Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Leidenfrost als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurzinger, Dr. Friedl, Dr. Resch und Dr. Kuderna als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Republik Österreich (Bundesstraßenverwaltung), vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1., Rosenbursenstraße 1, wider die beklagten Parteien 1./ Hoch- und Tiefbauunternehmung Dipl. Ing. Franz E***** & Co, *****, 2./ Dipl. Ing. Franz E*****, 3./ Anna E*****, alle vertreten durch Dr. Gertrud Hofmann, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 229.021,24 s. A., infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 7. November 1973, GZ 6b R 187/73-35, womit infolge Berufung beider Parteien das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 27. Mai 1973, GZ 22 Cg 274/71-28, teils bestätigt, teils abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Beklagten sind zur ungeteilten Hand schuldig, der Klägerin die mit S 4.657,50 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Folgender Sachverhalt ist im Revisionsverfahren nicht mehr bestritten:
Mit Bauvertrag vom 22. 6. 1964 (Blg./E) übernahm es die erstbeklagte OHG - deren persönlich haftende Gesellschafter der Zweitbeklagte und die Drittbeklagte sind - gegenüber der Republik Österreich, Bundesstraßenverwaltung, vertreten durch den Landeshauptmann von Niederösterreich, als Auftraggeber, im Zuge der Hainfelder Bundesstraße bei km 43,06 und 43,55 zwei Brücken zu errichten; die Auftragssumme betrug S 2,410.963,90. Bestandteile dieses Bauvertrages waren u. a. das Anbot der Erstbeklagten vom 31. 3. 1964 (Blg./F), die „Besonderen rechtlichen Vertragsbedingungen für die Ausführung von Bauleistungen an Bundes-, Landeshaupt- und Landesstraßen im Bundesland Niederösterreich" (Blg./G) und die „Allgemeinen rechtlichen Vertragsbedingungen für die Ausführung von Bauleistungen" laut Ö-Norm B 2110 (Blg./R).
Das Anbot der Erstbeklagten vom 31. 3. 1964 (Blg./F) enthält im Rahmen der „Vorbemerkungen" folgende Bestimmung: „Die an die Ufermauern und Widerlager angrenzenden Häuser sind weniger tief fundamentiert als die neuen Widerlager- und Ufermauerfundamente. An diesen Stellen ist eine zusätzliche Pölzung vorzusehen und muss die Baufirma allfällige Schäden, die sich durch die Brückenbauarbeiten an einem Gebäude ergeben sollten, aus eigenem instand setzen. Diese Erschwernisse und Mehrkosten sind in die Einheitspreise einzurechnen".
Der zweite Satz des Pkt. 10.19 der „Besonderen rechtlichen Vertragsbedingungen" (Blg./G) lautet: „Für Schäden, die durch die Baudurchführung entstehen, ist der Auftragnehmer voll verantwortlich und hat den Auftraggeber gegenüber Dritten schad- und klaglos zu halten".
Die Ö-Norm B 2110 (Blg./R) bestimmt in ihrem § 4 („Vertragspflichten und Rechte des Auftragnehmers") u. a. folgendes:
„1. Übernahme der Vertragspflichten.
Mit Abschluss des Vertrages anerkennt der Auftragnehmer, dass er die
Vergebungsunterlagen eingesehen hat und mit den darin gestellten
Bedingungen einverstanden ist ................ und dass er sich volle
Klarheit über alle für die Preisberechnung maßgebenden Umstände
verschafft hat .....................................
5. Prüfung der Ausführungsunterlagen.
Der Auftragnehmer ist verpflichtet, die ihm vom Auftraggeber
beigestellten Ausführungsunterlagen aller Art in Bezug auf ihre
Richtigkeit sowie technische, gesetzliche und baubehördliche
Einwandfreiheit sorgfältig zu überprüfen. Sobald er Mängel und Fehler
feststellt oder Bedenken gegen die vorgesehene Art und Ausführung
hat, hat er dies unverzüglich dem Auftraggeber schriftlich
mitzuteilen und Vorschläge zur Behebung zu erstatten.
................".
Zwischen den vertragschließenden Parteien haben keine Gespräche über den Umfang der Haftung der Erstbeklagten stattgefunden. Durch die Bauarbeiten der Erstbeklagten und der Baufirma Anton T***** - letztere hatte die Korrektion und die Herstellung einer bituminösen Tragschichte mit Mischbelag zwischen km 42,933 und 43,878 der Hainfelder Bundesstraße übernommen - wurden am Haus der Ehegatten Ferdinand und Margarete S*****, Schäden verursacht. Dass solche Schäden eintreten würden, hatte das Amt der Niederösterreichischen Landesregierung von vornherein für wahrscheinlich gehalten und deshalb auch die erwähnte Bestimmung in das Anbot Blg./F aufgenommen, um damit die Frage der Haftung für später auftretende Schäden zu regeln. Auch für die Erstbeklagte waren diese Schäden vorhersehbar gewesen.
Die Ehegatten S***** machten ihren Schadenersatzanspruch gegen die nunmehrige Klägerin im Verfahren 39 a Cg 180/69 des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien gerichtlich geltend; diesem Rechtsstreit traten die nunmehrigen Beklagten auf der Seite der Republik Österreich als Nebenintervenienten bei. Mit Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 20. 6. 1971 wurde die Republik Österreich schuldig erkannt, den Ehegatten S***** S 130.500,-- samt 4 % Zinsen seit 1. 8. 1969 und die Prozesskosten zu zahlen. Dieses Urteil wurde nur im Kostenausspruch bekämpft. Mit Beschluss vom 31. 1. 1972 bestimmte das Oberlandesgericht Wien als Rekursgericht die von der Republik Österreich zu ersetzenden Kosten mit S 19.728,22 sprach ihr aber gleichzeitig S 1.582,50 an Rekurskosten zu.
Die Klägerin hat auf Grund dieses Verfahrens folgende Zahlungen geleistet:
1.) an Ferdinand und Margarete S***** an Kapital, Zinsen und Kosten:
a) am 9. 9. 1971 S 147.824,40
b) am 28. 8. 1972 S 11.812,32
zusammen S 159.636,72;
2.) an den Zivilingenieur Dipl.-Ing. Dr. Rudolf G***** für die
Schadensbegutachtung zu Beweissicherungszwecken
S 8.394,25;
3) an restlichen Sachverständigengebühren im Verfahren 39 a Cg 180/69
S 2.698,--.
Dazu kommen noch
4.) die eigenen Kosten der Klägerin für dieses Verfahren in der Höhe von
S 71.139,40.
Im vorliegenden Rechtsstreit verlangt die Klägerin auf Grund des Bauvertrages Blg./E , nach welchem dieser Erstbeklagte sämtliche Schäden aus eigenem hätte beheben müssen, von den Beklagten den Ersatz aller ihr im Zuge der Prozessführung gegen die Ehegatten S***** entstandenen Auslagen. Unter Berücksichtigung einer Teilzahlung der Firma Anton T***** hat die Klägerin nach mehrfacher Änderung ihres Urteilsantrages zuletzt (ON 12, S 51 im Zusammenhang mit ON 22, S 97 f) die Zahlung folgender Beträge begehrt:
1.) Leistungen an die Ehegatten S*****
S 152.843,82 sA,
2.) Begutachtungkosten für
Dipl.-Ing. Dr. G***** S 7.964,92 sA
3.) restliche Sachverständigen-
gebühren im Vorprozess S 2.463,10,
4.) eigene Kosten im Vorprozess S 65.782,75 sA.
Die Beklagten haben die genannten Beträge der Höhe nach nicht bestritten, aber ihre Ersatzverpflichtung dem Grunde nach verneint, weil sie nach dem Bauvertrag nur verschuldeten Schaden zu ersetzen hätten. Ein solches Verschulden der Erstbeklagten liege aber hier nicht vor; vielmehr sei die Klägerin den Ehegatten S***** nur auf Grund des Nachbarrechtes ersatzpflichtig geworden. Selbst wenn man aber den Bauvertrag im Sinne der Klägerin auslegen wollte, sei die betreffende Bestimmung unwirksam, weil die Klägerin beim Vertragsabschluss in sittenwidriger Weise ihre Monopolstellung ausgenützt habe. Davon abgesehen, hätte die Erstbeklagte der Klägerin im Regressweg nur diejenigen Beträge zu ersetzen, die den Geschädigten gezahlt worden seien, nicht aber die Kosten und Auslagen, welche die Klägerin selbst zur Abwehr der Ansprüche der Ehegatten S***** habe aufwenden müssen; da diese Auslagen nicht als Hauptansprüche geltend gemacht werden könnten, sei diesbezüglich auch der Rechtsweg ausgeschlossen. Die Ansprüche auf Zahlung von S 65.782,75 s. A. an eigenen Prozesskosten der Klägerin sowie S 7.964,92 s. A. an Begutachtungskosten seien im Übrigen schon verjährt.
Das Erstgericht ging davon aus, dass von den oben festgestellten Zahlungen der Klägerin nur 94.789,28 S auf die Erstbeklagte entfielen, was folgende Beträge ergebe:
1.) Zahlungen an die Ehegatten S***** auf Grund
des Urteils im Vorprozess S 152.818,54;
2.) Begutachtungskosten für
Dipl.-Ing. Dr. G***** S 7.956,85;
3.) restliche Sachverständigengebühren
im Vorprozess S 2.557,51;
4.) eigene Kosten der Klägerin im
Vorprozess S 68.432,53.
Es sprach daher der Klägerin zu 1.) und 2.) die Beträge von S 152.818,54 und S 7.956,85, zu 3.) und 4.) aber die begehrten niedrigeren Beträge von S 2.463,10 und S 65.782,75, je s. A., zu; das Mehrbegehren und ein Teil des Zinsenbegehrens wurden abgewiesen. In rechtlicher Hinsicht ging das Erstgericht davon aus, dass der Bauvertrag vom 22. 6. 1964 nur im Sinne einer Übernahme der unbeschränkten Haftung für alle Schäden durch die Erstbeklagte verstanden werden könne. Die Erstbeklagte hätten daher dafür sorgen müssen, dass die Klägerin von den Ehegatten S***** überhaupt nicht in Anspruch genommen werden; dass es trotzdem zu einem Prozess gegen die Klägerin gekommen sei, müsse der Erstbeklagte als Vertragsverletzung angelastet werden, auf Grund deren sie nunmehr der Klägerin alle Auslagen zu ersetzen habe, die ihr durch diese Prozessführung entstanden seien. Dazu gehöre aber nicht nur der Betrag, den die Klägerin den Ehegatten S***** zu zahlen hatte, sondern auch der gesamte eigene Aufwand der Klägerin für die Prozessführung, also auch die eigenen Prozesskosten und die Auslagen für Sachverständige. Da die Klägerin den Ersatz dieser Aufwendungen aus einem Vertrag verlange, handle es sich dabei entgegen der Meinung der Beklagten keineswegs um vorprozessuale Kosten. Die Ansprüche der Klägerin seien nicht verjährt, weil die dreijährige Verjährungsfrist des § 1489 ABGB erst zu laufen begonnen habe, als die Klägerin die Forderung der Ehegatten S***** befriedigt und damit einen Ersatzanspruch gegen die Erstbeklagte erworben hatte. Ein sittenwidriges Vorgehen der Klägerin bei der Autragserteilung sei schon deshalb ausgeschlossen, weil die Klägerin der Erstbeklagten ohnehin die Möglichkeit geboten habe, allfällige Ersatzbeträge von vornherein bei der Anbotstellung einzukalkulieren. Nach § 1298 ABGB hätte die Erstbeklagte nachweisen müssen, dass sie an der Erfüllung ihrer vertraglichen Verpflichtung ohne ihr Verschulden gehindert worden sei; einen solchen Beweis habe sie aber ebensowenig erbracht wie den Nachweis eines allfälligen Mitverschuldens der Klägerin.
Die nur gegen die Abweisung ihres Zinsenmehrbegehrens gerichtete Berufung der Klägerin hatte teilweise Erfolg; die Berufung der Beklagten gegen den stattgebenden Teil des Ersturteils blieb erfolglos. Die Bestimmungen des Bauvertrages könnten - so führte das Berufungsgericht aus - im Sinne des § 914 ABGB nur dahin ausgelegt werden, dass die Erstbeklagte damit ohne Rücksicht auf ein allfälliges Verschulden die Haftung für sämtliche durch ihre Bauführung entstandenen Schäden übernommen habe. Entsprechend ihrer Verpflichtung, die Klägerin „schad- und klaglos zu halten" wäre die Erstbeklagte daher verhalten gewesen, den eingetretenen Schaden sofort zu beheben, zumindest aber den Geschädigten gegenüber eine so ausreichende Erklärung abzugeben, dass sich eine Inanspruchnahme der Klägerin erübrigt hätte. Da die Erstbeklagte dies unterlassen habe, müsse sie der Klägerin aus dem Titel des Schadenersatzes wegen Vertragsverletzung alle dadurch erwachsenen Auslagen ersetzen; dazu gehörten aber auch diejenigen Kosten, welche die Klägerin selbst für ihre Prozessführung aufwenden musste, also insbesondere auch ihre eigenen Prozesskosten, die Kosten für die Begutachtung durch den Sachverständigen Dipl.-Ing. Dr. G***** und die nachträglich vorgeschriebenen Sachverständigengebühren.
Auch von einem sittenwidrigen Ausnützen einer Monopolstellung der Klägerin könne nicht gesprochen werden: Dass ein bestimmter Rechtsträger den überwiegenden Teil bestimmter Bauaufträge vergebe, begründe noch keine Nichtigkeit der diesen Aufträgen zugrundegelegten Bedingungen; das gelte insbesondere auch dann, wenn der Auftraggeber vom Unternehmen die Übernahme der Haftung für alle aus der Ausführung des Auftrages entstehenden Schäden verlange. Die Anwendung sittenwidriger Mittel sei aber dann auszuschließen, wenn, wie hier, dem Unternehmer die Wahrscheinlichkeit des Eintritts von Schäden bekannt sei und er die Möglichkeit habe, allfällige Schadenersatzbeträge in sein Anbot einzukalkulieren. Die Beklagten hätten nicht einmal behauptet, dass die Existenz der Erstbeklagten von der Erteilung des gegenständlichen Auftrages abhängig gewesen oder dass die Übernahme der vollen Schadenshaftung zur Bedingung künftiger Auftragsvergebungen gemacht worden wäre; sie hätten daher, falls sie die zu erwartenden Schäden nicht hätten einkalkulieren können oder wollen, auf den vorliegenden Auftrag verzichten müssen. Schließlich sei auch die Verjährungseinrede der Beklagten nicht berechtigt, weil die Klägerin erst mit ihrer Verurteilung im Vorprozess einen Anspruch gegen die Beklagten auf Ersatz der ihr durch diese Prozessführung entstandenen Auslagen erworben habe; die dreijährige Verjährungsfrist habe daher erst mit diesem Zeitpunkt zu laufen begonnen.
Das Urteil des Berufungsgerichtes wird von den Beklagten insoweit mit Revision angefochten, als damit ihrer eigenen Berufung nicht Folge, der Berufung der Klägerin aber Folge gegeben wurde. Die Beklagten machen den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung geltend und beantragen die Abänderung des angefochtenen Urteils im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens.
Die Klägerin hat beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Vorerst ist auf die von der Klägerin schon im Verfahren vor den Unterinstanzen vertretene und in der Revisionsbeantwortung wiederholte Rechtsansicht einzugehen, wonach es den Beklagten mit Rücksicht auf das rechtskräftige Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien in dem zwischen denselben Parteien geführten Verfahren 22 Cg 104/69 verwehrt sei, im vorliegenden Rechtsstreit neuerlich Einwendungen betreffend die Gültigkeit des Bauvertrages vom 22. 6. 1964 oder dessen Auslegung zu erheben. Diese Auffassung der Klägerin ist verfehlt: Mit Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 24. 6. 1971, 22 Cg 104/69-41, sind die Beklagten zur ungeteilten Hand schuldig erkannt worden, der Klägerin S 36.750,70 samt Zinsen und Kosten zu zahlen, weil nach dem festgestellten Sachverhalt im Zuge derselben Brückenbauarbeiten, die auch dem jetzigen Rechtsstreit zugrunde liegen, am Haus der Ehegatten V*****, ein Schaden in der genannte Höhe entstanden war, welcher auf Grund der Bestimmungen des Bauvertrages vom 22. 6. 1964 von den Beklagten getragen werden musste. Dass der Anspruch der Klägerin in diesem Vorprozess auf denselben Bauvertrag gegründet wurde, aus dem sie auch ihr nunmehriges Ersatzbegehren ableitet, und das Erstgericht schon damals eine Einschränkung der von der Beklagten vertraglich übernommenen Haftung auf eine bloße Verschuldenshaftung abgeleitet hat, vermag aber entgegen der Meinung der Klägerin die Gerichte im vorliegenden Rechtsstreit in keiner Weise zu binden, handelt es sich dabei doch nur um die Beurteilung eines bedingenden Rechtsverhältnisses, also um eine bloße Vorfrage, welche mangels urteilsmäßiger Feststellung nicht in Rechtskraft erwächst (SZ 25/121;
SZ 41/103 uva; Fasching III 712 § 411 ZPO Anm 26); das Gericht hat
vielmehr in einem neuerlichen Prozess, in dem es die betreffende
Vorfrage abermals - sei es diesmal als Hauptsache, sei es wiederum
nur als Vorfrage - zu entscheiden hat, ohne Rücksicht auf die
Beurteilung dieser Frage im Vorprozess neuerlich darüber zu
verhandeln und zu entscheiden. Das Urteil im Verfahren 22 Cg 104/69
macht daher eine nochmalige Prüfung der von den Beklagten gegen die
Rechtswirksamkeit des Bauvertrages vom 22. 6. 1964 und gegen die
Auslegung dieses Übereinkommens durch die Untergerichte erhobenen
Einwendungen keineswegs entbehrlich.
Dazu ist nun im Einzelnen folgendes zu sagen:
In ihrem Anbot vom 31. 3. 1964 (Blg./F) hatte sich die Erstbeklagte
verpflichtet, „allfällige Schäden, die sich durch die
Brückenbauarbeiten an einem Gebäude ergeben sollten, aus eigenem
instandzusetzen"; im Einklang damit sehen die - ebenfalls einen
Bestandteil des Bauvertrages bildenden - „Besonderen rechtlichen
Vertragsbedingungen" (Blg./G) vor, dass der Auftragnehmer „für
Schäden, die durch die Bauführung entstehen, .............. voll
verantwortlich" ist und den Auftraggeber „gegenüber Dritten schad-
und klaglos zu halten" hat. Die Untergerichte haben zutreffend
erkannt, dass diese Vertragsbestimmungen nach ihrem Wortlaut und
ihrem Zweck bei objektiver Beurteilung nach der Übung des redlichen
Verkehrs (§ 914 ABGB) nur so verstanden werden können, dass die
Erstbeklagte damit gegenüber der Klägerin die volle Haftung für
jeden, verschuldeten wie unverschuldeten, Schaden übernommen hat, der
durch ihre Bauarbeiten an einem Gebäude entstehen würde. Die
Auffassung der Beklagten, dass durch diese Haftungsübernahme nur ihre
Verantwortlichkeit für verschuldeten Schaden, nicht aber eine reine
Verursachungshaftung begründet worden sei, findet im Wortlaut der
betreffenden Bestimmungen - welche diesbezüglich nicht unterscheiden,
sondern nur ganz allgemeine von „Schäden" sprechen - keine stütze;
sie wird im Übrigen schon dadurch widerlegt, dass bei einer solchen
Auslegung angesichts der schon nach dem Gesetz gegebenen allgemeinen
Verschuldenshaftung der Erstbeklagten die Aufnahme besonderer
Haftungsbestimmungen, wie sie hier zur Beurteilung stehen, in den
Bauvertrag völlig inhaltslos und daher überflüssig gewesen wäre. Was
die Beklagten im besonderen aus den Worten „durch die
Brückenbauarbeiten" im Anbot Blg./F sowie „voll verantwortlich" in
den Vertragsbedingungen Blg./G für ihren Standpunkt gewinnen wollen,
ist nicht recht verständlich, kann doch keinem dieser beiden
Ausdrücke ein Hinweis darauf entnommen werden, dass die Parteien
damit den Ersatz unverschuldeten Schadens durch die Erstbeklagte
hätten ausschließen wollen. Auch der Versuch der Beklagten, der
Formulierung der Haftungsklausel im Anbot Blg./F den Sinn zu geben,
dass die hier vorgesehene Haftung der Erstbeklagten nur bei
Unterbleiben oder unsachgemäßer Ausführung der Pölzung zum Tragen
kommen sollte, muss schon am eindeutigen Wortlaut dieser Bestimmung
scheitern, welche eine solche Einschränkung der Ersatzpflicht in
keiner Weise erkennen lässt. In Übereinstimmung mit den
Untergerichten ist daher auch der Oberste Gerichtshof der Auffassung,
dass die Erstbeklagte auf Grund der in Rede stehenden
Vertragsbestimmungen für alle durch die Brückenbauarbeiten an
benachbarten Gebäuden entstandenen Schäden zu haften hat, ohne dass
es darauf ankäme, ob sie auf ein Verschulden der Bauführerin
zurückzuführen oder ohne solches Verschulden auf Grund eines
besonderen Haftungstatbestandes - hier: der nachbarrechtlichen
Bestimmungen der §§ 364 ff ABGB - zu ersetzen sind. Bei dieser
Sachlage kommt aber die nur subsidiär, nämlich beim Versagen der
Auslegungsgrundsätze des § 914 ABGB anwendbare (SZ 40/57 ua, zuletzt
etwa ÖBl 1972, 121; 5 Ob 169/72; ebenso Gschnitzer in Klang2 IV/2,
415; Ehrenzweig2 I/1, 263 vor FN 13) Auslegungsregel des § 915 ABGB
entgegen der Meinung der Beklagten hier überhaupt nicht zum Tragen.
Gegenüber dem von den Beklagten im Zuge des Verfahrens erhobenen
Einwand der Sittenwidrigkeit dieser Vereinbarung haben schon die
Untergerichte mit Recht betont, dass der ganz allgemein gehaltene
Hinweis der Beklagten auf die „Ausnützung einer Monopolstellung" der
Klägerin, durch welche der Erstbeklagten „unverhältnismäßige Opfer"
auferlegt worden seien (S 68), für sich allein noch nicht ausreicht,
um hier einen Verstoß gegen die guten Sitten im Sinne des § 879 Abs 1
ABGB annehmen zu können. Besondere Umstände, die eine solche Annahme
im konkreten Fall rechtfertigen könnten, haben die Beklagten im
Verfahren erster Instanz gar nicht behauptet. Selbst wenn man aber
die von den Beklagten ins Treffen geführte „Monopolstellung" der
Klägerin - in dem Sinn, dass die Erstbeklagte ihre Bauaufträge in der
überwiegenden Zahl der Fälle von der öffentlichen Hand, also von der
Klägerin oder vom Bundesland Niederösterreich, erhält - als gegeben
annimmt, kann doch in dem Verlangen der Klägerin nach Übernahme der
vollen Haftung für alle Bauschäden durch die Erstbeklagte im
konkreten Fall schon deshalb kein sittenwidriges Handeln zum Nachteil
der Erstbeklagten erblickt werden, weil ja die Erstbeklagte nach dem
Wortlaut sowohl ihres Anbotes vom 31. 3. 1964 als auch der
„Besonderen rechtlichen Vertragsbedingungen" berechtigt war, die
dadurch entstehenden Mehrkosten „in die Einheitspreise einzurechnen"
(Blg./F) bzw. „bei der Preisbildung zu berücksichtigen„ (Blg./G). War
es der Erstbeklagten aber solcherart möglich, von ihr künftig zu
ersetzende Schäden - mit deren Eintreten sie, wie insbesondere die
Haftungsklausel in Blg./F zeigt, durchaus rechnen musste - schon bei
der Preiskalkulation ihres Anbotes zu berücksichtigen, dann kann von
einem der Erstbeklagten durch die Klägerin auferlegten unbilligen und
unverhältnismäßigen Opfer", wie es die Beklagten wiederholt behauptet
haben, keine Rede mehr sein.
In rechtlicher Hinsicht ist das mit der Übernahme der Haftung für
alle durch die Bauarbeiten entstehenden Schäden verbundene
Versprechen der Erstbeklagten, die Klägerin als ihre Auftraggeberin
„gegenüber Dritten schad- und klaglos zu halten", als
Belastungsübernahme im Sinne des § 1404 ABGB zu qualifizieren; es
verpflichtete die Erstbeklagte primär dazu, durch sofortige
Schadensbehebung, ausreichende Verbesserungszusage oder entsprechende
Ersatzleistung eine Inanspruchnahme der Klägerin durch die
geschädigten Dritten - im vorliegenden Fall die Ehegatten Si***** als
Eigentümer eines durch die Bauarbeiten beschädigten Hauses - zu
verhindern. Dass die Erstbeklagte dieser Verpflichtung nicht
nachgekommen ist, zeigt nicht nur die erfolgreiche Prozessführung der
geschädigten Dritten gegen die Klägerin, sondern wird auch in der
Revision ausdrücklich zugegeben; auf Grund dieser Vertragsverletzung
muss die Erstbeklagte jetzt der Klägerin alle Auslagen ersetzen, die
der Klägerin durch ihre Inanspruchnahme im Vorprozess entstanden sind (vgl dazu SZ 17/35; 5 Ob 239/71; Wolff in Klang2 VI 337, 341). Dazu gehört aber entgegen der Meinung der Beklagten nicht nur der den Ehegatten S***** zu 39 a Cg 180/69 zugesprochene Kapitalbetrag samt Zinsen und Kosten, sondern auch die in diesem Verfahren zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung aufgewendeten eigenen Kosten der Klägerin (so bereits SZ 34/34 mit weiteren Zitaten, ferner SZ 38/52 = EvBl 1965/320; 7 Ob 138/71; 5 Ob 203/72 ua). Demgegenüber können sich die Beklagten auf die zum Rückgriffsanspruch nach § 1358 ABGB ergangene Judikatur, wonach der Bürge vom Hauptschuldner nur den Ersatz der bezahlten Schuld verlangen kann, während ihm ein Anspruch auf Ersatz von Schäden, Kosten oder sonstigen Aufwendungen nur kraft besonderer Vereinbarung oder aber dann zusteht, wenn er die Bürgschaft im Auftrag des Hauptschuldners oder in dessen offensichtlichem Interesse als Geschäftsführer ohne Auftrag übernommen hat (vgl EvBl 1963/309), schon deshalb nicht berufen, weil es dort - ähnlich wie im Fall des § 896 ABGB - um den Regress zwischen mehreren dem Gläubiger solidarisch haftenden Mitschuldnern geht, hier aber die den Ehegatten S***** allein haftende Klägerin die Beklagten aus dem Titel des Schadenersatzes wegen Nichterfüllung der versprochenen Belastungsübernahme in Anspruch nimmt. Dass die Prozessführung der Klägerin gegen die Ehegatten S***** nicht dem Willen der Erstbeklagten entsprochen oder die Klägerin in diesem Verfahren einen überflüssigen Kostenaufwand verursacht hätte, haben die Beklagten in erster Instanz gar nicht behauptet; einem solchen Vorwurf stünde im Übrigen auch schon der Umstand entgegen, dass sich die Beklagten dem Rechtsstreit 39 a Cg 180/69 von Anfang an als Nebenintervenienten angeschlossen und ihren Antrag auf Abweisung des Begehrens der Ehegatten S***** bis zur rechtskräftigen Beendigung dieses Verfahrens aufrecht erhalten hatten. Die Untergerichte haben daher mit Recht den Beklagten auch den Ersatz der der Klägerin im Vorprozess entstandenen eigenen Prozesskosten in der Höhe von S 65.782,75 sA (§ 5 Abs 1 ProtkG), S 7.956,85 (Schadensbegutachtung durch Dipl.-Ing. Dr. G*****) und S 2.463,10 sA (restliche Sachverständigengebühren) auferlegt.
Nicht berechtigt ist die Revision der Beklagten schließlich auch insoweit, als sie sich gegen die Ablehnung der gegen die Teilansprüche von S 65.782,75 (S 67) und S 7.964,92 (S 67, 100) erhobenen Verjährungseinrede wendet: Schon das Berufungsgericht hat hier mit Recht hervorgehoben, dass der Anspruch der Klägerin auf Ersatz dieser Kosten durch die Beklagten erst mit dem Zeitpunkt der Urteilsfällung im Vorprozess entstanden war, weil die Klägerin - ebenso wie die als Nebenintervenienten einschreitenden Beklagten - bis zu diesem Zeitpunkt damit rechnen konnten, diesen Rechtsstreit zu gewinnen und dann die betreffenden Kosten von den Ehegatten S***** ersetzt zu bekommen. Ohne dass es daher auf den Zeitpunkt und das Begehren der von der Klägerin ursprünglich erhobenen Feststellungsklage ankäme, hat daher die freijährige Verjährungsfrist hinsichtlich der beiden genannten Kostenbeträge frühestens mit dem Tag der Urteilsfällung im Verfahren 39 a Cg 180/69 des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien am 20. 6. 1971 zu laufen begonnen. Auch der Verjährungseinwand der Beklagten erweist sich demgemäß als unbegründet.
Diese Erwägungen führen zur Bestätigung des angefochtenen Urteils. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf §§ 41, 50 ZPO.
Anmerkung
E80826 4Ob511.74European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1974:0040OB00511.74.0319.000Dokumentnummer
JJT_19740319_OGH0002_0040OB00511_7400000_000