Norm
Kärntner Landesstraßengesetz §9Kopf
SZ 47/39
Spruch
Die Gemeinde als zur Pflege und Instandhaltung von Ortschaftswegen im Sinne des Kärntner Landes-Straßengesetzes 1966 und 1971 verpflichteter Träger der Straßenbaulast haftet für die Erfüllung der ihr obliegenden Straßenerhaltungspflicht im gesetzlich normierten Umfang nicht nur im Innenverhältnis den Kostenträgern, sondern auch im Außenverhältnis den Benützern der Ortschaftswege gegenüber
OGH 29. März 1974, 1 Ob 33/74 (OLG Graz 4 R 136/72; LG Klagenfurt 18 Cg 157/70)
Text
Am 7. August 1967 ging der Kläger, ein Urlaubsgast aus der Bundesrepublik Deutschland, vom Ort P über einen Ortschaftsweg hinab zum Hotel ,S .In der letzten Kurve vor dem Hotel trat er mit dem rechten Fuß in ein an den innenseitigen Fahrbahnrand angrenzendes unabgedecktes Kanalloch als er den P-See filmen wollte. Dabei zog er sich Verletzungen zu.
Wegen dieses Unfalles machte der Kläger gegen die Gemeinde E, nunmehr durch die Gemeindezusammenlegung die Gemeinde H als Erstbeklagte und gegen die 2.-29.-Beklagten Schadenersatzansprüche in der Höhe von 71.140 S samt Anhang mit der Behauptung geltend, daß das Kanalloch schon längere Zeit nicht abgedeckt oder abgesichert gewesen sei und deshalb eine grobe Vernachlässigung der Verkehrssicherungspflicht durch die Straßenerhaltungsorgane der erstbeklagten Partei vorliege, für die kraft ausdrücklicher gesetzlicher Verpflichtung auch die 2.-29.-Beklagten einzustehen hatten. Hilfsweise werde das Klagebegehren auch auf die Bestimmung des § 1319 ABGB gestützt.
Die beklagten Parteien haben das Klagebegehren bestritten und geltend gemacht, daß grobe Fahrlässigkeit deswegen nicht gegeben sei weil der zum Abflußschacht gehörige Betondeckel zur Zeit des Unfalles nur kurze Zeit gefehlt haben könne und dieser Umstand nur so zu erklaren sei, daß unmittelbar vor dem Unfall ein Fahrzeug über den Straßenrand geraten sei und den Betondeckel eingedrückt habe was infolge des hohen Graswuchses nicht habe bemerkt werden können. Den Schaden, den der Kläger erlitten habe, habe er überdies seiner eigenen Unvorsichtigkeit zuzuschreiben. Seitens der erstbeklagten Partei werde überdies mangelnde passive Klagslegitimation eingewendet.
Das Erstgericht hat das Klagebegehren abgewiesen. Es sei selbstverständlich, daß der Entwässerungsschacht ohne Abdeckung am 7. August 1967 den anerkannten straßenbautechnischen Maßstäben nicht entsprochen habe. Der Kläger habe aber den Beweis nicht erbracht, daß der Schachtdeckel schon länger gefehlt habe bzw. beschädigt worden sei. Auch die Beklagten hätten nicht beweisen können, daß der Deckel unmittelbar vor dem Unfall beschädigt worden sei. Aus dem zweifellos nachlässigen und säumigen Verhalten der beklagten Parteien nach dem 7. August 1967 lasse sich nicht zwingend schließen, daß die Schachtabdeckung schon länger als einige wenige Tage vor dem Unfall des Klägers gefehlt habe. Dem Kläger sei daher der Beweis mißlungen, daß den Beklagten eine grobe Fahrlässigkeit von Organen der Straßenverwaltung anzulasten sei. Die Anwendung der Bestimmung des § 1319 ABGB komme als Subsidiarnorm gegenüber § 9 Krtn. LandesstraßenG nicht in Betracht.
Das Berufungsgericht hob das Ersturteil nach Wiederholung und Ergänzung des Beweisverfahrens unter Rechtskraftvorbehalt auf, wobei es von folgenden Feststellungen ausging:
Von der P-Landesstraße führt zum Hotel "Seerose" und auch zum öffentlichen Bad am P-See eine Zufahrtsstraße, die der Kategorie der Ortschaftswege im Sinne des § 7 Z. 5 des Krtn. LandesstraßenG zuzuordnen ist. Dieser Weg wurde von der 2. bis 29. beklagten Partei bzw. deren Rechtsvorgängern als Interessentenweg angelegt und im Jahre 1963 auf Rechnung der Kostenträger und durch Zuschüsse aus Gemeindemitteln asphaltiert; es handelt sich um einen sogenannten Ortschaftsweg. Schon vor der Asphaltierung wurde im Bereiche der Rechtskurve zum Hotel "seerose" ein Kanalschacht auf Rechnung der Kostenträger angelegt, der auch mit einem - ersten - Deckel versehen wurde. Die Beschaffenheit dieses Deckels ist nicht feststellbar, auch nicht, auf welche Weise und zu welchem Zeitpunkt der Kanaldeckel frühestens verschwunden ist. Jedenfalls muß er aber vorher, eher schon vor der ersten Mahd, nicht mehr auf der Kanalöffnung gelegen sein, wobei die erste Mahd im Gebiet des P-Sees ungefähr von Mitte bis Ende Juni jeden Jahres erfolgt. Zumindest vier Wochen oder eher noch länger muß der Kanalschacht daher nicht überdeckt gewesen sein, da die Pflanzen auf den Lichtbildern einen ungestörten Aufwuchs zeigen und die Blüten einen Zustand des Überhanges erreichten, wie er nur eintreten kann, wenn die Öffnung frei war. Der Kläger benützte am 7. August 1967 den von der P-Landesstraße zum Hotel "Seerose" führenden Interessentenweg. In der Kurve, in der sich der Schacht befindet und den der Kläger nicht wahrgenommen hatte, ergibt sich ein fotogener Ausblick auf den P-See und die dahinterliegenden Berge. Der Kläger ging daher auf die rechte Straßenseite und fotografierte nach Nordosten und Norden. Dabei trat er entweder einen Schritt nach rechts oder einen Schritt rückwärts und stürzte mit dem rechten Fuß voran in das Kanalloch. Der Kläger sah die Schachtöffnung nicht, weil sie damals wegen des Grasbewuchses schlecht sichtbar war. Er sah auch keine Trümmer eines Schachtdeckels in der Umgebung des Schachtes liegen.
In der - seinerzeitigen - Gemeinde E gab es einen Ortschaftsvertreter, der von den Grundbesitzern der Ortschaft P gewählt wurde und der die Interessen der Gründeigentümer zu vertreten hatte. Er hatte insbesondere dafür zu sorgen, daß gewisse Kosten wie der Bau und die Erhaltung des Ortschaftsweges u. dgl. von den Weginteressenten getragen werden. Florian O war einige Jahre hindurch Ortschaftsvertreter, insbesondere auch im Jahre 1967. Die Aufsicht über die Ortschaftswege hatte zur Zeit des Unfalles die Gemeinde E. Im Jahre 1967 war von der Gemeinde kein Straßenwärter angestellt. Die Straßenaufsicht durch die Gemeinde wurde durch den Bürgermeister Johann A geführt, der mit seinem Auto die Straßen im Gemeindegebiet der Gemeinde E abgefahren hat. Bei dem Ortschaftsweg handelt es sich um einen öffentlichen Weg, so daß die Gemeinde E jedenfalls die Aufsicht zu führen und zu prüfen hatte, ob sich der Weg in ordnungsgemäßem Zustand befindet. Bei allfälligen Gebrechen hätte der Bürgermeister dem Ortschaftsvertreter den Auftrag geben müssen, den Weg entsprechend instandzusetzen. In der Gemeinde E gab es zirka 28 km Ortschaftswege, welche von der Gemeinde kontrolliert werden mußten. Johann A hat in den Sommermonaten während der Saison, also von Juni bis September, so auch im Jahre 1967, zirka zwanzigmal den fraglichen Weg, ungefähr ein- bis zweimal in der Woche, mit seinem PKW befahren. Johann A hat diese Kontrollen ungenügend durchgeführt, da ihm entgangen ist, daß der Schacht mindestens vier Wochen unabgedeckt war.
Die kontinuierliche Beaufsichtigung der Nebenanlage auf dem in Rede stehenden Ortschaftsweg, zumindest ein- bis zweimal in der Woche, ist deshalb erforderlich, weil in der Hauptsaison zahlreiche Personen, insbesondere Fremde, diesen Weg benützen, um entweder zum Hotel "Seerose" oder zum Bad unweit dieses Objektes zu gehen.
Rechtlich führte das Berufungsgericht aus: Gemäß § 61 Krtn. LandesstraßenG sei Straßenverwalter im Sinne des Gesetzes die mit der Sorge für die Herstellung und Erhaltung der öffentlichen Straßen, insbesondere ihrer technischen und wirtschaftlichen Pflege und Instandhaltung sowie der Wahrnehmung und Vertretung des Straßeninteresses, betraute Körperschaft. Dies sei bei Ortschafts- und Einschichtenwegen die Gemeinde, wenngleich bei Ortschaftswegen insofern eine Besonderheit besteht, als gemäß § 22 Krtn. LandesstraßenG 1966, nunmehr § 23 Krtn. StraßenG 1971 die Liegenschaftsbesitzer und sonstigen Benützer in der beteiligten Ortschaft anteilsmäßig zur Herstellung und Erhaltung von Ortschaftswegen beizutragen haben und überdies die zur Erhaltung der im § 2 Abs. 1, lit. a Krtn. LandesstraßenG genannten öffentlichen Straßen Verpflichteten, daher die 2. bis 29. beklagten Parteien, im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung bei Verletzung oder Tötung von Personen oder Beschädigungen von Sachen, die infolge des Zustandes einer Straße eingetroffen sind, zum Schadenersatz heranzuziehen sind, wenn Organe der Straßenverwaltung erwiesenermaßen das im § 8 Abs. 1 Krtn. LandesstraßenG festgesetzte Ausmaß der Erhaltung vorsätzlich oder in grob fahrlässiger Weise vernachlässigt haben. Die Passivlegitimation der erstbeklagten Partei sei deswegen gegeben, weil sie nach § 61 Krtn. LandesstraßenG auch bei Ortschaftswegen die Straßenverwaltung zu besorgen habe, wenn auch auf Rechnung der Erhaltungspflichtigen; eine Verletzung dieser gesetzlichen Erhaltungspflicht begrunde die Haftung gegenüber den geschädigten Personen. Die Passivlegitimation der 2. bis 29. beklagten Parteien sei auf Grund der ausdrücklichen Haftungsbestimmung des § 9 Krtn. LandesstraßenG gegeben. In der Sache selbst stehe die Frage im Vordergrund, ob eine vorsätzliche oder grob fahrlässige Verletzung des im § 8 Abs. 1 Krtn. LandesstraßenG normierten Umfanges der Erhaltungspflicht gegeben sei. Dazu müsse zunächst bemerkt werden, daß die im § 8 Abs. 1 zweiter Satz Krtn. LandesstraßenG ausgesprochene Einschränkung, wonach bei Gemeindestraßen, Ortschafts- und Einschichtenwegen der im ersten Satz des § 8 Abs. 1 normierte Umfang der Erhaltungspflicht auf die auf diesen Straßen gewöhnlich vorkommenden Fahrzeuge beschränkt ist, nicht den Umfang der Erhaltungspflicht gegenüber Fußgängern ändere, wie es § 8 Abs. 1 erster Satz Krtn. LandesstraßenG vorschreibe. Zur Erhaltung gehöre als Nebenanlage auch der in Rede stehende Abflußschacht. Die Tatsache, daß dieser am Unfallstag unabgedeckt war, stelle eine Verletzung der Instandhaltungspflicht im Sinne des § 8 Abs. 1 erster Satz Krtn. LandesstraßenG dar. Die Notwendigkeit der Erhaltung des Weges in einem verkehrssicheren Zustand sei durch die Fußgängerfrequenz und die Tendenz, bei gehsteiglosen Straßen die Straßenränder zu benützen, augenscheinlich gegeben. Damit erhebe sich die weitere Frage, ob ein Organ der erstbeklagten Partei die Straßenerhaltungspflicht im Sinne des § 8 Krtn. LandesstraßenG grob fahrlässig vernachlässigt habe, zumal eine vorsätzliche Verletzung der Erhaltungspflicht von vornherein ausscheide. Diese Frage müsse bejaht werden. Für das Ausmaß der Kontrolle sei für den Bereich der Kärntner Straßen eine Norm nicht vorgesehen. Das Ausmaß richte sich nach dem Rang der Straße und im Einzelfall nach den besonderen Gegebenheiten. Hier handle es sich um einen Ortschaftsweg, der insofern eine Besonderheit aufweise, als er in den Sommermonaten täglich von 150 bis 400 Menschen, vornehmlich ortsfremden Sommergästen, begangen werde, die, weil die Straße auch von Fahrzeugen benützt werde, entsprechend der Bestimmung des § 76 Abs. 1 StVO 1960 mangels eines Gehsteiges die Fahrbahnränder benützen, so daß das zur Zeit des Unfalles unabgedeckte, am Straßenrand liegende Kanalloch im Hinblick auf Umfang und Tiefe eine besondere Gefahrenquelle für Fußgänger, aber auch für Fahrzeuge, namentlich in der Dunkelheit, dargestellt habe. Letztere Überlegung werde dadurch untermauert, daß in der Folge immer wieder Fahrzeuge über den Fahrbahnrand hinaus geraten seien und die Böschung teilweise abgetragen hätten. Der Schacht sei mindestens vier Wochen unabgedeckt gewesen, und dieser gefährliche Zustand sei trotz mehrerer Kontrollen vom Kontrollorgan nicht erkannt worden. Die Kontrolltätigkeit müsse daher als erheblich mangelhaft angesehen werden.
Ein Mitverschulden des Klägers an dem Unfall liege nicht vor, da dieser infolge des zur Unfallszeit gegebenen Grasbewuchses den - offenen Kanalschacht insbesondere beim Seitwärts- oder Rückwärtsschreiten nicht habe erkennen können und er nicht habe annehmen brauchen, daß sich an dem stark frequentierten Ortschaftsweg ein unabgedeckter Kanalschacht befinde.
Das Erstgericht habe schon den Grund des Anspruches verneint und deshalb über die Höhe des Schadenersatzanspruches keine Feststellungen getroffen. Das Ersturteil sei daher in dieser Richtung ergänzungsbedürftig und deshalb aufzuheben gewesen.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurse der beklagten Parteien nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Das Berufungsgericht habe - so versucht der Rekurs darzutun zu Unrecht die passive Klagslegitimation der erstbeklagten Partei (Gemeinde) als gegeben angenommen. Die Haftung bei Verletzung oder Tötung von Personen oder Beschädigung von Sachen, die infolge des Zustandes einer Straße eingetreten sind, werde im § 9 des Krtn. StraßenG geregelt. Dort werde die Haftung einerseits auf die zur Erhaltung der Straße verpflichteten Personen, anderseits auf die vorsätzliche oder grob fahrlässige Vernachlässigung der Erhaltungspflicht beschränkt. Gemäß § 7 Z. 5 des Krtn. StraßenG treffe die Verpflichtung zur Herstellung und Erhaltung öffentlicher Straßen bei Ortschafts- und Einschichtenwegen die im § 23 Abs. 1 leg. cit. genannten Kostenträger, nämlich die Liegenschaftsbesitzer und sonstigen Benützer der beteiligten Ortschaft, nicht aber die Gemeinde. Dieser obliege es gemäß § 61 Abs. 4 Krtn. StraßenG lediglich, die Erhaltungspflichtigen in den diese Wege betreffenden bürgerlichen Rechtsangelegenheiten zu vertreten. Hieraus lasse sich aber keine Haffung der Gemeinde ableiten, so daß bei richtiger rechtlicher Beurteilung das gegen die erstbeklagte Partei erhobene Schadenersatzbegehren wegen Fehlens der passiven Klagslegitimation abzuweisen gewesen wäre.
Dieses Rekursvorbringen nötigt dazu, Wesen und Inhalt der Straßenbaulast näher zu erläutern. Unter Straßenbaulast ist die Verpflichtung zu verstehen, eine öffentliche Straße herzustellen und zu erhalten. Da dies bei Ortschaftswegen in einer Weise zu geschehen hat, daß diese öffentlichen Straßen bei Beachtung der bestehenden Verkehrsvorschriften und unter Bedachtnahme auf die durch die Witterungsverhältnisse und Elementarereignisse bedingten Umstände von den auf Wegen der genannten Art gewöhnlich vorkommenden Fahrzeugen sowie von Fußgängern gefahrlos benutzt werden können (vgl. § 2 Abs. 1 lit. a, § 3 Z. 5 und § 8 Abs. 1 des Krtn. StraßenG 1966 bzw. nunmehr des Krtn. StraßenG 1971) umfaßt die Straßenbaulast nicht nur die Verpflichtung zur Durchführung baulicher, sondern auch pfleglicher Maßnahmen (Krzizek, Das öffentliche Wegerecht, 124). Die wirtschaftlich bedeutsamste Verpflichtung, die sich für den Träger der Straßenbaulast ergibt, ist die Verpflichtung zur Herstellung und Erhaltung einer öffentlichen Straße. Nach der im § 6 des Krtn. StraßenG 1966 bzw. 1971 enthaltenen Begriffsbestimmung ist unter der Herstellung von Straßen im Sinne des zitierten Gesetzes der Neubau, Ausbau, Umbau, die Umlegung und sonstige Verbesserungen öffentlicher Straßen, unter Straßenerhaltung hingegen die Instandhaltung, Pflege (technisch wirtschaftliche Betreuung) sowie die Wahrnehmung und Vertretung des Straßeninteresses zu verstehen. Zusammenfassend ist daher festzuhalten, daß derjenige, der verpflichtet ist, eine Straße herzustellen und zu erhalten, als Träger der Straßenbaulast angesprochen werden muß. Davon zu unterscheiden sind jene Personen, die nur Beiträge zur Herstellung oder zur Erhaltung einer öffentlichen Straße zu leisten haben, ohne jedoch die sonstigen Rechte und Pflichten des Trägers der Straßenbaulast zu besitzen.
Nach § 61 Abs. 1 Krtn. StraßenG 1966 bzw. nunmehr 1971 ist Straßenverwaltung im Sinne des zitierten Gesetzes die mit der Sorge für die Herstellung und Erhaltung der öffentlichen Straßen insbesondere ihrer technischen und wirtschaftlichen Pflege und Instandhaltung ...., betraute Körperschaft; bei den hier allein interessierten Ortschaltswegen ist dies die Gemeinde (Abs. 2 leg, cit.). Bei dem in Rede stehenden Ortschaftsweg ist also die Gemeinde (erstbeklagte Partei) auf Grund einer ausdrücklichen Anordnung des Gesetzgebers, der ihr die Betreuung (auch) dieses Weges überantwortet hat, Träger der Straßenbaulast. Jüngere Straßengesetze haben sich bemüht, die Träger der Straßenbaulast vor unangemessenen Schadenersatzansprüchen zu schützen. In diesem Lichte ist auch die Haftungsbeschränkung des § 9, erster Satz, Krtn. StraßenG 1966 bzw. nunmehr 1971 zu sehen, derzufolge die zur Erhaltung der im § 2 Abs. 1 lit. a leg. cit. genannten öffentlichen Straßen Verpflichteten in Angelegenheiten der Verwaltung der Straßen - ausgenommen die unter die Bestimmungen des Amtshaftungsgesetzes fallenden Angelegenheiten der Hoheitsverwaltung - bei Verletzung oder Tötung von Personen oder Beschädigung von Sachen, die infolge des Zustands einer Straße eingetreten sind, zum Schadenersatz nur dann verpflichtet sind, wenn Organe der Straßenverwaltung erwiesenermaßen das im § 8 Abs. 1 leg. cit. festgesetzte Ausmaß der Erhaltung vorsätzlich oder in grob fahrlässiger Weise vernachlässigt haben. Mit dieser Gesetzesbestimmung wird nicht etwa Haftungsausschluß irgendeines Trägers der Straßenbaulast normiert, sondern nur der Umfang der Haftung der zur Erhaltung öffentlicher Straßen Verpflichteten - bei Ortschaftswegen sind dies neben der Gemeinde die im § 22 Abs. 1 Krtn. StraßenG 1966 bzw. nunmehr im § 23 Abs. 1 Krtn. StraßenG 1971 genannten Kostenträger, also die Liegenschaftsbesitzer und die sonstigen Benützer in der beteiligten Ortschaft - eingeschränkt. Daß etwa die Gemeinde, der vor Gesetzgeber nach § 61 Abs. 1 Krtn. StraßenG 1966 bzw. nunmehr 1971 neben dem im § 22 Abs. 1 Krtn. StraßenG 1966 bzw. nunmehr im § 23 Abs. 1 Krtn. StraßenG 1971 genannten Personenkreis gleichfalls die Pflicht zur Straßenerhaltung auferlegt worden ist, bei einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Verletzung dieser Pflicht durch die für sie handelnden Organe haftungsfrei bleiben soll, läßt sich aus der Bestimmung des § 9 Krtn. StraßenG 1966 bzw. 1971 nicht ableiten. Wenn § 61 Abs. 3 leg. cit. normiert, daß die Gemeinde als die bei Ortschaftswegen mit der Straßenverwaltung betraute Körperschaft unter ihrer Verantwortung mit den Erhaltungsarbeiten eines Ortschaftsweges, also mit der Instandhaltung und Pflege eines solchen Weges, einen Erhaltungspflichtigen auf Rechnung der Erhaltungspflichtigen betrauen kann, dann ist darin implicite die Aussage enthalten, daß der Gesetzgeber von der Eigenverantwortlichkeit der Gemeinde als Straßenverwalter für eine ordnungsgemäße Instandhaltung und Pflege der Ortschaftswege ausgeht. Eine verfassungskonforme Auslegung der Bestimmungen der §§ 9 und 61 Abs. 1 Krtn. StraßenG muß gleichfalls zum Ergebnis gelangen, daß die Haftung für die nachteiligen Folgen einer Vernachlässigung der Straßenerhaltungspflicht nicht allein den im § 23 Abs. 2 leg. cit. bezeichneten Personenkreis treffen soll, der auf die Erfüllung der Straßenerhaltungspflicht deshalb keinen unmittelbaren Einfluß nehmen kann, weil die Straßenverwaltung, und damit auch die Pflege und Instandhaltung einer öffentlichen Straße einer Körperschaft - bei Ortschaftswegen der Gemeinde - überantwortet ist. Die Gemeinde ist nicht nur den Kostenträgern gegenüber, d. h. im Innenverhältnis zur ordnungsgemäßen Wegerhaltung verpflichtet, sondern auch den Wegbenützer gegenüber, d. h. im Außenverhältnis. In der Bejahung der passiven Klagslegitimation der erstbeklagten Partei ist daher eine Fehlbeurteilung nicht zu erblicken.
Der Oberste Gerichtshof teilt auch die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, daß das Schadensereignis auf eine grob fahrlässige Vernachlässigung der Pflege des Ortschaftsweges durch Organe der Gemeinde zurückzuführen ist. Ob ein Handeln oder eine Unterlassung als grobes Verschulden zu bewerten ist, läßt sich stets nur nach den besonderen Umständen des Einzelfalles beurteilen. Grobe Fahrlässigkeit eines Organs der Straßenverwaltung (Gemeinde), die nach der Bestimmung des § 9 Krtn. StraßenG 1966 bzw. nunmehr 1971 die Voraussetzung für eine Schadenersatzpflicht der beklagten Parteien bildet, entspricht der auffallenden Sorglosigkeit nach § 1324 ABGB oder dem schweren Verschulden nach § 431 Abs. 1 StG i. d. F. des Strafrechtsänderungsgesetzes 1971 (EvBl. 1973/265; EvBl. 1972/118; EvBl. 1968/94; EvBl. 1967/20; zuletzt etwa 1 Ob 213, 214/73). Sie ist nach ständiger Rechtsprechung dann anzunehmen, wenn eine auffallende und ungewöhnliche Vernachlassigung einer Sorgfaltspflicht vorliegt und der Eintritt eines Schadens als wahrscheinlich und nicht etwa bloß als möglich voraussehbar ist (EvBl. 1973/265; EvBl. 1972/118; ZVR 1971/101; EvBl. 1967/20; JBl. 1963.622; JBl. 1959, 211; 1 Ob 29/73 u. a.).
Nach den getroffenen Feststellungen fehlte auf dem im Bereich einer Rechtskurve des Ortschaftsweges verlaufenden Kanalschacht im Sommer 1967 - also während der Fremdenverkehrszeit - länger als vier Wochen ein Deckel im Ausmaß von 72 cm x 72 cm. Nach den Urteilsannahmen hätte dieser, die Sicherheit der zahlreichen, zum überwiegenden Teil ortsfremden Fußgänger gefährdende Straßenzustand einem Kontrollorgan schon beim bloßen Vorbeifahren auffallen müssen. Die Tatsache, daß die Straßenverwaltung von dem Gebrechen erst durch den Unfall Kenntnis erlangt hat, erlaubt es nicht, von bloßen Aufmerksamkeitsfehlern zu sprechen; dem von der erstbeklagten Partei eingesetzten Organ muß vielmehr der Vorwurf gemacht werden, während eines sehr beträchtlichen Zeitraumes, noch dazu in einer besonders verkehrsreichen Saison, auf der in Rede stehenden Strecke des Ortschaftsweges keine sinnvolle Kontrolltätigkeit entfaltet zu haben. Da eine solche gerade während der Sommermonate in einem von Feriengästen stark frequentierten Erholungsgebiet verlangt werden muß, muß davon ausgegangen werden, daß sich die Sorglosigkeit des von der Gemeinde mit der Betreuung der öffentlichen Straße eingesetzten Organs auffallend aus der Menge der unvermeidbaren Fahrlässigkeitshandlungen und Fehlleistungen des Alltagslebens heraushebt.
Beizutreten ist den Rechtsausführungen der beklagten Parteien allerdings darin, daß die bisher gewonnenen Verfahrensergebnisse nicht hinreichen, um die Frage der Berechtigung der erhobenen Einwendung eines Mitverschuldens der klagenden Partei an dem Schadenseintritt bereits abschließend, und zwar - wie dies im Aufhebungsbeschluß zum Ausdruck kommt - im Sinne einer Verneinung dieser Frage, beantworten zu können. Die beklagten Parteien machten schon in der Klagebeantwortung geltend, daß der Kläger den asphaltierten Teil der Straße verlassen habe und durch eigene Unvorsichtigkeit zu Schaden gekommen sei. Nach der eigenen Darstellung waren es nicht etwa verkehrsbedingte Gründe, die ihn gezwungen hätten, rasch auf eine Nebenanlage der Straße auszuweichen, sondern sein Bestreben, Landschaftsmotive im Bild festzuhalten. Beim Betreten einer zur Straße gehörenden Nebenanlage war der Kläger aber gehalten, Vorsicht walten zu lassen. Ob er dieser Forderung auch entsprochen hat, ob insbesondere die Gefahrenstelle für ihn bei Beobachtung der auch von einem Fußgänger bei der Benützung eines Ortschaftsweges zu verlangenden Aufmerksamkeit erkennbar gewesen wäre, wird erst nach einer Ergänzung des Sachverhaltsbildes in der aufgezeigten Richtung verläßlich beurteilt werden können.
Anmerkung
Z47039Schlagworte
Gemeinde, Haftung gegenüber Benützern von Ortschaftswegen im Sinne des, Krntn. StraßenG 1966 und 1971, Haftung der Gemeinde gegenüber Benützern von Ortschaftswegen im Sinne, des Krntn. StraßenG 1966 und 1971, Ortschaftswege, Haftung der Gemeinde gegenüber Benützern von - im Sinne, des Krntn. StraßenG 1966 und 1971European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1974:0010OB00033.74.0329.000Dokumentnummer
JJT_19740329_OGH0002_0010OB00033_7400000_000