TE OGH 1974/4/25 7Ob68/74

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Veröffentlicht am 25.04.1974
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Norm

Allgemeine Bedingungen für die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung 1967 Art3 Abs2
Versicherungsvertragsgesetz §150 Abs2

Kopf

SZ 47/57

Spruch

Die Bestimmung des Art. 3 Abs. 2 AKHB 1967 kann nicht auf Zinsen im Sinne des § 150 Abs. 2 zweiter Satz VersvG angewendet werden

OGH 25. April 1974, 7 Ob 68/74 (OLG Wien 1 R 206/73; KG St Pölten 2 a Cg 846/72)

Text

Das in der Hauptsache mit 46.842 S bezifferte Klagebegehren wurde mit einem Teilbetrag von 16.603.91 S vom Erstgericht rechtskräftig abgewiesen. Die danach verbleibenden restlichen 30.238.19 S sind jener Betrag, den die Klägerin als Autohaftpflichtversicherer für den Beklagten als ihren Versicherungsnehmer in Bereinigung eines am 20. Oktober 1966 eingetretenen Versicherungsfalles über die für Sachschäden vereinbarte Versicherungssumme von 300.000 S hinaus an den geschädigten Dritten gezahlt hat. Die an diesen geleisteten Zahlungen übersteigen jedoch die erwähnte Versicherungssumme nur dann, wenn ihnen auch die Zinsen zugezahlt werden, die der Geschädigte infolge der durch die Führung des Haftpflichtprozesses bedingten Verzögerung des ihm gebührenden Schadenersatzes von der Klägerin erhielt. Der vom geschädigten Dritten als Fahrzeughalter in Anspruch genommene Beklagte hatte auf Grund der Angaben seines in den Verkehrsunfall verwickelten und gleichfalls belangten Kraftfahrers Karl L über den Unfallshergang jedes von ihm zu verantwortende Verschulden an dem Schadensfall bestritten, weshalb die Klägerin einen Rechtsanwalt beauftragte, ihren Versicherungsnehmer (den nunmehrigen Beklagten) und den Versicherten, Karl L, im Haftpflichtprozeß als die dort Beklagten zu vertreten, in welchem diese sodann unterlagen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren in Ansehung des kapitalisierten Zinsenbetrages von 30.238.19 S in der Erwägung statt, daß von dem Versicherer nach § 150 Abs. 2 zweiter Satz VersVG auf zuerlegenden Zinsen nicht gesprochen werden könne, wenn sich der Versicherer, wie hier, im Hinblick auf die vom Versicherten gegebene Darstellung des Unfalls zur Prozeßführung mit dem Geschädigten entschlossen und dessen Schaden erst nach rechtskräftiger Entscheidung dieses Rechtsstreites vergütet habe.

Das Berufungsgericht änderte über Berufung des Beklagten das Ersturteil dahin ab, daß sie das Klagebegehren zur Gänze abwies. Wie sie im wesentlichen ausführte, erfordere die Anwendung des § 150 Abs. 2 VersVG kein Verschulden des Versicherers. Diese Vorschrift gehe davon aus, daß es unbeschadet der Berechtigung des letzteren, in zweifelhaften Haftpflichtfällen eine gerichtliche Entscheidung herbeizuführen, angebracht erscheine, für die dadurch auflaufenden Zinsen den Versicherer und nicht den Versicherungsnehmer aufkommen zu lassen (vgl. Bruck - Möller - Johannsen, Komm. z. Versicherungsvertragsgesetz[8] IV, Anm. G 47 zu § 150 Abs. 2). Die vorangeführte Überlegung des Erstgerichtes stelle keinen hinreichenden Grund dar, in dem Haftpflichtprozeß, auf den es der Versicherer habe ankommen lassen, nicht eine von ihm veranlaßte Verzögerung der Anspruchsbefriedigung des Dritten zu erblicken, gelte doch ein Rechtsstreit selbst dann als vom Versicherer veranlaßt, wenn dieser der Absicht des Versicherungsnehmers, mit dem Dritten einen Rechtsstreit zu führen, nicht entschieden genug entgegengetreten sei. Allerdings sei § 159 Abs. 2 VersvG lediglich nachgiebiges Recht, doch sei eine davon abweichende vertragliche Vereinbarung nicht behauptet worden und auch die Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung (AKHB) enthielten nichts Abweichendes. Das treffe insbesondere auch auf deren Art. 3 zu. Da dieser in seinem zweiten Absatz dem Versicherer die Kosten eines nicht auf seine Veranlassung geführten Rechtsstreites nur im Verhältnis der Versicherungssumme zum Gesamtbetrag der Ansprüche auferlege, für die Zinsen aber keinerlei Regelung vorsehe, sei in der deutschen Rechtslehre und Rechtsprechung in Auslegung der ähnlichen Bestimmungen des § 3 II 2 Satz 1 der deutschen AHB und des § 10 Z. 6 Satz 1 der deutschen AKB verschiedentlich gefolgert worden, daß die Zinsen unabhängig davon, ob der Rechtsstreit vom Versicherer veranlaßt worden sei oder nicht, in die Mindestversicherungssumme einzurechnen seien (LG Koblenz in NJW 1955, 1235, mit Anmerkung von Prölß). Dem könne indes nicht beigetreten werden, denn Art. 3 AKHB lasse sich zwanglos dahin verstehen, daß von ihm die gesetzliche Sonderregelung bezüglich der Zinsen unberührt bleibe. Andernfalls wäre § 150 Abs. 2 VersVG, wohl ausdrücklichausgeschlossen worden. Tatsächlich werde aber die Frage der Verzinsung der Haftpflichtforderung in Art. 3 AKHB zum Unterschied von der dort abweichend getroffenen Kostenregelung überhaupt nicht erwähnt, was darauf schließen lasse, daß die gesetzliche Sondervorschrift über die Zinsenlast von Art. 3 Abs. 1 erster Satz AKHB nicht erfaßt werden solle.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Auch die Revisionswerberin vermag für den von ihr eingenommenen Standpunkt, daß neben Art. 3 Abs. 2 AKHB für die Anwendung des § 150 Abs. 2 VersVG, und zwar auch soweit dieser den Zinsenersatz regelt, kein Raum bleibe, nichts Stichhältiges anzuführen. Kein Argument zugunsten dieses Standpunktes läßt sich verständlicherweise aus dem in den Rechtsmittelausführungen zunächst enthaltenen Hinweis darauf gewinnen, daß der hier überhaupt nicht zu Erorterung stehende Art. 5 der Allgemeinen Bedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHVB 1963), der in seinem vierten Absatz gleichfalls eine auf die Versicherungssumme abstellende Beschränkung der Kostenzahlungspflicht des Versicherers festlegt, die Frage der Zinsenzahlung aber unerwähnt läßt, mit der Marginalrubrik "Sachliche Begrenzung der Haftung des Versicherers" überschrieben ist. Keiner besonderen Begründung bedarf es aber auch, daß die den zweiten Satz des zweiten Absatzes des § 150 VersvG einleitenden Worte "Das gleiche gilt von den Zinsen ..." sich auf den den Kostenersatz regelnden vorangegangenen ersten Satz dieses Absatzes beziehen und nicht etwa, wie die Revisionswerberin meint, auf Art. 3 Abs. 2 AKHB. Im übrigen ist davon auszugehen, daß die den Versicherungsnehmer begünstigende Vorschrift des § 150 Abs. 2 VersVG als nachgiebiges Recht (§ 158a VersvG) nur insoweit eine Änderung, insbesondere Einschränkung erfährt, als dies eine Vereinbarung zwischen den Beteiligten, namentlich auch die einschlägigen Versicherungsbedingungen vorsehen. Durch Art. 3 Abs. 2 AKHB geschieht dies in der Weise, daß das Verhältnis der vom Versicherer zu tragenden Kosten zu den Gesamtkosten gleichgesetzt wird dem Verhältnis der Versicherungssumme zur Gesamthöhe der Ansprüche. Von Zinsen ist dabei nicht die Rede. Auch lassen sich keine zwingenden Gründe ersehen, aus denen zu folgern wäre, daß der dem Art. 3 Abs. 2 AKHB zugrunde liegende Gedanke (ratio legis) ebenso oder sogar umso mehr für die Zinsen Geltung hätte. Auch die vom Berufungsgericht zitierte Entscheidung des Landesgerichtes Koblenz und die zustimmende Glosse von Prölß (NJW 1655, 1235) kann sich nicht auf einen derartigen Analogie- oder Größenbeschluß stützen. Schon gar nicht aber kann, wie es die Revisionswerberin versucht, aus der Tatsache, daß die Zinsenfrage in Art. 3 Abs. 2 AKHB keinerlei Erwähnung findet, abgeleitet werden, daß der Versicherer für die Zinsen überhaupt keine Zahlung zu leisten hätte, soweit sie zusammen mit der sonstigen Entschädigung die Versicherungssumme übersteigt. Vielmehr ist der mit den Ausführungen bei Bruck -Möller - Johannsen IV, 313, vorletzter Absatz belegbaren Rechtsansicht des Berufungsgerichtes beizustimmen, daß mangels einer Sonderregelung des Zinsenersatzes in den AKHB die gesetzliche Regel des § 150 Abs. 2 VersVG Platz greift.

Anmerkung

Z47057

Schlagworte

Zinsen im Sinne des § 150 Abs. 2 zweiter Satz VersVG, die Bestimmung, des Art. 3 Abs. 2 AKHG kann nicht auf - angewendet werden

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1974:0070OB00068.74.0425.000

Dokumentnummer

JJT_19740425_OGH0002_0070OB00068_7400000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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