TE OGH 1974/9/12 2Ob134/74

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Veröffentlicht am 12.09.1974
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Norm

Kraftfahrgesetz §63 Abs2

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SZ 47/94

Spruch

Von einem "Schadenersatzanspruch" im Sinne des § 63 Abs. 2 KFG 1967 kann nur dann gesprochen werden, wenn der Geschädigte seine vermeintliche Forderung ziffernmäßig bestimmt hat; andernfalls handelt es sich nur um eine Anzeige des "Schadensereignisses" (vgl. § 63 Abs. 4 leg. cit.)

OGH 12. September 1974, 2 Ob 134/74 (OLG Wien 10 R 187/73; LGZ Wien 39 a Cg 49/73)

Text

Am 4. Feber 1968 ereignete sich auf der Bundesstraße 1 zwischen P und W ein Verkehrsunfall, an dem der Erstkläger als Lenker eines PKWs und der Drittbeklagte als Lenker des von der Zweitbeklagten gehaltenen, bei der Erstbeklagten haftpflichtversicherten PKWs beteiligt waren. Beide Kläger wurden verletzt. Sie begehren in ihrer am 2. Feber 1972 eingebrachten Klage auf Grund Alleinverschuldens des Drittbeklagten den Ersatz ihrer Schäden und die Feststellung der Haftung der Beklagten für kunftige Schäden.

Die Beklagten beantragten Klagsabweisung; sie wendeten unter anderem Verjährung ein.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Das Berufungsgericht hob das Ersturteil auf und verwies die Rechtssache unter Rechtskraftvorbehalt an das Erstgericht zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung zurück.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der Beklagten Folge; der angefochtene Beschluß wurde aufgehoben und dem Berufungsgericht neuerliche Entscheidung über die Berufung aufgetragen.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Das Erstgericht traf folgende Feststellungen:

Die Erstbeklagte wurde von dem Schadensfall gleich nach dem Unfall in Kenntnis gesetzt. Über ihre Innsbrucker Direktion liquidierte sie den Fahrzeugschaden und stand mit dem Anwalt der Kläger Dr. B (Lausanne) in Verbindung. Der Schriftverkehr mit letzterem enthielt im wesentlichen die Aufforderung der Erstbeklagten, die Ansprüche zu konkretisieren, da sonst eine Regelung nicht vorgenommen werden könne. 1969 übernahm die Landesdirektion Wien als Generaldirektion der Erstbeklagten die Angelegenheit und teilte dies Dr. B am 17. Mai 1970 mit. Auch dieses Schreiben enthielt die Aufforderung, die Ansprüche der Kläger ziffernmäßig bekanntzugeben. Dr. B legte in der Folge Begutachtungen von Ärzten vor, in denen aber keine konkreten Anhaltspunkte über die Höhe der Ansprüche und die Intensität und Dauer der Schmerzperioden enthalten waren. Auch der Verdienstentgang wurde nicht deklariert. Nach dem letzten Schreiben Dr. B vom 8. Dezember 1970 erwiderte die Erstbeklagte am 21. Jänner 1971: "In gegenständlicher Angelegenheit haben Sie wohl einige Gutachten über die Verletzungsfolgen ihrer Mandanten übersandt, jedoch bis zum heutigen Tage die Ansprüche nicht ziffernmäßig bekanntgegeben. Da die Angelegenheit am 4. Feber 1971 verjährt, ist wohl kaum anzunehmen, daß die Angelegenheit noch vor dem Zeitpunkt finalisiert werden kann. Ein Prozeß ist damit nicht zu vermeiden. Wir sind selbstverständlich bereit, auch während des Prozesses Vergleichsverhandlungen zu führen, unter der Voraussetzung, daß die Ansprüche bekanntgeben werden und die entsprechenden Belege zur Verfügung gestellt werden."

Dieses Schreiben langte bei Dr. B am 25. oder 26. Jänner 1971 ein. Eine Reaktion erfolgte erst mit Schreiben vom 4. August 1971, mit dem, ohne auf die Frage der Verjährung einzugehen, ein ärztlicher Bericht übermittelt wurde. Umgehend antwortete die Erstbeklagte am 6. August 1971, daß Verjährung eingetreten sei und die Erstbeklagte sich daher mit der Angelegenheit nicht mehr zu befassen habe. Hierauf wurde am 2. Feber 1972 die Klage eingebracht.

Das Erstgericht nahm den Beginn der Verjährung mit der Kenntnis aller möglichen und vorhersehbaren Unfallschaden an. Durch die am 21. Jänner 1971 abgebrochenen Vergleichsverhandlungen sei im Hinblick auf die erst im Jahr später eingebrachte Klage eine Unterbrechung der Verjährung nicht eingetreten. Die Klagsansprüche seien daher verjährt.

Das Berufungsgericht war jedoch der Ansicht, das Ersturteil erweise sich schon aus rechtlichen Gründen, die im Rahmen der erhobenen Rechtsrüge wahrzunehmen seien, als verfehlt. Nach § 63 Abs. 2 KFG 1967 sei die Verjährung eines Schadenersatzanspruches von seiner Anmeldung beim Versicherer bis zur Zustellung einer schriftlichen Erklärung desselben, daß er den Schadenersatzanspruch ablehne, sowohl hinsichtlich des Versicherers als auch des Versicherten gehemmt. Die Kläger hätten mit der Erstbeklagten Vergleichsverhandlungen geführt, die am 21. Jänner 1971 abgebrochen worden seien, so daß die dreijährige Verjährungsfrist am 2. Feber 1972 noch nicht abgelaufen gewesen sei. Ob und in welchem Umfang die Klagsansprüche dieser gesetzlichen Regelung nicht zu unterstellen seien, bedürfe erst der Erörterung und weiterer Feststellungen über den Inhalt des Versicherungsvertrages. Die Rechtssache sei somit noch nicht spruchreif.

Die Rekurswerber machen geltend, daß der Beginn der Hemmung der Verjährung nicht festgestellt worden sei; auch sei der Schadenersatzanspruch nicht vor Einbringung der Klage konkretisiert worden. Trotz wiederholter Aufforderungen hätten die Kläger keine ziffernmäßigen Ansprüche gestellt, was aber Voraussetzung für eine Hemmung der Verjährung nach § 63 Abs. 2 KFG 1967 wäre.

Die erwähnte Gesetzesstelle bestimmt, daß dann, wenn der Schadenersatzanspruch beim Versicherer angemeldet wurde, die Verjährung bis zur Zustellung einer schriftlichen Erklärung des Versicherers, daß er den Schadenersatzanspruch ablehne, gehemmt sei. Von einem "Schadenersatzanspruch" kann aber nur dann gesprochen werden, wenn der Geschädigte seine vermeintliche Forderung ziffernmäßig bestimmt hat; andernfalls handelt es sich nur um eine Anzeige des "Schadenereignisses" (vgl. § 63 Abs. 4 leg. cit.). Diesfalls steht nun fest, daß bis zur Erhebung der Klage ein ziffernmäßiges Begehren gegenüber den Beklagten nicht erhoben wurde, obwohl diese selbst darauf drängten. Damit erweist sich die Rechtsansicht, die dem Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes zugrundeliegt, als verfehlt, weshalb das Berufungsgericht sich im fortgesetzten Verfahren mit den Ausführungen der Berufung zu befassen haben wird.

Anmerkung

Z47094

Schlagworte

Schadenersatzanspruch im Sinne des § 63 Abs. 2 KFG 1967, Geschädigter, muß seine Forderung ziffernmäßig bestimmen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1974:0020OB00134.74.0912.000

Dokumentnummer

JJT_19740912_OGH0002_0020OB00134_7400000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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