fällig gewesenen Annuität noch ein Betrag von 38.726 S offen und die am 1. April 1969 angefallene Annuität noch zur Gänze unberichtigt sei. Die klagende Partei habe um umgehende Abdeckung des gesamten Rückstandes bis 30. April 1969 ersucht; sollte der Rückstand bis dahin nicht beglichen und auch kein akzeptabler Vorschlag zur Begleichung der Rückstände unterbreitet werden, sei sie gezwungen, die Fälligstellung des Darlehens vorzunehmen. Es sei keine Zahlung erfolgt; der Saldo auf dem Konto der Firma E und Co. habe bei Berücksichtigung der Eingänge und der auf Weisung der Firma E und Co. erfolgten Ausgänge auch an keinem Tage bis 2. Mai 1969 den geschuldeten Betrag erreicht, worauf die klagende Partei am 2. Mai 1969 das gesamte Darlehen per l. Mai 1969 mit einer offenen Forderung von 10.985.900 S fällig gestellt habe. Die Vereinbarung der Abbuchung habe den heute verkehrsüblichen Grundsätzen des unbaren Zahlungsverkehrs entsprochen. Wenn am Fälligkeitstag der volle Abbuchungsbetrag auf dem Konto nicht vorhanden sei, entscheide über ein allfälliges Zuwarten lediglich die Kulanz der Bank gegenüber ihren Kunden. Die Abbuchung der Annuität per 1. April 1969 hätte nur erfolgen können, wenn die klagende Partei den ihr von der Firma E und Co. erteilten Zahlungsaufträgen an Dritte am 1. und 2. April 1969 nicht entsprochen hätte. Die Nichtzahlung an Lieferanten, Behörden oder Bedienstete hätte das Ansehen der Firma E und Co. schwer geschädigt; die klagende Partei habe mit dem Verzicht auf die Abbuchung das Kundeninteresse gewahrt. Die klagende Partei habe nicht abbuchen müssen, sondern sei jederzeit auch berechtigt gewesen, Barzahlung zu verlangen. Die klagende Partei habe verkehrsüblich gehandelt.
Rechtlich führte das Erstgericht aus: Zu einem Zuwarten über den Fälligkeitstag hinaus sei die klagende Partei nicht verpflichtet gewesen, auch wenn sie zuvor immer zu einem späteren Termin abgebucht habe. Bei Durchführung der Abbuchungsaufträge der Firma E und Co. sei die klagende Partei verpflichtet gewesen, deren Interessen mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes zu wahren. Für ein sittenwidriges Zusammenspiel der klagenden Partei mit Erika I zum Nachteil des Beklagten bestunden keine Anhaltspunkte. Die Voraussetzungen für eine Aufrechnung hätten nicht bestanden, da die Forderungen der Firma E und Co. deren Verpflichtungen nie überstiegen hätten. Auch das Guthaben der Firma E und Co. habe niemals die Höhe der gesamten aushaftenden Schuld erreicht.
Das Berufungsgericht bestätigte über Berufung des Beklagten und unter Übernahme der erstgerichtlichen Feststellungen die erstgerichtliche Entscheidung mit der Maßgabe, daß sie deren Spruch dahin ergänzte, daß die Forderung der klagenden Partei zu Recht und die Gegenforderung des Beklagten nicht zu Recht bestehe. Die Haftung des Gesellschafters stehe neben der Haftung der Gesellschaft. Der Gläubiger könne nach seiner Wahl die Gesellschaft oder die Gesellschafter oder beide gleichzeitig in Anspruch nehmen. Bei eingetretenem Terminverlust müsse der Beklagte im selben Umfang für die Forderung der klagenden Partei aufkommen wie die Firma E und Co. Die Rechtsbeziehungen des Beklagten zu Erika I seien für dieses Verfahren ohne Bedeutung. Bereits der ursprüngliche Vertrag mit der klagenden Partei, für dessen Erfüllung der Beklagte hafte, habe genaue Fälligkeitstermine vorgesehen. Zur Fälligstellung der einzelnen Annuitätsraten habe es keiner Mahnung bedurft. Die klagende Partei habe vielmehr im Falle eines Verzuges das gesamte Darlehen fällig stellen können. Eine solche Fälligstellung habe auch gegen den Beklagten gewirkt, ohne daß eine besondere Mahnung erforderlich gewesen wäre. Im übrigen habe auch die Klage die Wirkung der Mahnung gehabt; der Beklagte behaupte nicht einmal, die rückständigen Raten wenigstens nach Klagseinbringung bezahlt zu haben. Aus dem Zweck der Bestimmung des § 129 Abs. 3 HGB, auf die sich der Beklagte weiter berufe, müsse abgeleitet werden, daß der Gesellschafter die Möglichkeit einer Kompensation nur dann mit Erfolg einwenden könne, wenn eine solche Kompensation nicht nur nicht verboten, sondern auch zumutbar sei. Würde der Gläubiger durch die Kompensation seine eigenen Interessen beeinträchtigen oder gröblich gegenüber seinem Schuldner durch Verletzung eines besonderen Vertrauensverhältnisses verstoßen, könne man einer auf § 129 Abs. 3 HGB gestützten Einwendung keine Berechtigung zuerkennen. Zwischen dem 31. März und dem 2. Mai 1969 habe nun das Konto der Firma E und Co. unter Berücksichtigung durchgeführter Überweisungsaufträge nie einen Stand aufgewiesen, der die völlige Befriedigung der klägerischen Annuitätsforderung durch Abbuchung ermöglicht hätte. Fraglich könne nur sein, ob die klagende Partei verpflichtet gewesen wäre, unter Hintanstellung der Überweisungsaufträge die Abbuchungen vorzunehmen. Für die Möglichkeit einer solchen Befriedigung der klagenden Partei habe jedoch das erstgerichtliche Verfahren keine Anhaltspunkte geboten. Die Firma E und Co. hätte ohne weiteres die Möglichkeit gehabt, ihre Geschäftsgebarung auch über ein bei einer anderen Bank errichtetes Konto laufen zu lassen. Es könne auch ohne jedes weitere Verfahren ausgeschlossen werden, daß die Firma E und Co. nichts dagegen unternommen hätte, wenn die klagende Partei durch rücksichtslose Abbuchung sämtlicher Eingänge von ihrem Konto ihre Geschäftsgebarung zum Stillstand gebracht hätte. Bei der vom Beklagten gewünschten Vorgangsweise wäre die klagende Partei nicht in der Lage gewesen, ihre gesamte Forderung hereinzubringen. Die klagende Partei habe auch nicht daran interessiert sein können, durch rücksichtslose Abbuchungen die Hereinbringung ihres Kredites zu gefährden. Darüber hinaus habe zwischen der Firma E und Co. und der klagenden Partei ein Girovertrag entstanden, der die klagende Partei verpflichtet habe, die Anweisungen ihrer Kundin durchzuführen. Der klagenden Partei sei zwar ein Kompensationsrecht zugestanden, doch sei sie zu einer solchen Kompensation nicht verpflichtet gewesen. Wenn die klagende Partei unter Hintanstellung ihres Kompensationsrechtes die Interessen ihrer Kundin gewahrt habe, könne darin ein rechtswidriges Verhalten nicht erblickt werden. Nicht richtig sei es, daß das Erstgericht zur Schadenersatzforderung des Beklagten nicht Stellung genommen habe; es habe vielmehr ausgeführt, für das vom Beklagten behauptete sittenwidrige Zusammenspiel der klagenden Partei und der Erika I sei kein Anhaltspunkt gegeben. Die klagende Partei habe auch nicht in schikanöser oder sittenwidriger Weise gehandelt. Es sei daher nur dem Urteilsspruch die im § 545 Abs. 3 Geo. vorgesehene Fassung zu geben.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Im Vordergrund der Revision steht die Bekämpfung der rechtlichen Beurteilung der Rechtssache durch das Berufungsgericht. Hiebei ist davon auszugehen, daß der Beklagte bis 13. Juni 1967 und damit insbesondere auch am 6. und 12. April 1965 persönlich haftender Gesellschafter der Firma E und Co. war und daher gemäß §§ 128, 159 HGB auch noch im Jahre 1969 für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft der klagenden Partei gegenüber als Gesamtschuldner persönlich haftete. Das Ausscheiden des Beklagten als persönlich haftender Gesellschafter am 13. Juni 1967 beseitigte seine Haftung nicht (Baumbach - Duden, HGB[20], 449; Schlegelberger - Geßler, HGB[4], 1142, Anm. 30); er haftete insbesondere auch für die bestehenden, wenn auch noch nicht fälligen Schulden weiter (Hueck, Das Recht der offenen Handelsgesellschaft[4], 449); die Haftung beschränkte sich nur auf Gesellschaftverbindlichkeiten, die bereits im Zeitpunkt seines Ausscheidens begrundet waren (Eischer in Großkommentar, HGB[3], II/1, 307 Anm. 50). Zur Vereinfachung des Rückzahlungsvorganges hatte nun die klagende Partei in der Promesse vom 5. April 1965 die Firma E und Co. ersucht, ihr Schillingkonto bei der G Filiale der klagenden Partei am Fälligkeitstag so zu dotieren, daß die klagende Partei die Abbuchung zu Lasten dieses Kontos und die Gutschrift auf dem Darlehenskonto der Firma E und Co. auf direktem Wege vornehmen konnte. Erteilte nun aber die Firma E und Co. für die auf das Konto von Dritten einbezahlte Beträge jeweils noch am selben Tage Abbuchungsaufträge, gab sie damit eindeutig zu erkennen, daß sie nicht bereit war, die auf das Konto einbezahlten Beträge für die Abbuchung zur Abdeckung der fälligen Darlehensannuitäten freizugeben. Eine ausreichende Dotierung des Kontos zur Abbuchung im Sinne des Vereinfachungsersuchens der klagenden Partei durch die Firma E und Co. fand damit tatsächlich nicht statt. Soweit sich nämlich Einzahlungen durch Dritte und Überweisungsaufträge der Firma E und Co. gegenüberstanden, erfolgte die Zweckwidmung der auf dem Konto der Firma E und Co. befindlichen Beträge in anderem Sinne als zur Darlehensrückzahlung. Um die klagende Partei zu berechtigen, die Abbuchung einlangender Beträge zur Abdeckung der offenen Darlehensannuitätsforderungen zu verwenden, wäre jedoch ein zumindest aus schlüssigem Verhalten der Firma E und Co. erkennbare entsprechende Zweckwidmung erforderlich gewesen, da eine Dotierung des Kontos eine entsprechende Handlung der Firma E und Co. voraussetzte. Nach der Definition des Österreichischen Wörterbuches[4], 43 bedeutet nämlich der sonst im österreichischen juristischen Sprachgebrauch - vom Heiratsgut abgesehen - nicht übliche Ausdruck "dotieren" "die notwendigen Geldmittel zuweisen" und "Dotation" (vgl. Brockhaus Enzyklopädie, 5. Band, 58) die "planmäßige Zuweisung oder Ausstattung mit Sach- oder Geldmitteln" (vgl. auch Meyers Enzyklopädisches Lexikon, 7. Band, 142; Keysers Fremdwörterbuch, 97; Duden[16], 220). Die klagende Partei war, solange das Vertragsverhältnis mit der Firma E und Co. in vollem Umfang aufrechtbestand, keineswegs eindeutig berechtigt, die erkennbare Absicht der Firma E und Co., das Konto nicht mit Beträgen zur Bezahlung der Annuitäten zu dotieren, zu mißachten; sie konnte nur die ihr nach Punkt 10 Abs. 1 des Schuldscheines zustehenden Rechte zur Beendigung des Vertragsverhältnisses wahrnehmen.
Nach dem erwähnten Punkt 10 Abs. 1 des Schuldscheines konnte die klagende Partei sowohl die ganze Darlehensschuld fällig stellen als auch nur die Erfüllung der (laufenden) Verbindlichkeit verlangen; unter diesen Umständen stand es ihr aber auch ohne Verletzung des Vertrages frei, mit der Erklärung des Terminverlustes noch etwas zuzuwarten und der Firma E und Co. eine Nachfrist zu setzen, zumal ein solches Verhalten nach den Feststellungen der Untergerichte banküblich ist. All diese sich aus dem Vertrag ergebenden Möglichkeiten mußte der Beklagte in Kauf nehmen und eventuell gegen sich gelten lassen. Der Beklagte konnte von der klagenden Partei damit aber auch nicht erwarten oder gar verlangen, nur in Wahrung seiner Interessen ihre Ansprüche sofort bzw. von den nach Fälligkeit auf das Konto einbezahlten Geldbeträgen auf dem Wege der Abbuchung ohne Rücksichtnahme auf gegenteilige Aufträge der Darlehensnehmerin zu befriedigen. Dies durfte sie - wie das Berufungsgericht richtig ausführte - umsoweniger tun, als zwischen ihr und der Darlehensnehmerin Firma E und Co. auch ein Girovertrag bestand. Wie die Revision selbst darlegt, galt nämlich nach der Promesse vom 5. April 1965 als vereinbart, daß die Firma E und Co. die Kontenverbindung mit der Volksbank G auflösen und in Hinkunft ihre bankmäßigen Umsätze bei der Filiale G der klagenden Partei abwickeln werde. Die klagende Partei war damit, solange der Vertrag mit der Firma E und Co. aufrechtbestand, dem Wesen des Girovertrages entsprechend verpflichtet, die ihr aufgetragenen Zahlungen durch buchmäßige Umschreibungen zu bewirken; die klagende Partei hatte insbesondere die ihr aufgetragenen Überweisungen zu besorgen (SZ 38/169; Schinnerer, Bankverträge I, Nachtrag zur 2. Aufl., 43). Von dieser Verpflichtung war die klagende Partei erst mit der Beendigung der Geschäftsverbindung (vgl. Schinnerer, Bankverträge[2] I, 159) befreit. Die klagende Partei hatte daher auch nicht das Recht zu überprüfen, ob die Überweisungsaufträge wichtige oder unwichtige Verpflichtungen (etwa Lohnzahlungen) betrafen.
Unbestritten ist nun, daß unter Berücksichtigung der Überweisungsaufträge der Firma E und Co. der Kontostand an keinem einzigen Tag zwischen dem 1. April und 2. Mai 1969 auch nur die Höhe der am 1. April 1969 fällig gewordenen Annuität erreichte. Es war damit klar erkennbar, daß eine Dotierung des Kontos zur Erfüllung der sich aus dem Darlehensvertrag ergebenden Verpflichtung nicht erfolgt war. Da auch während der eingeräumten Nachholungsfrist keine Zahlung der fälligen Annuität erfolgte, könnte die klagende Partei von ihrem sich schon aus dem Vertrag ergebenden Recht, wegen Terminsverlustes die gesamte Darlehensforderung fällig zu stellen, Gebrauch machen. Die Interessen des Beklagten wurden durch das Zuwarten der klagenden Partei durch einen Monat schon deswegen nicht verletzt, weil damit nur auch ihm Gelegenheit geboten wurde, seiner Verpflichtung zur Bezahlung der Schuld als Gesamtschuldner mit der Firma E und Co. auch noch zu einem späteren Zeitpunkt nachzukommen. Zum Vorgehen der klagenden Partei betreffend die am 1. Oktober 1968 fällig gewordene Annuität, für die im übrigen ähnliches gilt, muß unter diesen Umständen nicht mehr im einzelnen Stellung genommen werden, hat der von der klagenden Partei zur eventuellen Abbuchung in Anspruch zu nehmende Kontostand nach dem 1. April 1969 doch nie auch nur die Höhe der an diesem Tag fällig gewordenen Annuität erreicht. Interessensdivergenzen zwischen der Firma E und Co. bzw. Erika I einerseits und dem Beklagten andererseits brauchte die klagende Partei als nur das Innenverhältnis zwischen Gesellschaft und (ausgeschiedenem) Gesellschafter bzw. Gesellschafterin und diesem betreffend nicht zu beachten. Für die klagende Partei war ausschließlich die Firma E und Co. Darlehensnehmerin und Vertragspartnerin und der Beklagte nur derjenige, der für die Verbindlichkeiten der Firma E und Co. solidarisch einzustehen hatte. Es konnte für die klagende Partei daher auch uninteressant sein, daß der Beklagte der Gesellschaft gegenüber zweifellos einen Anspruch auf Befreiung von der Haftung für Gesellschaftsschulden hat (vgl. dazu insbesondere Hueck,460).
Nicht zielführend kann auch die Berufung des Beklagten auf die Bestimmung des § 129 Abs. 3 HGB sein, wonach der wegen einer Verbindlichkeit der Gesellschaft in Anspruch genommene Gesellschafter die Befriedigung des Gläubigers verweigern kann, solange sich dieser durch Aufrechnung gegen eine fällige Forderung der Gesellschaft befriedigen kann. Da der in Anspruch genommene Gesellschafter mit einer Gegenforderung der Gesellschaft nicht aufrechnen kann, weil er über Gesellschaftsgegenstände nicht verfügen kann, bedurfte es einer gesetzlichen Bestimmung, wonach der in Anspruch genommene Gesellschafter die Leistung an den Gläubiger verweigern kann, wenn Aufrechnungsmöglichkeit im Verhältnis Gläubiger - Gesellschaft besteht (Baumbach - Duden, 455; Fischer, 321 Anm. 10; Schlegelberger - Geßler, 1148 Anm. 10; vgl. Hueck, 324). Eine Aufrechnungserklärung konnte also der Beklagte entgegen der Auffassung der Revision überhaupt nicht abgeben; es handelt sich auch nicht um eine Quasi-Aufrechnung, so daß auch die gesetzliche Bestimmung des § 1438 ABGB nicht zur Anwendung gelangen kann.
Mit der Fälligstellung der gesamten Darlehenssumme durch die klagende Partei wegen Wegfalles des Vertrauens in die fortdauernde Rückzahlungswilligkeit oder Rückzahlungsfähigkeit der Gesellschaft (vgl. Schinnerer, Bankverträge[2] II, 46) wurde der bestehende Kreditvertrag gekundigt. Die Folge dieser Beendigung des Vertrages hatte eine Saldoziehung durch die klagende Partei und Fälligstellung des Debetsaldos in Verbindung mit der Aufforderung an die Firma E und Co. und ihre Solidarschuldner zur Rückzahlung der sich aus dem Debetsaldo ergebenden Forderung am Fälligkeitstag zu sein (Schinnerer, Bankverträge[2] II, 46). Am 2. Mai 1969 standen sich damit - insoweit kann der Revision beigepflichtet werden - die fällig gestellte Darlehensforderung der klagenden Partei und der eine Forderung der Gesellschaft darstellende Kontostand der FirmaE und Co. gegenüber.
Es ließe sich nun möglicherweise der Standpunkt vertreten, daß die klagende Partei ihre fällig gestellte Darlehensforderung mit der Forderung der Firma E und Co. aus dem aktiven Stand des Girokontos aufrechnen konnte und daher zumindest der Beklagte unter Berufung auf § 129 Abs. 3 HGB Anspruch darauf hätte, so behandelt zu werden, als hätte die klagende Partei tatsächlich aufgerechnet. Nach Punkt 2 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der österreichischen Kreditinstitute (AGB), wie sie für das Vertragsverhältnis galten, war die klagende Partei sogar dann, wenn die Firma E und Co mehrere Konten unterhielt, umsomehr also, wenn die Fall war, berechtigt, Forderungen gegen Verbindlichkeiten aufzurechnen. Es braucht hier nicht näher auf die Problematik der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Kreditinstitute (siehe dazu Kramer in ÖJZ 1973, 505) eingegangen werden, weil die klagende Partei von dieser Bestimmung ohnehin nicht Gebrauch zu machen versuchte. Es ist nur die Frage zu beurteilen, ob die klagende Partei überhaupt aufrechnen hätte dürfen, weil verneinendenfalls der Beklagte für sich günstige rechtliche Folgerungen aus der Haltung der klagenden Partei nicht ziehen kann.
Es wurde bereits hervorgehoben, daß zwischen der klagenden Partei und der Firma E und Co. zu einer Zeit, als auch noch der Beklagte persönlich haftender Gesellschafter der Firma E und Co. war, zwei Vertragsverhältnisse bestanden, ein Darlehensvertrag und ein Girovertrag, aus der Promesse, in der vom vereinbarten Girovertrag die Rede ist, ergibt sich kein Anhaltspunkt, daß der Girovertrag untrennbar mit dem Darlehensvertrag verbunden sein und mit der Kündigung des Darlehens automatisch enden sollte. Tatsächlich wurde auch der Girovertrag nach dem 2. Mai 1969 wie zuvor fortgesetzt, Dritte nahmen Einzahlungen auf das Konto vor und die klagende Partei führte weiterhin Überweisungsaufträge der Firma E und Co. durch. Dieses Vorgehen entspricht auch der Regel, wonach ein Girovertrag bis zur völligen Abwicklung eines Engagements bestehen bleibt (Schinnerer, Bankverträge[2] I, 141; siehe zum ähnlichen Kontokorrentvertrag auch Schinnerer II, 46). Der Girovertrag ist nun als ein Geschäftsbesorgungsvertrag anzusehen, nach dem die Bank Verfügungen des Kunden (z. B. Überweisungsaufträge) im Rahmen seines Guthabens für seine Rechnung auszuführen hat (Mühl in Soergel - Siebert[10] 3, 373 Anm. 17 zu § 675 BGB), also ausführen muß. Im Rahmen eines mit einer Bank abgeschlossenen Girovertrages hat darüber hinaus der einzelne Überweisungsauftrag des Kunden nicht die rechtliche Bedeutung einer auf Abschuß eines besonderen Geschäftsbesorgungsvertrages gerichteten Vertragsofferte, sondern stellt sich lediglich als eine im Rahmen des Auftragsverhältnisses erfolgte Weisung dar, zu deren Beachtung die Bank sich bereits durch den Abschluß des Girovertrages grundsätzlich verpflichtet hatte; um die Bank zur Ausführung von Überweisungsaufträgen zu verpflichten, bedarf es daher nicht der Annahme im Sinne eines Vertragsabschlusses, die Verpflichtung hiezu ergibt sich vielmehr von selbst (BGH BGHZ 10/50, 319). Das bedeutet aber, daß die klagende Partei bei Weitergeltung des Girovertrages das nur wegen dessen Bestehens mit Zahlungen durch Dritte bediente, nicht aber zur Rückzahlung des Darlehens dotierte Konto der Firma E und Co. in vollem Umfange auf rechterhalten und für Überweisungsaufträge der Firma E und Co. zur Verfügung halten mußte. Bei aufrechtem Bestand des Girovertrages war die klagende Partei also nichtberechtigt,vom Punkt 2 der AGB Gebrauch zu machen. Hiezu hätte sie die gesamte Geschäftsverbindung auflösen müssen (Punkt 29 der AGB), was sie jedoch nichtgetan hat und wozu sie auch nicht verpflichtet war, auch nicht dem Beklagten gegenüber. Sonst aber bestand für die klagende Partei trotz der Bestimmung des Punktes 2 der AGB ein Aufrechnungsverbot. Ein solches Verbot ergibt sich aus dem Zweck des Girovertrages, wonach die auf dem Konto liegenden und nicht der Rückzahlung des Darlehens gewidmeten Beträge vertragsgemäß der Abwicklung der bankmäßigen Umsätze der Firma E und Co., also insbesondere der Erfüllung der laufenden Verbindlichkeiten, zu dienen hatten und auch tatsächlich dienten. Ein stillschweigender Verzicht auf die Aufrechnung kann sich aber grundsätzlich auch aus dem Zweck eines Vertrages ergeben, vor allem wenn dies nach den besonderen Umständen des Falles den Grundsätzen von Treu und Glauben entspricht (Gschnitzer in Klang[2] VI, 512; vgl. auch MietSlg. 24.207/9; Wilde in RGR Komm.[11] 1378 f. Anm. 38 zu § 387 HGB; Reimer - Schmidt in Soergel - Siebert 2, 478 Anm. 13 zu § 387 BGB, Pallandt, BGB[32], 203 und 384). Das gilt insbesondere, wenn die Bank im Überweisungsverkehr Aufträge angenommen hat (vgl. Staudinger, BGB[9], II/1, 748 und die dort unrichtig als solche des Reichsgerichtes zitierte Entscheidung des OLG München vom 30. Dezember 1918, JW 1919, 198 mit Anm. von Hachenburg) oder, wie oben dargelegt wurde, wegen Bestehens eines Girovertrages zur Durchführung laufender Überweisungsaufträge an sich verpflichtet war. Die Fortsetzung des Girovertrages trotz Kündigung des Darlehensvertrages war auch das richtige und damit rechtlich zumutbare Verhalten der klagenden Partei, die ebenso wie der Beklagte daran interessiert sein mußte, daß die Firma E und Co. die fällig gestellte Darlehensschuld auch bezahlte. In der Regel wird daher anläßlich der Kündigung eines Kreditvertrages auch eine Vereinbarung über die Rückzahlung getroffen, der Kredit wird"auf Abbau gestellt" (Schinnerer II, 46). Die klagende Partei mußte daher jede Handlung unterlassen, die es der Firma E und Co. unmöglich gemacht hätte, auch nur mehr die täglichen Verbindlichkeiten zu erfüllen, was die Gefahr eines Konkurses heraufbeschwören hätte können. Auch der Beklagte konnte von der klagenden Partei kein anderes Verhalten erwarten und kann daher aus diesem Vorgehen auch keine wie immer gearteten Rechte für sich ableiten. Der Beklagte hat daher auch keinen Anspruch darauf, so behandelt zu werden, als wäre am 2. Mai 1969 die Forderung der klagenden Partei aus dem Darlehensvertrag mit dem Guthaben der Firma E und Co. aus dem Girovertrag aufgerechnet worden. Noch weniger kann dies der Beklagte für die am 2. Mai 1969 und nachher durch Dritte auf das Konto einbezahlten Beträge verlangen. Hätte nämlich die klagende Partei die Geschäftsverbindung durch Kündigung des Girovertrages überhaupt beendet, wäre sie nicht mehr berechtigt gewesen, Geldbeträge für die Firma E und Co. entgegenzunehmen (Schinnerer I, 141). Tat sie dies, hatte sie auch ihre übrigen Verpflichtungen aus dem Girovertrag zu erfüllen. Auf keinen Fall war sie berechtigt, Einzahlungen durch Dritte entgegenzunehmen und die übernommenen Geldbeträge dann sofort laufend, wie es sich die Revision vorstellt, mit ihrer Forderung aus dem fällig gestellten Darlehensvertrag aufzurechnen. Daraus folgt aber, daß die Einwendungen des Beklagten und dessen Revisionsausführungen nicht stichhältig sind.
Anmerkung
Z47009Schlagworte
Aufrechnung, Stillschweigender Verzicht auf die -, Ausgeschiedener Gesellschafter, Haftung eines - einer OHG für, bestehende, wenn auch noch nicht fällige Schulden der Gesellschaft, Haftung eines ausgeschiedenen Gesellschafters einer OHG für die, bestehenden, wenn auch noch nicht fälligen Schulden der Gesellschaft, Stillschweigender Verzicht auf die AufrechnungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1974:0010OB00212.73.0130.000Dokumentnummer
JJT_19740130_OGH0002_0010OB00212_7300000_000