Norm
ABGB §364Kopf
SZ 47/140
Spruch
Der Mieter, der als Folge der Verletzung des Eigentumsrechts des Vermieters durch einen Dritten (Nachbarn) einen Schaden erlitt, kann unmittelbar gegen den Dritten weder Ausgleichs noch Schadenersatzansprüche geltend machen
OGH 4. Dezember 1974, 1 Ob 196/74 (OLG Graz 5 R 32/74; LGZ Graz 15 Cg 229/70)
Text
Die Klägerin ist Fachärztin für Zahnheilkunde und übt ihre Praxis seit 1962 in zwei im Parterre des Hauses Graz, E-Gasse 23, vom Liegenschaftseigentümer Fidelis K gemieteten Ordinationsräumen (und Nebenräumen) aus. Die Wasserversorgung des Hauses erfolgte durch eine auf der Liegenschaft befindliche, vom städtischen Gesundheitsamt Graz überprüfte und als einwandfrei befundene Hausbrunnenanlage, deren Brunnenschacht von der E-Gasse 2-5 m entfernt liegt. Im Jahre 1969 plante die beklagte Partei, die Stadt G, die Errichtung eines Hauptsammelkanals in der E-Gasse; das städtische Bauamt führte auch eine Kommissionierung dieses Vorhabens durch. Am 29. April 1969 wurde durch die von der beklagten Partei beauftragte Baufirma Ing. Josef K mit den Erdaushubarbeiten unmittelbar vor dem Haus E-Gasse 23 begonnen.
Die Klägerin behauptet, der Hauseigentümer Fidelis K habe bei der Kommissionierung ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht, daß das Haus E-Gasse 23 auf einem Aufschüttungsgrund stehe, so daß bei größeren Aushubarbeiten Rutschgefahr für das Gebäude bestehe; er habe darauf aufmerksam gemacht, daß der für das Haus bestehende eigene Brunnen gefährdet erscheine. Die Kommission habe diese Einwände zur Kenntnis genommen, sie aber damit abgetan, daß erklärt worden sei, es werde durch die Grabarbeiten kein Schaden entstehen, jedenfalls aber werde der frühere einwandfreie Zustand wieder hergestellt werden. Bei den Erdarbeiten mit einem Caterpillar sei bereits am 29. April 1969 die Brunnenanlage freigelegt und beschädigt worden, weil entgegen den bestehenden Vorschriften nicht in einer Entfernung von 12 m gegraben worden sei. Hiedurch sei Kloakenwasser in den Brunnen gelangt und habe ihn verseucht. Obwohl der Hauseigentümer sich bei amtlichen Stellen der beklagten Partei beschwert habe, sei bis 18. Juni 1969 nichts geschehen und auch sodann nur vom Gesundheitsamt der Wasserbezug untersagt worden. Dabei sei bei der Kommissionierung dem Hauseigentümer versichert worden, daß für den Fall eines Schadens sofort alles unternommen werde, um die Wasserversorgung zu sichern. Erst am 1. Juli 1969 sei eine provisorische Wasserzuführung durch einen Gummischlauch erfolgt, der jedoch nur unbenützbares Wasser zugeleitet habe. Erst am 29. August 1969 sei auf Kosten der beklagten Partei der Anschluß an eine bestehende Wassergenossenschaftsleitung erfolgt und damit wieder der Bezug einwandfreien Wassers sichergestellt worden, ein Effekt, der bei Anwendung der gehörigen Vorsicht und Sorgfalt schon unmittelbar nach Beschädigung des Hausbrunnens hätte herbeigeführt werden können. Die Klägerin habe in der Zeit bis 29. August 1969 einen Verdienstentgang von 54.000 S erlitten und wegen der notwendigen Reparatur eines verschmutzten Gerätes 6950 S aufwenden müssen, insgesamt also einen Schaden von 61.550 S erlitten, dessen Ersatz samt Anhang sie von der beklagten Partei begehre. Diese habe sich der Baufirma Ing. Josef A als Erfüllungsgehilfen bedient. Für das grobe Verschulden des Erfüllungsgehilfen habe die beklagte Partei zu haften. Der rechtswidrige Erfolg sei als wahrscheinlich vorauszusehen gewesen. Die beklagte Partei habe trotz wiederholter Urgenzen und Beschwerden nichts unternommen, um die einwandfreie und gerade für die Ausübung der ärztlichen Praxis notwendige und geeignete Wasserversorgung durchzuführen. Der Anschluß an die bestehende Wassergenossenschaftsleitung hätte sofort durchgeführt werden müssen; darin, daß dies erst am 29. August 1969 geschehen sei, sei eine auffallende Sorglosigkeit und ein grobes Verschulden der Organe der beklagten Partei zu erblicken, wofür die beklagte Partei die volle Haftung treffe.
Die beklagte Partei behauptet, die Arbeiten seien den Ausschreibungsbedingungen entsprechend begonnen und den Geländegegebenheiten angepaßt worden. Da der bestehende Kanal beseitigt hätte werden müssen, hätten die Grabungsarbeiten naturgemäß nur im Bereich des bestehenden Kanals durchgeführt werden können. Sofort nach Bekanntwerden der Verunreinigung des Brunnenwassers sei von der beklagten Partei alles in die Wege geleitet worden, um ordnungsgemäße und einwandfreie Abhilfe zu schaffen.
Das Erstgericht verurteilte die beklagte Partei zur Bezahlung von 31.980 S samt Anhang und wies das Mehrbegehren ab. Es stellte im wesentlichen fest: Nach vorheriger Ausschreibung unter bestimmten Ausschreibungsbedingungen habe die Firma Ing. Josef A vom Kanalbauamt des Magistrates Graz den Auftrag erhalten, einen neuen Sammelkanal in der E-Gasse herzustellen. Mit der Bauaufsicht sei vom Kanalbauamt Karl S betraut gewesen. Der Hauseigentümer Fidelis K habe das Kanalbauamt bei Verhandlungen über eine vorübergehende Grundbereitstellung für die Kanalbauarbeiten darauf aufmerksam gemacht, daß der Kanal knapp am Brunnen vorbeiführe und man daher aufpassen müsse, daß das Wasser nicht verunreinigt werde. Vor Beginn der Grabungsarbeiten habe Fidelis K außerdem den Polier der bauausführenden Firma Ing. Josef A ausdrücklich auf die Nähe des Hausbrunnens zur Straße und darauf aufmerksam gemacht, daß Haus und Brunnen auf Rutschgelände und Rollschotter gebaut seien. Die Grabungsarbeiten für den neuen Hauptsammelkanal seien genau nach den Ausschreibungsbedingungen durchgeführt worden. Im Zuge der Arbeiten habe der alte vorhandene Sammelkanal entfernt werden müssen. Im Bereich des Hauses E-Gasse 23 seien die Grabungsarbeiten schwierig gewesen, weil das Aushubmaterial ausgesprochener Rollschotter gewesen sei; beim Ausheben eines Kanaldeckels seien 1 bis 2 m Rohr des Hauskanals eingebrochen. Bis 29. April 1969 sei das aus dem Hausbrunnen geförderte Wasser klar, ohne Geruch und für den menschlichen Genuß durchaus geeignet gewesen. Durch die Grabungsarbeiten sei das Abflußrohr in den alten Sammelkanal und auch das um den Brunnen herumliegende Erdreich beeinträchtigt worden. Dabei sei das aus dein Brunnen kommende Wasser verunreinigt worden. Am 7. Mai 1969 habe das Kanalbauamt dem Gesundheitsamt mitgeteilt, daß auf der Liegenschaft E-Gasse 23 eine Brunnenwasserverunreinigung hervorgerufen worden sei. In der Folge sei trotz Auspumpens des Brunnens mehrfach festgestellt worden, daß das Brunnenwasser für menschlichen Genuß ungeeignet sei. In den Monaten Juli und August 1969 sei die Wasserversorgung des Hauses von der Nachbarliegenschaft mittels eines Gummischlauches, der zur Pumpe führte, sichergestellt worden. Dieses Wasser sei für den menschlichen Genuß geeignet gewesen. Am 2. September 1969 sei sodann die Liegenschaft an eine Wasserleitung angeschlossen worden. Für den Schaden der Klägerin machte das Erstgericht die beklagte Partei haftbar,da der Bauauftrag nach Ausschreibungsbedingungen der beklagten Partei (Kanalbauamt) erteilt und diese auch die Bauaufsicht über die gesamten Arbeiten gehabt habe. Die beklagte Partei hafte daher für das Verschulden der ausführenden Baufirma. Das Erstgericht lehnte den Anspruch nur deswegen zum Teil ab, weil die Wasserversorgung durch einen Gummischlauch in den Monaten Juli und August 1969 durch Bereitstellung von für den menschlichen Genuß geeigneten Wassers ordnungsgemäß gewesen sei.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin gegen den abweisenden Teil des Klagebegehrens nicht Folge und änderte über Berufung der beklagten Partei den stattgebenden Teil des erstgerichtlichen Urteiles dahin ab, daß es auch diesen Teil des Klagebegehrens abwies. Mit Ausnahme von Feststellungen über die Höhe des Anspruches übernahm das Berufungsgericht die erstgerichtlichen Feststellungen. Daraus folge, daß der Klägerin als Mieterin grundsätzlich gegen den schuldhaften Störer ihres Rechtsbesitzes als Mieterin ein unmittelbarer Schadenersatzanspruch zustehe. Eine schuldhafte Handlung eines Organs der beklagten Partei im Zusammenhang mit dem am 29. April 1969 eingetretenen Schaden an der Brunnenanlage werde jedoch von der Klägerin nicht behauptet. Diese stützte ihren Anspruch auf ein Verschulden der Firma Ing. Josef A, die sie als Erfüllungsgehilfen bezeichnet habe. Eine gesetzliche Leistungs- oder Sorgfaltspflicht habe für die beklagte Partei aber nur der Allgemeinheit, nicht aber der Klägerin gegenüber bestanden. Eine Haftungsverpflichtung nach § 1313a ABGB der Klägerin gegenüber bestehe sonach für die beklagte Partei nicht. Die Behauptung, die beklagte Partei habe sich bei Errichtung des Hauptsammelkanals einer untüchtigen oder wissentlich einer gefährlichen Person bedient, sei nicht aufgestellt worden. Den Schaden habe dann aber nicht die beklagte Partei, sondern nur die beauftragte Baufirma zu verantworten, ungeachtet des auf der Seite der beklagten Partei als Bauherr bestandenen Interesses an der Durchführung der Arbeiten in Gemäßheit der von ihr erstellten Pläne.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Zunächst ist zu beurteilen, auf Grund welcher Rechtslage die von der beklagten Partei in Auftrag gegebenen Arbeiten durchgeführt wurden. Im Bundesland Steiermark besteht ein eigenes Kanalgesetz, LGBl. 70/1955, das jedoch das Gebiet der Landeshauptstadt Graz ausnimmt. Für dieses gelten nach § 75 Z. 2 der Steiermärkischen Bauordnung 1968, LGBl. 149, noch die Bestimmungen der §§ 47 ff. der im übrigen mit Ausnahme des § 84 Z. 6 aufgehobenen Bauordnung für die Landeshauptstadt Graz, LGuVBl. 20/1881. Die §§ 47 ff. wurden in die Bauordnung für die Landeshauptstadt Graz durch das Gesetz LGBl. 61/1936 aufgenommen, wovon nur § 47e (neben § 84 Z. 6) wiederum mit LGBl. 40/1971 aufgehoben wurde. Nach § 47b Abs. 1 bleiben der Stadtgemeinde Graz die Herstellung und Ausgestaltung der Straßenkanäle, deren Erhaltung und regelmäßige Reinigung sowie die Bestimmung des Straßenkanalbaues vorbehalten. Nähere Regelungen fehlen.
Geht man von dieser Rechtslage und den Feststellungen der Untergerichte aus, hat die beklagte Partei im Jahre 1969 solche Kanalbauten in der E-Gasse in Graz auf öffentlichem Gut veranlaßt. Die Arbeiten wurden genau nach den Ausschreibungsbedingungen der beklagten Partei durchgeführt und bestanden zunächst in der Aushebung eines Grabens und der Entfernung des alten vorhandenen Sammelkanals, der sich unter der Erdoberfläche des öffentlichen Gutes befunden hatte. Ein unmittelbarer Eingriff in das Liegenschaftseigentum des Fidelis K an der Liegenschaft Graz, E-Gasse 23, von dem die Klägerin ihre Bestandrechte ableitet, erfolgte nicht. Die beklagte Partei hat damit grundsätzlich nur von ihrem Recht, mit der Substanz des Gründeigentums nach Willkür zu schalten (§ 354 ABGB), Gebrauch gemacht. Die gesetzlichen Grenzen dieser Willkür ergeben sich aus den Bestimmungen der §§ 364 ff. ABGB. Nach § 364 Abs. 1 ABGB darf demnach die Ausübung des Eigentumsrechtes insbesondere nur insofern stattfinden, als dadurch in die Rechte Dritter nicht eingegriffen wird. Nach § 364 Abs. 2 ABGB hat der Eigentümer eines Grundstückes insbesondere dafür Sorge zu tragen, daß den Nachbarn die von seinem Grund ausgehenden Einwirkungen durch Abwässer oder Erschütterungen nicht wesentlich beeinträchtigen. Nach § 364b ABGB darf der Eigentümer eines Grundstückes dieses nicht so vertiefen, daß der Boden des Nachbars die erforderliche Stütze verliert. Nach den Feststellungen der Untergerichte wurden durch die Grabungsarbeiten in der E-Gasse ein Abflußrohr in den alten Sammelkanal und das um den auf der Liegenschaft des Fidelis K befindlichen Brunnen herumliegende Erdreich beeinträchtigt und als Folge das Wasser des Hausbrunnens verunreinigt und für den menschlichen Genuß ungeeignet. Damit wurden die sich aus den oben genannten Bestimmungen ergebenden Pflichten verletzt. Sind hiedurch Schäden entstanden, gewährt die herrschende Rechtsprechung nachbarrechtliche Ersatzansprüche, die nicht als Schadenersatzansprüche nach den §§ 1293 ff. ABGB, sondern als Ausgleichsansprüche bezeichnet werden, die kein Verschulden voraussetzen und am ehesten einem Entschädigungsanspruch aus Anlaß der Enteignung gleichzusetzen seien (SZ 45/7; MietSlg. 23.036; SZ 43/139; vgl. auch SZ 41/84; EvBl. 1969/154 und 300; SZ 38/106; SZ 32/88 u. a.; Klang in seinem Komm.[2] II, 173, 178; Lachout in ÖJZ 1953, 590; Gschnitzer, Sachenrecht, 61). Daß solche Ansprüche zustehen, wenn die Eingriffe in das Eigentumsrecht des Nachbarn von einer behördlich genehmigten Anlage ausgehen (§ 364a ABGB), ist unbestritten, wogegen die Auffassung, ein Verschulden sei nicht erforderlich, bei nur aus den §§ 364, 364 b ABGB abgeleiteten Ansprüche in der Literatur zum Teil sehr heftig bekämpft wird (Ostheim in JBl. 1973, 576; Herz in ÖJZ 1970, 432 und in ÖJZ 1967, 6; Rummel in JBl. 1967, 120ff.; Steininger in JBl. 1965, 418).
Die §§ 364 ff. ABGB dienen dem Schutz des Nachbarn vor übermäßigen Einwirkungen, die von anderen Grundstücken ausgehen. Die Bestimmungen sind auch im Verhältnis zwischen einem Privatgrundstück und einer öffentlichen Straße anzuwenden. Der Oberste Gerichtshof anerkennt in ständiger Rechtsprechung, daß die Gebietskörperschaft, die notwendige Arbeiten durchführen läßt, als Bauherr auftritt und als solcher dem Grundnachbarn gegenüber nach den Grundsätzen des Zivilrechtes haftet (SZ 43/139; EvBl. 1970/226; SZ 38/106; SZ 36/67; SZ 24/312 u. a.). Nichts anderes kann dann gelten, wenn eine Gebietskörperschaft im Rahmen der ihr obliegenden Aufgaben Kanalerneuerungen durchführen läßt. Die aus den §§ 364 ff. ABGB ableitbaren Ansprüche können gegen jeden gerichtet werden, der einen der erwähnten Eingriffe verursacht, wenn auch nur gegen den, der den Grund für eigene Zwecke benützt (SZ 41/84; SZ 38/106; EvBl. 1964/230; Klang, 169). In Anspruch genommen konnte damit im vorliegenden Fall nicht das beauftragte Bauunternehmen, sondern nur die beklagte Partei, für deren (von ihr nach öffentlichem Recht wahrzunehmende) Zwecke der Grund, in dem sich der alte Kanal befand und der neue verlegt werden sollte, benützt wird. Die passive Klagslegitimation der beklagten Partei auf Ausgleichsansprüche nach den §§ 364 ff. ABGB war damit gegeben. Nach einhelliger, sich aus der Einordnung und dem Wortlaut der genannten Gesetzesbestimmungen ("Eigentümer eines Grundstückes": § 364 ABGB; "Grundbesitzer": § 364a ABGB; "Boden oder das Gebäude des Nachbars": § 364b ABGB) ergebenden Auffassung der Rechtsprechung stehen Ansprüche aus den §§ 364 ff. ABGB jedoch nur dem Eigentümer der Nachbarliegenschaft und darüber hinaus noch dinglich Berechtigten, nicht aber den Bestandnehmern des Nachbarn zu (SZ 41/84; EvBl. 1969/300; MietSlg. 21.027/17; SZ 25/124; SZ 23/188 u. v. a.; Ehrenzweig[2] 1/2, 131, II/1, 72; vgl. Klang, 168; Gschnitzer, 60). Die aktive Klagslegitimation für einen aus den §§ 364 ff. ABGB abgeleiteten Anspruch kommt damit der Klägerin nicht zu. Das muß nicht bedeuten, daß Schäden des Mieters gegen den Nachbarn des Liegenschaftseigentümers, von dem der Mieter seine Rechte ableitet, überhaupt nicht geltend gemacht werden können. Die Rechtsprechung vertritt vielmehr die Auffassung, daß den Hauseigentümer die aus § 1096 ABGB abzuleitende Pflicht zur Geltendmachung der Ersatzansprüche des Bestandnehmers im eigenen Namen bei sonstiger Haftung gegenüber dem Bestandnehmer treffe. Das aus dem dinglichen Recht erfließende Recht auf einen Ausgleichsanspruch gegenüber dem Nachbarn umfaßt demnach auch Schäden anderer Personen, die nur mittelbar durch den Bestandgeber Ersatz verlangen können (MietSlg. 21.027/17; ZBl. 1937/298; JBl. 1933, 59; vgl. SZ 15/101; Lachout, 589; Klang, 169, 177). Ob dies uneingeschränkt gilt, muß im vorliegenden Fall nicht untersucht werden.
Die Klägerin stützt ihren Anspruch allerdings nicht auf die Bestimmungen der §§ 364 ff. ABGB, sondern die der §§ 1293 ff. ABGB. Es kann fraglich sein, ob neben dem bisher behandelten Anspruch auch noch (weitere) Schadenersatzansprüche bestehen können. In der Regel wird keine Notwendigkeit zur Beurteilung dieser Frage bestehen, weil der von der Rechtsprechung anerkannte Ausgleichsanspruch insofern alle mit einem Schadenersatzbegehren durchzusetzende Ansprüche mitumfaßt, als er stets auf Leistung voller Genugtuung gehen kann (SZ 45/7; SZ 43/139; JBl. 1966, 319; Gschnitzer, 61). Keine frage kann jedenfalls bestehen, daß die Klägerin die Haftung der beklagten Partei nicht für ein Verschulden des von ihr beauftragten Bauführers Ing. Josef A, dem allenfalls trotz ausschreibungsgemäßen Vorgehens ein Verschulden zur Last gelegt werden könnte, weil er die Warnungen des Fidelis K mißachtete und die Geländesituation zu wenig berücksichtigte, in Anspruch nehmen kann. Bereits aus § 47b der Bauordnung für die Landeshauptstadt Graz ergibt sich, daß irgendeine Leistungsverpflichtung der beklagten Partei gegenüber dem Eigentümer des Hauses E-Gasse 23 oder gar gegenüber einer Mieterin wie der Klägerin nicht bestand. Eine Haftung der beklagten Partei für das verschulden der Firma Ing. Josef A nach § 1313a ABGB ist daher auszuschließen. Die Anwendung dieser Bestimmung setzt nämlich voraus, daß jemand, anstatt selbst eine ihm obliegende Leistung zu erbringen, sich eines anderen zu deren Erfüllung bedient (EvBl. 1970/311 u. a.). Es muß sich dabei um schuldrechtliche (grundsätzlich privatrechtliche: EvBl. 1958/19) Verpflichtungen einer bestimmten Person gegenüber handeln, nicht aber um Fälle, in denen jemandem, allenfalls durch eine Norm, im Interesse der Allgemeinheit eine Verpflichtung auferlegt ist (EvBl. 1974/109; EvBl. 1965/256; vgl. MietSlg. 22.190; JB 50 neu = SZ 18/150). Eine Haftung für ein Verschulden des Bauunternehmers Ing. Josef A nach § 1315 ABGB kommt ebenfalls nicht in Betracht, auch wenn selbst ein befugter Gewerbsmann und damit ebenso ein befugter Bauunternehmer untüchtig sein kann und die Untüchtigkeit dem Haftenden nicht bekannt gewesen zu sein braucht (EvBl. 1974/109 u. a.). Ausreichendes Vorbringen der Klägerin in dieser Richtung wurde, obwohl sie beweispflichtig ist (EvBl. 1968/24 u. a.), nämlich nicht erstattet. Wenn die Revision auf die Behauptung grober Fahrlässigkeit verweist, reicht dies nicht aus, da jene nicht schlechthin mit Untüchtigkeit gleichzusetzen ist. Untüchtig ist eine Person vielmehr dann, wenn sie die für eine bestimmte Tätigkeit erforderlichen Kenntnisse überhaupt nicht besitzt oder charakterlich geradezu unzulänglich ist (JBl. 1968, 473; SZ 26/96 u. a.). In der Regel wird deshalb auch habituelle Untüchtigkeit vorausgesetzt (SZ 41/47; JBl. 1968, 473; SZ 27/311 u. v. a.).
Der Revision ist allerdings beizupflichten, daß die Klägerin auch ein Verschulden von Organen der beklagten Partei behauptet hat. Ihr Vorbringen muß, selbst wenn sie späterhin behauptete, die beklagte Partei habe für ihren Erfüllungsgehilfen zu haften, auch dahin verstanden werden, es liege Verschulden der eigenen Organe der beklagten Partei vor. Das Erstgericht hat den Standpunkt der Klägerin auch durchaus so verstanden, stellte es sodann doch auch fest, daß das Straßenbauamt der beklagten Partei die Ausschreibungsbedingungen und damit die Art der Errichtung des neuen Kanals bestimmte, aber auch die Bauaufsicht führte. Wenn das Berufungsgericht seine Entscheidung also allein auf den Mangel der Voraussetzungen für eine Haftung nach § 1313a ABGB abstellte, kann ihm nicht gefolgt werden. Grundsätzlich haftet eine juristische Person allerdings außerhalb der Gehilfenhaftung nach § 1313a ABGB nur für unerlaubte Handlungen derjenigen Vertreter, die unmittelbar durch die Verfassung zu ihrer Vertretung berufen sind; eine solche Haftung besteht also nicht für Personen, deren sie sich zur Besorgung ihrer Angelegenheiten bediente; die juristische Person haftet für den Schaden, der infolge eines Verschuldens eines Besorgungsgehilfen entstanden ist, nur im Rahmen des § 1315 ABGB oder bei einem dem verfassungsmäßigen Organ der juristischen Person anzulastenden Überwachungsverschulden oder Organisationsmangel (SZ 44/45; EvBl. 1965/256 und 257 u. v. a.). Ansprüche aus Verschulden bei Erfüllung von Aufgaben der Hoheitsverwaltung, an das in diesem Zusammenhang wohl am ehesten zu denken ist, kann die Klägerin allerdings mit der gegenständlichen Klage nicht geltend machen, weil sie ihre Klage nicht auf das Amtshaftungsgesetz stützte und daher, soll nicht Unzulässigkeit des Rechtsweges vorliegen (SZ 43/78 u. v. a.), im Zweifel angenommen werden muß, daß sie die Haftung der beklagten Partei nur im Rahmen ihrer Privatwirtschaftsverwaltung in Anspruch nimmt. Selbst wenn man nun davon ausgehen wollte, daß die Ausgestaltung der Straßenkanäle ebenso wie der Bau und die Instandhaltung von öffentlichen Straßen (SZ 45/134) wenigstens zum Teil dem privatwirtschaftlichen Aufgabenbereich der Gemeinde zu unterstellen wäre, was mangels präziser Klagsbehauptungen über das angebliche Verschulden bestimmter Organe der beklagten Partei nicht abschließend beurteilt werden kann, und man darüber hinaus anerkennen wollte, die beklagte Partei hafte nach § 1315 ABGB, wäre für die Klägerin dennoch nichts gewonnen. Der Schaden der Klägerin ist nämlich nicht durch Einwirken der beklagten Partei oder ihrer Organe auf die Rechte der Klägerin eingetreten, er entstand vielmehr, wie bereits ausgeführt wurde, durch in Verletzung der Beschränkungen der §§ 364 ff. ABGB vorgenommene Handlungen auf dem Grund der beklagten Partei, als deren Folge Schäden am Brunnen und damit am Eigentum des Fidelis K entstanden. Erst dadurch, daß der Klägerin im Rahmen ihres Mietvertrages auch Wasserbezugsrechte aus dem Hausbrunnen zustanden, wurde auch ihr ein Schaden zugefügt. Soweit es sich um Schäden handelt, die die Klägerin allenfalls selbständig über die vom Vermieter einzuklagenden oben erwähnten Ansprüche hinaus geltend machen könnte, ist daher die in Rechtsprechung und Lehre schon vielfach behandelte Frage der Haftung für sogenannte Drittschäden zu beurteilen. Haftung für Schäden, die nicht in der Richtung des Angriffes des schuldhaft Handelnden, sondern infolge einer Seitenwirkung in einer Interessensphäre eingetreten sind, die nicht durch das Verbot des Angriffes geschützt ist, wird nach ständiger Rechtsprechung abgelehnt; die Grenze der Haftung bestimmt sich dabei nach dem Schutzzweck der verletzten Gesetzesnorm (EvBl. 1973/173 und 174; ZVR 1972/27; EvBl. 1971/340; SZ 34/112 u. v. a.; vgl auch Ehrenzweig [2] II/1, 72; Koziol - Welser, Grundriß des bürgerlichen Rechts[3] 1, 303; Gschnitzer, Schuldrecht Besonderer Teil und Schadenersatz, 167; Wedl in ÖJZ 1958, 645, 648; Klang in Festschrift zur Jahrhundertfeier des OGH, 133). Der durch die Rechtsprechung anerkannten Abgrenzung unter Verwendung der Begriffe "unmittelbarer" und "mittelbarer Schade" wurde allerdings in letzter Zeit entgegengetreten (Kramer in ZVR 1974, 129 und in ZVR 1971, 141; Posch in JBl. 1973, 565; Migsch in VersRdSch. 1974, 109). Kramer in ZVR 1971, 146 vertritt die These, daß bei der Zurechnung von Schäden nach der herrschenden Adäquanztheorie normativ zu fragen sei, ob der zu beurteilende Schaden im Schutzzweck der übertretenen Norm liege (vgl. auch ZVR 1974/132). Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht I, 115 stellt bei der Abgrenzung der Haftung auf den Rechtswidrigkeitszusammenhang und bei dessen Prüfung auf den Normzweck ab; auf Grund eines rechtswidrigen Verhaltens soll nur für jene verursachten Schäden gehaftet werden, die vom Schutzzweck der Verbotsnorm erfaßt werden, wenn sie gerade diese Schäden verhindern wollte; die Norm müsse gerade den Schutz des Geschädigten bezwecken, aber auch die Art des Schadens müsse vom Normzweck erfaßt sein (116). Auch Migsch 118 will auf die Verkehrsnormen abstellen und aus ihnen beurteilen, inwieweit weiter entfernt liegende oder ungewöhnliche Schädigungen zu erfassen sind; er will die Probleme des mittelbaren Schadens in die Sphäre der allgemeinen Schadenszurechnung verschieben (122). Übereinstimmung besteht jedoch darin, daß eine uferlose untragbare Ausweitung der Schadenersatzhaftung abgelehnt werden muß. Zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangte die jüngste Rechtsprechung (vgl. EvBl. 1972/296 einerseits und EvBl. 1972/297 sowie EvBl. 1973/174 andererseits) nur bei Beurteilung der Frage, inwieweit bei Beschädigungen von Strom- oder Fernsprechkabeln bei den Strombeziehern und Fernsprechteilnehmern unmittelbarer Schaden eintrete bzw. ob diese noch vom Schutzzweck der in Betracht kommenden Normen mitumfaßt seien. Zu diesen Streitfragen (Überspannungsschäden - Ausfallsschäden) muß jedoch im vorliegenden Fall nicht Stellung genommen werden, da die beklagte Partei durch ihr Verhalten, wie bereits oben ausgeführt wurde, nur gegen Vorschriften verstoßen hat, die schon nach ihrer Einordnung im Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch unmißverständlich nur das Eigentumsrecht betreffen; nur dieses Recht soll einerseits begrenzt und andererseits geschützt werden. Der Zweck der von der beklagten Partei verletzten Normen bezieht also den Schutz desjenigen, der vom geschützten Eigentümer nur obligatorische Rechte ableitet, nicht ein. Koziol, 119 meint zur Rechtslage bei Verstoß gegen eine Verhaltenspflicht, die den Schutz fremden Eigentums bezweckt, allerdings, daß das Kriterium des Rechtswidrigkeitszusammenhanges nicht dazu führe, daß nur der Schaden an dem absolut geschützten Eigentumsrecht in den Schutzbereich der die Haftung begrundenden Verhaltensnorm falle; auch weitere Schäden (Folgeschäden) des Rechtsinhabers seien zu ersetzen.
Rechtsinhaber ist aber wiederum nur der Eigentümer, nur dessen Folgeschäden, nicht aber die Schäden anderer, die als Folge der Eigentumsverletzung entstanden, sind zu ersetzen. Entsprechend dem sachlichen Rechtswidrigkeitszusammenhang soll (Koziol, 230) demnach auch nur der Schaden ersetzt werden, der einem Eigentümer einer Sache typischerweise entstehen kann; es kann nur statt des Interesses des formellen Eigentümers jenes des eigentlich Betroffenen herangezogen werden; zusätzliche Schäden Dritter werden hingegen nicht ersetzt. Der Umfang der Ansprüche und der Kreis der Anspruchsberechtigten aus Schäden, wie sie durch die Kanalbauführung der beklagten Partei entstanden, können damit auch unter Berücksichtigung des allgemeinen Schadenersatzrechtes keine anderen sein als nach den §§ 364 ff. ABGB. Es läßt sich nicht begrunden, warum der für aus den §§ 364 ff. ABGB abgeleitete Forderungen nicht anspruchsberechtigte Mieter aus den §§ 1293 ff. ABGB selbständige Rechte ableiten können soll. Der Mieter kann vielmehr, wie schon die Entscheidung SZ 23/188 ausgesprochen hat, auch aus dem Titel des Schadenersatzes nicht quasi-dinglichen Rechtsschutz fordern; Schadenersatz kann vielmehr, soweit es sich nicht um eine objektive Rechtswidrigkeit handelt, nur derjenige verlangen, dessen dinglichen oder obligatorischen Rechte verletzt wurden; ein dingliches oder quasi-dingliches Recht steht dem Bestandnehmer nicht zu, sein obligatorisches Recht richtet sich aber nur gegen seinen Vertragspartner und darüber hinaus noch gegen diejenigen Personen, die ihn aus der Ausübung seines Bestandrechtes verdrängt haben, nicht aber gegen andere Personen. Eine objektiv rechtswidrige Handlung, die jedermann zur Geltendmachung eines Schadenersatzanspruches ohne Rücksicht auf ein bestehendes Vertragsverhältnis berechtigen würde, liegt bei Verletzung der §§ 364 ff. ABGB jedoch nicht vor. Ehrenzweig hat demgemäß die Anspruchsberechtigung des Mieters bei Behandlung des Schadenersatzrechtes behandelt und abgelehnt (vgl. auch Gschnitzer, Schuldrecht Besonderer Teil und Schadenersatz, 65).
Ist aber die Klägerin zur Geltendmachung des ihr entstandenen Schadens nicht berechtigt, hat das Berufungsgericht den gesamten Anspruch der Klägerin im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
Anmerkung
Z47140Schlagworte
Ausgleichsansprüche, kein Recht des Mieters auf - oder, Schadenersatzansprüche bei Schaden als Folge der Verletzung des, Eigentumsrechtes des Vermieters, Mieter, kein Recht auf Ausgleichs- oder Schadenersatzansprüche bei, Schaden als Folge der Verletzung des Eigentumsrechtes des Vermieters, Schadenersatzansprüche, kein Recht des Mieters auf Ausgleichs- oder -, bei Schaden als Folge der Verletzung des Eigentumsrechtes des VermietersEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1974:0010OB00196.74.1204.000Dokumentnummer
JJT_19741204_OGH0002_0010OB00196_7400000_000