Norm
JN §1Kopf
SZ 47/107
Spruch
Kosten des auf den Zivilrechtsweg verwiesenen Privatbeteiligten verlieren nach Befriedigung des Hauptanspruches die Akzessorität und werden dadurch zum selbständig klagbaren Hauptanspruch. Das über eine selbständige Kostenklage ergehende Berufungsurteil ist im Rahmen des § 502 ZPO mit Revision bekämpfbar
Keine Leistungsfreiheit des Versicherers nach § 63 Abs. 4 KFG 1967, wenn nicht der geschädigte Dritte, sondern der Versicherungsunternehmer den Versicherer vom Ereignis in Kenntnis setzt "Gerichtliche Geltendmachung" im Sinne des § 63 Abs. 4 KFG 1967 ist nicht bloß Geltendmachung im Zivilprozeß, sondern auch Anschluß als Privatbeteiligter im Strafverfahren
OGH 10. Oktober 1974, 7 Ob 156/74 (LG Klagenfurt 1 R 204/74; BG Klagenfurt 4 C 230/74)
Text
Der Kläger wurde bei einem Verkehrsunfall am 8. Dezember 1968, den Franz R als Lenker eines bei der Beklagten gegen Haftpflicht versicherten LKW verschuldet hatte, schwer verletzt. Er schloß sich dem Strafverfahren als Privatbeteiligter an und erwirkte den Zuspruch von 5000 S Schmerzensgeld sowie die Bestimmung seiner Kosten als Privatbeteiligter mit 8842.90 S. Diese Kosten und die Kosten der Bewilligung der Forderungsexekution auf den Befreiungsanspruch des Versicherten Franz R gegen die Beklagte auf Grund des Haftpflicht-Versicherungsvertrages macht der Klager als Überweisungsgläubiger nach außergerichtlicher Bereinigung aller übrigen Ansprüche mit der vorliegenden Klage geltend. Die Höhe der Klagsforderung sowie die Tatsache, daß die Kosten der Privatbeteiligung von dem Vergleich ausdrücklich ausgenommen wurden, stehen außer Streit.
Die Beklagte behauptete Leistungsfreiheit wegen Unterlassung der Anzeigen vom Eintritt des Schadens und von der gerichtlichen Geltendmachung der Schadenersatzansprüche im Wege des Anschlusses als Privatbeteiligter. Das Erstgericht wies die Klage ab. Nach seinen Feststellungen erfuhr die Beklagte schon am Tage nach dem Unfall durch die Schadensmeldung (des Versicherungsnehmers) von dem Versicherungsfall. Sie wurde weiters am 2. Jänner 1969 davon verständigt, daß der Kläger durch die A vertreten werde. Vom Zuspruch eines Teilschmerzengeldes im Strafurteil vom 8. April 1969 verständigte der damalige Vertreter des Klägers die Beklagte mit dem Schreiben vom 9. April 1969. er teilte mit, daß er den Kläger vertreten habe, und ersuchte um Überweisung des im Strafurteil zugesprochenen Betrages von 5000 S zuzüglich seiner ihm näheren bekanntgegebenen Privatbeteiligungskosten. Zu diesem Zeitpunkt erfuhr die Beklagte erstmalig vom Privatbeteiligtenanschluß. Am25. April 1969 bestätigte sie den Empfang der Zuschrift und ersuchte den damaligen Vertreter des Klägers, sich mit der Erledigung bis nach Rechtskraft des Urteiles gedulden zu wollen. Am 7. Mai 1969 sprach ein Vertreter der A bei der Beklagten vor. Da noch nicht bekannt war, was dem Kläger überhaupt fehle, erbat er zuzüglich zu dem Zugesprochenen eine weitere a-conto-Zahlung von 5000 S, die in der Folge auch getätigt wurde. Damals wurde mitgeteilt, daß die Kosten der Privatbeteiligtenvertretung von der Versicherung nicht getragen werden, weil die Ansprüche des Klägers nie bestritten worden seien. Die Kosten der Privatbeteiligung sind beim schuldtragenden Lenker nicht einbringlich.
Das Erstgericht begrundete die Klagsabweisung mit dem Hinweis auf die Beschränkung der Haftung des Versicherers nach § 63 Abs. 4 KFG auf den Betrag, den er bei gehöriger Erfüllung der Anzeigepflicht des Dritten zu leisten gehabt hätte, weil es zur Befriedigung der klägerischen Ansprüche lediglich einer früheren Meldung und keineswegs eines Privatbeteiligtenanschlusses bedurft hätte.
Das Berufungsgericht gab der vom Kläger erhobenen Berufung Folge und änderte das Ersturteil im Sinne der Klage ab. Es führte aus, daß die Meldung vom Schadensereignis zunächst durch den Versicherten sogleich nach dem Unfall und selbst durch den Kläger noch innerhalb der vierwöchigen Frist des § 63 Abs. 4 Satz 1 KFG erfolgt sei, die Privatbeteiligung im Strafverfahren aber nicht anzeigepflichtig gewesen sei und im übrigen die Beklagte der ihr obliegenden Behauptungs- und Beweislast für die Kausalität einer derartigen Obliegenheitsverletzung nicht nachgekommen sei.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Der erkennende Senat hält ungeachtet der gegenteiligen Meinung der Entscheidung 2 Ob 214/72 (EvBl. 1973/162, ZVR 1974/79) an der zu 7 Ob 183, 184/72 ausgesprochenen Rechtsansicht fest, daß die Bestimmung des § 528 Abs. 1 ZPO über die Unzulässigkeit von Rekursen gegen Entscheidungen des Gerichtes zweiter Instanz unter anderem "über den Kostenpunkt" auf einen Fall wie den vorliegenden nicht anzuwenden ist, in dem vorprozessuale Kosten einer Privatbeteiligung infolge Erledigung des Hauptanspruches bereits in der Klage selbständig geltend gemacht wurden:
Schon vor der Entscheidung 7 Ob 183, 184/72 wurden in gleichgelagerten Fällen der ausschließlichen Einklagung von Kosten einer Privatbeteiligung Revisionen mehrfach sachlich entschieden (z. B. SZ 12/68 und 2 Ob 400/69). Die Entscheidung 2 Ob 214/72 stützte ihre Rechtsansicht, es bestehe die für den Ausschluß eines weiteren Rechtsmittels als notwendig anerkannte Akzessorietät der Prozeßkosten im Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens (Fasching IV, 458) auch im Falle eines vorangegangenen Anschlusses an ein Strafverfahren; auf die aus den Verjährungsbestimmungen des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches hervorgehende Einheit der beiden Verfahren. Nahe liegt jedoch, daß die Frage, ob prozessual ein Haupt- oder Nebenanspruch vorliegt, aus dem Prozeßrecht selbst zu lösen ist. Dieses bestimmt aber den Zeitpunkt der Anbringung der Klage als maßgeblich (§ 54 Abs. 1 JN) u. a. dafür, ob Kosten als Nebenforderungen gelten (§ 54 Abs. 2 JN).
Allerdings hat der Privatbeteiligte gemäß § 393 Abs. 4 StPO, wenn er mit seinen Privatrechtsansprüchen auf den Zivilrechtsweg verwiesen wurde, die ihm im Strafverfahren aufgelaufenen Kosten als Teil der Kosten des Zivilverfahrens in seiner Kostennote geltend zu machen (SZ 17/38 u. a.); aber auch in diesem Fall werden die Kosten des Privatbeteiligten nach seiner Befriedigung in der Hauptsache infolge Wegfalls der Akzessorietät zum selbständigen klagbaren Hauptanspruch (Michlmayr, JBl. 1954, 568; Pollak System[2] I, 283; Fasching I, 119 und I, 341; EvBl. 1957/165 u. a.). In diesem Fall liegt ein zivilprozessual unselbständiger Anspruch, als welchen das Judikat 6 neu Kostenforderungen versteht (siehe die dortige Begründung; ähnlich auch EvBl. 1964/450) und damit ein Kostenanspruch im Sinne des § 41 ZPO nicht mehr vor (Fasching II,311f.).
Nur die Verneinung einer Entscheidung "im Kostenpunkt" für die fälle gesonderter Einklagung vorprozessualer Kosten läßt sich auch mit sonstigen Bestimmungen der ZPO vereinbaren. So müßte andernfalls schon die Kostenklage ungeachtet des Streitwertes als Bagatellsache angesehen werden (§ 448 ZPO in Verbindung mit § 453 Abs. 2 ZPO und der unter Nr. 4 zu § 448 und Nr. 1 zu § 453 in MGA ZPO[13] mitgeteilten Rechtsprechung), und es müßte schon die erstgerichtliche Entscheidung nach § 55 ZPO mittels Rekurs angefochten werden. Hier hat aber richtigerweise das Berufungsgericht mit Urteil entschieden, gegen das gemäß § 502 ZPO bloß mit den dort angeführten Ausnahmen die Revision stattfindet. Diese Ausnahmen wieder kommen nicht zur Anwendung, weil auch unter den Nebenforderungen im Sinne des § 502 Abs. 3 ZPO i. d. F. der ZP-Novelle 1971 nur die im § 54 Abs. 2 JN angeführten Ansprüche, die als Nebenforderungen geltend gemacht werden, zu verstehen sind (7 Ob 147/72 u. a.).
In der Sache selbst ist das Berufungsgericht zutreffend von der Bestimmung des § 63 Abs. 4 KFG ausgegangen. Danach hat der geschädigte Dritte, der seinen Schadenersatzanspruch gegen den ersatzpflichtigen Versicherten oder gegen den Versicherer geltend machen will, diesem das Schadensereignis binnen vier Wochen von dem Zeitpunkt an schriftlich anzuzeigen, zu dem er von der Person des Versicherten Kenntnis erhalten hat oder erhalten hätte müssen; außerdem hat er, wenn er seinen Schadenersatzanspruch gegen den ersatzpflichtigen Versicherten gerichtlich geltend macht, dies dem Versicherer unverzüglich schriftlich anzuzeigen. Verletzt der geschädigte Dritte die vorstehend genannten Pflichten, so beschränkt sich die Haftung des Versicherers auf den Betrag, den er auch bei gehöriger Erfüllung der Pflichten zu leisten gehabt hätte.
Das Berufungsgericht hat mit Recht eine Verletzung der Pflicht zur Anzeige des Schadensereignisses verneint. Wenngleich diese Anzeige nicht Sache des Versicherungsnehmers, sondern jene des geschädigten Dritten war (§ 63 Abs. 4 KFG), hatte sie doch ausschließlich den Zweck, den Versicherer vom Schadensereignis in Kenntnis zu setzen. Dieser Zweck wird auch durch die rechtzeitige Kenntnisnahme auf anderem Weg erreicht. Deshalb tritt Leistungsfreiheit auch in einem solchen Fall nicht ein (SZ 17/159, ebenso BGH VersR 1956, 707). Hier hatte der Kläger die Revisionswerberin überdies innerhalb der vierwöchigen Frist davon in Kenntnis gesetzt, daß er in diesem Schadensfall durch die A vertreten werde. Auch damit wurde der Anzeigepflicht des § 63 Abs. 4 KFG (erster Satz, erster Halbsatz) Genüge getan. Entgegen der Meinung der Revisionswerberin war nämlich nicht schon gleichzeitig die Absicht, Ansprüche gerichtlich geltend zu machen, anzeigepflichtig, sondern erst wieder die gerichtliche Geltendmachung (§ 63 Abs. 4 erster Satz zweiter Halbsatz KFG), was bedeutet, daß dieser Schritt erst nachfolgend, wenn auch dann unverzüglich, angezeigt werden mußte (VersR 1960, 935; VersR 1972, 844).
Nicht gefolgt werden kann allerdings der Meinung des Berufungsgerichtes, daß die Privatbeteiligung in einem Strafverfahren der gerichtlichen Geltendmachung im Sinne des § 63 Abs. 4 KFG nicht gleichzuhalten sei. Da das Gesetz die Anzeigepflicht nicht auf den Fall der Einklagung im Prozeßweg beschränkt und anderseits der Anschluß des Privatbeteiligten im Strafverfahren als ein Teil der gerichtlichen Rechtsverfolgung anerkannt ist (vgl. SZ 12/68 und in diesem Zusammenhang die in EvBl. 1973/162 angeführten Verjährungsbestimmungen), bestehen keine Bedenken, die Anzeigepflicht auch auf diesen Fall der gerichtlichen Geltendmachung des Schadenersatzanspruches auszudehnen (ebenso Stiefel - Wussow - Hofmann, AKB[9], 334 zu § 7d AKB und Pick, VersR 1950, 89;, die vom Berufungsgericht angeführten Entscheidungen betreffen bloß die hiemit nicht im Zusammenhang stehenden Fragen, ob Privatbeteiligtenkosten zu den Verfahrenskosten gehören und ob im Verhältnis zwischen dem Privatbeteiligtenanschluß und der Geltendmachung im Zivilprozeß Streitanhängigkeit entsteht). Der Revisionswerberin ist auch dahin zu folgen, daß der Zweck der Anordnung einer Anzeigepflicht darin liegt, dem Versicherer Einfluß auf das Prozeßgeschehen zu gewähren (VersR 1972, 844) und ihn von unnötigen Kosten zu entlasten. Schließlich muß der Revisionswerberin zugegeben werden, daß ihr Verhalten im Schadenersatzprozeß nicht zur Widerlegung der Behauptung herangezogen werden kann, sie hätte bei sofortiger Verständigung vom Anschluß des Klägers als Privatbeteiligter seine Ansprüche wenigstens dem Gründe nach sogleich anerkannt. Es kann nämlich nicht übersehen werden, daß der Kläger im Strafverfahren bloß Schmerzensgeld begehrte und die Beklagte den gleichartigen, im Prozeß erhobenen Anspruch in der Klagebeantwortung zu 37 a Cg 277/71 des Landesgerichtes für ZRS Wien nur der Höhe nach bestritt, das Klagebegehren aber dem Gründe nach anerkannte.
Dennoch kann der Revision im Ergebnis ein Erfolg nicht beschieden sein, und zwar ohne daß es auf die Frage der Beweislast für die mangelnde Kausalität der Obliegenheitsverletzung (vgl. hiezu VersSlg. 140 und VersR 1972, 844) ankommt. Da sich nämlich die Haftung des Versicherers nach § 63 Abs. 4 KFG im Falle der Verletzung der Anzeigepflicht auf den Betrag beschränkt, den der Versicherer auch bei gehöriger Erfüllung der dem geschädigten Dritten obliegenden Pflichten zu leisten gehabt hätte, kommt es bloß darauf an, ob die Revisionswerberin den Kläger, falls er sie vom Anschluß als Privatbeteiligter unverzüglich verständigt hätte, sogleich klaglos gestellt, d. h. seinen Schadenersatzanspruch dem Gründe nach anerkannt und das begehrte Teilschmerzengeld bezahlt hätte (vgl. VersR 1972, 844), wie sie es jetzt tatsächlich behauptet. Diese Frage enthält allerdings, wiederum entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes, zum Teil auch tatsächliche Elemente, nämlich soweit es das fiktive Verhalten der Beklagten in einem möglichen, aber nicht eingetretenen Fall betrifft. Nur soweit für diese Beurteilung bereits Tatsachenfeststellungen vorliegen, ist die Würdigung dieses Sachverhalts rechtliche Beurteilung.
In diesem Sinne käme den von den Untergerichten übergangenen beiderseitigen Behauptungen rechtliche Bedeutung zu, wenn nicht eine entscheidende Tatsache unbekämpft feststunde: Daß nämlich die Revisionswerberin den damaligen Vertreter des Klägers nach Empfang seines Schreibens vom 9. April 1969, mit dem er um die Überweisung des im Strafurteil zuerkannten Betrages von 5000 S zuzuglich der Privatbeteiligtenkosten ersuchte, um Geduld bis zur Rechtskraft des Strafurteiles bat, bevor dann erst infolge Intervention der A im Mai 1969 eine Teilzahlung erfolgte und die Schadenersatzanspruche des Klägers anerkannt wurden. Durch dieses Verhalten nämlich das Verlangen, trotz des bereits ergangenen Strafurteiles erster Instanz dessen Rechtskraft abzuwarten, hat die Revisionswerberin eindeutig entgegen ihrem Prozeßstandpunkt zu erkennen gegeben, daß sie die Befriedigung der Schadenersatzansprüche des Klägers vom Ausgang des Strafverfahrens gegen ihren Versicherten abhängig machen wollte. Damit steht fest, daß der Anschluß an dieses Strafverfahren, um eben dieses Ergebnis sicher zu stellen, zur zweckentsprechenden Verfolgung der Rechte des Klägers notwendig war. Daß sich die Beklagte bald darauf eines besseren besann, vermag nichts mehr zu ändern, daß die Privatbeteiligung mangels vorher zu erwartender Anerkennung des grundsätzlichen Schadenersatzanspruches des Klägers erforderlich war und daß seine Kosten auch bei sofortiger Anzeige aufgelaufen wären.
Anmerkung
Z47107Schlagworte
Gerichtliche Geltendmachung im Sinne des § 63 Abs. 4 KFG, Kosten des Privatbeteiligten, Verlust der Akzessorietät nach, Befriedigung des Hauptanspruches, Leistungsfreiheit des Versicherers nach § 63 Abs. 4 KFG 1967, Privatbeteiligter, Kosten des -, Verlust der Akzessorietät nach, Befriedigung des Hauptanspruches, Selbständige Kostenklage, das über eine - ergehende Berufungsurteil ist, mit Revision bekämpfbarEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1974:0070OB00156.74.1010.000Dokumentnummer
JJT_19741010_OGH0002_0070OB00156_7400000_000