TE OGH 1974/5/2 6Ob58/74

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.05.1974
beobachten
merken

Norm

ABGB §1167

Kopf

SZ 47/58

Spruch

Der vom Unternehmer für eine Verbesserung zu leistende Aufwand ist dann unverhältnismäßig, wenn der Vorteil, den die Beseitigung des Mangels dem Besteller gewährt, im Verhältnis zu dem für die Beseitigung des Mangels erforderlichen Aufwand so gering ist, daß Vorteil und Aufwand in offensichtlichem Maßverhältnis stehen

OGH 2. Mai 1974, 6 Ob 58/74 (KG Ried im Innkreis R 242/73; BG Engelhartszell C 100/72)

Text

Der Kläger begehrte die Verurteilung des Beklagten zur Bezahlung von 11.010.70 S samt Anhang für Material und geleistete Verfliesungsarbeiten. Während des Verfahrens brachte er noch vor, für den Beklagten in der Backstube "Terrazzoarbeiten" und am Gang Verfliesungsarbeiten durchgeführt sowie ein Badewannentürl verfliest zu haben.

Der Beklagte beantragte Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, die Rechnung vom 10. März 1971 über die Verlegung eines Terrazzopflasters sei noch nicht fällig, weil der Kläger teilweise Platten minderer Qualität verlegt habe, welche nicht saubergehalten werden könnten. Der Mangel sei sofort gerügt, aber nicht behoben worden. In der Rechnung vom 13. März 1972 habe der Kläger eine zu hohe Anzahl von Quadratmetern für Verfliesungsarbeiten verrechnet. Der Beklagte wendete aufrechnungsweise verschiedene Gegenforderungen ein.

Das Erstgericht erkannte mit Urteil die eingeklagte Forderung mit 5810.70 S sowie die Gegenforderungen des Beklagten mit 610 S als zu Recht bestehend und verurteilte den Beklagten zur Bezahlung von 5200.70 S samt stufenweisen Zinsen. Das Mehrbegehren von 5810 S samt Zinsen wies es ab. Von den getroffenen Feststellungen sind folgende für das Revisionsverfahren von Bedeutung: Der Beklagte bestellte für den Boden seiner Backstube nach einem Muster beim Kläger Terrazzoplatten. Es sollten billige Platten sein. Der Kläger bezog die Platten um 65.50 S pro Quadratmeter. Die Platten lagerten nach der Lieferung zirka ein Jahr im heutigen Mehllagerraum des Beklagten und wurden dabei an den Kanten beschädigt. In der Folge wurden die Platten vom Kläger im Mehllagerraum und in der Backstube verlegt. Die Verlegung erfolgte etwas uneben, die Fugen sind nicht gleichmäßig. Letztere Mängel liegen noch innerhalb der Toleranzgrenze, was hinsichtlich der Ebenflächigkeit aber nicht mehr der Fall sein dürfte. Einzelne Platten sind dunkler, weil sie tiefer liegen und sich deshalb der Schmutz daran mehr ansetzt. Auch die rauhe Oberfläche der Platten ist auf die Verschmutzung zurückzuführen. Mit Wasser und Bimsstein läßt sich der Schmutz entfernen. Der Kläger verrechnete für die Platten und das Verlegen 160 S pro Quadratmeter. Dies ist sehr wenig. Bei dem normalen Preis 220 S pro Quadratmeter wäre ein Preisabschlag für Wertminderung gerechtfertigt. Der Mangel der Ebenflächigkeit läßt sich durch Abschleifen mit einer Kasane-Schleifmaschine beheben, wofür 18 bis 20 Arbeitsstunden erforderlich wären. Diese Verbesserungsarbeiten würden einschließlich des Entgeltes für die Benutzung der Maschine 2500 S bis 3000 S kosten. Der Beklagte machte den Kläger bald nach der Verlegung der Platten darauf aufmerksam daß einzelne Platten dunkler seien und nicht sauber würden. Er bezahlte deshalb die Rechnung vom 10. März 1971 nicht und verlangte, daß der Kläger vorerst die Platten in Ordnung bringe. Auch im Juni 1972 beanstandete der Beklagte das Terrazzopflaster. Mit Schreiben vom 2. September 1972 an den Kläger machte er geltend, daß Platten minderer Qualität mitverlegt worden seien. Von dem in der Rechnung vom 10. März 1971 aufscheinenden Betrag entfallen 5200 S auf den Terrazzoboden.

In rechtlicher Hinsicht führt das Erstgericht aus, es liege ein Werkvertrag vor, weshalb die Gewährleistungsbestimmungen des § 1167 ABGB zur Anwendung kämen. Die unebene Verlegung des Terrazzopflasters mache das Werk nicht unbrauchbar und sei kein wesentlicher Mangel. Die Reinigung des Bodens sei jedoch dadurch erschwert, daß sich der Schmutz immer wieder an den tiefer gelegenen Platten ansetze, wodurch diese dunkler und rauh seien. Dieser Mangel könne durch Abschleifen des Bodens behoben werden. Der hiefür erforderliche Betrag von 2500 S bis 3000 S erscheine gegenüber den Kosten des ganzen Pflasters von 5200 S ziemlich hoch. Ein ebenes Pflaster in der Backstube und im Mehllagerraum wäre für den Beklagten aber äußerst wichtig, weil in einer Bäckerei der Boden sehr sauber gehalten werden müsse. Der sich auf rund 50% des Werklohnes belaufende Aufwand zur Verbesserung könne daher noch nicht als unverhältnismäßig hoch bezeichnet werden und der Beklagte die Verbesserung begehren. Da der Kläger diesem Verlangen bisher nicht entsprochen habe, sei der Betrag von 5200 S noch nicht fällig.

Gegen das Urteil des Erstgerichtes erhoben beide Teile Berufung. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten nicht, der des Klägers hingegen teilweise Folge und änderte das Urteil dahingehend ab, daß es die eingeklagte Forderung mit 11.010.70 S und die Gegenforderungen des Beklagten mit 610 S als zu Recht bestehend erkannte und den Beklagten zur Bezahlung des Betrages von 10.400.70 S samt stufenweise berechneten Zinsen verurteilte. Das Mehrbegehren des Klägers von 610 S samt Zinsen wies es ab. In rechtlicher Hinsicht führte die zweite Instanz aus, bei der Interessenabwägung, ob von einem unverhältnismäßigen Aufwand im Sinne des § 1167 ABGB gesprochen werden könne, müsse davon ausgegangen werden, daß die Reinigung der etwas tiefer liegenden Terrazzoplatten für den Beklagten, welcher den Back- und den Mehllagerraum sicher täglich kehre, keine besondere Mehrarbeit darstelle. Sollten trotz der täglichen Reinigung einzelne tiefer liegende Platten wieder nachdunkeln, könne der Beklagte diesem Übel mit Bimsstein und Wasser abhelfen. Die Beseitigung der Unebenheiten des Terrazzopflasters sei daher mit einem unverhältnismäßigen Aufwand verbunden, weshalb der Beklagte die Verbesserung nicht verlangen könne. Das Entgelt für die Terrazzoarbeiten in Höhe von 5200 S sei daher fällig.

Der Oberste Gerichtshof stellte in Stattgebung der Revision des Beklagten das Urteil des Erstgerichtes wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Mit Recht wendet sich der Beklagte in seiner Rechtsrüge gegen die Annahme des Berufungsgerichtes, die Verbesserung des gerügten Mangels des Terrazzobodens wäre mit einem unverhältnismäßigen Aufwand verbunden.

Die Bestimmung des § 1167 ABGB, daß der Besteller bei Mängeln, welche weder wesentlich noch gegen die ausdrückliche Bedingung sind, die Verbesserung verlangen kann, falls diese nicht einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde, wurde laut Bericht der Kommission des Herrenhauses "nach dem Vorgang des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuches § 633 II aus Rücksichten der Billigkeit aufgenommen" (78 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Herrenhauses, 21. Session, 241). Adler - Möller führen dazu im Klang[2] V, 396 in Anm. 31 unter Zitierung der Entscheidung des Reichsgerichtes RGZ 66, 167 folgendes aus: "unverhältnismäßig ist der für die Verbesserung erforderliche Aufwand, wenn er in keinem Verhältnis steht zu dem dadurch für den Besteller zu erzielenden Vorteil, also auch zum Nachteil, den für ihn der Mangel bedeutet."

In der zitierten Entscheidung des Reichsgerichtes heißt es unter anderem: "Unverhältnismäßig im Sinne des § 633 Abs. 2 Satz 2 BGB ist der vom Unternehmer zu leistende Aufwand unter der Voraussetzung, daß der Vorteil, den die Beseitigung des Mangels dem Besteller gewährt, gegen den für die Beseitigung erforderlichen Aufwand an Kosten und Arbeit so geringwertig ist, daß Vorteil und Aufwand in offensichtlichem Mißverhältnis stehen, die Beseitigung solchergestalt sich nicht lohnt." Diese Ansicht wurde in den Reichsgerichtsrätekommentar übernommen (siehe dazu 11. Aufl., II/1, 629).

Von wesentlicher Bedeutung ist also, ob die Behebung des nicht wesentlichen Mangels dem Besteller einen entsprechenden Vorteil verschafft. Zu den besonderen Vorteilen des Terrazzobodens gehört seine leichte Reinigung. Daß in den Lager- und Arbeitsräumen eines Bäckereibetriebes ein besonderes Maß an Reinlichkeit erforderlich ist, bezweifelt der Kläger selbst nicht. Führen die Unebenheiten des Terrazzopflasters aber dazu, daß sich in den Vertiefungen Schmutz und Staub und damit Bakterien ansammeln, ist der hiedurch verursachte Mangel an Sauberkeit in einem zur Lagerung bzw. zur Verarbeitung von Nahrungsmitteln bestimmten Raum von ausschlaggebender Bedeutung. Ein Zurückbleiben von Staub und Bakterien an den tiefer gelegenen Stellen kann nämlich auch durch tägliche einfache Reinigung nicht verhindert werden.

Aus dem Umstand, daß der Kläger dem Beklagten ein besonders preisgünstiges Anbot erstellte, läßt sich für seinen Standpunkt nichts gewinnen. Da der Kläger wußte, für welche Räume der Bodenbelag bestimmt war, hätte er den Beklagten darauf aufmerksam machen müssen, daß bei dem angebotenen Preis die Herstellung eines den Anforderungen des Bäckereibetriebes des Beklagten voll entsprechenden Werkes nicht erwartet werden könne. Daß er dies getan hätte, hat der Kläger nicht einmal behauptet.

Mit Recht ist daher das Erstgericht davon ausgegangen, daß trotz der Kosten der Mängelbehebung von einem unverhältnismäßigen Aufwand für die Verbesserung nicht gesprochen werden kann. Da der Kläger die Verbesserung noch nicht durchgeführt hat, ist das auf diesen Teil seines Werkes entfallende Entgelt nicht fällig.

Anmerkung

Z47058

Schlagworte

Unverhältnismäßiger Aufwand bei Verbesserung für nicht wesentliche, Mängel bei Werkvertrag, Werkvertrag, unverhältnismäßiger Aufwand bei Verbesserung für nicht, wesentliche Mängel bei Werkvertrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1974:0060OB00058.74.0502.000

Dokumentnummer

JJT_19740502_OGH0002_0060OB00058_7400000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten