Norm
ABGB §1165Kopf
SZ 47/42
Spruch
Verspricht ein Elektrogerätehändler einem Kunden für den Fall des Nachweises, daß der Kunde ein Fernsehgerät bestimmter Type bis zu einem bestimmten Zeitpunkt auch in einem anderen Geschäft desselben örtlichen Bereiches zu kaufen erhalte, die Zahlung eines Geldbetrages, dann liegt eine - klagbare - "negative Zusicherung" vor
Abgrenzung zwischen Wette, Werkvertrag und (Werk-)Zusicherung
OGH 3. April 1974, 5 Ob 12/74 (HG Wien 1 R 114/73; BGHS Wien 1 C 79/73)
Text
Der Kläger begehrt von der beklagten Partei Zahlung von 10.000 S samt Anhang im wesentlichen mit der Begründung, die beklagte Partei habe ihm diesen Betrag für den Fall versprochen, daß der Kläger nachweisen könne, daß er ein Farbfernsehgerät Siemens "Bildmeister" FC 338/1973 mit Dünnhalsröhre und Sensorentechnik im Wiener Raum bis zum 24. Dezember 1972 in einem anderen Geschäft als bei der beklagten Partei zu kaufen erhalte. Ein solches Gerät sei dem Kläger am 4. Dezember 1972 bei der Firma C in Wien IV angeboten worden, weshalb der versprochene Betrag fällig geworden sei. Die beklagte Partei beantragte Klagsabweisung mit der Begründung, daß der Kläger den erforderlichen Nachweis nicht erbracht habe.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es stellte fest, daß dem Kläger und Renate L am 4. Dezember 1972 bei der Firma C in Wien IV ein Farbfernsehgerät Siemens "Bildmeister" FC 338 mit Sensoren zum Kauf angeboten wurde, daß Renate L das Gerät im Auftrag des Verkaufsleiters der beklagten Partei ankaufte, jedoch die Lieferung des Gerätes in der Folge unterblieb. Dieser Sachverhalt in Verbindung mit dem übereinstimmenden Parteienvorbringen hinsichtlich der Zusage von 10.000 S für den gegebenen Fall sei rechtlich als ein Vertrag sui generis mit einer gewissen Ähnlichkeit zur Auslobung zu beurteilen. Der Kläger habe ein Anbot der beklagten Partei angenommen und den verlangten Nachweis erbracht, weshalb ihm die beklagte Partei den zugesagten Betrag schulde.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei Folge. Es traf nach Beweiswiederholung bzw. -ergänzung noch weitere Feststellungen, die sich, soweit entscheidungswesentlich, wie folgt zusammenfassen lassen:
Bei der Wiener Herbstmesse 1972 kaufte die beklagte Partei von der Firma Siemens alle verfügbaren Fernsehgeräte der Type FC 338 und schloß mit dieser hinsichtlich des genannten Farbfernsehgerätes einen bis Jahresende 1972 laufenden sogenannten Ausschließlichkeitsvertrag.
Am 1. Dezember 1972 wurde dem Kläger im Geschäftslokal der beklagten Partei von deren Verkäufer N als, letzter Schrei" ein Farbfernsehgerät Siemens "Bildmeister" FC 338 zum Preise von 20.500 S bei Rücknahme eines alten Schwarz-Weiß-Gerätes angeboten. Der herbeigeholte Inhaber der beklagten Partei, Gottfried W, schilderte dem Kläger ebenfalls den Fernseher FC 338 als allen anderen Typen überlegen. Als der Kläger meinte, das Gerät vielleicht anderswo billiger bekommen zu können, erwiderte W, der Kläger könne dieses Gerät nur bei ihm (der beklagten Partei) erhalten.
Der Kläger begab sich hierauf zur Firma K und erkundigte sich dort nach diesem Fernsehgerät. Dem Kläger wurde mitgeteilt, daß es nicht vorrätig, aber lieferbar sei; als Preis wurden 20.200 S ohne Rücknahme eines Schwarz-Weiß-Gerätes genannt. Hierauf (noch am 1. Dezember 1972) rief der Kläger bei der beklagten Partei an und teilte W mit, daß er die - im Geschäftslokal der Beklagten vereinbarte - Aufstellung des Apparates in seiner Wohnung storniere, weil er das gleiche Gerät anderswo billiger erhalten könne. W erwiderte hierauf, daß es das nicht gebe. Sogleich nach Beendigung des Telefonates richtete Gottfried W das folgende Schreiben an den Kläger, das dieser gegen 17 Uhr des 1. Dezember 1972 erhielt:
"Beiliegend übersenden wir Ihnen einen Gutschein über 10.000 S, gültig bis 24. Dezember 1972. Sie erhalten dieses Geld in bar ausbezahlt, wenn Sie uns nachweisen, daß Sie ein Siemens Gerät Mod. 338/1973 mit Dünnhalsröhre und Sensorentechnik - das modernste Gerät, welches es auf dem österreichischen Markt derzeit gibt - im Wiener Raum anderwo zu kaufen erhalten. Bekommen können Sie jedoch die Typen 321 oder 318, das sind Geräte der Modellreihe 1972, zum Nettobetrag von 17.980 S (das ist der Betrag abgezogen der Prozente und Geräte), welche einen normalen elektronisch-mechanischen Umschalter haben. Aber wie gesagt, 1973-Modelle wurden alle von unserer Firma aufgekauft und sind einzig und allein bei uns zu erhalten."
Am Montag darauf (4. Dezember 1972) rief der Kläger an Hand des Branchenverzeichnisses rund ein Dutzend Fernsehgerätehändler an und fragte nach dem Fernsehgerät Siemens FC 338. Von der Firma C erhielt der Kläger die telefonische Auskunft, daß ein solches Gerät zum Preis von 19.900 S zu haben sei. Nach einem neuerlichen " der Vergewisserung dienenden Anruf bei der Firma C rief der Kläger bei der beklagten Partei an. Der Kläger wurde mit Wilhelm A verbunden und sagte zu diesem, er wisse ein Geschäft in Wien, wo er das Gerät FC 338 billiger erhalte. A (damals Verkaufsleiter der beklagten Partei) und Renate L, eine Angestellte der beklagten Partei, holten den Kläger von seiner Wohnung ab und begaben sich zur Firma C. A wollte durch Renate L das Gerät FC 338 für die beklagte Partei kaufen lassen, um damit dieser eine Handhabe gegen die Firma Siemens zu verschaffen. Gottfried W hatte nämlich den Auftrag gegeben, daß im Falle derartiger Vertragsverletzungen sofort ein Beweisexemplar zu kaufen versucht werden solle. (Wie bereits vom Erstgericht festgestellt, kaufte Renate L das Gerät, doch kam es in der Folge nicht zur Lieferung).
W war bei der Abfassung des Schreibens vom 1. Dezember 1972 an den Kläger der Annahme, daß die Erbringung des darin genannten Nachweises unmöglich sei, weil die Firma Siemens das vereinbarte Ausschließlichkeitsrecht nicht verletze. Im Hinblick auf diese Vereinbarung hielt W es für praktisch unmöglich, daß das Gerät FC 338 anderswo im Großraum Wien zu erhalten war. Es war W aber den Betrag von 10.000 S wert, der Firma Siemens gegebenenfalls zu beweisen, daß sie sein Ausschließlichkeitsrecht breche.
Diesen Sachverhalt beurteilte das Berufungsgericht rechtlich dahin, daß in dem zwischen dem Kläger und der beklagten Partei durch Anbot und schlüssige Annahme zustande gekommenen Vertrag eine Wette zu erblicken sei. Gottfried W habe dem Kläger unmißverständlich erklärt, daß er den zur Bedingung gesetzten Nachweis nicht werde erbringen können, sei jedoch bereit gewesen, 10.000 S zu zahlen, falls es dem Kläger wider Erwarten doch gelingen sollte, eine Verletzung des Ausschließlichkeitsrechtes der beklagten Partei durch die Firma Siemens zu beweisen. Die beklagte Partei habe somit dem Kläger eine Leistung für den Fall der Nichtbewährung ihrer Behauptung, daß der Kläger den geforderten Nachweis nicht erbringen könne, versprochen. Werkzusicherung liege nicht vor, da die Beklagte davon ausgegangen sei, der Kläger könne die Leistung nicht erbringen. Da nur die, beklagte Partei eine Leistung versprochen habe, handle es sich um eine sogenannte halbe Wette. Der Kläger habe nun zwar die ihm auferlegte Leistung erbracht, doch sei eine Wettschuld unklagbar, es sei denn, daß der Preis wirklich entrichtet oder hinterlegt worden sei. In der Übersendung eines Gutscheines über 10.000 S an den Kläger könne aber keine wirkliche Entrichtung des Wettpreises, in der - mit Schreiben der beklagten Partei vom 11. Dezember 1972 erfolgten - Übersendung eines Barschecks an den Beklagtenvertreter keine Hinterlegung des Preises erblickt werden. Das auf Durchsetzung einer Naturalobligation gerichtete Klagebegehren sei daher abzuweisen. Infolge Revision des Klägers stelle der Oberste Gerichtshof das Urteil des Erstgerichtes wieder her.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Das Schwergewicht der Revision liegt in dem Vorbringen, daß die Parteien nicht eine unklagbare Wette, sondern eine klagbare Werkzusicherung, d. h. einen Werkvertrag, bei dem der Unternehmer nur berechtigt, aber nicht verpflichtet ist, die verlangte Leistung zu erbringen, vereinbart hätten. Da der Kläger in seinem Betrieb die allgemeine Anweisung gegeben habe, bei Verletzungen seines Ausschließlichkeitsrechtes sofort den Kauf eines Beweisexemplars zu versuchen und er es 10.000 S wert gefunden habe, der Firma Siemens zu beweisen, daß sie sein Ausschließlichkeitsrecht breche, habe er mit einer solchen Möglichkeit gerechnet. Er habe auch ein Interesse daran gehabt, daß der Nachweis gelinge, weil er dann Schadenersatzansprüche gegen die Firma Siemens hatte stellen können. Der Inhaber der beklagten Partei habe sich eines Kunden, nämlich des Klägers, auf dessen Mitteilung hin, daß dieser das Gerät in einem anderen Geschäft billiger erwerben könne, bedient, um die Firma Siemens einer Vertragsverletzung zu überführen.
Der Revision ist im Sinne der folgenden Ausführungen beizupflichten:
Wette (auch die sogenannte "halbe Wette") ist Vereinbarung einer Leistung an jenen, dessen "Behauptung" sich im Meinungswiderstreit als die richtige erweist (Ehrenzweig[2] II/1, 613). Gegenstand des Werkvertrages ist die Herstellung eines "Werkes" durch einen (selbständigen) Unternehmer gegen Entgelt. Zum Begriff der Wette (wie dem des Spieles) gehört ein aleatorisches Moment (RZ 1960, 81). Wette und Spiel "reizen Wagelust und Gewinnsucht" (Schuster - Bonnott, Grundriß des Obligationenrechts[2], 102). Das aleatorische Moment fehlt hingegen beim Werkvertrag, weil bei diesem der Besteller von der Herstellbarkeit des Werkes durch den Unternehmer ausgeht. Werkzusicherung ist ein Werkvertrag, bei dem der Unternehmer nur berechtigt, aber nicht verpflichtet ist, das Werk zum bestimmten Preise herzustellen (Wolff in Klang[2] V, 986). Bei der Abgrenzung zwischen Wette und Werkzusicherung kommt es nicht nur darauf an, ob der Versprechende die Erbringung der verlangten Leistung für möglich oder unmöglich hält, sondern auch darauf, ob der Versprechende ein Interesse an der Vollbringung oder Nichtvollbringung hat. Bei einem Interesse an der Vollbringung des Werkes liegt Werkvertrag vor, bei einem Interesse an der Nichtvollbringung ist Wette anzunehmen. Zusicherung (d.i. auch Werkzusicherung) ist das vertragsmäßige Versprechen einer Belohnung (Zuwendung) an eine bestimmte Person (Zuwendungswerber) für die Herbeiführung eines Erfolges durch eine Tätigkeit (Unterlassung) des Versprechensempfängers, zu welcher dieser nicht verpflichtet ist (Wolff, Die Zusicherung, ZBl. 1917, 705). Wolff (Zusicherung 725 - Arbeiten anderer Autoren des österreichischen Rechtsbereiches zu dieser Frage liegen seither nicht vor) unterscheidet Lohnzusicherung, Wettzusicherung und negative Zusicherung. Setzt der Zusichernde die allgemeine Möglichkeit des Erfolges voraus und wünscht er diese wie auch die besondere Möglichkeit, so ist Lohnzusicherung gegeben. Wünscht der Zusichernde die besondere Unmöglichkeit des Erfolges, während es ihm gleichgültig ist, ob dieser allgemein möglich ist, spricht man von Wettzusicherung (halbe Wette). Wünscht dagegen der Zusichernde die allgemeine Unmöglichkeit des Erfolges, für den Fall der allgemeinen Möglichkeit aber auch dessen besondere Möglichkeit, so liegt negative Zusicherung vor (Wolff, Zusicherung, 725). In Klang[2] V, 986, beschreibt derselbe Autor die Merkmale der negativen Zusicherung dahin, daß bei der halben Wette der Wettende wünscht, daß der andere Teil auf keinen Fall den Erfolg herbeiführe; bei der negativen Zusicherung jedoch wünsche er zwar, daß der Erfolg überhaupt unmöglich sei, daß er aber, wenn er herbeigeführt werden könne (allgemeine Möglichkeit), gerade vom anderen Teil herbeigeführt werde (besondere Möglichkeit). Das hier (Klang [2] V, 986) angeführte Beispiel für negative Zusicherung ist der oben erwähnten Abhandlung entnommen: Negative Zusicherung ist dann gegeben, wenn A dem B für jeden Schreibfehler, den dieser in seinem Manuskript entdecke, eine Belohnung verspricht. A wünscht hier, daß das Manuskript fehlerfrei sei, daß aber, wenn Fehler darin seien, B sie finde (vgl. ZBl. 1917, 726). Der Oberste Gerichtshof tritt der überzeugend begrundeten Ansicht Wolffs bei.
Im klagsgegenständlichen Fall liegt indes nichts anderes als eine solche negative Zusicherung vor. Die diesbezüglich wesentlichen Feststellungen des Berufungsgerichtes lauten, daß Gottfried W bei der Abfassung des Schreibens vom 1. Dezember 1972 an den Kläger wohl davon ausging, daß die Firma Siemens sein Ausschließlichkeitsrecht nicht verletzt habe, daß es ihn aber andererseits den Betrag von 10.000 S wert dünkte, der Firma Siemens - gegebenenfalls - zu beweisen, daß sie sein Ausschließlichkeitsrecht gebrochen habe. Gottfried W, der überdies die Anweisung gegeben hatte, bei derartigen Vertragsverletzungen sofort zu versuchen, ein Beweisexemplar zu kaufen, und der, seiner Parteienaussage zufolge, vom Kläger "den Wahrheitsbeweis erwartete", wünschte somit zwar, daß der Erfolg überhaupt unmöglich sei, d. h. daß die Firma Siemens ihre Ausschließlichkeitsverpflichtung ihm gegenüber einhalte; er schloß es aber nicht aus, daß dies nicht der Fall sei, und war gerade für diesen Fall daran interessiert, daß der Kläger ihm den gewünschten Nachweis erbringe. Diesem Vertrag fehlte jedes aleatorische Moment, so daß von Wette nicht gesprochen werden kann. Handelte es sich somit aber nicht um eine (halbe) Wette, sondern war es eine negative Zusicherung, die Gottfried W dem Kläger durch das Schreiben vom 1. Dezember 1972 angeboten und welches Anbot der Kläger,wie auch das Berufungsgericht zutreffend erachtete, schlüssig angenommen hat, dann ist der Anspruch des Klägers, der die verlangte Leistung erbracht hat, klagbar.
Anmerkung
Z47042Schlagworte
Negative Zusicherung, Abgrenzung zwischen Wette, Werkvertrag und, Zusicherung, Werkvertrag, Abgrenzung zwischen Wette, - und Zusicherung, Wetten, Abgrenzung zwischen -, Werkvertrag und Zusicherung, Zusicherung, Abgrenzung zwischen Wette, Werkvertrag und -European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1974:0050OB00012.74.0403.000Dokumentnummer
JJT_19740403_OGH0002_0050OB00012_7400000_000