Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
ArbIG 1993 §13;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ströbl, über die Beschwerde des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 1. Juli 2003, Zl. VwSen-280644/2/Kon/He, betreffend Einstellung eines Strafverfahrens wegen Übertretung der Bauarbeiterschutzverordnung (mitbeteiligte Partei: GS in A, vertreten durch Schatzlmayr & Schiller, Rechtsanwälte in Schwanenstadt, Stadtplatz 29), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 5. September 2002 wurde das gegen den Mitbeteiligten wegen Übertretung der Bauarbeiterschutzverordnung - BauV (BGBl. Nr. 340/1994) eingeleitete Strafverfahren eingestellt, weil mit der innerhalb der Frist des § 31 Abs. 2 VStG einzigen Verfolgungshandlung, nämlich der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 7. Dezember 2001, eine Darstellung des Tatvorwurfes erfolgt sei, die "nicht dem tatsächlichen Geschehen entsprochen" habe, sodass Verfolgungsverjährung nach § 31 Abs. 1 und 2 VStG eingetreten sei.
Die dagegen vom Arbeitsinspektorat eingebrachte Berufung wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 1. Juli 2003 als unbegründet abgewiesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf § 13 des Arbeitsinspektionsgesetzes 1993 gestützte Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat erwogen:
In der Berufung führte das Arbeitsinspektorat aus, der Tatvorwurf (in der zitierten Aufforderung zur Rechtfertigung) habe gelautet, dass "Bauarbeiten ohne geeignete Absturzsicherungen durchgeführt wurden, obwohl Absturzgefahr bestand und bei Öffnungen und Vertiefungen im Erdboden, wie Schächten, geeignete Absturzsicherungen angebracht werden müssen." Damit seien alle Elemente eines konkreten Tatvorwurfes gegeben.
Dieser Ansicht stimmte die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides ausdrücklich zu. Allerdings - so die belangte Behörde - übersehe das berufende Arbeitsinspektorat, dass ein solcher Tatvorwurf in keiner Verfolgungshandlung gegen den Mitbeteiligten erhoben worden sei. Da sohin keine fristgerechte Verfolgungshandlung "mit einem ausreichend individualisierten und daher subsumierbaren Tatvorwurf" ergangen sei, habe die Erstbehörde das Strafverfahren zu Recht eingestellt. Damit hat die belangte Behörde - was der Beschwerdeführer zu Recht rügt - die Rechtslage verkannt.
Die in Rede stehende, an den Mitbeteiligten mit Schreiben vom 7. Dezember 2001 gerichtete "Aufforderung zur Rechtfertigung" lautete:
"Es wird Ihnen als handelsrechtlicher Geschäftsführer und damit als das gemäß § 9 Abs. 1 Verwaltungsstrafgesetz strafrechtlich verantwortliche, zur Vertretung nach außen berufene Organ der G. ... Baugesellschaft m.b.H. mit Sitz in A. ... als Arbeitgeberin Folgendes zur Last gelegt:
Am Montag, den 16.7.2001 wurde um etwa 17.05 Uhr auf der Baustelle in T. ... (Umbau einer Sendeanlage ...) durch Arbeitnehmer der G. ... Baugesellschaft m.b.H. mit einem Kran ein Betonring in einen Sickerschacht gelegt, wobei der Arbeiter J. ... L. ... in den ca. 3 m tiefen Schacht klettern wollte, jedoch ausrutschte, in die Grube stürzte und sich dabei schwer verletzte. Es wurden daher Bauarbeiten ohne geeignete Absturzsicherungen durchgeführt, obwohl Absturzgefahr bestand und bei Öffnungen und Vertiefungen im Erdboden, wie Schächten, geeignete Absturzsicherungen (Abdeckungen, Umwehrungen) angebracht werden müssen.
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:
§ 130 Abs. 5 Z. 1 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz - AschG in Verbindung mit § 8 Abs. 1 und § 7 Abs. 2 Z. 1 Bauarbeiterschutzverordnung - BauV, BGBl. Nr. 340/1994 i.d.F. BGBl. II Nr. 232/2000."
§ 7 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 BauVO lauten:
"(1) Bei Absturzgefahr sind Absturzsicherungen (§ 8), Abgrenzungen (§ 9) oder Schutzeinrichtungen (§ 10) anzubringen.
(2) Absturzgefahr liegt vor:
1. bei Öffnungen und Vertiefungen im Fuß- oder Erdboden, wie Schächten, Kanälen, Gruben, Gräben und Künetten, bei Öffnungen in Geschoßdecken, wie Installationsöffnungen, oder in Dächern, wie Lichtkuppel- oder Sheddachöffnungen."
Wieso die zitierte Verfolgungshandlung ein wesentliches Tatbestandselement im Sinne dieser Bestimmungen nicht enthält, ist nicht nachvollziehbar; insbesondere ist die vom Mitbeteiligten in seiner Gegenschrift vermisste "Tathandlung" schon deshalb gegeben, weil darin von der Durchführung von Bauarbeiten ohne geeignete Absturzsicherungen die Rede ist. Im Übrigen wird auf die hg. Rechtsprechung (vgl. etwa das Erkenntnis vom 25. Jänner 2005, Zl. 2001/02/0154) betreffend die sinnvolle Wertung einer Verfolgungshandlung aus dem Gesamtzusammenhang verwiesen.
Mit dem in der Gegenschrift der belangten Behörde für ihren Standpunkt ins Treffen geführten "alternativen Tatvorwurf" - weil dem Mitbeteiligten zum einen die Schuld am Unfall des Arbeitnehmers schlechthin, zum anderen das Unterbleiben von Absturzsicherungen vorgeworfen worden sei -, sodass damit "der Rechtschutzüberlegung der unbeeinträchtigten Verteidigung nicht gerecht" worden sei, verkennt die belangte Behörde gleichfalls die Rechtslage, weil ein solcher "alternativer Tatvorwurf" nicht erkennbar ist (vgl. im Übrigen zu einem solchen im Spruch eines Straferkenntnisses und in einer Verfolgungshandlung das hg. Erkenntnis vom 14. Mai 1997, Zl. 95/03/0083).
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Wien, am 15. April 2005
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2003020182.X00Im RIS seit
06.05.2005